Metalinside.ch - Korpiklaani - Z7 Pratteln 2019 - Foto Friedemann
Sa, 9. März 2019

Korpiklaani, Turisas, Trollfest

Z7 (Pratteln, CH)
/ 25.03.2019

Von Wanderern, Kriegern und Party-Trollen 

Ein Dreiergespann aus der «folkigen» Ecke lud am Samstag zum süffigen Konzertabend im Z7. Auf der Bühne wurde mit den unterschiedlichsten Mitteln agiert: Von Schwertern über Luftballons bis hin zur Humppa-Infanterie – da war effektiv alles am Start. Ob meine Leber die Angriffe der Trinkfreude fördernden Mucke überlebt hat? Sämtliche Weiterlesenden werden die Antwort darauf gewiss entdecken. 

Meine Wenigkeit hat Grund zum Feiern, denn heute erlebe ich die Finnen von Korpiklaani zum zehnten Mal live in Aktion. Einer Tradition sind beide Parteien bisher stets treu geblieben: Wir haben uns wohl noch nie gegenseitig nüchtern erlebt. Tja, was will man machen? Zahlreiche Songs des Sextetts verlangen regelrecht, dass dem Alkohol fleissig gefrönt wird. Allerdings weht es den Herrschaften in Zusammenhang mit ihrem aktuellsten Silberling «Kulkija» auffällig viele kritische Worte um die Lauscher. Man sei melancholischer und ernsthafter geworden. Vorbei seien die Tage der «gute-Laune-und-sich-die-Hucke-vollsaufenden» Feier-Musik. Darauf werden wir im späteren Verlauf des Artikels sicherlich nochmals rasch zu sprechen kommen.

Korpiklaani reisen selbstverständlich nicht alleine durch die europäischen Gefilde. Erneut haben sie ihre skurrilen und ulkigen Kumpels von Trollfest im Schlepptau. Bei Auftritten der Norweger muss man grundsätzlich mit allem rechnen. Man sollte die Bande einfach nicht zu ernst nehmen. Grosse Vorfreude verspüre ich hingegen bezüglich des zweiten Support-Acts. Turias waren jetzt doch schon länger nicht mehr hierzulande zu Gast. Bei ihnen wäre eigentlich auch wieder einmal neues Scheiben-Material fällig, denn die letzte Veröffentlichung liegt bereits sechs Jahre zurück. Vielleicht gibt’s diesbezüglich heute ja eine Ankündigung.

Die Pforten werden bereits um 17.30 Uhr geöffnet – äusserst früh. Glücklicherweise ist rechtzeitiges Erscheinen an einem Samstag ja selten ein Problem. Das Line-Up der «Wayfarers & Warriors»-Tour scheint sich als waschechter Publikumsmagnet herauszustellen. Die Popularität von Korpiklaani und Co. überrascht mich immer wieder aufs Neue. Mit dieser Anziehungskraft hätte ich ehrlich gesagt nicht unbedingt gerechnet. Nach einer kurzen Inspektion der Merchandise-Ecke geht’s ab zur vorderen Bar. Die Stimmbänder wollen schliesslich geölt werden. Mal schauen, ob das Barpersonal den Hopfendosen-Vorrat ausreichend aufgestockt hat. In diesem Sinne: «Kippis!».

Trollfest

Ich bin alles andere als ein Fasnacht-Freund, aber die Bühnendeko möchte offenbar einen aus mir machen. Entweder das – oder uns steht hier demnächst ein ziemlicher Kindergeburtstag bevor. Luftballons wohin das Auge blickt. Definitiv gewöhnungsbedürftig. Als Trollfest um 18.30 Uhr mit ihrem Set loslegen, wird’s noch bizarrer. Die Jungs tragen wunderschöne Prinzessinnenkleider. Ein – um es vorsichtig zu formulieren – spezieller Anblick. Irgendwie hat mein Hirn Schwierigkeiten, das Gesehene zu verarbeiten. So verfolge ich die Darbietung mit meinem «Was-zur-Hölle?!»-Gesichtsausdruck. Dass Fronter Trollmannen dann noch mit einem gigantischen Ballonhut auftaucht, macht die ganze Geschichte auch nicht wirklich fassbarer. Meine therapeutische Analyse in Kurzform? Naja, die Nordmänner haben eindeutig nicht alle Latten am Zaun. Fairerweise ist jedoch anzumerken, dass man sich von Trollfest nix anderes gewohnt ist.

«True Norwegian Balkan Metal» – so bezeichnet der der Sechser sein musikalisches Schaffen im Fratzenbuch. Überraschenderweise kommt da sogar irgendwie hin. Mein Kollege formuliert’s folgendermassen: Phasenweise ist die ganze Sache durchaus hörbar, aber live anschauen müsste man sich diese Augenkrebs auslösende Geschichte eigentlich nicht zwingend. Da pflichte ich ihm bei. Es ist wie ein schrecklicher Unfall, du willst es zwar nicht sehen, schaust am Ende dann aber trotzdem hin. Aber hey, für Stimmung könne die Jungs definitiv sorgen. Daran besteht kein Zweifel. Das Z7 tanzt und hüpft. Die wahrscheinlich aus einer norwegischen Klapse entflohenen Trolle werden frenetisch abgefeiert. Fast eine Stunde lang dürfen sie das Publikum auf Betriebstemperatur bringen. Deswegen also der frühe Beginn. Da dürfen sich auch die anderen beiden Gruppen an ausreichend Spielzeit erfreuen.

Turisas

Nach der Party geht’s in den Krieg. Mit neuen Blondinen bewaffnet marschieren wir gemeinsam mit Turisas in Richtung Schlachtfeld. In den Publikumsreihen haben einige Metallschädel ihre Antlitze mit dem für die Band typischen schwarz-rot Farbmuster bemalt. Während bei den Trollen noch die Lachmuskeln ordentlich Arbeit hatten, sind nun brüllende und johlende Axtschwinger gefragt. «As Torches Rise» – die Finnen legen mit dieser Hymne einen bärenstarken Start hin. Das Personalkarussell hat sich vor dieser Tour wieder einmal ein bisschen gedreht: Violinist Olli Vänskä wird von der aus Sambia stammenden Caitlin De Ville vertreten und am Keyboard ersetzt Robert Engstrand den verhinderten Kasper Mårtenson.

«To Holmgard And Beyond», «Hunting Pirates» und «Battle Metal» – es ist eine wahre Freude, diese Stücke nach so langer Zeit wieder einmal live erleben zu können. Gerade beim letztgenannten Song ist die Zuhörerschaft mit vollem Einsatz bei der Sache. Enden kann diese Show aber selbstverständlich nur mit dem allergrössten Turisas-Hit (obwohl sich hierbei um genau zu sein um ein Cover von Boney M. handelt). Die Rede ist natürlich von «Rasputin». Abermals totale Eskalation vor der Bühne. Interessanterweise bleibt es nach dieser Nummer bloss kurz dunkel. Turisas kehren nochmals zurück und hängen ein kleines Akustik-Set an, das allerdings niemanden so wirklich vom Hocker haut. Eine meiner Lieblingshymnen – «One More» – kommt in dieser Form leider überhaupt nicht zur Geltung. Diesen Part hätten die Finnen meinetwegen ruhig weglassen können. Aufgrund der Spielzeit von 90 Minuten muss man sie heute Abend wohl als Co-Headliner einstufen.

Korpiklaani

Die heutige Hauptattraktion geht um 21.45 Uhr an den Start. Jep, man kennt diese Herren mittlerweile. Auffallend ist gewohnt Violinist Tuomas Rounakari in seinem schneeweissen Outfit – samt passendem Zylinder. Dem Hut-Trend sind ebenfalls Klampfer Cane und Frontmann Jonne gefolgt. Basser Jarkko Aaltonen verzichtet standardgemäss auf Schuhwerk. Inzwischen dürfte der gute Mann eine beinahe undurchdringbare Hornhautschicht an seinen Füssen haben. Die Schiessbude von Trommler Matson – vor der ein kleiner Holzzaun steht – ist mit Hirschgeweihen dekoriert. Haben wir jemanden vergessen? Oh ja stimmt – Akkordeon-Maestro Sami. Dem steht die Spielfreude sowieso stets ins Gesicht geschrieben.

Der Eröffnungs-Track «Neito» ist in der heutigen Setliste einer von neun Vertretern der «Kulkija»-Platte. Wie bereits in der Einleitung dieses Artikels angedeutet, lösen nicht alle neuen Stücke Jubelstürme aus. Einigen Zuschauern ist’s etwas zu melancholisch und ernsthaft. Offenbar wissen die nicht, dass sich Korpiklaani eigentlich schon zu Beginn ihrer Karriere für den Schutz und die Würdigung der Natur stark gemacht haben. Und das funktioniert eben besser mit nachdenklicheren Nummern. Nichtsdestotrotz wurde die Truppe schliesslich primär aufgrund ihrer Sauf-Lieder weltweit populär und deswegen kann ich den Unmut einiger Zuhörer, die lieber die spassige Seite der Finnen erleben möchte, zumindest teilweise nachvollziehen. Glücklicherweise gibt’s ja noch Tracks wie «A Man With A Plan», die sofort wieder für eine ausgelassene Stimmung in der Halle sorgen.

Urplötzlich hat einer meiner Kollegen einen Schwächeanfall. Eine Überdosis Hopfentee? Keine Ahnung, aber ich reagiere gedankenschnell und trage ihn mit Hilfe eines Security-Mitarbeiters und einer Kollegin durch den nahen Seitenausgang hinaus zur Sanitäterin. Die Dame beruhigt die nervösen Gemüter rasch und erkennt auch sogleich die Problemursache. Offenbar hat der Kreislauf schlapp gemacht. Hinlegen und Wasser trinken seien nun die beste Medizin. Mein Summer Breeze-Shirt wird stolz bewundert. Tja, das Z7 ist tatsächlich ein Metal-Tempel. Da hören sogar die Sanitäter die richtige Musik. Langsam hat mein Kumpel wieder eine einigermassen menschliche Gesichtsfarbe. Deshalb entschliesse ich mich, ihn in der Obhut der Mädels zu lassen und zum Konzert zurückzukehren.

Zu «Pilli On Pajusta Tehty» stehe ich dann wieder in der Nähe meines «Dutti-Pfostens». Korpiklaani rüsten sich für den Schlussspurt und graben in der Klassiker-Kiste. Dabei stossen sie auf das mitreissende «Wooden Pints», das inzwischen auch schon 16 Jahre auf dem Buckel hat. Anschliessend verschwinden die Sauna-Liebhaber hinter der Bühne. Ende Feuer? Nö, denn jetzt laden die Herren zur munteren Barbestands-Dezimierung ein. Einen süffigeren Zugaben-Block werdet ihr nirgends finden. «Beer Beer» wird gemeinsam mit den ziemlich haarigen Trollfest-Prinzessinnen performt. Zum wirklich finalen Abschluss gibt’s dann noch «Vodka» und «Happy Little Boozer» hinterher. Liebe Leber, es war schön mit dir. Wir sehen uns in einem nächsten Leben. Adieu!

Das Fanzit

Heute Abend hatten definitiv sämtliche drei Auftritte auf irgendeine Art und Weise etwas zu bieten. Trollfest mögen zwar irre Kindsköpfe sein, aber sie sorgten nichtsdestotrotz für massenhaft Stimmung in der Halle. Turisas legten – abgesehen vom unnötigen Akustik-Ausklang – einen souveränen Auftritt hin. Trotz verpasstem Mittelteil war ich auch mit dem Gezeigten von Korpiklaani zufrieden. Für mich hatten die neuen Songs durchaus ihren Reiz.

PS: Mein Kumpel hat sich vollständig erholt. Bleibt zu hoffen, dass sein Kreislauf beim nächsten Event nicht mehr herumzickt.

Setliste – Trollfest

  1. Intro – O Fortuna – Carmina Burana (Carl Orff-Song)
  2. Fjøsnissens Fjaseri
  3. Kjettaren Mot Strømmen
  4. Toxic (Britney Spears-Cover)
  5. Steel Sarah
  6. Illsint
  7. De Tre Bukkene Berusa
  8. Kaptein Kaos
  9. Professor Otto
  10. Deildegasten
  11. Solskinnsmedisin
  12. Espen Bin Askeladden
  13. Helvetes Hunden Garm

Setliste – Turisas

  1. Intro – Rauta-Aika, Op. 55: VII. Lemminki Ja Saaren Neidot (Aulis Sallinen-Song)
  2. As Torches Rise
  3. A Portage To The Unknown
  4. We Ride Together
  5. To Holmgard And Beyond
  6. In The Court Of Jarisleif
  7. Greek Fire
  8. Hunting Pirates
  9. Battle Metal
  10. Five Hundred And One
  11. Stand Up And Fight
  12. Rasputin (Boney M.-Cover)
  13. One More (akustische Version)
  14. The March Of The Varangian Guard (akustische Version)
  15. For Your Own Good (akustische Version)
  16. Outro – Conquest of Paradise (Vangelis-Song)

Setliste – Korpiklaani

  1. Neito
  2. Juomamaa
  3. Korpikuusen Kyynel
  4. Aallon Alla
  5. A Man With A Plan
  6. Kallon Malja
  7. Harmaja
  8. Kotikonnut
  9. Henkselipoika
  10. Sillanrakentaja
  11. Kylästä Keväinen Kehto
  12. Lempo
  13. Pilli On Pajusta Tehty
  14. You Looked Into My Eyes
  15. Wooden Pints
  16. Beer Beer (mit Trollfest)*
  17. Vodka*
  18. Happy Little Boozer*

*Zugabe

Fotos Korpiklaani, Turisas, Trollfest – Z7 2019 (Friedemann)


Wie fandet ihr das Konzert?

/ 25.03.2019
Weitere Einträge von

Korpiklaani, Trollfest, Turisas

 
Do–Sa, 20.–22. Juni 2024, Beim Flugplatz (Grenchen, CH)

Metalinside präsentiert: Summerside Festival 2024 – Corey Taylor, Bruce Dickinson, Megadeth, Deep Purple u.v.m.

Alternative Metal, Bluesrock, Classic Rock, Country, Dark Rock, ...
 
Fr–So, 18.–20. August 2023, La Ferme Lauper (Vallamand, CH)

Rock The Lakes – Heaven Shall Burn, Eluveitie, Blind Guardian u.v.m.

 
Sa, 26. November 2022, Freedom of the Seas (Miami, USA/Karibik)

70’000 Tons of Metal – es geht los!

 
Fr–Sa, 7.–8. Januar 2022, Dynamo (Zürich, CH)

Meh Suff! Winter-Festival 2022 – Korpiklaani, Melechesh u.a.

 
Fr, 5. Februar 2021, Folk Metal

Korpiklaani – Jylhä

Autor Bewertung: 7/10
 
Di–Sa, 7.–11. Januar 2020, Independence of the Seas (Fort Lauderdale, USA/Karibik)

70’000 Tons of Metal 2020 – Exodus, Epica, Haggard u.v.m.

 
Mi–Sa, 3.–6. Juli 2019, Flugplatz Ballenstedt (Ballenstedt, DE)

Rockharz Open Air 2019 – Amon Amarth, Children Of Bodom, Epica u.v.m.