Running Wild - Rolf - Promo
Mi, 13. Oktober 2021

Running Wild – Interview mit Rolf Kasparek

Heavy Metal
27.10.2021
Running Wild - Rolf - Promo

Von Prophezeiungen und explodierenden Schlagzeugern…

Es gibt Leute, die sind nach 45 Jahren im selben, hart umkämpften Business mental ausgebrannt und sehnen sich nach ruhigeren Fahrwassern. Und dann gibt es Persönlichkeiten wie das deutsche Piraten-Metal-Urgestein Rock’N’Rolf von Running Wild, das auch nach bereits zig getätigten Interviews (und noch jeder Menge nachfolgenden) am Telefon noch immer gut gelaunt, eloquent und mit grossem Tiefgang rüberkommt.

Wir haben uns mit Rolf Kasparek über die nicht ganz so einfache Entstehungsgeschichte des neusten Werkes „Blood On Blood“ (zum Review der Scheibe), das Piratenleben (das echte, wohlgemerkt), Wahrsagung, den Glauben an sich selbst sowie den Schmetterlingseffekt unterhalten. Ach ja, und herzhaft über einen explodierenden Drummer gelacht. Leinen los und viel Spass 🙂

Metalinside (Sandro): Vorneweg, ganz herzlichen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Gespräch nimmst! Wie geht es dir?

Rolf: Mir geht es gut. Alles super.

MI: Somit ist es dir auch nach nunmehr viereinhalb Jahrzehnten noch immer nicht langweilig geworden, Fragen von Journalisten zu beantworten?

Rolf: Ne, manchmal sind Interviews für mich auch sehr interessant, speziell, wenn sich ein Gespräch daraus entwickelt. Aber es gibt natürlich auch Passagen, wo man die Antworten eigentlich einfach nur abzuspulen braucht. Bei Fragen nach unserem Piratenimage zum Beispiel, da such ich mir einfach das passende Tape raus und drücke auf Play.

MI: Ich wird mir Mühe geben, nicht allzu viel Abspulbares aus dir rauszukitzeln.

Rolf: Genau (lacht).

MI: Los geht’s. Wenn ich mich nicht irre, so hätte „Blood On Blood“ bereits letztes Jahr erscheinen sollen. Was waren die Gründe für die Verzögerung? Trug Corona die Hauptschuld, oder gab es auch noch andere Faktoren?

Rolf: Nein, Corona war eigentlich gar nicht der Punkt. Wenn alles normal gelaufen wäre, so hätte ich viel weniger Zeit für die neue Platte aufwänden können; unter anderem auch wegen vier Festivals, die wir 2020 gespielt hätten und entsprechend vorzubereiten gewesen wären – die jetzt aber auf 2021 und 2022 verschoben wurden.

Es lag eher an vielen anderen Probleme, die das Ganze in die Länge gezogen haben. Weisst du, es war einfach so, dass ich irgendwann an einen Punkt kam, an dem mir klar wurde, dass die Platte noch einiges an Zeit benötigt, bis alle Songs stehen und alles so ist, wie ich es auch haben möchte. Das war auch der Grund, wieso wir 2019 die EP „Crossing The Blades“ veröffentlicht haben, quasi als Zwischenstopp auf dem Weg von „Rapid Foray“ zum neuen Album. Ende 2019 bin ich dann mit ner Art Grippe ausgefallen – das habe ich zumindest damals gedacht. Sie ist nie so richtig ausgebrochen, aber da waren einfach wahnsinnige Schmerzen in den Gliedern, Kopfschmerzen… Nach acht, neun Tagen war der Spuk dann schon wieder vorbei, aber ich hatte noch sehr lange mit Asthma und Nervengeschichten zu kämpfen, die Lungen waren immer wieder zu, Allergieschüben so mit roter Haut und so… Erst im Nachhinein habe ich realisiert, dass es auch Covid gewesen sein könnte, denn es gab zu der Zeit ja bereits auch vereinzelt Fälle in Europa; aber das war eigentlich gar nicht der Punkt. Entscheidend war, dass es mich mehrere Monate aus der Arbeit gehauen hatte, denn mit Asthma konnte ich schlicht nicht singen. Es ging einfach nicht. So liessen sich in der Zeit nur Kleinigkeiten erledigen, Editierarbeiten, die Gitarrenspuren faden, alles sauber machen, solche Dinge eben.

Anfang 2020 konnte ich dann endlich wieder so richtig mit der Produktion loslegen; aber im Juli habe ich mir dann nen Leistenbruch zugezogen, der operiert werden musste. Nur, da war natürlich gerade Corona, so dass ich bis zum OP-Termin zwei Monate lang damit rumlaufen musste. Diese Geschichte hat mich dann wieder fast ein halbes Jahr aus der Arbeit gehauen, weil du auch im Nachgang zur Operation eigentlich kaum ne Gitarre drauf aushältst. Man kann kaum sitzen, es ist nach wie vor sehr schmerzhaft – und an Singen war gar nicht erst zu denken.

Das waren halt alles so Unglücksfälle, die dazwischenkamen und das Ganze enorm in die Länge gezogen haben (lacht). Darüber hinaus gab es im Vorfeld ja 2017 bereits einige Shows, die wir gespielt haben, sowie 2018 dann noch Wacken. Auch das hat den ganzen Prozess verzögert, weil die Vorbereitungen auf solche Auftritte die Arbeit für längere Zeit unterbrechen und man sich danach erst wieder reinfinden muss. Dann sollte die Platte tatsächlich erscheinen, eigentlich war alles fertig – da rief mich Olly Hahn [Labelchef von Steamhammer] an und meinte, die Veröffentlichung müsse um zwei Monate verschoben werden, unter anderem auch wegen des Vinyls, das nicht lieferbar sei. Auch wenn’s ärgerlich war, so gab mir dies doch nochmals die Möglichkeit, an vielen Kleinigkeiten zu feilen, die mir aufgefallen waren, und so noch die letzten Prozent aus jedem Song herauszukitzeln. Alles in allem war das rückblickend eine sehr luxuriöse Situation für mich.

MI: Das kann ich absolut nachvollziehen. Besteht bei so viel Zeit aber nicht auch die Gefahr, dass man sich etwas in den Noten verliert? Oder anders gefragt: Was vermisst du bei den älteren Scheiben wie „Death Or Glory“ oder „Jolly Roger“, wenn du es jetzt mit dem Songwriting von dieser Scheibe vergleichst?

Rolf: Generell geht es da natürlich immer um diese vielen Kleinigkeiten, welche aber auch der unterschiedlichen Art der Produktion geschuldet sind. Wenn du heutzutage im Pro Tools Studio arbeitest, kannst du einen Song mischen, an allen Ecken und Enden feilen, und wenn du an einen Punkt kommst, an dem es gerade nicht weitergeht – saven, nächster Track. Das war früher komplett anders. Wenn ein Lied fertig aufgenommen war, hast du in den Mix-Modus gewechselt, und dann musstest du den Song, den du auf deinem Pult liegen hattest, auch wirklich fertig abmischen. Zudem hattest du nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung, die du dich einem Stück widmen konntest, weil noch neun weitere darauf warteten, endlich bearbeitet zu werden. Das war eine völlig andere Art zu arbeiten damals. Da konntest du auf solche Kleinigkeiten, die dem Song noch ein Extra obendrauf geben, einfach nicht eingehen. Das lag allein schon zeitlich gar nicht drin – du hattest deine paar Wochen im Studio, dann musste die Scheibe fertig im Kasten sein.

MI: Auf „Blood On Blood“ gibt es nebst Spasssongs wie „Wild & Free“ oder „Wild, Wild Nights“ auch einige formidable Kracher – und dann noch „One Night, One Day“, den ich jetzt nicht unbedingt als DEN Trademark-Song von Running Wild verorten würde. Welcher Klabautermann hat dich da geritten?

Rolf: Die Idee hinter „One Night, One Day“ – in dem es inhaltlich ja um Weissagung, Prophezeiungen geht – war, einen Song ohne ein wirkliches Arrangement zu schreiben. Das Lied hat ja weder Vers, Vorrefrain noch Refrain, sondern es beinhaltet im Grunde genommen lediglich einen Teil, der sich stets wiederholt, immer wieder kommt. Die grosse Herausforderung war es denn auch, trotzdem eine gewisse Steigerung hinzubekommen, den Track über die gesamte Länge hin interessant zu halten, sei es durch die Instrumentierung, die verschiedenen Stimmen oder die unterschiedlichen Gesangsteile, die unterm Strich zwar stets gleich sind, sich aber immer weiter aufbauen, bis dann zum Schluss dieser Chor einsetzt. In letzter Instanz ist der Song denn auch eher eine Hymne als ne eigentliche Ballade. Für mich war es erst mal eine Art Experiment, das mal auszuprobieren. Ich hab das Lied dann ein paar Freunden vorgespielt, und die meinten, der Track sei stark, müsse unbedingt auf die Platte, da er etwas beisteuere, was die anderen Songs nicht könnten – kurz, es würde was fehlen.

MI: Absolut! Vielleicht noch ein etwas grösserer Chor und gegen Ende hin ein paar Dudelsäcke…

Rolf: Dudelsäcke hatten wir ja bereits auf der letzten Scheibe [Song „By The Blood In Your Heart“], darum stand das hier nicht zur Debatte (lacht). Interessant finde ich da auch noch dieses irgendwie gosplige, das dennoch gut zu den harten Metalgitarren passt, sogar wenn gegen Schluss hin nochmals so richtig ein Pfund draufgegeben wird. Gerade dies war eine enorme Herausforderung beim Mix, denn da passiert zum Ende hin enorm viel. Ich habe lange gebraucht, bis man zum Beispiel die Sologitarre rausgehört hat, denn da war alles so zu mit Frequenzen, da musste ich richtiggehend schaufeln, bis ich sie so frei hatte, dass man sie überhaupt wahrnimmt.

MI: Gibt es den einen oder anderen Song auf „Blood On Blood“, der dir besonders am Herzen liegt?

Rolf: Bei dieser Platte witzigerweise nicht, nein. Es hat sehr lange gedauert, bis ich mich für die zehn Songs entschieden hatte, so dass jeder Track wie bereits erwähnt etwas zum Gesamtbild beiträgt, das die anderen neun nicht tun. Das war für mich eigentlich der springende Punkt, denn die Lieder sind extrem verschieden, allein schon von der Stimmung her. Trotzdem passen alle zusammen, da sie in einem bestimmten Kontext entstanden sind. Insgesamt hatte ich dieses Mal rund zwanzig Songs im Pool, die als Ideen vorlagen, und aus denen ich dann schlussendlich zehn rausgefiltert habe. Es war bei der Arbeit an den Stücken einfach so, dass ich alle gut finde. Klar gibt es Highlights wie „The Iron Times“ oder den Titelsong „Blood On Blood“ – den ich übrigens in nur fünf Minuten geschrieben hatte, als ich daran war, den Vorgänger „Rapid Foray“ abzumischen. Bereits damals kamen mir die ersten Ideen, nahm das neue Album erste Konturen an. Spannend daran ist auch, dass die Einfälle, die in kurzer Folge dazu kamen, die Riffs zu „Say Your Prayers“ und „Wild, Wild Nights“ bildeten, also drei komplett unterschiedlichen Songs. Das war quasi die Initialzündung, und bereits da wusste ich, dass die Platte was Besonderes werden würde.

MI: Du hast ganz zu Beginn dieses Gesprächs euer Piratenimage erwähnt. Jetzt ist Running Wild ja nicht eine Band, die sich an dieses Thema festklammert, sondern es gibt ja auch immer wieder ernstere respektive geschichtliche Themen. Wie wichtig ist dir diese Abgrenzung?

Rolf: Für mich stand eigentlich von Anfang an fest – auch nach „Port Royal“ – dass ich niemals eine Platte nur zu diesem einen Thema machen werde. Musikalisch wäre dies viel zu einengend, da man nun mal gewisse Melodien und Harmonien mit dieser Thematik verbindet, was einfach unheimlich limitierend wäre. Das war von vorneherein klar. Geschichte hat mich schon immer interessiert; nicht die Jahreszahlen oder genauen Abfolgen, sondern was mit den Menschen in gewissen Situationen geschieht. Darum ist „The Iron Times“ auch keine Datenherbeterei, kein „wer hat was wann getan“, sondern es beschreibt die Situation, in welcher die Menschen gelebt haben. Sie werden geboren und sterben in diesem Krieg, und sind trotzdem 30 Jahre alt geworden; das kann man sich gar nicht vorstellen, ohne Worte! Genau darum ging es mir bei diesem Song: die Geschichte dieser Menschen musikalisch zu erzählen. Was im Grunde genommen eine echte Herausforderung darstellt. Ich sage immer, das ist so, als würde man einen Film drehen wollen, einfach ohne Bild. Man muss es sich vorstellen können, die Bilder müssen durch die Musik erschaffen, hineinprojiziert werden, diese Stimmung, diese Emotionen, die da vorhanden sind.

Das war auch der Grund, wieso ich lange nicht wusste, wann ich den Song zu diesem Thema machen würde, denn darüber nachgedacht habe ich schon recht lange. Ich habe aber nie die richtige Melodie gefunden, die dieser Thematik gerecht geworden wäre, sie getragen hätte. Als ich bei den Arbeiten zu „Blood On Blood“ dann das Grundgerüst dieses Motives herausgearbeitet hatte, da wusste ich, dass dies genau die richtige Melodie ist, welche diese Tragik, dieses Drama und diese Traurigkeit in sich trägt. Da war für mich klar, dass ich diesen lange gehegten Wunsch nun endlich würde umsetzen können; der Rest ergab sich dann spontan und sehr rasch.

MI: Glaubst du an Vorbestimmung oder Prophezeiungen?

Rolf: Bei mir hat das nichts mit Glauben zu tun. Ich beschäftige mich schon sehr lange mit diesem Thema, wohl so an die 25, 30 Jahre. Für mich ist es eher eine Art Leitfaden, der einen mental darauf vorbereiten kann, dass gewisse Dinge passieren können. Lass es mich so formulieren: Es gibt Prophezeiungen zu gewissen Themen, und die stammen von Leuten aus völlig verschiedenen Jahrhunderten, völlig unterschiedlichen Kulturen, sie haben einen gänzlich andersartigen Background, aber dennoch haben sie gewisse Dinge ähnlich wahrgenommen. In der richtigen Prophezie sind ja nie wirkliche Jahreszahlen zu finden, sondern Hinweise auf Ab- oder Reihenfolgen – wenn A, B und C passiert… Und wenn das alles eingetreten ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass sich auch noch D und E ereignen werden. Darum geht es meines Erachtens – auf das, was kommen könnte, vorbereitet zu sein, auch mental, um dann für sich die richtigen Entscheidungen treffen zu können. Es geht auch nicht darum, sklavisch an alles glauben zu müssen, denn wann was passieren wird, das weiss ohnehin niemand. Und zuweilen werden Dinge ja auch durch das Tun der Menschen selbst geändert, indem sie sich anders verhalten, als man es eigentlich vorhersah, was dann zu anderen Ergebnissen führen kann.

Aber ich finde es eben interessant, dass es Personen gibt, die in ganz anderen Jahrhunderten gelebt und doch ähnliche Sachen erahnt haben. Viele kennen ja Nostradamus, der alles sehr verschlüsselt dargestellt hat. Ein weiterer ist etwa Johannes von Jerusalem, der im 12. Jahrhundert gelebt und den Organhandel vorhergesehen hat, oder dass Menschen sich Gift, sprich Drogen in die Vene drücken werden. Woher sollte er sowas im 12. Jahrhundert wissen? Das gab es damals beides nicht, war für die Menschen dieser Epoche absolut undenkbar. Aber er hat’s gesehen, irgendwie halt; oder gefühlt, ich weiss ja nicht, wie er das gemacht hat, ich war ja nicht dabei. Aber dass es Leute gibt, die Dinge wissen, die sie eigentlich gar nicht wissen konnten, das fasziniert mich.

MI: Du hast vorhin im Kontext zu „The Iron Times“ das Wort „Film“ erwähnt. Filme vermitteln zuweilen ein etwas verklärtes, romantisches Bild des Seefahrerei / der Piraterie. Hättest du in dieser Zeit leben wollen?

Rolf: Ne! (lacht herzhaft) Auf gar keinen Fall! Das war ne superharte Zeit. Und viele der Leute sind ja auch nur Piraten geworden, weil sie sonst keine Chance hatten; die konnten gar nicht anders überleben. Aber das Ganze ist in der Tat sehr verklärt. Wenn man sich die echte Piraterie anguckt – da gab es kaum einen Piraten, der mehr als 22 Monate durchgehalten hat, bis sie ihn aufgehängt haben. Da bin ich dann schon eher bei der Wahrheit respektive Realität, was das Anliegen dieser Leute damals war. Sie haben Demokratie gelebt, sie quasi für sich erfunden, wenn man so möchte; wie auch die Krankenversicherung. Diese Menschen haben sich in ihrer Not zusammengerauft. Der Titel des neuen Albums, „Blood On Blood“ respektive „One For All, All For One“ war ja auch das Motto der Piraten, da sie anders gar nicht hätten überleben können.

MI: Wenn du die Möglichkeit hättest, eine Rolle in einem Film zu übernehmen, welche würdest du wählen und wieso?

Rolf: Ou, das ist echt hart. „Fluch der Karibik“ liegt da natürlich am nächsten (lacht). Sich nen Charakter auszudenken der abgefahren genug ist, dass er da reinpasst (lacht). Das bin ich jetzt sicher nicht, aber es wäre interessant, sich ne Person zu überlegen mit dieser Hintergrundgeschichte.

MI: Du bist ja nun schon recht lange im Musikbusiness unterwegs – was war das Verrückteste, das du bisher erlebt hast.

Rolf: (überlegt lange) Kennst du den Film Spinal Tap? Da gibt es doch diesen Running Gag vom explodierenden Schlagzeuger. Die reden davon, wir haben das in Echt gemacht (lacht). Das Ganze ereignete sich während einer Show, bei welcher wir beim aller letzten Song, das war „Prisoner Of Our Time“, vorne am Drumriser so ne Feuerwippe montiert hatten, die angehen sollte. Unser damaliger Drummer Hasche [Wolfgang Hagemann] sollte sich dann zum Schluss der Nummer auf die beiden Basedrums stellen. Er hatte hierfür eine Lederjacke an, in welcher zwei Blitzer eingebaut waren. Also Arme nach oben halten, ich sag Kawumm, und da schiessen dann die Blitze raus. Wir legten mit dem Song los, das Intro fing an, die Band setzte ein – dann macht es Bamm, und das Timing des Schlagzeugs ging irgendwie in den Keller.

Weisst du, ich steh ja am Mikrofon und schaue ins Publikum, und die haben wie irre gejubelt und sind total ausgerastet. Ich wusste schlicht nicht, was los war; das Drum hat sich wieder gefangen, und so haben wir den Song halt zu Ende gespielt. Die Menge war noch immer völlig ausser Rand und Band. Ich kann mich noch dran erinnern, dass ich den Leuten auf Wiedersehen gesagt hab, mich umdrehte – und dann einfach nur noch schallend lachen musste. Hasche wurde von zwei Security-Leuten so halb weggetragen, mit schwarzem Gesicht und Löchern in den Hosen – wir hatten damals ja diese Stretchhosen… Ich hab mich schier totgelacht. Die ganze Band lag am Boden und die Fans „Ja, macht das nochmal mit dem Schlagzeuger“ (lacht). Also das war glaube ich so ziemlich das Abgefahrenste, das wir je gemacht haben.

MI: Und was war die grösste Enttäuschung in deiner Karriere?

Rolf: Die grösste Enttäuschung… Wahrscheinlich die Zeit damals, als es andauernd zu Lineup-Wechsel kam. Teilweise stand ich da einfach als Moderator in der Mitte, versuchte zwischen den sich streitenden Parteien zu vermitteln, und musste schlussendlich eine Entscheidung treffen. Manchmal war es auch einfach nur so, dass irgendwelche Sachen einfach nicht mehr funktioniert haben. Da war so viel Unruhe in der Band, gerade so Ende der 80er, anfangs der 90er Jahre. Das hat sich mit Thilo, Jörg Michael und so ja dann zum Glück beruhigt. Aber es war eine wirklich schwierige Zeit, weil du aus dem, was du daran warst aufzubauen, immer wieder herausgerissen wurdest, den nächsten Schritt einfach nicht wirklich machen konntest. Du musstest immer wieder von vorne beginnen, und das war schon sehr frustrierend.

MI: Wenn du zurückblickst: Wie stark unterscheidet sich dein Leben als Musiker von dem Traum, den du als Kind damals davon hattest?

Rolf: Eigentlich gar nicht. Ich meine, dass Musiker ein Job ist, der viel Arbeit mit sich bringt, das war mir erstaunlicherweise bereits als Jugendlicher klar. Dass einem das Ganze nicht einfach so zufliegt, du nicht beliebig in den Tag hineinleben kannst, auch wenn das dem gängigen Rockstar-Image wohl eher entsprach. Ok, es ist natürlich kein Beruf, bei dem du irgendwo hin gehst und dann deine acht Stunden dort verbringst. Du arbeitest dann, wenn du es willst, respektive du die Idee, die Inspiration dazu hast. Das alles war mir von Anfang an bewusst. Deswegen bin ich auch so zielstrebig. Mir stellte sich nie die Frage, ob ich Rockmusiker werden will oder kann, sondern ich habe mich immer nur gefragt, wann es wohl so weit sein wird. Ich hab das nie hinterfragt.

Für mich war das irgendwie vorherbestimmt, ohne dass ich das jetzt hätte benennen können. Als 15-Jähriger tickst du natürlich auch mental ganz anders. Das war mein Weg, den ich gehen wollte, und den bin ich dann auch gegangen. Ich kann mich noch gut entsinnen, dass es viele Leute gab, die fragten, wieso ausgerechnet ich damit Erfolg haben sollte, da gäbe es doch so viel Konkurrenz… Das nennt sich dann wohl eine selbst erfüllende Prophezeiung – wenn man von Vorneherein schon sagt, da gibt es Konkurrenz, das wird wahrscheinlich nix, dann wird es natürlich auch nichts. Du musst da schon zielstrebig sein, darauf zulaufen und planen – denken: das krieg ich hin.

Für mich stand zudem stets im Vordergrund, dass der Job, den ich ausübe, mir auch Freude bereitet, Spass macht. Es gibt Leute, die müssen unentwegt auf Tour sein, die halten es keine Woche zu Hause aus, müssen gleich wieder den Koffer packen, kaum sind sie mal wieder zu Hause angekommen. So ein Typ bin ich halt nicht. Insofern ist es für mich natürlich auch einfacher, da nebenher noch ein normales Leben zu führen.

MI: Hast du nach so vielen Jahren noch Wünsche oder Träume?

Rolf: Ich sag ja immer, neues Album, neues Glück, man weiss nie wirklich, was passieren wird. Läuft die Platte wie immer, läuft sie besser oder explodiert sie… Es gibt stets diese Unsicherheit – ich bin kein Wahrsager, ich kann nichts vorhersehen, zumindest nicht auf diese Weise. Und gerade deswegen ist es immer wieder aufs Neue interessant zu sehen, was möglich ist. Wenn ich mir anschaue, wo die Band vom Status her steht… Als ich mit „Shadowmaker“ zurückgekommen bin, und mir da jemand gesagt hätte, du wirst zu den fünf grössten Metalbands der Welt gehören, als Festival-Headliner die gleichen Slots mit Guns’N’Roses, Kiss oder Iron Maiden spielen, da hätt ich gesagt, du hast sie ja nicht alle (lacht). Aber es ist passiert, einfach weil die Band zum richtigen Zeitpunkt mit der richtigen Sache am richtigen Ort war.

MI: Angenommen, du könntest in der Zeit zurück reisen – welchen Ratschlag würdest du deinem – sagen wir mal 45 Jahre jüngeren Ich geben?

Rolf: Mach alles so, wie du es für richtig hältst und machen willst! Auch jeden Fehler entlang deines Weges. Man stellt ja auch immer die Frage, was hättest du anders gemacht? Ich bin da ganz offen: Gar nichts! Denn alles, was du verändern würdest, hätte auch auf das heutige Ergebnis Einfluss, würde auch dieses verändern. Und niemand könnte vorhersehen, was dabei herauskäme. Nenn es Schicksal, nenn es Karma oder was auch immer. Du bist auf deinem Weg, und jeder Fehler führt dich in eine etwas andere Richtung, die du sonst vielleicht nie gefunden hättest. Daher ist es aus meiner Sicht immer heikel zu hinterfragen, ob man was anders hätte machen sollen. Ich für meinen Teil meine: Nein!

MI: Schmetterlingseffekt lässt grüssen. Unsere 25 Minuten neigen sich bereits dem Ende entgegen. Wie geht es nun weiter mit Running Wild? Du hast erwähnt, dass ihr einiges grosse Festivals wegen Corona verschieben musstet. Ich denke mal, die werdet ihr nachholen. Ist sonst bereits noch was geplant in der nächsten Zeit?

Rolf: Die besagten Festivals waren ursprünglich für 2020 geplant, wurden dann auf 2021 verschoben, und sollen 2022 nun stattfinden. Wobei ich wegen dieser Covid-Situation noch immer etwas skeptisch bin. Es sind dies das Hellfest in Frankreich, das Rock Hard – Festival in Deutschland, das Metal Fest in Pilsen und das Midalidare Rock in Bulgarien. Es gab noch weitere Angebote, aber die habe ich erst mal abgelehnt – man kann da darüber reden, aber erst wenn wirklich klar ist, dass das alles dann auch wirklich stattfinden kann. Ich möchte einfach keine Auftritte an Festivals ankündigen, auf die sich die Fans freuen, und dann wird doch nichts draus. Das finde ich den Fans gegenüber unfair. Da warte ich lieber zu, bis sowas unter den gegebenen Umständen wieder vernünftig möglich ist. Ich bin da aktuell eher etwas skeptisch. Nehmen wir als Beispiel ein Festival wie das Hellfest mit 100’00 Zuschauern, die aus der ganzen Welt anreisen und Bands, die von überall her kommen – da bin ich mir einfach noch nicht im Klaren, wie man das handhaben will. Nichtsdestotrotz hoffe ich natürlich sehr, dass wir wieder live spielen können.

MI: Letzte Frage: Hast du noch eine spezielle Message an eure Fans in der Schweiz?

Rolf: Ich hoffe natürlich, dass den Schweizer Fans unser neues Album ebenso gut gefällt wie mir. Und natürlich auch, dass wir uns demnächst irgendwo auf ner Show sehen, dass wirklich wieder Konzerte stattfinden können. Ich denke, darauf warten wir alle sehr sehnsüchtig (lacht).

MI: Vielen Dank, Rolf, für dieses unterhaltsame Gespräch – und hoffentlich bis bald – auch wir brennen darauf, euch endlich wieder live erleben zu können!

 

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Autor
27.10.2021
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