Metalinside.ch - Krokus - Hallenstadion Zürich 2019 - Foto Liane
Sa, 7. Dezember 2019

Krokus (Abschiedskonzert)

Hallenstadion (Zürich, CH)

¡Adios Amigos!

Die ‘Abschiedsshow’ der Schweizer Rocklegende Krokus im Dezember 2019 im Hallenstadion war gut. Einige unverzeihliche Mängel sorgten jedoch für viel Diskussionsstoff und Enttäuschung bei den Fans.

Die Abschiedsshow einer DER grossen Rockbands unseres Landes. Wegen diversen Änderungen bei der Ankündigung des Events (zuerst war es ja eine finale Abschiedsshow, schlussendlich nur noch die letzte Show in der Schweiz) hagelte es eine nicht zu vernachlässigende Menge negative Kritik an der Band und ihrer Kommunikation. Man sprach von ‘Verarsche’ und ‘Betrug’. Das Gesicht wahren können die Jungs jetzt eigentlich nur noch, wenn wenigstens dieses letzte Versprechen, es sei das letzte Krokus-Konzert in der Schweiz gewesen, nicht auch noch gebrochen wird.

An besagtem 7. Dezember sollen nicht wenige Ticketkäufer das Konzert boykottiert haben (Anm. Kaufi: Schuldig im Sinne der Anklage. Anm. pam: dito.). Dass insbesondere die richtigen Fans den Gig trotzdem besuchen würden, dass die Boykottierenden nur einen kleinen Teil der Masse ausmachen würden und dass das Fehlen einiger Dutzend Leute im ausverkauften Hallenstadion nicht auffallen würde, war allerdings klar. Auch ich überlegte mir zwischenzeitlich, statt Krokus eine andere Band zu beehren – Auswahl hätte es an diesem Samstagabend zur Genüge gegeben – doch schlussendlich siegte die Neugier. Wie wird die ‘letzte’ Show der Solothurner aussehen?

So viel vorweg: In Sachen Prunk und Effekten hat es bestimmt nicht gemangelt. Der Enthusiasmus der Band hätte allerdings grösser sein können. Wenn ich da an die Show in Wacken vor wenigen Monaten zurückdenke… Und in Sachen Setliste? Nun, auch wenn eine Songauswahl einer so langen Musikkarriere wohl nicht ganz einfach ist, weiss man als Band doch, welche Songs man an einer Abschiedsshow spielen sollte. Dass dies eher weniger erst kürzlich getätigte Covers und viel mehr Hits à la «Headhunter» sein dürften, schien bei der Planung allerdings irgendwie untergegangen zu sein.

Der Dokumentarfilm

Statt einer Vorband gibt es heute einen Dokumentarfilm und eine extra lange Setliste für die eigentliche Show. Vor allem Letzteres ist eine der besseren Entscheidungen für eine Abschiedsshow und wird wohl auf breiter Linie mit Freude durchgenickt. Der Film hingegen…

Eigentlich handelt es sich gar nicht um einen für den Abschied produzierten Film, sondern um einen Zusammenschnitt aus bestehenden Dokus mit Kommentaren zum Karriereende – zumindest ist das im Nachhinein von vielen Seiten zu hören. Für mich sind die Sequenzen neu und so finde ich Gefallen daran. Ganz ehrlich, für eine Abschiedsshow finde ich eine Doku im Vorprogramm sehr passend und auch logistisch spart man sich natürlich vieles – vor allem Zeit, welche man nicht in einen Umbau der Bühne stecken muss.

Von den Anfängen der Band über die ersten Alben geht die Handlung bis in die letzten paar Jahre, allerdings mit einem riesigen Sprung, bei dem grosse Teile der 90er- und 00er-Jahre weggelassen werden. Bei einigen Schlüsselstellen (z.B. bei der Erwähnung einzelner Konzerte in der Schweiz) wird kräftig gejubelt, gegen die Musikindustrie wird auch gerne mal gepfiffen, und generell scheint ein grosser Teil des Publikums die Geschichte noch einmal mitzuerleben. Negative Kritik gibt es vor allem bei der Länge des Streifens, welcher definitiv einen zu grossen Teil des Abends in Anspruch nimmt.

Das Konzert

Nach dem Film geht es ohne lange Umbaupause weiter. Lärm, Rauch, Papierstreifen… Mit vielen Effekten und dem druckvollen «Long Stick Goes Boom» geht es los. Egal, was man im Vorfeld über den Abend gedacht haben mag und wie gross der Frust über gewisse Ankündigungen war: Das, was Marc Storace, Chris von Rohr, Fernando von Arb, Mandy Meier, Mark Kohler und Flavio Mezzodi auf der Bühne gerade präsentieren, weiss zu begeistern! Leider hält diese anfänglich von der Band zu spürende Bühnenpräsenz nicht viel länger als bis nach «American Woman», dem zweiten Song und ersten Cover des Abends.

Mir als ‘jungem Schnuufer’, der auch den neueren Platten etwas abgewinnen kann, gefällt dann unter anderem das Medley, in welchem das Jahrzehnte alte «Rock City» mit Songs wie «Better Than Sex» kombiniert werden. Während «Tokyo Nights» wird mit viel Licht in der bei Rock-Konzerten ungewohnten Farbe türkis und einer eingeblendeten Autofahrt gepunktet; bei «Hoodoo Woman» und «Eat The Rich» hat die Band nur schon damit gewonnen, dass sie mal diese sackstarken Songs geschrieben hat. Leider muss ich beobachten – und die Beobachtungen Anderer decken sich mit den meinigen – dass schon früh, jedoch spätestens nach «Eat The Rich» die Motivation der Musiker weg ist. Es wirkt fast ein wenig so, als ‘müsse’ man das Konzert spielen, als wollte man dies gar nicht tun und als mache es keinen Spass. Sehr schade für eine Abschiedsshow…

Nach einem nicht viel besser rübergebrachten «Fire» verlasse ich dann kurz den Sitzplatzbereich und begebe mich in Richtung Toilette und Bar. Der Anblick hier ist traurig: Dutzende von Fans (nicht Konzertgänger, sondern richtige Fans, denen man ansieht, dass dies nicht ihr erstes Krokus-Konzert ist und sie nicht nur hier sind, weil jemand ‘Abschiedsshow’ geschrien hat) stehen in der Vorhalle und diskutieren miteinander über ihre Enttäuschung. Geteiltes Leid ist halbes Leid!

Nach dem von aussen gut tönenden, aber auf dieser Setliste eigentlich nicht nötigen «Rockin’ In The Free World»-Cover bin ich wieder drin und darf das in «Heatstrokes» eingebaute Drum Solo geniessen. ‘Reduce to the max’ beschreibt dieses ganz gut: Da wird nichts Kompliziertes rumgetrommelt und doch hat das Ganze eine druckvolle Wirkung.

Nach einer ersten Adieu-Runde mit geworfenen Plektren und Drum Sticks und einem «Thank you, Switzerland!» gibt es einen ersten Zugabenblock. Dass danach trotzdem nicht fertig sein kann, ist gut herauszuspüren. Schliesslich fehlen bestimmt noch «Bedside Radio» und «Headhunter» und Zeit ist auch noch übrig. Die nächste Pause dauert allerdings länger. Nach einigen Minuten erscheint ein erneuter Einspieler: Auf einem Radiogerät werden verschiedene Musikgenres angepeilt und als der Zeiger bei «Rock» zu stehen kommt, ertönen die ersten Klänge von «Bedside Radio».

In der Zugabe haben Krokus bisher also alles richtig gemacht. Nun wird eine Leuchttafel mit der Zahl 7 gezeigt. Es handelt sich um die verbleibenden Minuten des Abends und grosser Jubel folgt. Man weiss, dass der letzte Song folgt und man freut sich. Dieser letzte Song ist dann allerdings ‘nur’ ein Cover von Bob Dylan’s «Quinn The Eskimo (The Mighty Quinn)». Der Song ist zweifellos richtig gut, zweifellos bekommen Krokus ein gutes Cover davon hin und zweifellos kommt die Aktion bei einem Teil der Besucher gut an. Der Stimmung wird mit riesigen, orangen Ballonen im Stehpublikum nachgeholfen. Fans der Band zeigen sich allerdings enttäuscht. Nicht wenige laufen an mir vorbei – ich habe den äussersten Sitzplatz einer Reihe gleich bei einem der Ausgänge – und bringen ihren Frust lautstark zum Ausdruck. ‘Chani ned ernst neh, de Scheiss!’ ist dabei eine der weniger harten Aussagen.

Auch bei mir hinterlässt dieser Abschluss einen äusserst schalen Nachgeschmack. Nach einem Konzert mit Hochs und Tiefs ist der letzte Song eindeutig einer der absoluten Tiefpunkte. Auf dem Heimweg laufen im Auto Krokus-Songs, denen ein Platz an diesem Abschiedsabend verwehrt wurde.

Setliste Krokus

  1. Dokumentarfilm
  2. Addio A Cheyenne (ab Band)
  3. Long Stick Goes Boom
  4. American Woman (The Guess Who Cover)
  5. Rock’n’Roll Tonight
  6. Rock City / Better Than Sex / Dög Song
  7. Winning Man
  8. Hellraiser
  9. Tokyo Nights
  10. Hoodoo Woman
  11. Eat The Rich
  12. Fire
  13. Live For The Action
  14. Rockin’ In The Free World (Neil Young Cover)
  15. Easy Rocker
  16. Heatstrokes (mit Drum Solo)
  17. Screaming In The Night*
  18. Dirty Dynamite*
  19. Back Seat Rock’n’Roll*
  20. Bedside Radio**
  21. Quinn The Eskimo (The Mighty Quinn) (Bob Dylan Cover)**

*Zugaben

Das Fanzit – Krokus Abschiedsshow

Eine Abschiedsshow von Krokus kann per se schon fast nicht schlecht sein. Daher darf man ruhig anmerken, dass es neben einigen negativen Aspekten auch gute Momente und vor allem viel Rock auf die Ohren gab. Wegen einer fragwürdigen Playlist – wenn schon Covers gespielt werden müssen, wo bleibt denn das bereits 1984 aufgenommen «Ballroom Blitz»? –, zu wenig Begeisterung auf der Bühne und dem Geplänkel um falsche Ankündigungen hat der heutige Abend das Label ‘legendär’ allerdings nicht nur knapp verfehlt. ¡Adios amigos!

Kaufi’s Seitenblick – Kommentar eines langjährigen Fans

Krokus – verpasster Legendenstatus?

Kaufi: Um es gleich klar zu stellen: Ich mag Krokus! Seit Mitte der 80er, als ich mich dem Metal verschrieben habe, waren und sind die Solothurner ein ständiger Begleiter. In meinem Regal steht von «Metal Rendez-Vous» bis «Dirty Dynamite» so ziemlich jede CD aus all den verschiedenen Schaffensphasen. «Rock The Block» beispielsweise gehört zu meinen persönlichen Favoriten der Band.

Ein kurzer Rückblick. Im Herbst 2018 kündigen Krokus ihren Abschied an. Die allerletzte Show soll in der Heimat sein – der Vorverkauf für das Konzert am 7. Dezember 2019 im Hallenstadion beginnt. Ganz klar: DAS darf der geneigte Fan keinesfalls verpassen! Der Preis ist sogar noch moderat (zumindest für heutige Verhältnisse), also kaufe ich mir relativ rasch ein Ticket. Denn dass es a) ein grosse Kiste geben und b) das Konzert irgendwann ausverkauft sein wird, liegt auf der Hand. Und so beginnt die Vorfreude auf ein grosses Abschiedskonzert der vielleicht grössten Rockband, welche die Schweiz je hatte.

Und die Krokusse geben in diesem Jahr nochmals richtig Gas. Sie spielen auf fast jeden namhaften Festival (u.a. Wacken, Bang Your Head!!!, in der Schweiz Rock The Ring, Riverside) und es scheint, dass sie es – im Gegensatz zu vielen anderen altgedienten Bands – wirklich ernst meinen mit dem Schlussbouquet.

Doch dann kommt vieles anders und die Geschichte erhält plötzlich einen Beigeschmack. Einerseits ist auf den Festivals die Songauswahl nicht immer optimal, Kritiker bemängeln nicht zu Unrecht die diversen Covers und damit das Auslassen von eigenen Klassikern. Andererseits wird plötzlich die Teilnahme auf der Monsters Of Rock Cruise im Februar 2020 bestätigt. Wie war das jetzt mit «We are not coming back»? Kritik an dieser Verpflichtung begegnen Chris von Rohr und Co. mit der Aussage, dass es immer klar war, dass Zürich «die letzte Show in Europa» sei. Und plötzlich wird der 7. Dezember auch so beworben. Nicht nur ich fühle mich ein erstes Mal etwas verarscht.

Wenige Wochen bevor Krokus den Abschied zelebrieren wollen, ist das Hallenstadion ausverkauft. Und aufs mal werden Konzerte zusammen mit Saxon in England angekündigt – im März 2020 notabene. Damit wird der Gig in Zürich eigentlich zur Farce. Oder geht die Band davon aus, dass nach einem Brexit das Königreich nicht mehr zu Europa gehört?

Zugegeben – all meine Kritik kommt nun etwas aus der Ferne. Denn etwa 10 Tage vor der «letzten» Show habe ich mich entschieden, auf dieses Konzert zu verzichten. Auch im Kollegenkreis war die Enttäuschung über all diese Misstöne teilweise zu spüren. Wenn ich nun all die Berichte zu dieser Show höre, lese, mitbekomme, weiss ich, dass ich für mich richtig entschieden habe. Ich wäre enttäuscht worden.

An dieser Stelle soll keinesfalls die musikalische Qualität von Krokus angezweifelt werden! Hymnen wie «Long Stick Goes Boom» oder «Bedside Radio» sind unsterblich, das schleckt keine Geiss weg. Und eben weil diese musikalische Qualität zweifellos riesengross ist, ist es für den langjährigen Fan schon etwas unverständlich, wenn Coverversionen wie «Rockin’ In The Free World» oder (ganz schlimm) «Mighty Quinn» eigenen Songs vorgezogen werden.

Viele Leute sind begeistert von der Abschiedsshow. Pyros, Konfetti, Ballone, eine starke Performance mit um die zwei Stunden Spielzeit. Das ist die eine Seite. Und als «normales» Krokus Konzert gäbe das wohl kaum einen Grund zur Klage. Doch ich wage zu behaupten, dass hier eine Chance verpasst wurde: Gäste aus der über 40-järigen Karriere, ehemalige Bandmitglieder, eine Setlist ohne Coverversionen, dafür mit lange verschollenen Klassikern? Fehlanzeige. Die Möglichkeiten wären enorm gewesen. Stattdessen ein alter Film (der offenbar bei seeeehr vielen Fans nicht wirklich gut ankommt) und eine etwas aufgemotzte, ansonsten jedoch normale Setliste, bei der sogar «Headhunter» fehlt. Selbst wenn der 7. Dezember 2019 «nur» der Bühnenabschied von der Schweiz bedeuten würde – Krokus hätten die Chance gehabt, in ihrer Heimat eine würdige Party zu feiern. Und sich damit zu absoluten Legenden zu krönen. Doch so bleibt halt (wohl nicht nur bei mir) ein fader Beigeschmack. Zumal Tage danach die Daten einer USA Tour im Herbst 2020 bekannt gegeben werden.

Adios Amigos – ihr hättet mehr verdient gehabt!

Fotos Krokus – Hallenstadion Zürich 2019 (Liane)


Wie fandet ihr das Konzert?

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