Jinjer - European Tour 2019
Mi, 3. Juli 2019

Jinjer, Soulline

Musigburg (Aarburg, CH)
11.07.2019
Jinjer - European Tour 2019

Gehört Jinjer die Zukunft?

Bei schönstem Wetter locken Jinjer aus der Ukraine in die Musigburg Aarburg. Ich habe die Band am Open Air Gränichen 2018 zum ersten Mal gesehen, wo sie im berstend vollen Zelt auf der Nebenbühne eine beeindruckende Show abgeliefert haben. Da ich nun gespannt bin, wie sich die Truppe als Headliner bei einem Club-Gig schlägt, mache ich mich trotz Badi-Wetter auf den Weg nach Aarburg. Ob es sich gelohnt hat? Ihr erfahrt es in den nächsten Zeilen.

Bereits beim Eintreffen vor Ort zeigt sich, das die Ticket-Warnungen auf Facebook keine „leeren Drohungen“ waren: es scheint heute wohl sehr voll zu werden. Die Menschentraube vor dem Lokal ist bereits kurz nach Türöffnung beträchtlich. Kein Wunder, Jinjer sind momentan in aller Munde und gelten bei nicht wenigen Leuten als „das nächste grosse Ding“. In der Musigburg lohnt es sich übrigens jeweils sowieso früh einzutreffen, bei sommerlichem Wetter gibt es draussen Sitzgelegenheiten in Form von Festbänken und einen Grill, wo man sich vor der Show zu fairen Preisen gut verpflegen kann.

Beim Betreten der Location nehme ich – wie meistens – zuerst mal einen Augenschein vom Merch-Stand. Und es zeigt sich gleich: Jinjer sind sich ihres momentanen Hypes wohl durchaus bewusst. Ich finde ja 30 Franken für ein T-Shirt ohne Backprint schon relativ happig, dass aber sämtliche CDs ebenfalls stolze 30 Franken kosten, finde ich dann grad ein bisschen gar krass. Die Anfangs Jahr erschienene „Micro EP“ gibt es zum Beispiel bei cede.ch für die Hälfte. Ich verstehe jeweils nicht, wieso man nicht versucht mit fairen Preisen mehr zu verkaufen. Aber eventuell lohnt sich weniger zu höheren Preisen los zu werden unter dem Strich für die Band mehr, ich kenne die Kalkulation dahinter nicht… Wenigstens von der Vorband gibt’s die Sachen zu bezahlbaren Preisen, also mal schauen ob mich die Band so überzeugt, dass ich später noch zuschlage.

Soulline

Eröffnet wird der Abend von den Tessinern Soulline. Ich habe von der Band bisher nur gutes gehört und mir im Vorfeld noch das Review zum neusten Album von Kollege Dutti reingezogen (siehe Review). Live gesehen habe ich die Gruppe aber noch nie, also bin ich gespannt, was mich erwartet.

Nach kurzem Intro legt die Band los, und wie! Beim ersten Stück kommen mir sofort At The Gates in den Sinn. Melodischer Death Metal, der aber durchaus auch die richtige Härte hat. Und Sänger Gehbro ist stimmlich auch nicht allzu weit von Tompa Lindberg entfernt. Und das meine ich als At The Gates-Fan als Kompliment. Auch der Rest der Band mag definitiv zu überzeugen und beherrscht seine Instrumente, der Lead-Gitarrist hat zudem eine wirklich beeindruckende Haarpracht, die er  ständig schüttelt.

Leider kommen im Verlaufe des Gigs auch ein paar Passagen, die mir weniger gefallen. Teilweise sind die Melodien etwas gar poppig für Death Metal, auch wenn Melodic vorne dran steht. Und auch mit den eingestreuten Clean-Gesangs-Parts werde ich auf Anhieb nicht immer gleich warm. Ich vermute, dass ein Grossteil der Inspiration der Gruppe aus Göteborg kommt. In guten Momenten tönt das dann eben nach At The Gates, in den etwas schlechteren Momenten eher nach neueren In Flames. Im Grossen und Ganzen gefällt mir der Auftritt aber. Da mir die Band zudem sehr sympathisch erscheint entschliesse ich mich, die 15 Franken für die neue CD zu investieren und die Band auch sonst im Auge zu behalten.

Setlist Soulline

  1. Intro Deep
  2. The Curse
  3. Cool Breeze
  4. Truth Will Out
  5. The Fall
  6. Broken By Madness
  7. Filthy Reality
  8. Anvils
  9. Leviathan
  10. Nightmare

Jinjer

Dann folgt der Headliner, und definitiv die Band, wegen der heute so viele Leute hier sind. Die Musigburg ist nun wirklich sehr gut gefüllt, besonders für einen Mittwochabend. Die Band betritt die Bühne und legt sofort los wie die Feuerwehr. Anstatt Bewegung im Publikum gehen aber zuerst mal gefühlt alle Handys im Publikum hoch. Naja, wird sicher noch besser, hoffe ich…

Musikalisch finde ich die Gruppe wirklich beeindruckend! In den Songs passiert manchmal unglaublich viel, die ständigen Tempowechsel sorgen für eine grosse Dynamik. Stilistisch ist das ganze wirklich nicht so leicht einzuordnen. Ich würde als Oberbegriff wohl schon Metalcore wählen, allerdings mit vielen progressiven Elementen aus Djent und auch aus dem Death Metal. Auf jeden Fall hat der Sound verdammt viel Groove. Powerfrau Tatiana Shmailyuk ist zudem eine wirklich starke Sängerin: bei ihr klingen die Growls richtig böse, der Klargesang aber ebenfalls gut und nicht peinlich. Das ist meiner Meinung nach relativ Rar, oft stören mich bei Metalcore-Vocalist/Innen entweder die eine oder die andere Stimmlage.

Was mich aber leider heute wirklich nicht so überzeugt, ist das Publikum. Sehr oft wirkt die Crowd heute gerade in den vorderen Reihen doch etwas statisch. Klar, nicht Jede/r will im Pit rumspringen, auch ich muss mich aufgrund alter und vorbelasteter Knochen da jeweils etwas zurückhalten. Aber zumindest beim Headbangen möchte ich eigentlich nicht komisch angeschaut werden… Zudem ist die Handy-Filmer-Dichte heute erschreckend hoch. Ob das an der hübschen Frontfrau, den teilweise etwas komplexen Songs, dem generellen Hype der Band oder sogar an den teuren CD-Preisen liegt weiss ich natürlich nicht. Ich kann nur wieder einmal an Konzertbesucher appellieren, die Show im Moment zu geniessen und sich ein wenig zur Musik zu bewegen, anstatt möglichst viele verwackelte Handy-Aufnahmen mit nach Hause zu nehmen…

Gegen Ende der Show bessert es sich dann zum Glück ein bisschen, eventuell sind die Akkus der Handys langsam leer. Es gibt nun doch noch etwas Bewegung im Publikum und sogar einige kleinere Pits bei den schnelleren Parts. Und, trotz aller Kritik: Die Band selbst legt einen guten Auftritt hin. Nach dem grandiosen „Cloud Factory“ findet die Show mit „Bad Water“ ein eher ruhiges Ende und der Grossteil der Besucher strömt zufrieden nach Hause. Wir geniessen noch ein paar kühle Biere bei guten Gesprächen und guter Gesellschaft und machen uns dann auch auf den Nachhause-Weg.

Setlist Jinjer

  1. Words Of Wisdom
  2. Ape
  3. I Speak Astronomy
  4. Just Another
  5. Dreadful Moments
  6. Teacher, Teacher!
  7. Wo Is Gonna Be The One
  8. Pisces
  9. Perennial
  10. Captain Clock
  11. Outlander
  12. No Hoard Of Value
  13. Cloud Factory
  14. Bad Water

Das Fanzit

Jinjer hat wieder einmal gezeigt, wieso sie regelmässig ausverkaufte Shows spielen. Ob man die Band in Zukunft nochmals in einer solch vergleichsweise kleineren Location sehen wird bleibt abzuwarten. Die nächste Show ist bereits angesagt und findet diesmal im doch etwas grösseren Dynamo-Saal in Zürich statt (Sonntag 15.12.2019). Soulline haben einen mehr als soliden Support-Auftritt hingelegt, die sympathischen Tessiner werde ich definitiv im Auge behalten. Und auch die Musigburg soll an dieser Stelle wieder einmal gelobt werden, die zwei Bars ohne lange Wartezeiten, dafür mit freundlichem Personal, machen den Konzertbesuch nochmals etwas angenehmer. Wenn auch das Publikum etwas enthusiastischer hätte sein können, im Grossen und Ganzen ein gelungener Abend


Wie fandet ihr das Konzert?

11.07.2019
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