NEOPERA – Destined Ways

Symphonic Metal
18.06.2014

NEOPERA gibt es schon länger. Also seit 2010/11, glaube ich. 2012 oder 13 hörte man/ich aber das erste Mal was von ihnen. Da wurde gross ein Video angekündigt, danach war es plötzlich lange still und die Band wie vom Erdboden verschluckt, die Website leer. Im Oktober 2013 wurde dann doch mit The Marvel of Chimera das Lyrics Video veröffentlicht. Danach kam wieder lange nichts mehr. Und jetzt wissen wir endlich, dass ihr Erstling diesen Juli, genauer gesagt am 11.7., erscheinen wird.

Und ihr dürft gespannt sein. Offiziell macht die Band Symphonic Metal – und nein, nein, nein, ihr werdet jetzt nicht sofort damit beginnen, Neopera in eurem Geist mit Bands wie Nightwish, Epica oder Rhapsody of Fire gleichzusetzen und abzustempeln. Elemente dieser Bands hört man in Destined Ways durchaus auch, aber dieses Debüt ist viel, viel mehr, und für ein Debütalbum von unglaublicher Qualität. Das hängt sicherlich auch damit zusammen, dass die Musiker allesamt mehr als genau wissen, was sie tun und keine Neulinge im Musikgeschäft mehr sind.

Dirk Schlächter ist seines Zeichens auch Bassist von Gamma Ray (und der weltbeste Bassist in meinen Ohren und Augen, nur damit das mal gesagt ist – ja, es gibt wirklich Leute, die beachten und mögen Bassisten), Jörn Schubert ist Gitarrist von Dark Age, der zweite Gitarrist Mikis Trimborn ist professioneller Gitarrenlehrer, Thorsten Schuck ist ausgebildeter Sänger und Gesangslehrer, Nina Jiers hat – soviel ich weiss – ebenfalls eine klassische Gesangsausbildung, Mirko Gluschke (Shouts) ist ebenfalls noch in einer anderen Band (Dead End Circle) tätig und… es sollte also nicht wirklich überraschen, dass Neopera Musikgenuss auf sehr hohem Niveau bieten. Dass ich persönlich doch ein wenig überrascht bin, liegt daran, dass die Kombination von Klassik und Metal mich bisher nicht wirklich hat überzeugen können. Das war für mich immer entweder zu ruhig oder zu… naja, zu Nightwish-ig irgendwie. Glücklicherweise sind Neopera weder das eine noch das andere.

Bevor ich zur eigentlich Review komme, möchte ich nur noch etwas anmerken: Neopera sind in Hamburg zu Hause, womit einmal mehr bewiesen wäre, dass die da oben irgendetwas im Wasser haben müssen, das musikalisches Talent fördert…  Vielleicht ist es das schlechte Wetter, das die Leute dazu motiviert zu Hause zu bleiben und ein Instrument zu lernen? Was auch immer es ist, die Welt wäre um einiges ärmer ohne es.

Nun zu Destined Ways: Das Album beginnt mit dem bereits erwähnten Marvel of Chimera. Dass auf dem Opener sehr viel Gewicht liegt, dessen scheint man sich bei Neopera sehr wohl bewusst zu sein. The Marvel of Chimera ist der wohl am einfachsten zugängliche, eingängigste Track auf Destined Ways. Nach einem kurzen, bereits kraftvollen Auftakt, der mit den Vocals aber trügerische Ruhe suggeriert, werden uns schon das erste Mal herrliche Shouts um die Ohren gehauen und klar gemacht, dass wir hier definitiv nicht Epica oder Nightwish hören. Das folgende Zusammenspiel der drei Sänger ist mehr als nur gelungen. Ich denke, The Marvel of Chimera wird sich lange im Live Set der Band halten können, denn der Song hat alles, was eine richtige Bandhymne braucht: Power, gute Hooklines, keine Längen, einen eingängigen Refrain, der auch mitgesungen werden kann… was will man mehr?

A Call to Arms ist eher ein wenig ruhig gehalten, hier gefällt mir vor allem das Instrumentale (der Anfang ist der Hammer) – das Hören mit guten Kopfhörern sei wärmstens empfohlen, damit einem bei der Bridge die Streicher im Hintergrund nicht entgehen. Remote ist einer meiner Favoriten, weil… na? Genau, weil da Latein vorkommt in dem Song (hey, man nimmt sich kleine Freuden im Leben, wo man sie findet).  Der Song beginnt eher unspektakulär, wenn auch sehr solide, aber dann kommt die Bridge, mit super Gitarrensolo und wunderbarem Chor im Hintergrund und dann Nina alleine uuuund dann Latein! Yes! Ob es korrekt ist, kann ich ohne Lyrics schwer sagen, es klingt aber immerhin nicht kreuzfalsch. Und es klingt wirklich, wirklich episch. Gerade auch wenn dann die Shouts wieder einsetzen… hach… okay, weiter im Text, sonst bin ich 100 Jahren noch hier.

Der Titeltrack ist sehr ruhig gehalten, die Bridge ist hier ganz klar das Beste, die ist einfach absolut genial. Ich möchte erwähnen, dass man Nina und Thorsten wirklich anhört, dass sie eine klassische Gesangsausbildung haben, manchmal wähnt man sich wirklich in einer Oper oder einem Musical, was mir als Musical- und Opernliebhaber (ob man’s glaubt oder nicht), sehr gefällt. Falling Water hat in mir einen sehr scharfen Kritiker, denn normalerweise mag ich keine opernhaft singenden Frauen im Metal. Die Ausnahme ist, wenn sie zusammen mit Männern singen.

In Falling Water (die Ballade) gibt Nina nun aber einen Alleingang durch… Und der Song ist einfach wunderschön. Vor allem die Streicher und das Klavier im Hintergrund… der ganze instrumentale Hintergrund ist eine wunderbare Basis für Ninas Stimme, und dass beim Refrain „what will be, will be“ „que sera, sera, whatever will be, will be“ mitschwingt, mag oder mag nicht Absicht sein, aber ich finde solche Intertextualitäten immer toll, ob sie nun beabsichtigt sind oder nicht. The Greed scheint auf den ersten Blick eher ein Durchschnittstrack zu sein, aber die Flötensoli, die immer wieder eingespielt werden, geben dem Song eine ganz eigene Note und machen ihn doch zu etwas Besonderem. Error erinnert vom Instrumentalen her ein wenig an Blind Guardian – zumindest bis sich die Orgel zu Wort meldet. Die Bridge ist dann wieder fast ein Stilbruch und würde auch gut in einen Action Schwert-Schwing Film passen. Mir fällt auf, dass ich häufig die Bridge erwähne in dieser Review. Ich hoffe, ihr seht es mir nach, aber Tatsache ist, dass Neopera den instrumentalen Zwischenteilen scheinbar besondere Aufmerksamkeit haben zukommen lassen, anders kann ich mir diese Qualität fast nicht erklären.

Last Pantomime besteht zu Beginn so gut wie nur aus Orchester und Thorstens Stimme. Das funktioniert sehr gut, da – ich hab es schon ein-, zweimal erwähnt – Thorsten dafür ausgebildet ist. Und das hört man einfach. Sehr, sehr guter, fesselnder Track, auch das Gitarrensolo lässt keine Wünsche offen. Könnte gut Part eines Musicals sein. Equilibria scheint ebenfalls relativ lange ein Durchschnittssong zu sein, gegen Mitte hin ändert sich das aber radikal, wenn Mirko mit seinen Shouts loslegt, teils noch unterstützt von diesem verdammt epischen Chor – mir gehen langsam die Worte aus, um dieses Album zu loben. Aber wenn wir schon von Epik reden: Requiem (nein, nicht for a Dream, aber was den Epik-Faktor angeht, kann es fast mithalten), beginnt in bester Filmmusik-Manier. Die Streicher sind hier sehr eminent, dazu der äusserst cinematische Chor… die 1 ½ Minuten sind definitiv viel zu schnell vorbei.

Song of Revenge nimmt die Epik mit in Form von lateinischem Chorgesang (yes!), wird aber durch die Gegenüberstellung von Shouts gleich viel interessanter, als es lateinischer Chorgesang allein (so cool er auch ist) jemals sein könnte. Auch diese 3 Minuten sind viel zu schnell vorbei. Und somit sind wir auch schon (schon?) beim letzten Song. The Unspeakable. Der Song ist echt gut, vor allem der Chorus, aber im Vergleich mit den restlichen Songs hätte ich mir vom Rausschmeisser doch eine Spur mehr erhofft. Er fährt halt mehr auf der emotionalen Schiene, ich bin mehr ein Fan der harten Schiene. Andere werden das sicher anders sehen.

Fanzit: Destined Ways ist vieles, aber ganz bestimmt kein typisches Debütalbum. Jeder Song auf dem Album hat eine besondere Magie, manche haben mehr davon, manche weniger; manche sind emotionaler und ruhiger, manche eher härter und metallischer. Dass Album sollte zumindest zu Beginn aufmerksam und auf einer guten Anlage und/oder mit guten Kopfhörern genossen werden, damit einem nichts von den sorgfältigen Arrangements im Hintergrund entgeht. Wer Freude hat an Band wie Rhapsody of Fire, Nightwish oder Epica sollte hier unbedingt reinhören. Auch Freunde des Power Metals oder allgemein Melodic Metal können fast nichts falsch machen mit Neopera – man muss allerdings die Gesangsart von Musicals mögen. Weiter muss ich eigentlich gar nicht mehr grosse Worte verlieren: Hier gehen Klassik und Metal eine Liebesbeziehung ein, die tatsächlich funktioniert, die nie langweilig wird, und die hoffentlich zu jenen wenigen Glücklichen gehört, die lange halten. Wenn Destined Ways Neopera nicht eine steile Karriere beschert, dann würde etwas arg, arg schief laufen in dieser Welt.

 

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Trackliste

  1. The Marvel of Chimera
  2. A Call to Arms
  3. Remote
  4. Destined Ways
  5. Falling Water
  6. The Greed
  7. Error
  8. Last Pantomime
  9. Equilibria
  10. Requiem
  11. Song of Revenge
  12. The Unspekable

 

Laufzeit: 53:20

 


Album Review Bewertung

Autor Bewertung: 10/10



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