Metalinside.ch - China - 84 Lounge Winterthur 2015 - Foto Kaufi
So, 27. Dezember 2015

CHINA – In the Middle of Two Nights / The History of China

Lounge 84 (Winterthur, CH)
29.12.2015

Zeitreise

Claudio Matteo, Gitarrist und einzig verbleibendes Originalmitglied von China, ist ein Genie. Er hat etwas erfunden, was niemand anderes konnte: eine Zeitmaschine! Und an zwei Abenden durften interessierte Fans einsteigen und zurück reisen in eine gute, alte Zeit…

Älteren Musikfans dürfte der Name China durchaus ein Begriff sein. Als der Glam Metal die Welt eroberte, wurde auch die Schweiz nicht verschont. Und eben diese China konnten in den späten 80ern und frühen 90ern doch einige Erfolge verbuchen. Viele Besetzungswechsel, vor allem auf der Sängerposition, verhinderten jedoch den ganz grossen Durchbruch und so verschwanden auch die Chinesen still und heimlich in der Versenkung. Mitte der 2000er Jahre folgte dann die Reunion, mit Eric St. Michaels am Mikro, und zumindest auf dieser Position blieb das Line up jetzt stabil bis zum heutigen Tag.

Still und heimlich hat also Claudio Matteo diese Zeitmaschine gebaut. Aber was war denn die Motivation für so eine Show? Claudio meint dazu: „Es war einmal mehr eine unerwartete Anfrage vom Club 84 in Winterthur. Da wir eine solche Geschichte bereits 1993 in derselben Location (damals hiess der Laden noch Planet Maxx) mit drei verschiedenen Sänger gemacht haben, lag es auf der Hand dies zu wiederholen. Nachdem die Key-Member wie Freddy Scherer, John Dommen, Matthias Strübi, und Patrick Mason zusagten, wusste ich, dass wir die History präsentieren können!“ Also heisst es jetzt: Platz nehmen für eine Reise back in time!

Der Club 84 ist jetzt wohl nicht unbedingt die Location, die normalerweise von Rock- und Metalfans frequentiert wird. Dennoch ist der Laden pumpenvoll, der Altersdurchschnitt dürfte wohl näher bei 40 als bei 30 sein. Auch viele Outfits sind Old School. Man sieht T-Shirts von Danger Danger oder Cinderella, als Soundtrack gibt’s zum Aufwärmen Winger auf die Lauscher.

Um 21 Uhr geht’s los und der Beginn ist noch eine normale China Show, wie man sie in den letzten Jahren immer mal wieder sehen konnte. „Light up the Dark“, das ultracoole „Crazy like you“ und „Gates of Heaven“ spielen China in der aktuellen Formation Eric St. Michaels (Vocals), Claudio Matteo (Guitars), Mack Schildknecht (Guitars), Billy LaPietra (Drums), Dan Grossenbacher (Bass) und ziemlich unscheinbar – fast an den Rand gedrängt – Timon Messner an den Keyboards.

Jetzt startet aber die Zeitreise. Noch gemächlich, Giovanni Giorgi ersetzt LaPietra hinter der Schiessbude für „Lay down for me“, einer Nummer vom 95er Album „Natural Groove“. Mit „All I do is wait“ folgt gleich noch ein Song von diesem Album, und hier verlässt jetzt Mack Schildknecht die Bühne, seinen Part übernimmt Freddy Scherer, der bekanntlich seit Jahren ein festes Mitglied von Gotthard ist. Nostalgie kommt auf. Immer schneller dreht sich das Rad der Zeit – und zwar in eine Phase, die nicht mal ich gekannt habe… An den Drums nimmt unter grossem Jubel John Dommen Platz, den Bass übernimmt Marc Lynn, in dieser Zeit Bandkumpel von Freddy bei Gotthard, und offenbar mit eigenem Fanclub angereist ist der Originalsänger von China: „Harti“ Werner Hartmeier! Hier schliesst sich eine Wissenslücke, denn ich dachte eigentlich immer, dass Math Shiverov resp. Matthias Strübi Sänger Nummer 1 war. Ich – und wahrscheinlich auch noch der eine oder andere – werden heute eines Besseren belehrt. Harti hat damals das Logo der Band kreiert und musste dann aus gesundheitlichen Gründen aussteigen, bevor das Debut Album aufgenommen wurde. Hier steht also die ursprüngliche Formation von China vollzählig auf der Bühne und lässt „Rock City“ auf die Meute los! Dies zaubert nicht nur mir ein fettes Grinsen ins Gesicht. Harti holt gegen Ende des Songs den bereits erwähnten Matthias Strübi dazu – und jetzt wird’s legendär!

Wir befinden uns im Jahr 1988. Die Besetzung von damals zockt „Living on a Stage“, „The Fight is on“ und „Wild Jealousy“ und so, wie Strübi drauf ist, fragt man sich, warum er damals die Band verliess! Natürlich ist der Nostalgiefaktor gigantisch – aber die Performance von Strübi ist ebenfalls tadellos. Was übrigens auch für John Dommen gilt, der gemäss Claudio „seit 20 Jahren nicht mehr Schlagzeug gespielt hat“. Öööhm – ja…

Mit Sicherheit der bekannteste Name, der sich in der Geschichte China’s findet, lautet Marc Storace. Als langjähriger Frontmann von Krokus hat er weltweite Erfolge gefeiert, lange bevor China überhaupt gegründet waren. In den 90ern war Marc dann tatsächlich mal kurze Zeit bei China engagiert. Aber vor allem haben Krokus China einen Song fürs Debut „geschenkt“: „Back to you“, dieser wird jetzt folgerichtig von Marc im Duett mit Strübi gesungen.

Danach räumt Dommen wieder seinen Platz, Strübi hat seine Arbeit ebenfalls getan und Marc übernimmt das Zepter. Dass er einige Songs wohl lange nicht mehr gesungen hat zeigen die Songtexte, die ihm am Bühnenrand bereitgemacht werden. Zudem scheinen ihn die Glitzerkugeln an der Decke zu inspirieren: seine Forderung die Disco Schote „Stayin‘ Alive“ zu spielen, wird jedoch von Claudio vehement abgelehnt!

Was „American Woman“ im Set verloren hat, verstehe ich zwar nicht so ganz, ist schliesslich eine Coverversion, die Krokus gespielt haben. Egal – Spass ist dennoch da. Nach „You got me going“ und „All through the Night“ steht das nächste Highlight auf dem Programm.

Zuerst kommt John Dommen zurück hinter die Schiessbude. Marc räumt seinen Posten und auf die Bühne kommt Patrick Mason! Dies ist der Moment, in dem die Zeitmaschine stockt – denn an Patrick ist die Zeit nicht spurlos vorübergegangen! Irgendwie ein trauriger Anblick, wenn man sieht, wie ausser Puste der arme Kerl bereits nach dem ersten Song ist oder wie er manchmal fast Mühe hat, richtig auf der Bühne zu stehen. Claudio liefert die Erklärung: „Patrick hatte einen schweren Unfall und war etwa fünf Monate gar an den Rollstuhl gebunden. Zum Glück hat er sich wieder erholt und kann heute wieder gehen, er ist aber immer noch in Behandlung.“ Mit diesem Wissen kann man Mason wirklich nur grossen Respekt zollen!

Singen kann Patrick zudem nach wie vor! „Dead Lights“ und vor allem das fantastische „Sign in the Sky“ sind die nächsten magischen Momente an diesem Abend. Hier rockt jetzt die Formation des erfolgreichsten Albums – „Sign in the Sky“ aus dem Jahr 1989  – den Laden. Wobei: nicht ganz – Marc Lynn hatte die Band damals bereits verlassen. Das tut der Magie heute aber wirklich keinen Abbruch!

Mason – bereits völlig verschwitzt – kriegt einen Barhocker und schwelgt erst mal in Erinnerungen an gute, alte Winterthurer Zeiten, im Amnesia zum Beispiel! Wer erinnert sich noch an diesen Laden?? Nach einer längeren Ansage gibt’s die schöne Ballade „So long“ zu hören. Und irgendwie fühlt man, dass das Ende der Zeitreise näher rückt… Wie passend ist da jetzt „Don’t ever say Goodbye“! Dennoch verabschiedet sich die Band nach 105 Minuten nun das erste Mal vom restlos begeisterten Publikum.

Der grösste Hit der Band fehlt jedoch noch. Bis jetzt – Patrick Mason muss resp. darf den fünften Song von „Sign in the Sky“ singen: das vielumjubelte „In the Middle of the  Night“! So schitter der Sänger teilweise aussieht, soviel Spass hat er jedoch an der ganzen Sache! Mason ist wirklich mit unglaublich viel Herzblut dabei und geniesst die Zeitreise wie der Rest der Anwesenden an diesem Abend.

Es wird nun nochmals laut, richtig laut! „Shout it out“ – und Mason kriegt da die Unterstützung von Matthias Strübi. Ein spezieller Gast kommt ebenfalls noch dazu – der einzige Musiker, der nie ein Mitglied von China war: Leo Leoni! Somit stehen jetzt gar drei Fünftel von Gotthard auf der Bühne… Leo und Freddy liefern sich ein herrliches Gitarrenduell, zudem auch Claudio „eingeladen“ wird – diese drei Typen stehen am Bühnenrand und zocken sich eins. Wahnsinn!

Eigentlich gäbe es noch mehr China Songs, die man hören möchte. Aber das Led Zeppelin Cover „Rock & Roll“, gesungen von Storace, Mason und Strübi ist natürlich eine coole Alternative und schlussendlich gesellen sich auch all die anderen Musiker auf die Bühne, die jetzt langsam einen Überfluss an Platzmangel aufweist! Der Jubel und der Applaus wollen danach kaum aufhören, so dass Claudio „noch Einen“ ankündigt. Persönlich hätte ich jetzt gerne „Bad Case of loving you“ gehört, aber „Proud Mary“ ist ja auch nicht zu verachten!

Mit diesem Cover von Creedence Clearwater Revival endet nach beinahe zweieinhalb Stunden ein legendärer Abend. War respektive ist dies das Ende von China? Nochmals lassen wir den Bandleader Claudio zu Wort kommen: „Es wäre eigentlich ein schöner Abschluss von China. Im Moment haben wir nichts geplant, wir haben in den letzten 7 Jahren mit der jetzigen Formation zwei coole Alben abgeliefert. Das Feedback war toll, aber die Live Gigs wurden immer weniger. Wir sind natürlich nicht mehr als Vollprofis unterwegs, jeder muss seinen Verpflichtungen nachgehen. Jeder wird in irgendeiner Art und Weise weiterspielen, das ist klar. Aber ob wir mit China wieder was machen, steht noch in den Sternen.

Solange uns die Gesundheit nicht im Stich lässt, wird man immer wieder von uns Musikern hören.“

Das Fanzit – China

Wenn diese Show wirklich das Ende von China bedeuten sollte, dann tritt die Band wahrlich mit Stil ab! So oder so: Danke für viele affengeile Momente und für viel gute Musik! Die Zeitmaschine katapultiert uns nun gnadenlos zurück in die Gegenwart… Mist aber auch! Ich hätte es noch etwas länger aushalten können…

Setlist China

  1. Light up the Dark
  2. Crazy like you
  3. Gates of Heaven
  4. Lay down form e
  5. All I do is wait
  6. Rock City
  7. Living on a Stage
  8. The Fight is on
  9. Wild Jealousy
  10. Back to you
  11. American Woman
  12. You got me going
  13. All through the Night
  14. Dead Lights
  15. Sign in the Sky
  16. So long
  17. Don’t ever say goodbye
  18. In the Middle of the Night*
  19. Shout it out*
  20. Rock & Roll*
  21. Proud Mary*

Fotos China – 84 Lounge Winterthur 2015 (Kaufi)


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29.12.2015
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