HammerFall

Power Metal
15.01.2015

Köln, Mitte Januar 2015. Es ist bitterkalt und ein eisiger Wind zieht um die Essigfabrik. Es ist 18 Uhr und in gut vier Stunden werden hier die schwedischen Power Metaller HammerFall vor restlos ausverkauftem Haus die Bühne stürmen. Doch zuvor nimmt sich Gitarrist und Bandleader Oscar Dronjak ausgiebig Zeit für Metalinside und gibt bereitwillig Auskunft über das neue Album „(r)Evolution“, die selbstverordnete Pause, den Schlagzeugerwechsel, Wrestling und Whisky.

Ich geb’s zu: ich bin hypernervös. Als HammerFall-Fan der allerersten Stunde treffe ich jetzt mit einem meiner „Helden“ zusammen – da muss ich schon aufpassen, dass der Fanboy in mir nicht gnadenlos durchbricht. Für Oscar hingegen sind solche Interviews und Promo-Termine allerdings kein grosses Problem: „Promotion ist ein Mix zwischen Arbeit und Vergnügen. Aber solche Interviews machen schon Spass und sind unterhaltend. Für mich ist es immer interessant mit anderen Leuten zu sprechen und deren Sicht der Dinge zu sehen. Ein Interview hie und da, das ist keine Arbeit. Die besteht dann, wenn wir zehn, zwölf Termine an einem Tag haben, dann wird’s streng.“ Verständlich, zumal dann die gleichen Fragen wieder und wieder gestellt werden… Nun, ich hoffe, dass ich nicht zu viel davon auf dem Zettel habe…!

Eine Frage, die Oscar garantiert schon gehört hat: Warum die lange Pause und was hat es schlussendlich gebracht? Der Gitarrist legt los und ist schonungslos ehrlich: „Der Grund für die Pause war, dass wir uns ausgebrannt fühlten! Wir haben diese Entscheidung auf der letzten Tour durch Europa getroffen. Wir hatten ein Bandmeeting, sagten wie wir uns fühlen und haben entschieden, dass wir am Ende des nächsten Jahres – das war 2012, da hatten wir noch einige grosse Festivals auf dem Programm – eine Pause machen, und dass diese Shows die letzten sind.

Wir fühlten, wie wir uns in diesem Hamsterrad drehen. Songs schreiben, aufnehmen, promoten, touren, und gleich wieder zurück zum Anfang. Ohne Pause, 15 Jahre lang. Wir fühlten: Wenn wir noch weitere 15 Jahre hier sein wollen, dann brauchen wir diesen Break! Es ging auch darum, die Batterien zu laden und den Spass zurück in die Band zu bringen. Das Touren war nicht mehr so lustig, es nagte an uns. Weisst Du, wie es sich anfühlt, wenn man nicht ganz glücklich ist? Wenn jedes kleine Detail, über das man normalerweise gar nicht darüber nachdenken würde, zum Problem wird? Das war bei uns wohl so, wir waren alle irgendwie müde und waren es leid, gewisse Dinge tun zu müssen. Wir wollten mal die Möglichkeit, uns nicht auf HammerFall konzentrieren zu müssen, damit wir dann wieder  mit 100% zurückkommen können. Denn keiner fühlte sich 100% damals.
Diese Pause hat uns schlussendlich sehr gut getan, besser als wir uns das vorgestellt haben. Die Pause dauerte etwa ein Jahr. Die offizielle Pause dauerte zwar länger, aber nach etwa einem Jahr habe ich wieder damit begonnen, Songs zu schreiben. Die effektive Pause – also von der letzten Show bis zum Release des neuen Albums – dauerte etwa zwei Jahre, und diese zwei Jahre waren extrem gut, um das Feuer wieder zu entfachen!“

Bleibt die Frage: was habt ihr in der Zwischenzeit überhaupt getrieben? Nur das Familienleben geniessen ist dann doch schwer vorstellbar…! „Naja, wir brauchten ja schon irgendein Einkommen!“ lacht Oscar. „Joachim war der Star im „Rock of Ages“-Musical in Schweden. Das hat er für ein- oder eineinhalb Jahre gemacht, jedenfalls für eine recht lange Zeit. Ich selber habe ein Buch geschrieben, die Biographie von HammerFall. Allerdings nur auf Schwedisch… wobei es auch noch auf Deutsch und Englisch übersetzt werden soll. Ich habe HammerFall nicht losgelassen. Ich hab losgelassen von der Musik und allem, was damit verbunden war, Teil der Band zu sein. Aber ich habe immer am Buch gearbeitet, welches mich zurück auf die „Memory Lane“ brachte. All diese herausragenden Momente… auf eine Art habe ich die ganze Geschichte der Band nochmals neu gelebt. Man schaut sich Bilder an, spricht mit den anderen, auch mit Stefan, obwohl der zu dieser Zeit ja nicht mehr dabei war.“

Oscar wirkt jetzt nachdenklich und sucht die richtigen Worte: „All dies hat mir schlussendlich geholfen zu realisieren, zu verstehen, dass das ein Privileg ist. Etwas, worüber ich GLÜCKLICH sein kann, es tun zu können – und nicht etwas, das ich UNGERN tun muss. Ich glaube, es hat allen geholfen, wieder eine klarere Sicht der Dinge zu erhalten.“

Wenn man das jetzt so hört, erscheint der Split mit Drummer Anders Johansson kurz nach Veröffentlichung von „(r)Evolution“ überraschend. Wenn es Probleme im Vorfeld gab, warum kommt die Trennung denn jetzt erst nach dem Release und vor der Tour? Ohne jemandem etwas zu unterstellen: War Anders denn zuvor ein „Teil des Problems“? Das dementiert der Gitarrist: „Innerhalb der Band gab es nie Probleme, wir waren alle der Meinung, dass wir etwas machen müssen. Denn wenn wir sonst Songs geschrieben und aufgenommen hätten, hätten wir es als Band unter Umständen gar nicht gepackt. Aber wir hatten nie Streit oder interne Unstimmigkeiten.“

Allerdings scheint der Ausstieg ein heikles Thema zu sein, denn Oscars Stimmung schlägt jetzt schon etwas um: „Anders‘ Ausstieg hat uns völlig überrumpelt. Keiner hat das kommen sehen. Er hat die Situation auch sehr schlecht gelöst, er hat uns nie etwas gesagt, alles kam immer aus dritter Hand. Bis heute habe ich noch nicht mit ihm gesprochen! Er sagt, er ist nicht wütend. Ich bin auch nicht wütend – wobei: Doch, ich bin wütend, dass er meine Anrufe nicht beantwortet. Anders war immer eine spezielle Person. Gut, das sind wir auf irgendeine Art ja alle auch. Aber seine „Personality“ ist… lass es mich so sagen: ich bin nicht überrascht, dass dies auf diese Art passierte. Ich fühle mich betrogen und bin sehr enttäuscht über die Art und Weise, wie er das gemacht hat. Ich dachte, wir sind wirklich gute Freunde, und so behandelt man keine Freundschaften. Das ist meine persönliche Ansicht! Nun, ich bin mittlerweile darüber hinweg. Ich war wirklich sauer für einige Monate. Sauer über die Art, wie er gehandelt hat. Ich bin nicht wütend darüber, dass er die Band verlassen hat! Wenn er nicht glücklich ist in der Band, dann kann ich das völlig verstehen. Aber die Art, nicht mit uns zu kommunizieren… Jetzt sind wir wohl in einer besseren Situation, besonders wenn er ohnehin nicht mehr mit uns spielen wollte. Es wäre wohl schrecklich geworden, eine Tour wie diese durchzuziehen mit einem Drummer, der lieber woanders wäre. Insofern bin ich glücklich so, wie es jetzt ist. Und ich hoffe, er ist glücklich damit, womit auch immer er sich jetzt beschäftigt.“

Der Ersatzmann für den ausgestiegenen Johannson nennt sich David Wallin und spielt eigentlich bei Pain. Sein Status in der Band ist (noch) offen, denn auf der Homepage bestehen HammerFall zu diesem Zeitpunkt aus vier Leuten. Umgekehrt existiert auf der der Facebook-Seite ein Comic-Bild, auf welchem David ebenfalls zu sehen ist.

Oscar erklärt mit Bezug auf den Comic: „Stefan (Elmgren) ist nur als Ersatz für Frederik auf dieser Tour. Und David wollen wir jetzt mal bis Ende Jahr, bis all die Touren und Festivals durch sind, bei uns behalten. Danach werden wir zusammensitzen müssen um zu schauen, wie es weitergehen soll. Ob er bei uns bleiben will und ob wir ihn behalten wollen. Das braucht eine gegenseitige Verständigung. Es fühlt sich sehr toll an mit ihm, aber es muss für sowas wirklich für beide Seiten stimmen. Du musst verstehen: Anders spielte mit uns während fünfzehn Jahren! Das ist eine sehr lange Zeit! Er stiess im Mai 1999 zu uns, also wirklich eine sehr lange Zeit. Dies ist eigentlich der einzige Drummer, den ich kenne! Zwar habe ich auch schon mit anderen gespielt, aber natürlich nicht auf diesem Level. Ein neuer Drummer ist irgendwie komisch, da ich mich so an Anders gewöhnt habe. David ist ein ganz anderer Typ, er ist viel jünger und kommt aus einer anderen Ära. Er spielt sonst für Pain, was ein gänzlich anderer Musikstil ist, er hat also völlig andere Einflüsse. David hat die Möglichkeit für HammerFall zu spielen erreicht als einer, der in den 80ern und 90ern aufgewachsen ist, während Anders in den 60ern und 70ern gross geworden ist. Das ist ein riesiger Unterschied, weil natürlich völlig andere Einflüsse da sind. Aber ich liebe es wirklich, mit David zusammenzuspielen, es ist so easy!“

Im August 2014 haben die Schweden ihr neuntes Studioalbum veröffentlicht. „(r)Evolution“ ist ein deutlicher Schritt zurück zu den Wurzeln der Band,  was schon beim Cover deutlich sichtbar ist (jetzt schimmert der Fanboy durch…). Aber auch musikalisch orientieren sich die Schweden an der eigenen, goldenen Blütezeit – einen Song wie „Hector’s Hymn“ haben HammerFall jedenfalls seit Jahren nicht mehr gemacht (Fanboy Alarm!). Aber wie verhindert man, dass man in die Wiederholungstäterfalle gerät?

Der Maestro freut sich über das Lob und erklärt dann: „Das ist und war schon immer sehr schwer. Man muss sich wirklich Gedanken machen und kann nicht einfach etwas spielen, denn dann klingt’s wirklich wie etwas schon Dagewesenes. Man muss das analysieren und erkennen können, ob es einzigartig ist. Es ist viel Arbeit, aber man muss auch seinem Bauchgefühl vertrauen. Denn wie gesagt: Ich hab das Buch geschrieben und während sechs, sieben Monaten meinen Fokus täglich für vier, fünf Stunden wirklich nur darauf gelegt. Damit habe ich diese Zeiten wieder durchlebt. Danach Songs zu schreiben, die an Zeiten von vor fünfzehn Jahren erinnern, war dann für mich echt einfach. Das war ein natürlicher Prozess, das war die Stimmung, in der ich mich befand. Das ist ein Grund, warum das viele Songs so tönen.

„Hector’s Hymn“ ist ein perfektes Beispiel. Das erste Mal überhaupt bin ich hingesessen und hab mir überlegt, ob ich einen Song schreiben kann, den die Fans von HammerFall hören wollen. Einen Song, wie ihn sich die Fans von HammerFall vorstellen! Es begann eigentlich nur als Test, um zu sehen, ob es funktioniert oder nicht. Meine Art Songs zu schreiben… nun, ich würde nie einen Death Metal Song schreiben und ihn dann zu HammerFall konvertieren, das würde nicht klappen. Aber was Heavy Metal betrifft: wir wollen uns gefallen, wir wollen Spass daran haben. Wir spielen das, was wir gerne spielen. Wenn das anderen Leuten gefällt: umso besser. Aber wenn wir das alles ausblenden, müssen WIR zufrieden sein mit dem Ergebnis.

Bei „Hector’s Hymn“ war’s jetzt eben mal eine andere Herangehensweise, aber ich denke es hat wirklich gut funktioniert. Joachim kam dann rüber, ich hatte so 60, 70% der Parts, er hat’s angehört und gemeint: „Ah, das ist gut, mach da weiter“ – und ich hab die Nummer fertig gemacht, ihm geschickt und er hat die Gesangslinien darüber gezogen. Joachim macht ja auch praktisch alle Lyrics. Er hat den Song gehört und hat die gleiche Herangehensweise gehabt. Der Songtitel kommt normalerweise von mir, denn ich möchte einen Songtitel haben, wenn ich daran arbeite. Manchmal kann man den Titel wirklich direkt singen, „Riders of the Storm“ ist so ein Beispiel. Bei „Hector’s Hymn“ war das nicht so klar, da hatte ich keine Melodien, nur den Titel. Joachim hat also nur den Titel gekannt und hat daraus eine Art Hommage gemacht, in dem er verschiedene Songtitel und Referenzen aus altem HammerFall-Stoff zusammengewürfelt hat. Das ist ein weiterer Punkt, der dem Song Power gegeben hat. Die Leute erkennen das alte Feeling.“

Wie recht Oscar hier hat – die Textzeile „Hammer high, to the sky“: so klischeebeladen wie sie ist, einmal hören und man bringt sie nicht mehr aus dem Kopf raus… Aber dann ist da ja noch der Abschluss von „Bushido“: „This is the way!“ DAS ist ja wohl dann endgültig bei sich („Way of the Warrior“) selber kopiert??

„Das war ein weiteres interessantes Songwriting“ erklärt mein Gegenüber. „Ich hatte den ganzen Song praktisch fertig, aber ich fand keinen guten Abschluss. Was immer ich versuchte, es hat nicht richtig geklickt. „Bushido“ bedeutet ja eigentlich „The Way of the Warrior“, darum hab ich den Titel ja auch gewählt. Irgendwann hab ich mal bemerkt, dass es eigentlich einige Gemeinsamkeiten zwischen diesen Songs gibt. Und an einem Samstagabend, nach einigen Bierchen, hatte ich plötzlich die Idee: lass uns das versuchen! Wir haben’s aufgenommen und voilà – da war das fehlende Puzzlestück!“

Ein Lieblingsthema von mir sind Setlists. Eigentlich finde ich ja bei jeder Band etwas, was mir nicht passt und woran ich herumstänkern könnte. HammerFall befinden sich jetzt auf Tour und haben „(r)Evolution“ im Gepäck – da wäre es naheliegend, einige neue Songs reinzupacken. Natürlich kann man es nie jedem recht machen, aber „nur“ vier neue Nummern von insgesamt 18 Titeln finde ich doch etwas mager, auch wenn man natürlich „HammerFall“ oder „Let the Hammer fall“ nicht aussen vor lassen kann…:

„Das letzte Mal hatten wir sechs oder sieben neue Songs und beim Album zuvor ebenfalls. Jetzt hatten wir das Gefühl, da wir zwei Jahre weg waren, wollten wir den Leuten etwas Bekanntes geben und ich denke vier ist ein guter Kompromiss. So müssen wir nicht zu viele alte Songs draussen lassen. Aber ja, ein Song mehr hätte nicht wehgetan. Du sagst es allerdings richtig: man kann nie alle zufrieden stellen.“

Dabei gäbe es eine einfache Lösung: eine zweistündige Show! Oscar lacht: „Zwei Stunden wären schon recht schwierig für die Jungs… wir spielen fünf Tage – ein Off Day. Fünf Tage – ein Off Day. Das zehrt schon an den Kräften von allen. Oh ja, natürlich könnte man es machen! So wie es Dio machte: der hatte Drum-Solos, Gitarren-Solos, all diese Portionen in den Sets, an denen ER nicht beteiligt war. Dafür war die Setlist länger. Drum-Solos hatten wir selber schon so oft. Und es ist eines dieser Dinge, das die meisten Leute nicht mögen.“

Wahre Worte! Ob allerdings diese Aussage doch noch als kleiner Giftpfeil gegen Anders Johansson gewertet werden kann? Ich glaub’s nicht unbedingt. Denn HammerFall haben eine Alternative zu den Solo Geschichten: „Darum machten wir das Medley! Genocide, A Hero’s return, Secrets, The Dragon lies bleeding, Trailblazers, Riders of the Storm und Fury of the Wild – sieben Songs!”

Wenige Tage nach diesem Interview steht die Doppelshow im Z7 an. Ich versuche Oscar zu überreden, dass sie ein paar kleine Änderungen in der Setlist einbauen. Aber irgendwie hat er kein Musikgehör dafür: „Wechsel in der Setlist machen wir eigentlich kaum. Wir haben ehrlich gesagt kaum mehr Songs geprobt, vielleicht einen oder zwei. Man sagt uns, dass bei diesen Doppelshows selten Leute zweimal kommen. Aber natürlich gibt es einen gewissen Anteil, der das tut! Wir werden sehen, ob wir den einen oder anderen reindrücken können, aber viele werden’s auf keinen Fall sein. Und hier ist es zudem so: wenn wir noch Frederik und Anders bei uns hätten, wäre es einfach, einen der alten Songs zu spielen. Jetzt haben wir zwei Leute, die solche Sachen noch gar nie spielten, da ist es halt schon eine andere Geschichte.“

Im Dezember war die Band auf Tour in Südamerika – zusammen mit Edguy und Gotthard. SO ein Billing wünschte ich mir in Europa… Oscar Dronjak erzählt: „Die Jungs von Edguy sind nett, wir kennen die seit einer gemeinsamen Tour 1999. Die Typen von Gotthard? Komische Leute! (lacht) Nein, ernsthaft: es war wirklich cool! Ich hatte die nie vorher getroffen und wir hatten so eine grossartige Zeit! Eine der besten Tourneen, die ich je gemacht habe, würde ich sagen! Gotthard waren sehr bodenständig und haben perfekt zu Edguy und uns gepasst, weil wir ja auch so sind. Wir sind zusammen rumgehangen und hatten Spass, da waren nirgendwo irgendwelche Rockstar-Allüren zu sehen – obwohl einige Leute dies durchaus haben könnten aufgrund dessen, was sie in diesem Business erreicht haben. Aber die Gotthard-Jungs waren supercool, ganz speziell Drummer Hena, den mochte ich wirklich gut. Er war der „Fun guy“ der Truppe.

Es waren nur acht Shows in siebzehn Tagen, das heisst: viel fliegen und rumhängen. Der beste Weg um Leute wirklich kennen zu lernen: eine eher kurze Tour, viel „Down Time“ – es war einfach, sie kennenzulernen und es war einfach, mit ihnen auszukommen!“

Das südamerikanische Publikum ist wohl kaum zu vergleichen mit jenem in Europa, oder?

„Ein riesiger Unterschied! Das einzige, was vielleicht vergleichbar sein könnte, ist Spanien oder Italien. Aber eigentlich kann man es gar nicht vergleichen. Die Leute in Brasilien zum Beispiel, oder sonst irgendwo, er kommt eigentlich gar nicht drauf an… diese Leute haben keine Angst ihre Emotionen zu zeigen. Die stehen nicht nur da und schauen rum: ‚macht da noch einer mit? Ja gut, dann…‘ Das ist vor allem in Nordeuropa oft der Fall. In Südamerika: they don’t fuckin‘ care! Die drehen einfach durch! Das brasilianische Publikum war immer eines der Besten für uns.

Unvergleichbar. Aber das kannst du nicht sagen, wenn du in Brasilien auf Tour bist – die Argentinier wären sauer! (lacht) Und wenn ich sage „die brasilianische Crowd“ ist die Beste, so heisst das nicht, dass die anderen Scheisse wären! Du bist gestern ja auch an der Show gewesen, und es war ein fantastisches Publikum! Aber die Brasilianer sind anders. Die sind niemals ruhig, niemals! Es ist nicht so, dass die europäischen Fans nicht mitmachen wollen – man muss sie einfach dazu animieren. In Südamerika ist das nicht nötig, die übernehmen selbst die Initiative.“
Oscar öffnet sein Tablet und zeigt mir einen Clip, den er mit seiner Go-Pro-Camera bei der letzten Show in Mexiko gemacht hat. Das Publikum ist ohrenbetäubend und übertönt beim Refrain von „Hector’s Hymn“ die Band absolut problemlos! Jeder, absolut JEDER macht da mit, sowas hab ich selbst kaum je erlebt. Und das war in einer Venue mit etwa 2‘500 Zuschauern…

Nun, HammerFall haben in Südamerika gespielt, in Europa, auf allen wichtigen Festivals wie Wacken, Sweden Rock, Bang Your Head!!! – was gibt’s denn noch zu tun? Oscar grinst: „wir machen das alles nochmals!“ Dann wird er wieder ernst: „Für mich begann das als Hobby. Mittlerweile ist es ein Job. Wenn wir auf diesem Level weitermachen wollen, brauchen wir einen gewissen Status, der uns Geld einbringt. Es sind fünf Leute, die sich und ihre Familien versorgen müssen. Speziell wenn man Kinder hat, denkt man irgendwann etwas anders. Es muss ein gewisser Betrag im Jahr reinkommen, damit man leben kann. Das heisst: wir können nicht mehr Dinge einfach tun „just for the sake of it“. Wir müssen etwas weiterdenken. Auch aus diesen Gründen ist es wichtig, dass die Tour gut läuft. Wenn diese Tour ein Desaster gewesen wäre…  was sie definitiv nicht ist, das kann ich jetzt schon sagen! Dies ist die sechste ausverkaufte Show, fünf davon bevor die Tour überhaupt begann! Auch das Z7…: darum kehren wir immer wieder dahin zurück! Ich glaube es ist die siebzehnte Show oder so, die wir da spielen werden!“

Wenn wir schon von der Schweiz reden: es gibt immer noch Leute, die enttäuscht sind über den verlorenen Eishockey-WM-Final gegen Schweden… Klar, dass da auch andere Ansichten existieren: „Ha! Das war brilliant! Und wenn etwas Gras über die Sache gewachsen ist, dann wird die Schweiz auch erkennen, dass dies ein grossartiger Erfolg war! Um ehrlich zu sein hatte ich vor dem Spiel schon etwas Schiss, aber schlussendlich hat sich die Routine und die individuelle Klasse durchgesetzt.“

Schweden ist natürlich eine Hockey Nation, aber HammerFall wurde jetzt eine spezielle Ehre zuteil: „Fury of the Wild“ ist die Einmarschmusik des NHL Teams Minnesota Wild! Da spielt mit Nino Niederreiter übrigens einer „unserer“ Silberhelden, Herr Dronjak… Aber wie ist denn das passiert mit diesem Deal? „Offensichtlich ist natürlich der Team Name, und anscheinend gab’s da jemanden in der Organisation, der HammerFall und „Fury of the Wild“ kannte. Anfangs spielten sie den Song irgendwie zu Beginn des letzten Drittels oder so. Dann kam jemand auf uns zu und fragte uns, ob sie eine instrumentale Version der Nummer haben können, damit sie das bei jedem Heimspiel beim Einmarsch spielen können. Und in der NHL – das ist ein riesiger Deal! Also haben wir diese Chance natürlich gepackt. Nun, Minnesota war nicht mein Lieblingsteam zuvor – jetzt ist es natürlich anders! (lacht) Die Sache mit Minnesota ist zudem die: Als in den 1800er Jahren viele Schweden auswanderten, da liessen sich viele in dieser Gegend nieder. (Anm. Kaufi: das NFL Team Minnesotas hört auf den Namen „Vikings“ – passt…) Keine Ahnung warum, wohl wegen Schnee und Kälte. Jedenfalls gibt es da viele schwedische Einflüsse.“

Ich weiss, dass Oscar Dronjak ein grosser Fan des Wrestlings ist. Das bin ich ebenfalls, seit dreissig Jahren. Aber bei diesem Thema schlägt jetzt zur Abwechslung beim Schweden der Fanboy durch! Während einer Viertelstunde führen wir ein „Fachgespräch“ – und Oscar geniesst es sichtlich, dass er jemanden trifft, der diese Leidenschaft teilt. Er erzählt von der kleinen Show, die am Tag zuvor in der Turbinenhalle in Oberhausen durchgeführt wurde und die er besucht hat. Das T-Shirt der Veranstaltung trägt er später gar auf der Bühne…! Dann erzählt er mit glänzenden Augen (echt wahr!), wie Mickey Dee von Motörhead ihm die Möglichkeit gegeben hat, bei WrestleMania (der sogenannten „Super Bowl des Wrestlings“) dabei zu sein. Er schwelgt in Erinnerungen, erzählt welche Superstars er getroffen hat, dass er Chris Jericho gerne treffen würde und dann rausgefunden hat, dass Chris Jericho IHN als HammerFall Gitarristen treffen will!, wie er doch noch zur Aftershow-Party durfte und schlussendlich mit JEDEM Topstar ein Foto machen konnte und so weiter… „Ich fühlte mich, als ob ich als Teenie backstage an einem Festival bin und Iron Maiden, Judas Priest, Twisted Sister, Accept, Alice Cooper gleichermassen auftreten – alle meine Faves damals!“

Auch bei der Musik ist der Gitarrist immer Fan geblieben. Ich erinnere mich daran, wie er beim Rocksound Festival in Huttwil völlig begeistert inmitten des Publikums stand und die Show von Twisted Sister geschaut hat: „Es sind Twisted Sister, um Gottes Willen! Du kannst nicht Twisted Sister von der Seite der Bühne anschauen! Eine der wichtigsten Bands für mich. Ich weiss, dass HammerFall nicht wie Twisted Sister tönen, aber die Dee Snider-Lyrics… ich würde nicht sagen, dass sie mein Leben verändert haben, aber sie haben mir geholfen, viele Dinge zu verstehen, wie Prioritäten zu setzen sind, wie man sein Leben leben soll. Der Heavy Metal Spirit: lebe dein Leben nach deinen Regeln, ohne dass dir jemand vorschreibt, was du zu tun hast. Und geniesse was du tust – oder tu etwas Anderes!“

Eine ganz andere Geschichte haben HammerFall vor kurzem gestartet: Sie produzieren ihren eigenen Whisky! Auch hier hätte ich gerne ein paar weiterführende Informationen, die mir Oscar auch gibt – soweit es ihm möglich ist…: „Nun, das ist eigentlich alles Joachims Geschichte. Er hat einige Tests gemacht, bevor er sich entschieden hat. Ich selber hasse Whisky! Ich mag das einfach nicht. Natürlich habe ich probiert, aber ich kann kein Urteil abgeben. Wenn ich mehr als einen kleinen Schluck trinke, muss ich mich übergeben. Ich hatte mal schlechte Erfahrungen gemacht damit, als ich jung war… Ich bin mir zwar nicht sicher, ob das irgendwas damit zu tun hat. Denn dieser Whisky schmeckt ganz anders als zum Beispiel Jack Daniels. Wir haben um die 5‘000 Flaschen gemacht, und das wird alles sein. Wenn’s eine Neuauflage geben sollte, dann wird das nicht mehr der gleiche Whisky sein. Der wird dann in einem andern Fass oder so gelagert und schmeckt dann etwas anders. Auch wenn der etwas teurer ist: es ist ein guter Whisky und nicht etwas, das man mit Coke oder so mischt! Der ist zum Geniessen da. Es sind mittlerweile auch nicht mehr allzu viele Flaschen erhältlich. Ungefähr 4‘000 sind verkauft und das in nur vier Monaten!“

In diesem Zusammenhang fällt mir grad ein, dass mir jemand noch eine solche Flasche versprochen hat…

Zum Schluss deponiere ich noch den Wunsch vieler Schweizer Kollegen, wonach sie im Z7 doch bitte „The Metal Age“ spielen sollen. Oscar nimmt’s grinsend zur Kenntnis: „Ich mache keine Versprechungen, aber eigentlich ist das wirklich eine Nummer, die wir machen könnten! Wobei: DU bist ja nicht dabei, also sind DEINE Wünsche irrelevant…!“ Verdammt, hätte ich doch besser nichts von der Cruise erzählt…

Autor
15.01.2015
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