The Hawkins – Silence Is A Bomb (Cover Artwork)
Fr, 4. September 2020

The Hawkins – Silence Is A Bomb

Rock
01.09.2020
The Hawkins – Silence Is A Bomb (Cover Artwork)

Gute-Laune-Mucke mit ernsten Texten

Schwedens rockige Falken lassen die Bombe platzen – aber offensichtlich eine ruhige. Ernsthaft? Mit Verlaub, aber das kann ich mir bei diesem Quartett beim besten Willen nicht vorstellen. Die sympathische Truppe The Hawkins steht nämlich für freche und energiegeladene Live-Darbietungen.

Dabei ist die Stille grundsätzlich kein Bestandteil der Show. Oder verlangt der Titel eventuell ein tieferes Graben in den eigenen Gedankengängen? Sollte die Ruhe allenfalls eher als eine tickende Zeitbombe verstanden werden? Sicherlich ebenfalls eine mögliche Option.

Das neuste Material wurde auf einen Silberling namens «Silence Is A Bomb» (deswegen mein anfängliches Rätseln) gepresst, der am 4. September 2020 via The Sign Records erscheinen soll. Die Erwartungen an den Nachfolger des gelungenen Debütwerks «Ain’t Rock N Roll» sind entsprechend hoch.

Das Album – «Silence Is A Bomb»

Hinter dem Titel-Track, welcher gleich als erstes ran muss, verbirgt sich lediglich ein kurzes Intro. Es klingt tatsächlich verdächtig entspannt und gefühlvoll. Aber dann: Peng! Ein Ende mit Knalleffekt und kreischenden Gitarren. So ist sich das der Kenner der The Hawkins eigentlich gewohnt. Direkt danach folgt die bereits veröffentlichten Single «Roomer» (äusserst unterhaltsames Video!). Ein Lied voller Lieblingszutaten der IKEA-Rocker: Tempo, gute Laune, ab und an punkige Allüren. Wahrlich der Schrecken aller «Couch-Potatoes», denn bei diesem Song kann sich niemand irgendwelchen Bewegungsaktivitäten verweigern. Schade nur, dass das Teil bloss knapp an die 2-Minuten-Grenze herankommt. Monster-Hymnen zählen allerdings sowieso nicht zu den Kern-Kompetenzen der Band. Die würden sie ja bei ihrem Eifer eh kaum durchhalten.

Dass die Jungs trotzdem ein bisschen längere Kompositionen zustande bringen, beweisen sie mit der Nummer «Hilow». Astreiner Rock, der uns da serviert wird. Dazu möchte man einfach seine Freunden schnappen, an einem schönen Sommerabend gemeinsam feiern, etwas philosophieren und ein paar eisgekühlte Blondinen vernichten. Die Scheibe kommt zwar erst Anfang September raus, aber vielleicht zeigen sich die alten Weiber gnädig und lassen dann die Temperaturen nochmals in die Höhe schnellen. Eine weitere Stärke der Schweden? Eindeutig die Lyrics. Die gehen hinter der Freude, welche der Vierer verbreitet, zugebenermassen gerne vergessen – aber sie können definitiv auch ernstere Themen ansprechen. Hier wären dies beispielsweise die Hochs und Tiefs der menschlichen Gefühlsebene.

Steine besingen? Das ist spätestens seit Nightwish-Basser Marko Hietala und seinem Solo-Silberling wieder im Trend. The Hawkins tun dies ebenfalls auf eine erfrischende Art und Weise. «Stones» – abermals einer für die Tanzbeine. Ihr wollt soundtechnische Vergleiche? Dann würde ich am ehesten ein Reinhören bei The Hives (übrigens Landsleute der Falken) empfehlen.

Bei «Mynah» gibt’s Tempovariationen und jede Menge Background-Gesang zu bestaunen. Frontmann Johannes Carlsson wird von seinen Kumpels bestens unterstützt. Das Lied scheint einem Singvogel gewidmet zu sein. In hiesigen Gefilden kennt man diesen tendenziell vielmehr unter dem Namen Beo. Es dauert ein paar Augenblicke, bis die ganze Geschichte in die Gänge kommt. Vollends zünden will sie allerdings trotzdem nicht.

Bei «Minuette» gilt die altbekannte Floskel «Nomen est omen», denn das Teil bringt exakt eine Minute auf die Uhr. Ein schnittiges Intermezzo, welches passenderweise genau in der Mitte des Albums platziert wurde. Jedoch gelingt es der Truppe locker, selbst bei knappen Zeitverhältnissen ordentlich Betrieb zu machen.

Als waschechte Mitklatsch-Nummer entpuppt sich schliesslich «Cut Moon Bleeds», bei dem Trommler Albin Grill brav den Takt vorgibt. Im zweiten Teil wird die Sache zur Wundertüte umfunktioniert. Das sind ja flüchtig beinahe schon ABBA’sche oder russische Disco-Rhythmen, die von der Klampen-Abteilung da wiedergegeben werden. Staunende und überraschte Gesichter dürften an dieser Stelle vorprogrammiert sein. Aber es ist schön zu sehen, dass die Herrschaften auch Humor und Selbstironie beherrschen. Dies spiegelt sich unter anderem im Text folgendermassen wieder: «This is the best thing that you’ve ever heard. Just listen to these four nerds.»

«Libertine» ist ein weiterer Track, der bei mir unglücklicherweise kaum Funken fliegen lässt. Den Fuss haben die Nordmänner zwar erneut auf dem Gaspedal, aber der grosse «Wow»-Effekt bleibt leider auf der Strecke.

Schleicht sich hier etwa eine kleine Schwächephase auf dem Silberling ein? «Stranger In The Next Room» hinterlässt ebenfalls ein «Naja»-Gefühl. Gemächlich, textlich unterhaltsam, aber freilich kein Kracher.

In die Spur zurück finden The Hawkins dann mit «Black Gold». Der geht wieder sauber ab! Sind da etwa dezente Country-Einflüsse vernehmbar? Ein weiteres Mal wird der krasse Gegensatz zwischen den fröhlichen Melodien und ernsten Texten deutlich. Den Wunsch nach Krebs würden wahrscheinlich nur die allerwenigsten Menschen in diesem Stil vertonen. «Chapeau» an die Musiker dass sie ebenfalls solche Themen aufgreifen und sich nicht hinter einem Zensurbalken verstecken.

Ganze 05:13 Minuten dauert die längste Komposition der Platte. Mittels dem «Fisherman Blues» demonstriert die Kapelle ihre Flexibilität. Zurecht eine relevante Hörempfehlung! Über mangelnden Facettenreichtum kann man sich bei diesen Songstrukturen wirklich nicht beklagen. Grosses Hit-Potenzial ist unbestreitbar vorhanden. Den müsste man meines Erachtens unbedingt in die Setlisten künftige Live-Auftritte einbauen. Ausserdem ist die Sichtweise des Fisches wahrhaftig gelungen: «Catch me if you can you fucking cannibal!»

Den Abschluss markiert «All My Birds Are Dead». Ein absolut gelungenes Finale, bei welchem sämtliche Akteure nochmals Vollgas geben. Gutes Songwriting haben die Herrschaften bestens im Griff.

Das Fanzit The Hawkins – Silence Is A Bomb

Freunde, diese junge und hungrige Gruppe muss man einfach diskussionslos auf dem Schirm haben! Alleine die dynamischen Performances sind schon das Eintrittsgeld wert. Mit «Silence Is A Bomb» legen sie nun auch auf der Album-Schiene furios nach. Abgesehen von ein paar kleineren (und verschmerzbaren) Hängern ist das Ding eine hammermässige Scheibe geworden. Dabei ist und bleibt nach wie vor das Kontrastprogramm eine riesige Stärke der Schweden: Einerseits lässt dich ihre Musik jubeln, tanzen und frohlocken; während auf der anderen Seite in beinahe allen Songs seriöse Angelegenheiten verarbeitet werden. Ich prophezeie The Hawkins jedenfalls eine glorreiche Zukunft und freue mich bereits jetzt auf ihr nächstes Gastspiel auf helvetischem Grund.

Empfehlenswerte Hörproben: «Roomer», ««Hilow», «Cut Moon Bleeds», «Black Gold», «Fisherman Blues»

Tracklist The Hawkins – «Silence Is A Bomb»

  1. Silence Is A Bomb
  2. Roomer
  3. Hilow
  4. Stones
  5. Mynah
  6. Minuette
  7. Cut Moon Bleeds
  8. Libertine
  9. Stranger In The Next Room
  10. Black Gold
  11. Fisherman Blues
  12. All My Birds Are Dead

Line Up – The Hawkins

  • Johannes Carlsson – Gitarre/Gesang
  • Mikael Thunborg – Gitarre/Backing vocals
  • Martin Larsson – Bass/Backing vocals
  • Albin Grill – Drums/Backing vocals

Album Review Bewertung

Autor Bewertung: 8.5/10



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01.09.2020
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Mo, 26. Februar 2018, Dynamo Werk 21 (Zürich, CH)

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