Metalinside.ch - Die Toten Hosen - Moon & Stars 2013 - Foto pam
Sa, 6. Juli 2013

Moon & Stars 2013 – Die Toten Hosen

Piazza Grande (Locarno, CH)
28.07.2013

Gemütliche Tage wie diese

Moon & Stars auf der Piazza Grande während einem wunderschönen, warmen Sommerabend. Vom Ambiente her kann das Moon & Stars – das sein 10jähriges Jubiläum feiert – kaum getoppt werden. In einer ähnlichen Liga spielt noch das Rock Oz’Arènes im Amphitheater von Avenches. Heute Abend mit den Die Toten Hosen …

Für Bands wie Zucchero, Eros Ramazotti, Brian Adams, Roxette und somit für die Clientèle die im Tessin Ferien macht, scheint die Bühne mitten auf der Piazza Grande perfekt zu sein. Aber wie verhält sich das mit einer Punkrock-Band? Klar, Lieder wie „Tage wie diese“ gehören mittlerweile ja auch zum Mainstream und laufen am Radio rauf und runter. Drum begleit mich heute eine kleine Befürchtung, das heute eben viele Tage-wie-diese-Leute im Publikum sind. Dafür spricht, dass ein grosser Teil ohne Hosen-Shirt unterwegs ist. Dagegen jedoch, dass das Konzert als einziges des diesjährigen M&S praktisch seit dem Start des Vorverkaufs ausverkauft ist.

Doch die ersten Reihen nehmen meiner Befürchtung schon mal so richtig Wind aus den Segeln. So soll es zumindest schon mal stimmungsmässig ein Hammerabend werden. Es wird – wie es sich gehört – gepoggt, getanzt, mitgesungen – also nix von Dolce far niente. Hosen-typisch werden Fahnen geschwenkt und fleissig Pyros gezündet. Und dennoch scheint am M&S alles ein bisschen entspannter – aber das liegt ja auch auf der Hand bei diesem Ambiente, schönstem Wetter und am Ende das Tages sind wir ja im Tessin, wo man nicht immer alles ganz so für bare Münze nimmt. Und die Tage-wie-diese-Ferien-Fraktion scheint weit weg zu sein, zumindest schön diskret im Hintergrund.

Vieles wiederholt sich heute vom schon ziemlich coolen Konzert im Hallenstadion vom letzten Dezember. Die Setlist wurde dem Festivalcharakter ein bisschen angepasst – ein, zwei Klassiker mehr – inklusive einer Referenz ans Tessin. Dazu mehr später. So kennen wir auch schon die Ansage von Campino, dass wir eigentlich alles besser singen können als sie und bei „Paradies“ jemand aus den vorderen Reihen den zweiten Teil des Lieds fertig singen darf oder soll. Und auch die Androhung, dass wer dabei den Text nicht kennt und versagt, geteert und gefedert aus der Stadt geschmissen wird. Ein bisschen mehr Spontanität täte auch einer routinierten Band wie den Hosen gut.

Nun, Laura und Julia – zwei Mädels aus Graubünden – trauen sich zu, die Stadt so zu verlassen, wie sie gekommen sind. Und in der Tat, die beiden Hüpfen und Singen inklusive Gekreische als hätten sie nie was anderes gemacht. Da läuft es einem wieder Mal glatt kalt den Rücken runter. Was bei diesem heissen Temparaturen – wir haben eine Tropennacht vor uns – ganz angenehm ist. Am Ende des Songs dann die obligate Frage von Campino zu den Mädels: „Könnt ihr Stagediven?“. Und schon fliegen die beiden – die eine Bündnerin mit Zusatzschub von Campino.

Auch sehen sich die Toten Hosen immer noch als Kulturbotschafter ihres Heimatlandes, um bei Konzerten im Ausland jüngere deutsche Bands vorzustellen. Und einmal mehr gibt es da eine Band aus Berlin, die eine Chance verdient habe. Schrei nach Liebe. Und wie immer kommt die Hommage an die zweite grosse deutsche (Punk-) Rockband bei den Leute sehr gut an. Wenn ich auch nach wie vor die Version vom Original-Trio bevorzuge. Die obligaten Nazis-Raus-Rufe ertönen, was Campino einmal mehr erfreut. Dies sei jeden Abend der schönste Chor.

Nach gut der Hälfte des Konzerts fragt sich Campino bzw. wohl auch uns, warum man die „Scheissromantiker aus Düsseldorf erst heute eingeladen hat?“. Nach ein paar Ich-Sing-vor-und-ihr-nach-Hallelujas (Hammerlaut) – gibt uns Campino gleich selber die Antwort, warum die „Chefromantiker“ erst heute, nach 10 Jahren M&S, eingeladen wurden: „Weil heute der Tag des Kusses ist.“ Bevor sich dann Campino Kuddel schnappt, gibt es noch einen Live-Mitschnitt, welcher während der Weihnachtsshow in Düsseldorf gezeigt werden soll. Die Jungs wollen die Hammerstimmung für die Fans zu Hause festhalten.

Campino lässt das Publikum was in eigener Wahl singen. Anfangs passiert nichts, bis dann die Ooohohohoooooohoho (sinngemäss) von White Stripes‘ „Seven Nation Army“ ertönen. Und das verdammt laut. Die Häuserschlucht ist nicht nur für ein einmaliges Ambiente gut, sondern verstärkt den Fangesang zusätzlich. Wer da nicht abgeht, der gehört zur erwähnten Fraktion im Hintergrund.

Und ja, der Tag des Kusses zelebriert Campino indem er seine Lippen auf die von Kuddel presst. Der erwidert diesen ziemlich heftig, so dass sich Campino irgendwann fast wieder losreissen muss. Genug der Romantik.

Die Stimmung bei Campino kippt dann auch im Handumdrehen vom Chefromantiker zum Ultra-Fortuna-Fan. „Wir sind als Freunde gekommen, aber was macht ihr? In einem Testspiel (Anm. des Schreibenden: Uhrencup in Grenchen) schlägt der FC Basel unsere Fortuna (Fortuna Düsseldorf) 3:0. Aber ein Fortuna Fan muss Aufstehqualitäten haben und so müssen wir Busse tun, indem wir uns alle auf der Piazza Grande auf den Boden setzen sollen … bis der Refrain „Steh auf, wenn du am Boden bist …“ ertönt. Dann springt die Masse routiniert hoch und hüpft noch ein bisschen weiter. Das kennen wir natürlich schon von den die Toten Hosen aus zig anderen Konzerten, aber trotzdem immer wieder cool.

Vieles hatten wir wie erwähnt schon im Hallenstadion erlebt, aber heute ist einfach alles noch ein bisschen besser, stimmungsvoller. Insbesondere „Hier kommt Alex“ kommt dieses Mal um Welten besser. Der Klassiker schlechthin bekommt dieses mal die Aufmerksamkeit, den er verdient. Campino springt nach rund der Hälfte des Gassenhauers mit einem beachtlichen Satz in die ersten Reihen und singt die andere Hälfte sowie den Anfang von „Wünsch dir was“ crowd-surfend bzw. auf der Schultern eines Fans.

Mein erstes die Toten Hosen-Konzert vor vielen Jahren war eine Riesenenttäuschung. Das zweite viele Jahre später, dann schon ziemlich geil. Und heute fehlen mir schlicht weg die Worte. Egal was noch kommt, die 10 (Bewertung) haben die Düsseldorfer praktisch auf sicher. Es sind halt doch Tage wie diese, warum wir Musik so lieben und über Metalinside unsere Leidenschaft mit euch teilen. Und so passt dann auch der aktuelle Überhit als Hymne zum heutigen Abend.

Leider sind dann auch schon wieder alle Natels oben und es wird gefilmt, als gäbe es nicht schon zig tausend Versionen davon im Netz. An dieser Stelle einmal mehr der Apell von James Hetfield – welchen ich 100% unterstütze – geniesst doch das Konzert, anstelle auf die Mini-Bildschirme zu starren. Die Qualität ist dann eh meist Scheisse und ihr verpasst, was live auf der Bühne und rundherum abgeht.

Nach „Tage wie diese“ verlassen die Hosen zum ersten Mal die Bühne. Nach 80 schweisstreibenden Minuten. Die Piazza Grand wurde während dem Tage von der Sonne so richtig aufgeheizt, die Hosen bzw. die Hammerstimmung sorgt jetzt dafür, dass dies auch so bleibt und das Kopfsteinpflaster weiter glüht.

Beim Abendessen mit Kollegen und Kolleginnen haben wir noch drüber gesprochen bzw. ich schwer gehofft, dass ja im Tessin „Azzuro“ eigentlich Pflicht wäre … Campino zwei, drei Stunden später dazu: „Zum ersten Mal seit 4 Jahren und ohne einmal geprobt zu haben – speziell fürs Tessin …“ Jetzt wissen wir, die Hosen sehen das zum Glück genau so. Jetzt ist es eine 10Plus. Nach Azzuro lässt uns Campino wissen: „Das ist der Wahnsinn. Ich glaube ich habe während der ganzen Tour nie mehr entgeisterte und enttäuschte Gesichter gesehen. Wir können es nicht besser. Das war ein Kompliment an euch.“

Da irrt sich Deutschlands-Vorzeige-Punkrocker aber gewaltig in unseren Gesichtern. Die wenigen Tessiner die anwesend sind, haben sich einfach amüsiert ab dem verpunkten italienisch, während der Rest einfach paralysiert war, dass wir dieses Cover zur Fussball-WM 1990  von Adrian Celentanos Klassiker einmal live erleben dürfen. Die brodelnde Stimmung wird jetzt knallhart ausgenützt, es folgt „Jägermeister“ und „Auf Wiedersehn“. Bei letzterem gibt es für mich eine Schreibpause, da muss ich einfach mitgehen. Geht nicht anders.

Nach „Draussen vor der Tür“ ist es bereits Viertel nach Elf. Zwei Stunden Punkrock-Party auf der Piazza Grande und noch keiner hat genug. Auch Campino scheint es ähnlich zu sehen: „Als wir unseren Schweizer Freunden erzählten, dass wir ans M&S eingeladen wurden, sagten die uns, dass dies so ziemlich das Beste ist, wo man in der Schweiz spielen kann. Und sie hatten recht.“ Mit „All die ganzen Jahre“ und dem wieder obligaten „You Never Walk Alone“ zum Abschluss, ist eines der besten Konzerte, das ich ever erlebt habe, um 23.30 Uhr definitiv vorbei.

Das Fanzit – Moon & Stars – Die Toten Hosen

Zwei Stunden und Fünfzehnminuten. 10Plus. Ich behaupte jetzt einfach Mal so, dass dies eines der besten Konzerte auf der Piazza Grande überhaupt war und von der Stimmung her kaum zu toppen sein wird.

Setliste – Die Toten Hosen

(ohne 100%ige Gewähr – zu geiles Konzert um immer mitzuschreiben):

Intro (Blitzkrieg Bop – The Ramones)

  1. Ballast der Republik
  2. Altes Fieber
  3. Auswärtsspiel
  4. Liebesspieler
  5. Das ist der Moment
  6. Alles was war
  7. Bonnie & Clyde
  8. Ein guter Tag zum Fliegen
  9. Sascha
  10. Paradies (mit Laura und Julia)
  11. Niemals einer Meinung
  12. Alles aus Liebe
  13. Pushed Again
  14. Schrei nach Liebe (von einer jungen Band aus Berlin)
  15. Liebeslied
  16. Steh auf, wenn du am Boden bist
  17. Hier kommt Alex
  18. Wünsch dir was
  19. Tage wie diese
  20. Bommerlunder
  21. Azzuro
  22. Hang On Snoopy
  23. Reisefieber
  24. Alles wird vorübergehen (?)
  25. Far Far Away (Slade Cover)
  26. Schönen Gruss, auf Wiedersehn
  27. Draussen vor der Tür
  28. All die ganzen Jahre
  29. Freunde
  30. You ll Never Walk Alone

Fotos – Moon & Stars 2013 – Die Toten Hosen (pam)


Festival Foto Festival Review Bewertung

Autor Bewertung: 10/10



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28.07.2013
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