Metalinside.ch - Heilung - Volkshaus Zürich 2019 - Foto Liane
Di, 5. November 2019

Heilung

Volkshaus (Zürich, CH)

Es gibt nur eines, was du willst – Heilung!

Am Anfang war ein Album – „Ofnir“, gesehen beim Plattenhändler des Vertrauens. Ein Cover mit dem verheissungsvollen Bandnamen Heilung, umrahmt von Geweihen.

Nordisch? Böse? Black? Nun ja, man ist sich einiges gewöhnt – also rauf auf den Teller. Von wegen Fegefeuer und Höllenritt. Rhythmisches Getrommel und fremdartiger Gesang. Seltsam, fremd und doch irgendwie gut. Also gekauft das Teil und ehe man sich versah standen alle drei Tonträger (natürlich Vinyl) in der heimischen Sammlung.

Doch zuerst – wer ist Heilung eigentlich? Die Deutsch-Dänische Kooperation besteht aus Christopher Juul, Kai Uwe Faust und Maria Franz, die als letztes festes Mitglied hinzustiess. Nordic Ritual Folk nennt sich die Musikrichtung von Heilung und orientiert sich stark am Leben und Wirken längst vergangenen Zeiten nordischer Kulturen. Kein Panda-Make-Up und keine Masken wie Slipknot – Man bevorzugt Leinen, Geweihe, lange und zottelige Haare. Heilung sehen aus, wie aus dem Sumpf gekrochen. Das ganze Ensemble um die drei Hauptakteure dürfte um die 15 Personen umfassen – alle in nordischer Eisenzeit-Manier auftretend.

Und das Publikum?

Hier findet man fast alles. Den Normalo in Jeans oder die mit Fell behangene nordische Möchtegern-Wallküre. Auffallend gut genährte Langhaarige mit Bart streifen durchs Parkett des Volkshaus. Sie tragen T-Shirts mit Bandnamen, die mir völlig fremd sind. Aber wen interessiert’s? Ich bin bei Heilung – völlig erwartungslos aber mit der heimlichen Hoffnung, dass die düstere und geheimnisvolle Stimmung der Alben auf die Bühne transportiert wird.

Vogelgezwitscher – ich fühle mich wie am Waldesrand im Nebel. Es schleicht sich ein altertümlich gekleideter Mann auf die Bühne, in der einen Hand einen rauchenden Kelch, in der anderen einen Federn-Wedel, denn er dazu benützt um den Rauch ins Publikum zu fuchteln. Dann kommt die Band auf die Bühne – man sieht erst nur Hirschgeweihe, lange altertümliche Kostüme und alle sind geschminkt. Die Opening Ceremony beginnt.

Startet die Zeremonie!

Heilung stellen sich im Kreis auf, nehmen sich an den Händen und beginnen mit der Zeremonie. „Remember that we all are brothers“ und die Gruppe wiederholt. Wow! Die verwenden Surround-Technologie! Dachte ich zumindest, hinten waren aber keine Lautsprecher… Es waren die Heilung Fans, die das Ritual ebenfalls nachsprachen.

Und dann bläst jemand ein Horn. Es ist gespenstisch und faszinierend zugleich. Eine kurze Pause und ein anhaltender Schrei löst augenblicklich das für Heilung typische Trommelklopfen aus. Und als hätte jemand einen Schalter umgelegt, kommt unweigerlich Bewegung ins Publikum.

Schau Dich um und staune!

Neben mir ein untersetzter Mann, der sich zum Rhythmus der Band bewegt und mit jedem Mal, wenn auf der Bühne jemand mit dem Speer auf den Boden klopft, er dies auch mit seinem Fuss stampfend quittiert. Hinter mir eine auffällig gekleidete Blondine, die sich im Ausdruckstanz versucht. Ich bin geneigt zu lachen, aber irgendwie ist es aber auch cool und ich bin weit weg davon entfernt, mich über irgend jemanden lustig zu machen.

Dann „Alfadhirhaiti“ – ein Mitglied von Heilung fängt an mit Wolfsgeheul und bekommt prompt Antwort. Es scheint, als würden sich alle im Saal in Wolfsgeheul einstimmen. Ich kann nicht mehr! Wo bleibt da noch Rob Halford mit seinem „Heavy Metal communication now“ – Aufruf?

Eines der wenigen Konzerte, wenn überhaupt das einzige, wo ich herzhaft lachen musste. Die Situation war teilweise so grotesk, so dass es schon wieder genial war. Und dennoch ist mein Lachen mehr Ausdruck der Freude, denn es macht mir Spass, zusammen mit neu gewonnenen Freunden, deren Name ich nicht mal kenne, den Abend zu verbringen.

Es hat was, diese Stimmung. Ich denke darüber nach, wie ich wohl reagieren würde, wenn mir die Heilung-Typen im Morgengrauen im Wald entgegenkämen. Da fällt mir allerdings ein, dass ich grundsätzlich nie im Morgengrauen im Wald bin, aber der Gedanke war interessant.

Bleiben wir ernst! Es hat was Meditatives, ja sogar etwas Beruhigendes und als hätte ich es geahnt, gleitet mein Blick nach unten wo ich erstaunt feststelle, dass sich mein rechter Fuss selbstständig gemacht hat und zum Takt von Heilung klopft. Ja, mir gefällt es, aber ich fand Heilung ja auch vorher hochspannend.

Was Du gibst – kommt zurück!

Währenddessen knurrt es auf der Bühne unermüdlich. Die Stimme von Uwe Faust hat was Bösartiges und bewegt sich monoton immer auf der gleichen Tonlage. Eigentlich ist es eher Sprechgesang aber das macht keinen Unterschied. Die Wirkung ist auf jeden Fall da und die Reaktion des Publikums könnte eindeutiger nicht sein. Ich habe schon Bands erlebt, die wesentlich weniger Applaus für sich verbuchen konnten.

Auf der Bühne geht es mittlerweile so richtig ab. Ein Blick auf den mystisch beleuchteten Schauplatz lässt erkennen, dass sich eine attraktive, bemalte Dame, oben unbekleidet, am Bühnenrand positioniert und sich anschliessend vom Heilung-Frontmann fesseln lässt. Ein kräftiger Zug am Seil, das sich um den Hals geschnürt hat, lässt die Dame augenblicklich in sich hineinfallen. Die symbolisierte rituelle Tötung erhält durch die Musik von Heilung erst recht Gewicht und, als hätte es man erahnen können, wird das Opfer von Maria Franz alsbald wieder vom Tode auferweckt.

Gebt mir ein Schwert!

Heilung stecken an und lösen auch was aus. Man fühlt sich tatsächlich ein wenig in der Zeit zurückversetzt, denkt an Braveheart, Gladiator oder an den 13ten Krieger und versteht plötzlich, warum diese Völker Angst vor den Nordmänner hatten. Nur ein kleines Dorf im Norden Galliens leistete erbitterten Wiederstand… Naja, lassen wir das.

Trommeln, Schlaginstrumente aus Knochen und Hölzer und abenteuerlich zusammengebaute und schwer zu definierende Instrumente, füllen das Volkshaus mit mystischen Klängen. Doch ganz ohne Synthesizer geht es dann doch nicht. Aber das spielt angesichts der Darbietung überhaupt keine Rolle. Die Stimmung auf und vor der Bühne zählt. Man braucht kein ausgewiesener Kenner zu sein, um zu einem Schluss zu kommen – es gibt an diesem Abend nur Gewinner und alle haben Spass! Und was ich besonders cool finde ist, dass ich zu diesen Gewinnern gehöre.

Das Fanzit – Heilung

Dass es tatsächlich Menschen gibt, die Auftritte von Heilung am liebsten verbieten würden, kann ich echt nicht nachvollziehen. Das hat doch einfach nur Spass gemacht! Ich sehe da keinerlei Gefahr – auch für Heranwachsende nicht. Ein gut gefülltes Volkshaus gibt mir da ganz sicher recht. Der Auftritt von Heilung hat mich beeindruckt, auch wenn die „Musik“ so was von dem entfernt ist, was ich sonst so höre. Ob ich sie ein zweites Mal anschauen werde? Ich weiss es nicht, aber das Konzert wird mir auf jeden Fall lange und vor allem in guter Erinnerung bleiben. Vielleicht sollte ich mir ein Schwert schmieden und es Chrom widmen – man weiss ja nie…

Fotos Heilung – Volkshaus Zürich 2019 (Liane)


Wie fandet ihr das Konzert?

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