Metalinside.ch - Erste Allgemeine Verunsicherung - Z7 Prattlen 2019 - Foto Kaufi
Sa, 9. Februar 2019

1‘000 Jahre EAV – Der Abschied, Teil 1

Z7 (Pratteln, CH)
14.02.2019

Gut – 1‘000 Jahre ist etwas übertrieben, das gibt die Band selbst zu. 41 Jahre sind es in Wirklichkeit. Doch jetzt haben die Österreicher genug. Sie hören auf und gehen in Rente. Eine der erfolgreichsten Truppen aus dem deutschsprachigen Raum macht Schluss und wird zweifellos eine riesige Lücke hinterlassen. Wen wundert’s, dass die Tickets für die Abschiedstour weggehen wie die berühmten warmen Weggli?

Ausverkauft! Irgendwie kein Wunder, dass der Konzerttempel diesen Status schon vor vielen Wochen vermelden durfte. Ein Zusatzkonzert (am 4. Juni 2019) wurde anberaumt. Auch dafür waren die Tickets bald schon Mangelware, sodass man diese Show kurzerhand nach draussen verlegte. EAV werden dann also Open Air spielen – und dass dann der Platz vor der Halle mit 3‘000 Leuten rappelvoll sein dürfte, wäre keine Überraschung.

Der immense Erfolg der Ersten Allgemeinen Verunsicherung hat allerdings auch seine Schattenseiten. Ein ausverkauftes Z7 (resp. jede ausverkaufte Halle) ist einfach doof. Man muss lange vor der Show anwesend sein (das ist noch das kleinere Problem) und man kann sich nach Konzertbeginn kaum mehr bewegen. Ich habe den „Nachteil“, dass ich schlussendlich keine wirklich tolle Sicht auf die Bühne habe, und dadurch zweifellos viele lustige Einlagen leider nicht sehen kann. Für allfällige Lücken im folgenden Konzertbericht bitte ich somit um Entschuldigung…

Wenn die EAV auftritt, dann kann sich der Fan auf beste Unterhaltung gefasst machen. Satire, schwarzer Humor, Gesellschaftskritik, Kostüme, eine Dosis Klamauk – alles gepaart mit eingängigen Melodien aus Pop, Rock und manchmal sogar fast Metal. Bandleader Thomas Spitzer soliert zwischendurch jedenfalls auf seiner Gitarre wie die „grossen“ Rocker… Das Publikum ist daher natürlich sehr durchmischt, wobei ich das Gefühl habe, dass es heute deutlich weniger Metalheads sind als auch schon. Altersmässig ist von 10 bis 80 wohl alles vorhanden.

Kurz vor halb neun geht das Licht aus. Nebel schwabbert über den Bühnenboden und zwei Träger tragen einen Sarg auf die Bühne. „Vorbei“ – der Opener gibt das Motto der Tour vor, während Sänger Klaus Eberhartinger unter grossem Jubel aus der Kiste steigt! Gleich danach gibt’s einen ersten Vorgeschmack, was an Sprüchen auf uns zukommt. Passenderweise lässt der Blondschopf mal einen Stapel Witze über das Alter los und klärt mal die Altersverteilung im Publikum. Er erzählt von alten Zeiten, als man „kreativ“ sein musste, um an Geld zu kommen. Beispielsweise mit einem „Banküberfall“… Dass so früh einer der grössten Hits gespielt wird, zeigt eindrücklich, was die Österreicher seit den 80er Jahren alles erreicht und geleistet haben. Spitzer & Co haben es nicht nötig, bis zum Ende der Show mit ihren grössten Hits zu warten – sie können diese über den ganzen Abend verteilen und haben immer noch genügend Vorrat für das Finale…

Die EAV geht nun weit zurück in die Vergangenheit. Sie graben Songs aus, die „schon fast vermodert sind und wohl auch schon etwas stinken“ – oder so ähnlich. Jedenfalls war dies Material, mit welchem die Band das erste Mal etwas mediale Aufmerksamkeit in ihrer Heimat erhielten. „Tanz Tanz Tanz“, „Alpenrap“ und „Schweinefunk“ werden in einem Medley zusammengefasst, „Go Karli Go“ folgt in der vollen Version. Und es bleibt grad bei den Oldies: Der Fahrschein-Sketch mit Johnny wird gespielt, dann gibt’s die Mafia-Hymne „Heisse Nächte in Palermo“ auf die Lauscher. Und alles immer untermalt mit verschiedenen Kostümen und passenden Hüten. Dennoch erstaunlich, wie wenig es braucht, um die Charaktere den Songs entsprechend anzupassen. Stark!

Im Herbst letzten Jahres erschien das 17. Studioalbum, „Alles ist erlaubt“ ist der Titel. Musikalisch vermag es zwar nicht an die Glanzlichter der Vergangenheit oder an das 2010er Werk „Neue Helden braucht das Land“ anzuknüpfen. Textlich jedoch ist die Verunsicherung böse und zynisch wie eh und je. Die Politik, die Kirchen und Religionen, die Gesellschaft – alle kriegen ihr Fett weg. „Trick der Politik“ ist denn auch einer der wenigen neuen Tracks, welche heute im Programm stehen. Und wenn’s um Politik geht, darf natürlich der „Donald aus Entenhausen“ nicht fehlen. Wer hätte das gedacht, dass man George Bush mal vermissen wird? „Trump ist eine Lichtgestalt. Er steht gerne im Licht. Im Rampenlicht, im Scheinwerferlicht, im Blitzlicht. Im Zwielicht“. „God bless America“ in einer Country-mässigen Version und mit aktualisierten Text, Klaus mit Trump-Frisur und USA-Hut und Frack… „Am rechten Ort“ thematisiert dann mit nachdenklichen Worten, wie glücklich wir in dieser Zeit, in der wir leben, eigentlich sein müssten.

Themenwechsel. Nun geht’s um’s Balzen. Um das Erobern des anderen Geschlechts. Zu Zeiten ohne Tinder und ElitePartner. Dafür brauchte es früher Muckis oder ein schnelles Auto. Und wenn das sexuell nichts brachte, dann wurde Plan B beansprucht: Die Reise nach Fernost. „300 PS“, „An der Copacabana“ und „Samurai“ sind das vielumjubelte und passende Triple zu dieser Thematik. Zeitlos dann einer der grössten Hits in der Geschichte der Band: Mit einem Gruss aus Fukushima – „Burli“.

Ein tolles „Teufels-Medley“ gibt die nächste thematische Richtung vor. Allerdings sind die Österreicher heute recht zahm, wenn’s um Religionskritik geht. Das war auch schon deutlich heftiger! Nichtsdestotrotz ist „S’Muaterl“ ein absoluter Höhepunkt des Abends – der Text geht einem schon unter die Haut.

Ein Dauerbrenner ist der Kampf gegen den „Bazillus Nationalis“. Die braune Gesinnung eines immer grösser werdenden Teils der Gesellschaft steht seit jeher im Kreuzfeuer der EAV. „Das Wandern“, die Stammtisch-Hymne „Toleranz“, das „Heimatlied“ und zuguterletzt auch ein modernisiertes „Neandertal“: Hier wird jetzt ganz scharf geschossen. Schlicht grossartig!

Etwas Theater ist angesagt. Die Geschichte des Froschkönigs wird mit „Only Du“ abgeändert, Klaus kommt als Stripperin auf die Bühne, die Oberweite mit Äpfeln vergrössert, die er schlussendlich etwas „bearbeitet“ und ins Publikum schmeisst… Mit „Küss die Hand, schöne Frau“ folgt der wohl grösste Hit überhaupt, hier singt wohl praktisch jeder der 1‘600 Anwesenden lauthals mit. Kaum weniger enthusiastisch wird der „Sandlerkönig Eberhard“ aufgenommen: Fraglos ein ganz grosser Favorit der Fans.

Bei der Unmenge an Hits aus vier Jahrzehnten muss man sich überlegen, auf welche Art man möglichst viele davon im Programm unterbringt. Dieses Mal präsentiert sich der Fronter als Arzt des Astrorock-Sanatoriums – direkt neben dem Krematorium gelegen. Viele alternde Rockstars sind da zu finden. „Wann man geh’n muss“ kommt hier beispielsweise zum Zug, „Ding Dong“ ebenso und als „Ausländer“ in der Klinik kommt sogar Peter Maffay zur Kasse: Die berühmten sieben Brücken werden nun zu „sieben Krücken“. Die aktualisierte Version des „Märchenprinz“ wird hingegen nur rezitiert. Tja – in diesem Sanatorium wird keiner lebend rausgehen. Alle werden sie ihn treffen: „Der Tod“! Der letzte Track dieses Spektakel ist nicht nur in meinen Ohren das Beste, was die Österreicher je geschrieben haben – und darum freut es mich umso mehr, dass ich den nach all den Jahren endlich, endlich mal live erleben darf! Was für ein Abschluss nach weit über 2 Stunden – schlicht grandios!

Die „Zugabe“-Rufe sind ohrenbetäubend. Und die EAV lässt sich nicht lumpen. Wie bereits erwähnt, sind viele der grössten Hits ins „normale“ Programm eingebaut worden. Doch es ist noch genügend da! „Küss die Hand, Herr Kerkermeister“ (Klaus mit Sträflingsklamotten und Bleikugel am Fuss), „Märchenprinz“ (Klaus im Frack) und „Fata Morgana“ (Klaus mit Turban und glitzerndem Jacket) sind unsterbliche Nummern und auch die werden selbstredend frenetisch gefeiert. Bei der Ballade „Morgen“, die den endgültigen Abschluss markiert, werden einmal mehr die Leute vorgestellt, die sonst nicht im Rampenlicht stehen. Immer wieder eine tolle Würdigung der Musiker, die wissen, dass sie ohne all diese Helfer nie so toll dastehen könnten! Mit dem Hinweis auf das Open Air am 4. Juni verabschiedet sich die Erste Allgemeine Verunsicherung von ihren Fans – und wer die Truppe noch ein letztes Mal erleben will, sollte sich beeilen! Denn das „normale“ Z7 wäre bereits wieder ausverkauft, dank Outdoor gibt’s jetzt wieder Tickets…

Das Fanzit

Anfang der 90er Jahre spielte die EAV auf ihrer damaligen Tour im ausverkauften Hallenstadion. Ganz so aufwendige Produktionen können die Österreicher heute zwar nicht mehr fahren. Aber das ist auch nicht nötig! Denn so wie es ist, passt es hervorragend! Die perfekte Mischung zwischen Musik, Theater, Comedy – und dies bei zweieinhalb Stunden Spielzeit. Respekt! Klaus Eberhartinger brilliert auch heute mit seinen Ansagen, allerdings ist er heute zahmer als auch schon. Das wird doch nicht schon Altersmilde sein? Nun, wir werden das in knapp vier Monaten nachprüfen!

Ein Wort noch zum Publikum: Mir ist klar, dass bei ausverkaufter Hütte nicht jeder die perfekte Sicht auf die Bühne hat. Aber dass man deshalb vor allem bei Klaus‘ Ansagen dauernd quatschen muss, verstehe ich einfach nicht. Und über die nervige Produktion von Handy-Videos schweige ich besser… Kauft Euch die DVD und geniesst doch die Show, verdammt noch mal! Ihr schaut euch dieses verwackelte Zeugs eh nie mehr an… So, das musste sein. Gute Nacht!

Setliste EAV

  1. Vorbei
  2. Ba-Ba-Banküberfall
  3. Tanz Tanz Tanz / Alpenrap / Schweinefunk
  4. Go Karli Go
  5. Johnny 1 – Fahrscheine
  6. Heisse Nächte (in Palermo)
  7. Trick der Politik
  8. Geld oder Leben
  9. God bless America
  10. Am rechten Ort
  11. 300 PS (Auto …) / An der Copacabana
  12. Samurai
  13. Burli (Radioaktiv-Mix)
  14. Im Himmel ist die Hölle los / Der Teufel / Liebe, Tod & Teufel / Im Himmel ist die Hölle los (Reprise)
  15. S’Muaterl
  16. Das Wandern
  17. Toleranz
  18. Heimatlied / Rechts 2-3
  19. Neandertal
  20. Only You (mit Striptease)
  21. Küss die Hand schöne Frau
  22. Sandlerkönig Eberhard
  23. Die Zeit
  24. Austrorock Sanatorium
  25. Der Tod
  26. Küss die Hand, Herr Kerkermeister
  27. Märchenprinz
  28. Fata Morgana
  29. Morgen

Fotos Erste Allgemeine Verunsicherung – Z7 2019 (Kaufi)


Wie fandet ihr das Konzert?

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