Metalinside.ch - In Flames - Komplex 457 Zürich 2014 - Foto Röschu
Fr, 3. Oktober 2014

In Flames, Wovenwar, While She Sleeps

Komplex 457 (Zürich, CH)
06.10.2014

Pop-Band?

Ausgangslage: Ein Urgestein des Melodic Death Metals bringt ein neues Album raus. Es hagelt Kritik von allen Seiten, die Band wird in zahlreichen Reviews als Pop-Band beschimpft, die Promotion besteht hauptsächlich aus Rechtfertigungen. Resultat: Der Untergang einer DER Metalbands der vergangenen Jahre? Mitnichten! IN FLAMES spielen Ihre Kritiker regelrecht an die Wand – und sorgen im Komplex 457 für einen unvergesslichen Start in den Metal-Herbst!

Ein Album-Review soll dies nicht werden. Aber ohne sich zu Siren Charms wenigstens ein paar Gedanken gemacht zu haben, kann man die Show von In Flames in Zürich kaum richtig einordnen.  Die Erwartungen an das neue Album und die eben gestartete Tour waren riesig und wurden durch die Absage sämtlicher Festivalauftritte dieses Jahr noch zusätzlich gepuscht. Und dann folgt auf die Veröffentlichung der neuen Scheibe ein regelrechter Shitstorm: Als Popmusik und als Verrat an der eigenen Identität abgetan, blieb in vielen Reviews und Kommentaren kaum ein gutes Haar an den Mitgründern des Melodic Death.

Zugegeben: Siren Charms reisst wohl die wenigsten Metalhead so einfach von den Socken. Und dass man sich noch einmal ein gutes Stück vom ursprünglichen Stil entfernt hat, steht ausser Frage. Aber ist dies ein Grund, die Arbeit der Schweden von Beginn weg in Stücke zu reissen? Es wäre bestimmt ein Leichtes, sich hier einfach dem Tenor der Allgemeinheit hinzugeben – es wäre aber weder fair noch objektiv.

In Flames können mit Kritik umgehen, scheinen sich daran gar überhaupt nicht zu stören. Wieso sollten sich auch. Sie machen was zu ihnen passt – und das machen sie richtig! In Flames sind erwachsen geworden. Sich verändern, den eigenen Stil weiterentwickeln, seinen Weg gehen: Es ist ein Erfolgsrezept, welches zu Kontroversen führt und Kritiker auf den Plan ruft, so wie dies bei jeder noch so kleinen Veränderung der Fall ist. Aber die Jungs setzen konsequent auf Ihre Idee von Musik, auf die eigenen Stärken. Und diese funktionieren auch weit über die Grenzen des Melodic Death Metals hinaus. Die beiden Lead-Gitarristen Björn und Niclas harmonieren auch in ruhigeren Titeln wie With Eyes Wide Open perfekt, ihr Zusammenspiel ist und bleibt ein Markenzeichen der Band. Zudem kann Anders Fridén gesanglich auch mit meist klarer, emotionaler Stimme überzeugen. Diese Konstellation birgt ein enormes Potential, welches die experimentierfreudigen Schweden nach und nach ausschöpfen – nicht zuletzt, indem sie sich auch durch moderne musikalische Einflüsse inspirieren lassen. Dass dies insbesondere bei den alt-eingesessenen Fans nicht nur positiv ankommt, ist die eine Sache. Wie In Flames dies aber live umsetzen würden, wie altes und neues Material zu einem stimmungsvollen Konzert kombiniert werden sollte, darauf durfte man vor Ihrem Auftritt in Zürich zurecht gespannt sein.

While She Sleeps

Mit While She Sleeps (GB) und Wovenwar (USA) eröffneten zuerst zwei äusserst unterschiedliche Bands den Abend. Erstere vermochten dem bereits gut gefüllten Komplex 457 mit knallhartem Metalcore richtig einzuheizen. Circle Pits, Wall of Death – die Anwesenden liessen sich vom aggressiven Auftritt von Sänger Lawrence anstecken und zeigten sich bereit! Schade, dass die Briten nur 30 Minuten Spielzeit erhielten – diese wurden aber konsequent genutzt, ein starker Auftakt in den Abend!

Wovenwar

Wovenwar übernahmen dann den eher ruhigeren Part des Vorprogramms: Mit ihrem modernen, von Thrash-Einflüssen geprägten Metal wirkten sie etwas zurückhaltend, was nicht zuletzt auch am durchwegs klaren Gesang liegen dürfte. Auch die Jungs aus San Diego erhielten aber Zustimmung, punkteten unter anderem mit ihrem Tempo und reihten pausenlos einen Titel an den nächsten – eine andere Art, den knapp bemessenen Spot optimal auszunutzen.

In Flames

Die Spannung erreichte kurz vor dem Auftritt des Hauptacts ihren Höhepunkt. Obwohl ein dichtes Gedrängt herrschte (der Komplex war schon frühzeitig restlos ausverkauft) war die Stimmung genial und friedlich, die Vorfreude spürbar. Kritische Stimmen wegen dem neuen Album? Fehlanzeige!

Und spätestens als die Schweden nach einem kurzen Intro loslegten, lösten sich alle Zweifel in Luft auf. Wie In Flames den ersten Song ihrer neuen Platte dem Publikum präsentierten, liess einem das Blut in den Adern gefrieren. Streichen wir einfach das „Death“ aus dem von Kritikern oft genannten (Wunsch-)Genre: Was die Schweden bieten, ist schlicht moderner, melodischer Metal vom Allerfeinsten! Eindrückliche Übergänge von nachdenklichen, in Erinnerungen schwelgenden Passagen zu energisch-verzweifelten und entsprechend aggressiver gespielten Parts: In Plain View bewies eindrücklich, wie die Jungs um Anders Fridén Ihren Stil entwickelt haben. Mit oberflächlicher Pop-Musik hat dies nichts zu tun, der Sound von In Flames ist nicht langweilig geworden, sondern modern und anspruchsvoll! Emotionale Lyrics werden entsprechend präsentiert und mit eingängigen Melodien und einem authentischen Auftritt untermauert. Dazu kommt, was die Band seit Jahren auszeichnet: höchstes musikalisches Niveau und eine unglaubliche Nähe zum Publikum!

So überraschte es nicht, dass In Flames einschlugen wie eine Bombe! Egal ob alte oder neue Songs, das Publikum liess sich begeistern und sorgte zusammen mit der Band für eine klasse Stimmung. Eine geschickt aufgebaute Setlist trug ihren Teil dazu bei: Neben 5 Titeln des neuen Albums prägten Songs von nicht weniger als 4 früheren Alben die erste Konzerthälfte. Selbst wer sich nicht mit dem neuen Material anfreunden konnte, kam bereits früh voll auf seine Kosten, Trigger und Resin waren dabei nur zwei Beispiele. Aber auch die neuen Stücke wurden gekonnt präsentiert: With Eyes Wide Open und Paralyzed reihten sich perfekt aneinander, letzterer darf dabei getrost als einer der ersten Höhepunkte des Abends bezeichnet werden. Melodisch und gesanglich ist die Handschrift aus älteren Alben herauszuhören, moderne, technische Klänge bieten einen interessanten Kontrast zu einem der wenigen Gitarrensoli des Abends – ein äusserst gelungenes Werk, welches aber ebenso beweist, dass man auch mal mehrfach hinhören muss, um die volle Wirkung eines Songs wirklich wahrnehmen zu können!

Bald leiteten die Schweden den zweiten Konzertteil ein – und dieser sollte es so richtig in sich haben! Anders bewies des Öfteren, dass er es bestens versteht sein Publikum bei Laune zu halten. Sei es nun, indem er sich direkt bei den Fotografen bediente, um die Halle von der Bühne aus zu fotografieren (siehe Galerie), oder indem er ein Mädel für ein kurzes Video-Tape auf die Bühne holte: Für Unterhaltung war auch neben der Musik immer wieder gesorgt. Zeugte die super Stimmung im Publikum schon zuvor von einer klasse Performance, so war die grenzenlose Begeisterung spätestens zu diesem Zeitpunkt bis in die hinterste Ecke im Saal spürbar: Mit Cloud Connected und Only For the Weak folgten nämlich gleich zwei absolute Highlights – zwei Evergreens schlechthin, welche nicht umsonst zu den meistgespielten Songs von In Flames gehören! Interessant – um nicht zu sagen mutig – war, mit The Chosen Pessimist den ruhigsten Song des Abends unmittelbar nach diesen Krachen zu spielen. Aber auch dieses Experiment gelang: Während gut 5 Minuten lag eine unglaubliche, elektrifizierende Stimmung in der Luft. Zeit, um ganz einfach innezuhalten, den Moment zu geniessen – und dann nochmals richtig Gas zu geben!

Denn mit Rusted Nails, The Mirror’s Truth, Deliver Us und Take This Life standen zum Abschluss noch einmal 4 Titel auf der Setlist, welche den Lärmpegel mindestens auf das Level von zuvor anhoben! Anders‘ Ziel, „Switzerland’s biggest circle pit ever“ zu bieten, erfüllte sich vermutlich nicht ganz. Dennoch: In Flames verabschiedete sich mit einem grandiosen Feuerwerk aus Zürich und brachten die Halle noch einmal zum kochen – selten habe ich so viele Fans so lautstark mitsingen gehört wie bei den letzten Songs dieses Abends!

Das Fanzit

So sehr auch ich mich nach dem Release von Siren Charms darauf vorbereitet hatte, eine negative Review schreiben zu müssen: Die Schweden haben an diesem Abend bestimmt nicht nur mich eines Besseren belehrt! Sie haben mit ihrem gut gelaunten Auftritt und einem ausgewogenen, stimmungsvollen Set eindrücklich bewiesen, dass sie – trotz aller kritischen Stimmen – weiterhin zu den absoluten Top-Acts der Metalszene zählen. Und das wird auch in Zukunft der Fall sein, wenn In Flames ihren Weg so konsequent weitergehen!

Setlist In Flames

  1. In Plain View
  2. Everything’s Gone
  3. Fear Is the Weakness
  4. Trigger
  5. Resin
  6. Where the Dead Ships Dwell
  7. With Eyes Wide Open
  8. Paralyzed
  9. Through Oblivion
  10. Ropes
  11. Delight and Angers
  12. Cloud Connected
  13. Only For the Weak
  14. The Chosen Pessimist
  15. Rusted Nail
  16. The Mirror’s Truth
  17. Deliver Us
  18. Take This Life

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Wie fandet ihr das Konzert?

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