Sa, 19. Dezember 2015

Knock Out Festival 2015 – Blind Guardian, Operation: Mindcrime, Rage meets Refuge u.m.

Schwarzwaldhalle (Karlsruhe, DE)
/ 09.02.2016

(Kaufi) 2009 bin ich das erste Mal auf das Knock Out Festival aufmerksam geworden. Ein eintägiger Event in einer Halle mit einem hochkarätigen Line-up? Sehr gerne! HammerFall und Edguy hiessen die Headliner damals. Bei der nächsten Auflage 2011 waren Blind Guardian und Saxon am Zug. Seither findet der Event jedes Jahr statt und dies immer mit einem sehr attraktiven Programm. Bands wie Powerwolf, Helloween, Gotthard, Sabaton, Brainstorm, Lordi, Stratovarius, In Extremo oder Pretty Maids sind da mittlerweile aufgetreten.

2014 gab es allerdings im Vorfeld ziemlich Unruhe: Die Europahalle durfte nicht mehr benutzt werden! Es folgte der Wechsel in die Schwarzwaldhalle, alles wird noch eine Woche verschoben (weshalb ich in jenem Jahr leider passen musste) und offenbar ist dann organisatorisch auch einiges nicht so toll gelaufen.

Zumindest auf dem Papier scheint das Line-up 2015 nun eher durchzogen zu sein, ausser dem Headliner fehlen in diesem Jahr die ganz grossen Namen. Aber schlussendlich sollte sich der Trip nach Karlsruhe dennoch lohnen…

Eine Spezialität des Festivals sind die VIP Tickets. Neben ein paar netten Dingen wie VIP Bar, separater Eingang oder zwei Gratis Bier (die mein werter Kollege Röschu sogar auslässt…) ist vor allem der abgesperrte Bereich vor der Bühne DER Kaufanreiz. Da die Tickets limitiert sind, ist das eigentlich eine wirklich gute Geschichte. Jetzt wurde aber das Kontingent offenbar massiv erhöht, der Bereich ist überraschend gross und die Fans, die früh anstehen und dann die „erste“ Reihe in Beschlag nehmen, finden sich effektiv deutlich weiter hinten als früher… Hier wäre weniger eindeutig mehr, so wie es in der Europahalle war…

Sehr schick ist dafür der grosse „Biergarten“, welcher zwar einfach ein hinterer Teil der Halle ist, aber sehr viel Platz zum Verweilen bietet. Anstehen bei den Fressständen oder bei den Getränken? Kaum! Das Essensangebot ist zwar nicht vergleichbar mit dem der alten Location, aber es ist OK und eine gewisse Auswahl ist vorhanden. Scheint so, als ob die Veranstalter auf die teils heftige Kritik aus dem Vorjahr richtig reagiert haben!

Apropos Kritik: Was mich in der Europahalle immer störte, war der fürchterliche Sound. Immer viel zu laut und vor allem vor der Bühne dermassen basslastig, dass man teilweise kaum die Songs auseinanderhalten konnte. Laut ist es auch in der Schwarzwaldhalle – aber klangmässig um Welten besser, auch zuvorderst herrscht glasklarer Sound! Das Drumherum stimmt also, bleibt somit noch die Hauptsache des Festivals: die Musik!

(Röschu) Und da steht uns ein interessanter und intensiver Abend bevor. Wie erwähnt fehlen zwar die ganz grossen Namen abseits des Headliners – dennoch konnte das Knock Out Festival in den vergangenen Monaten mit nicht alltäglichen Ankündigungen punkten. Rage und Refuge gemeinsam auf der Bühne? Das legendäre Queensrÿche Album Operation: Mindcrime in voller Länge? Da dürfen die ganz grossen Namen auch gerne fehlen!

Orphand Land

Los geht‘s aber erstmal mit Orphaned Land. Folk-/Death-Metal mit orientalischen Klängen: Der Sound der Israeli hat einen ganz eigenen Charakter, welcher bestimmt nicht jedermanns Geschmack trifft. Mit ihrem engagierten, mit 40 Minuten relativ kurzen Auftritt sorgen sie aber für einen gelungen Einstieg. Gleichzeitig fällt die äusserst ausgelassene und friedliche Stimmung in der Schwarzwaldhalle auf: Die Bemühungen der Organisatoren zeigen hier deutlich Wirkung. So darf der Abend gerne weitergehen.

Axxis

(Kaufi) Den Auftakt verpasst meine Wenigkeit komplett, das Programm beginnt für mich mit Axxis. Sänger Bernhard Weiss – das letzte Originalmitglied – kennt das Festival wie seine Westentasche: Seit Jahren sagt er hier immer die Bands an. Jetzt darf er für einmal etwas länger auf der Bühne stehen…

Mit „Living in a Dream“ beginnen die Deutschen ihren einstündigen Auftritt und diese Nummer sorgt gleich für fröhliche Gesichter, genauso wie das folgende „Tales of Glory Island“. Bernhard zeigt an diesem Abend, dass er sowohl ein guter Sänger wie auch ein cooler Entertainer ist. Beim akustisch vorgetragenen „Touch the Rainbow“ holt er sich einen 8-jährigen Jungen auf die Bühne, der sowohl mit der „Rassel“ wie auch an der Trommel erstaunliches Taktgefühl zeigt – die Fans honorieren das mit grossem Applaus… Der Kleine hat sichtlich Spass und verabschiedet sich stilecht mit zum Himmel gereckten Horns. Grosses Kino!

Leider gibt’s nichts (mehr) zu hören von „Paradise in Flames“ oder „Time Machine“. Der Abschluss ist mit „Living in a World“ standesgemäss und beendet einen unterhaltsamen Set.

Rage meets Refuge

(Röschu) Nur wenig später steht Bernhard – nun als Moderator – wieder auf der Bühne, um eine einzigartige Show anzukündigen: Rage meets Refuge ist eine Zusammentreffen zweier Bands um Sänger/Bassist Peavy Wagner, wobei mit Refuge schlicht und einfach das Rage-Line-up der glorreichen Jahre 88-93 wiedervereint auf der Bühne steht! Sprich: Ehemalige und aktuelle Musiker teilen sich hier die Bühne.

Für die ersten 4 Songs ist die jetzige Besetzung unter sich und macht mit Titeln der Alben kurz vor der Jahrhundertwende den Auftakt. Bei „Shame on You“ folgt dann das Zusammentreffen der Generationen: Fünf Musiker gleichzeitig auf der Bühne, das ist für Rage doch ziemlich untypisch! In der Folge übernimmt aber die Besetzung von Refuge (mit Manni an der Gitarre und Efthi an den Drums) das Zepter. Im Vordergrund steht neben den Songs aus der „gemeinsam Zeit“ vor allem die Spielfreude – etwas, das Rage als äusserst bodenständige Band immer begleitet! Vorweihnachtlich besinnlich gestaltet sich schliesslich der Abschluss der Show: Nach dem obligaten Titel „Refuge“ kehren Marcos und Vassilios zurück, um quasi in Vollbesetzung und mit „Higher Than the Sky“ den Schlusspunkt unter einen gelungenen und für Rage-Fans unvergesslichen Auftritt zu setzen.

D.A.D.

(Kaufi) Im Januar konnte ich das erste Mal die dänischen D.A.D. sehen. Mit dem Songmaterial kenn ich mich zwar immer noch nicht sehr gut aus – aber Spass ist hier garantiert! Mit grossem „Disneyland After Dark“ Backdrop und in… sagen wir eigenwilligen Klamotten (Drummer Laust Sonne mit Kurzarmhemd und Krawatte, Gitarrist Jacob Binzer mit Zylinder) betreten die vier Dänen die Bühne und legen mit dem ultrageilen „Jihad“ richtig los. Blickfang ist wie immer Basser Stig Pedersen mit seinen zwei-Saiten Instrumenten. Er stolziert über die Bühne, missbraucht alles als Podest, was er findet (Bassdrum, Marshall Amps…) und pendelt zwischendurch seinen Bass aus. Derweil macht Fronter Jesper Binzer seine Ansagen auf Deutsch! Wenn man bedenkt, wie viele deutsche Bands in unserem Sprachraum alles auf Englisch sagen – hier kommt ein Däne und macht das Gegenteil! Stark!
Zwar klingt es manchmal etwas holprig, aber dafür sind die Sprüche umso komischer. Jesper erzählt von einer Thrashmetal Abendschule in Dänemark und den 274 Lektionen. Es folgt ein kurzes Intermezzo, was da gelernt wurde…

Wie gesagt kenne ich die Songs der Band zu wenig, aber dass „Bad Craziness“ auf der Setlist steht und wieder nicht gespielt wird, finde ich schon eher schade. Um es harmlos auszudrücken… So bildet dann halt das nicht minder geile „Sleeping My Day Away“ den gewohnten Abschluss einer äusserst spassigen Show. Jesper wünscht zuvor noch allen „einen glücklichen Weihnacht und einen schönen Tannenbaum!“ Danke gleichfalls!

Operation: Mindcrime

Überragendes Album aus dem Jahr 1988 und neuerdings der Name, den ex-Queensrÿche Sänger Geoff Tate seiner prominent besetzten Band gegeben hat. Über den Split mit seinen ehemaligen Weggefährten wurde genügend geschrieben. Auf CD jedenfalls haben die richtigen Queensrÿche die Nase deutlich vorne. Und nach dem furiosen Auftritt beim BYH liegt die Messlatte enorm hoch. ABER: Geoff Tate hat ein Ass im Ärmel. Nur ER darf dieses Götteralbum „Operation: Mindcrime“ in voller Länge aufführen. Und dies soll heute der Fall sein… Die Spannung ist also riesig, was da jetzt kommen mag!

Mit dem ex-AC/DC Drummer Simon Wright und ex-Queensrÿche Gitarrist Kelly Gray hat Geoff auf der Musikerseite gute Argumente, wobei aber auch der zweite Gitarrist Scott Moughton richtig überzeugt.

Erstaunte Blicke, als der Sänger nach den Intros die Bühne betritt: Irokesenfrisur, die Kleidung sieht eher nach Hochzeit als nach Metalkonzert aus, gewichtsmässig hat der Herr offenbar auch recht zugelegt und die komische Brille sieht einfach nur bescheuert aus. Und dennoch ist das irgendwie  alles unwichtig – denn die Musik ist Magie! „Operation: Mindcrime“ ist Magie! Es ist schlicht fantastisch, Songs wie „The Mission“, „Spreading the Disease“ oder das alles überragende „Suite Sister Mary“ wieder einmal live zu erleben, dazu noch mit der Originalstimme. Und so ist das Konzert auch am besten: Augen zu und geniessen! Showmässig passiert nämlich eh kaum etwas, einzig der Auftritt einer Gastsängerin (dessen Name ich leider verpasst habe – sorry…) bei „Suite Sister Mary“ ist erwähnenswert.

Geoff Tate wirkt manchmal irgendwie gehemmt, die hohen Töne bringt er jedenfalls kaum und so tönen einzelne Passagen wie beispielsweise bei „Eyes of a Stranger“ etwas komisch. Der Hörgenuss wird dadurch aber nur minim gestört. Denn die Musik ist bekanntlich… Magie!

Die knappe Stunde vergeht wie im Flug, ich geniesse jede Sekunde, jeden Ton und kann von diesem Meisterwerk einfach nicht genug kriegen. Während dem Ende von „Eyes of a Stranger“ verabschiedet sich Geoff winkend vom Publikum und ich wundere mich etwas über diesen komischen Abgang. Zu früh gewundert – der Sänger kommt zurück und es gibt noch eine Zugabe! Nun ja – nach „Operation: Mindcrime“ kann eh nix besseres mehr kommen! Aber „Empire“ kommt nah dran – der Titeltrack des Nachfolgealbums ist ein würdiger Abschluss einer ganz speziellen Performance.

Geoff Tate sollte sich in Zukunft wirklich auf diese Geschichte konzentrieren und neue Songs den richtigen Queensrÿche überlassen!

Blind Guardian

Apropos würdig: Blind Guardian sind Headliner an diesem Abend. Und es ist beeindruckend, mit welcher Leichtigkeit sie diese Position ausspielen und mit welcher Leichtigkeit sie schlicht weg alles, was zuvor war, einfach an die Wand klatschen!

Als einzige haben die Krefelder ihre eigene Lichtshow dabei, und alleine das macht schon unglaublich viel aus. Dann der Beginn mit dem überragenden „The Ninth Wave“ vom aktuellen Album „Beyond the Red Mirror“. Und wer auf diesen Opener eine Granate wie „Banish From Sanctuary“ loslassen kann, der hat bereits gewonnen! Das Publikum dreht komplett am Rad, auch im mittlerweile vollen VIP-Bereich ist mächtig Stimmung, das anschliessende „Nightfall“ wird überall inbrünstig mitgesungen.
Wenn es sowas wie einen Hänger gibt in dieser Show, dann wäre es wohl die Triplette „Fly“ / „Tanelorn (Into the Void)“ / „Prophecies“. Denn hier ist bei Blind Guardian ein ähnlicher Effekt wie bei vielen anderen etablierten Bands auszumachen: Die Fans wollen vor allem alten Stoff hören! So geil das neue Album auch ist, aber live packen auch mich diese Sachen (in diesem Falle „Prophecies“) nicht so, wie sie sollten. Kein Wunder also, dass es ab Song Nummer 7 für den Rest der Show keine Verschnaufpause mehr gibt. Denn ab hier liefern Blind Guardian genau das, was die Fans wünschen! Einzelne Songs rauspicken bringt nichts – ausser vielleicht, dass erfreulicherweise auch „The Last Candle“ den Weg in die Setlist gefunden hat. Der Rest besteht aus Klassikern, Klassikern und noch mehr Klassikern! Nein, mit Songs wie „Time Stands Still (At the Iron Hill)“, „Imaginations from the Other Side“ oder „Lord of the Rings“ im Gepäck kann wirklich nichts schief gehen!

Das Doppelpack „The Bard’s Song (In the Forrest“) und „Mirror Mirror“ beschliesst die Show – aber das Publikum hat noch lange nicht genug! Vehement wird „Majesty“ gefordert – und die Band lässt sich erweichen und schiebt den Feierabend nochmals hinaus. Und so erlebe ich mein erstes Blind Guardian Konzert, welches NICHT mit „Mirror Mirror“ endet…

Das Knockout Festival 2015 ist somit Geschichte – und einmal mehr war es ein grossartiger Abend! Die Befürchtung, dass das Fehlen der ganz grossen Namen (ausser Guardian natürlich) ein Dämpfer sein könnte, hat sich nicht bewahrheitet. Vor allem Operation: Mindcrime waren da natürlich überragend, aber auch die anderen Bands vermochten zu überzeugen. Und da auch organisatorisch alles im grünen Bereich war, kann man sich eigentlich bereits auf die Ausgabe 2016 freuen!

Fotos vom Knock Out Festival 2015 (Röschu)


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/ 09.02.2016
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