Metalinside.ch - Burning Witches - Dynamo Zürich 2017 - Foto Friedemann 17
So, 28. Mai 2017

Burning Witches (Plattentaufe), Radwaste, Lotrify, Damir’s Rising Force

Dynamo (Zürich, CH)
/ 01.06.2017

Plattentaufe im Hexenzirkel!

Die All Woman Swiss Metal Band Burning Witches begoss an diesem Samstagabend im Zürcher Dynamo ihr Erstlingswerk mit Dämonensaft. Zusammen mit drei anderen Gruppen wurde eine wilde Sause gefeiert. Was sonst noch alles geschah und wieso plötzlich Gloryhammer noch zum Thema wurde, entnehmt ihr wie gewohnt den Zeilen des nachfolgenden Konzertberichts.

 

An diesem Samstagabend begebe ich mich zusammen mit meinem Metalnews-Kollegen Lars Müller auf Hexenjagd. Bei über 30 Grad schmelzen wir beinahe vor den Pforten des Dynamo dahin. Deswegen folgt die ziemlich rasante Flucht ins Innere. Ah, schon besser. Noch schlendern lediglich ein paar einzelne Metalheads im Saal herum. Die Presse ist dagegen bereits zahlreich vertreten. Na dann hoffen wir doch auf ein paar berichterstattungswürdige Ereignisse. Aber zuerst will die eigene Kehle mit einem Hopfentrunk befeuchtet werden. Aufgrund dessen folgt unausweichlich der obligate Abstecher an die Bar. Danach geht’s zur Sichtung der Merchandise-Artikel. Die Witches haben ein vielseitiges Sortiment am Start. Shirts, Hoodies, Patches, kleine Fläschchen gefüllt mit «Burned Water» etc. Aus den Boxen sind altbekannte Songs von Metallica, Saxon oder Machine Head zu hören. Für den passenden Einstimmungssound ist somit gesorgt.

Die Debütplatte der Mädels hat in der metallischen Presse gute bisher sehr gute Noten erhalten. Auch in meiner Albumkritik konnte ich mich zurecht begeistert zeigen. Nun gilt es, das Material auch während einer Live-Show mit vollem Elan rüberzubringen. Am diesjährigen Swiss Metal Masters in Wohlen haben mir die Witches schon einmal bewiesen, dass sie es absolut draufhaben. Somit blicke ich der heutigen Show relativ gelassen entgegen. Der Weg zu den Mädels ist allerdings noch lang. Zuerst werden die drei angekündigten Vorgruppen ein hoffentlich anständiges Warm Up-Programm auf die Beine stellen. Erst danach wird sich zeigen, ob eine Hexe überhaupt eine Taufe durchführen darf.

DAMIR’S RISING FORCE

Der erste Act des Abends befasst sich primär mit dem schwedischen Gitarristen Yngwie Malmsteen. Er gilt als Wegbereiter für die Fusion zwischen klassischer Musik und Heavy Metal. Und genau dieser Kerl dient den nun auf der Bühne erscheinenden Herren als Inspirationsquelle. Damir’s Rising Force knallen dem noch schwach besuchten Dynamo Saal eine ordentliche Ladung Heavy Metal um die Lauscher. Sämtlicher Mitglieder sind auch in anderen Bands aktiv und in der Schweizer Szene definitiv keine unbekannten Gesichter.

Aushängeschild ist ohne Zweifel der Saitenkönig Damir Eskic. Mit im Ventilatoren-Wind wehendem Haar kitzelt er ein Solo nach dem anderen aus seiner Klampfe heraus. Dabei ziert stets ein schelmisches Grinsen sein Gesicht. Bassist Lukas Marti ist ebenfalls mit vollem Einsatz bei der Sache. Der Mann für die flotten Sprüche ist allerdings Sänger Andy Lickford. Da wird beispielsweise schon mal mit leicht ironischem Unterton behauptet, dass Yngwie Malmsteen ihnen die Ideen geklaut habe. Mit der Aussage «Ich ghör eu» fordert er zudem jeweils Applaus und Lärm aus den Publikumsreihen ein – und das klappt prächtig. Zudem funktioniert Andy seinen Mikrofonständer auch einmal zur Geige und zum Maschinengewehr um. Zu Beginn ist sein kräftiges Stimmorgan leider kaum zu hören. Glücklicherweise kann die Geschichte mit dem zu leise eingestellten Mikro ziemlich schnell behoben werden. Der Dynamo Saal mag zwar nicht rappelvoll sein. Aber Damir’s Rising Force erzeugen trotzdem eine akzeptable Stimmung. So darf’s gerne weitergehen.

Übrigens wäre gemäss Programm eigentlich noch eine fünfte Band eingeplant gewesen. Wie Damir uns aber erklärt, mussten Cutest Beast ihren Auftritt aufgrund von gesundheitlichen Problemen eines Mitglieds leider kurzfristig absagen. Wir wünschen an dieser Stelle jedenfalls gute Besserung und hoffen auf eine baldige Genesung.

LOTRIFY

Die nächste Truppe drückt gleich von Beginn weg etwas intensiver aufs Gaspedal. Der Melodic Metal von den fünf Herren aus Baden haut das Publikum regelrecht um. Der Funke ist definitiv übergesprungen. Es kommt gar zu diversen Moshpits und einer kleinen Wall Of Death. Sänger Sacha Wacker schreit sich die Seele aus dem Leib. Die Stimme passt. Scheu sind die Herren keinesfalls. Sacha nimmt sich kurz Zeit, um mit einem Rollstuhlfahrer in der ersten Reihe abzufeiern und auch Gitarrist Yannick Bislin verlässt einmal kurz die Bühne um mit den Fans am Absperrgitter auf Tuchfühlung zu gehen. Bassist Silvan Laube kämpft leider ebenfalls mit einem zu leise eingestellten Mikro. Das bleibt aber der einzige Kritikpunkt an einer sonst souveränen Lotrify-Show. Insbesondere der Song «Collateral Damage» von der 2013er-EP Light «Passes, Shadow Remains» ist eine bärenstarke Live-Hymne. Zum Abschluss gibt’s für einmal nicht den Scooter-Song «Maria (I Like It Loud), was jetzt allerdings nicht wirklich als Verlust einzustufen ist. Ich kann die Truppe mit gutem Gewissen weiterempfehlen. Mit diesem tollen, mitreissenden Auftritt haben sie die Messlatte für die nachfolgenden Bands eindeutig höhergelegt.

RADWASTE

Mit dem Niveau von Lotrify können die nun aufspielenden Radwaste leider nicht wirklich mithalten. Der Saal hat sich ziemlich geleert und nur eine kleine Menschentraube lauscht den Heavy und Thrash Metal-Klängen der vier Jungs. Schade. Da wäre sicherlich mehr möglich gewesen. Deswegen tue ich mir die ganze Sache nicht sonderlich lange an und mache einen Abstecher ins Treppenhaus.

Allerdings bin nicht alleine unterwegs. Zuvor habe ich im Saal nämlich ein vertrautes Gesicht entdeckt. Zwar ist er ohne seine Rüstung nicht leicht zu erkennen, aber der geneigte Metal-Fan lässt sich davon nicht irritieren. Bei der erwähnten Person handelt es sich um niemand geringeren als Mister Thomas Winkler (a.k.a. Angus McFife) von Gloryhammer. Auch ihn haut die Radwaste-Show nicht wirklich aus den Socken und somit nimmt er sich gerne Zeit für ein kleines Schwätzchen. Wir plaudern über das neue Gloryhammer-Album (jep, es ist etwas in Arbeit), seine Arbeit als Notar, das Tour-Leben und künftige Gastspiele seiner Band auf Schweizer Boden. Zudem verrät er mir, dass Kollege Christopher Bowes im Studio ausschliesslich Tee zu sich nimmt. Soviel zum Klischee des dauer-betrunkenen Piraten. Zum Schlus gibt’s noch ein Erinnerungsfoto und dann begeben wir uns zurück in den Saal. Dieser Thomas ist definitiv ein überaus sympathischer Typ.

BURNING WITCHES

Das riesige Backdrop verrät es bereits. Es ist Hexen-Zeit! Plötzlich ist der Saal rappelvoll. Da haben wohl einige bloss auf den Auftritt des Headliners gewartet. Und da stolzieren die Hauptattraktionen des heutigen Abends auch schon auf die Bühne. Für musikalische Verzauberungen sorgen in den nächsten rund 60 Minuten Seraina Telli (Gesang), Alea Wyss (Gitarre), Jay Grob (Bass), Lala Frischknecht (Schlagzeug) und Romana Kalkuhl (Gitarre). Optisch ist das Ganze schon mal ein echter Leckerbissen. Diese Aussage werden dann sicherlich auch die Schnappschüsse von meinem Metalinside-Kollegen Friedemann untermauern. Und die musikalische Komponente? Ja diese wird uns jetzt schnörkellos vorgeführt.

Eröffnet wird der wilde Hexentanz mit dem Quickie-Song «Metal Demons». Serainas facettenreiches Stimmorgan lullt die Zuhörerschaft von Beginn weg ein. Die Mädels sind mit sichtlich Spielfreude und vollem Einsatz bei der Sache. Vor allem Jay eskaliert regelrecht am Bass und nimmt sämtlichen Passivitätsvorwürfen direkt den Wind aus den Segeln. Kinder erspähe ich keine im Publikum. Die sind wohl bereits im Kochkessel oder im Ofen gelandet. Passend dazu schicken die Witches den Track «We Eat Your Children» ins Rennen. Alea und Romana lassen ihre Besen – …äh sorry – Gitarren unermüdlich aufheulen. Apropos Ofen, so langsam kommt’s im Saal zu einer schweisstreibenden Hitzeschlacht. In den Abkühlung gibt’s ausschliesslich durch den gelegentlichen Konsum eines Hopfen-Smoothies.

Mit «The Deathlist» und «The Dark Companion» gehen dann auch verhältnismässig früh die beiden längsten Nummern der zu taufenden Scheibe ins Rennen. Die Mädels zeigen darin in beeindruckender Manier, weshalb man sie zurecht als Metal-Hoffnung bezeichnet. Die Stimmung im Publikum ist jedenfalls exzellent. Der Dynamo Saal kocht. Zwischen den beiden Monster-Nummern bleibt noch Platz für «Creator Of Hell». Hier stellen die Witches ihre einstudierte Performance zur Schau. Während des Refrains wippen Seraina und Co. walzerartig hin und her. Die Synchronität stimmt.

Beim darauffolgenden «Creatures Of The Night» werden der Zuhörerschaft ein paar heftige Drum-Salven aus dem Lala-Land entgegengeschleudert. Mit der Ballade «Save Me» folgt danach einer meiner Favoriten der Debütscheibe der Witches. Hühnerhautmomente inklusive. Seraina demonstriert abermals ihr beeindruckendes Können hinter dem Mikro. Danach herrscht Dunkelheit. Die fünf Damen versammeln sich in der Bühnenmitte, fassen sich an den Händen und bilden einen Halbkreis. Was kommt jetzt? Plötzlich taucht am linken Bühnenrand eine dunkle Gestalt mit Kapuze auf. In der Hand hält sie ein kleines Körbchen. Das erinnert mich irgendwie stark an die böse Stiefmutter aus dem Märchen «Schneewittchen und die sieben Zwerge». Anstatt eines vergifteten Apfels überreicht sie den Mädels allerdings ein Exemplar der Burning Witches-Debütscheibe und verschwindet wieder in den Schatten. Zeit für die Taufe! Doch diese droht beinahe zu scheitern. Die doofen Champagner-Flaschen lassen sich einfach nicht öffnen. Mit etwas Geduld klappt’s dann trotzdem noch. CD und Publikum werden gleichermassen nassgemacht. Damit ist das Erstlingswerk der Hexen nun offiziell getauft und erhältlich.

Der Auftritt der Witches ist allerdings noch nicht zu Ende. Mit dem Album-Opener «Black Widow» wird der zweite Teil der Setliste eingeläutet. Die Rob Halford-mässigen Screams sitzen glücklicherweise nicht nur auf Platte. Chapeau Seraina! Dann folgt der einzige «Exoten-Track» des Abends. Mit einer Coverversion von «Holy Diver» zollen die Hexen dem grossen Ronnie James Dio Tribut. Schade, dass es diese Nummer nicht auf den Silberling geschafft. Ich persönlich finde diese Version nämlich absolut gelungen.

Mit «Bloody Rose» und dem Judas Priest-Cover «Jawbreaker» sind wir dann schon beinahe am Ende der Show angelangt. Ohne Zugabe dürfen sich die Damen selbstverständlich nicht aus dem Staub machen. Deshalb entlassen sie uns mit dem Albumtiteltrack hinaus ins wilde Treiben der Samstagnacht. Ein letztes Mal mobilisieren die Witches ihre finalen Kraftreserven und präsentieren sich nochmals von ihrer besten Seite. Auch das Publikum gibt erneut vollen Einsatz. Jetzt wird das Dynamo endgültig niedergerbrannt. Ein würdiges Ende einer über aus gelungenen Plattentaufe. In diesem Sinne: «Burn The Witch!».

FAZIT

Lortify und die Hexen selbst haben sich als Highlight dieser Plattentaufe erwiesen. Das war von beiden Truppen eine Topleistung. Organisationstechnisch hat ebenfalls (fast) alles geklappt. Die Damen an der Bar waren zwischendurch etwas mit dem Ansturm überfordert. Zudem hat sich ein Zapfhahn offenbar als äusserst zickig erwiesen.

Meine abschliessenden Worte möchte ich allerdings explizit nochmals den Burning Witches widmen: Alea, Jay, Seraina, Romana, Lala – ich wünsche euch auf diesem Wege alles Gute und eine erfolgreiche Karriere ohne allzu grosse Stolpersteine. Auf dass eure Zaubersprüche stets sitzen mögen, eure Besen flugfähig bleiben und ihr nicht durch irgendwelche Zickenkriege auseinandergerissen werdet. Ich bin stolz und dankbar, dass die Schweizer Metal-Szene solche Truppen wie euch beherbergt. Sicherlich geht der «Hexen-Hype» bereits auch schon einigen auf die Nerven. Lasst euch davon allerdings nicht beirren. Ich hoffe definitiv auf eine glorreiche Zukunft für die neue Schweizer-Heavy-Metal-Hoffnung. Wenn ihr irgendwann einmal Headliner eines bekannten Festivals seid, möchte ich schliesslich den künftigen Metal-Frischlingen berichten können, dass ich damals 2017 an der Taufe eures Debütalbums hautnah dabei war.

Setliste – Damir’s Rising Force

  1. Rising Force
  2. My Resurrection
  3. Demon Driver
  4. Facing The Animal
  5. Never Die
  6. Seventh Sign

Setliste – Lotrify

  1. Resurrection
  2. Something To nothing
  3. Xenophobic
  4. Collateral Damage
  5. Split The Pit
  6. Welcome To Reality
  7. Prophecy

Setliste – Radwaste*

  1. Catharsis
  2. Army of God
  3. Neverending
  4. Black Clouds
  5. The Spirit that denies
  6. Forbidden Fruit

*Songtitel sind gemäss Aussage der Band noch nicht alle definitiv

Setliste – Burning Witches

  1. Metal Demons
  2. We Eat Your Children
  3. The Deathlist
  4. Creator Of Hell
  5. The Dark Companion
  6. Creatures Of The Night
  7. Save Me
  8. Black Widow
  9. Holy Diver (Dio-Cover)
  10. Bloody Rose
  11. Jawbreaker (Judas Priest-Cover)
  12. Burning Witches*

*Zugabe

Fotos von Burning Witches, Radwaste, Lotrify, Damir’s Rising Force (Friedemann)


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