Der Weg einer Freiheit - Dynamo Zürich 2021
Sa, 27. November 2021

Der Weg einer Freiheit, The Devil’s Trade

Dynamo (Zürich, CH)
15.12.2021
Der Weg einer Freiheit - Dynamo Zürich 2021

So mag ich meine Freiheit

Am Samstagabend kam das Publikum im Zürcher Dynamo in den Genuss von sphärischen, packenden und unter die Haut gehenden Klängen aus der düsteren Genre-Ecke. Verantwortlich dafür waren die beiden – beim französischen Label Season Of Mist unter Vertrag stehenden – Formationen Der Weg einer Freiheit und The Devil’s Trade. Die Zuschauerschar liess sich mehrheitlich auf die angebotene Achterbahnfahrt der Gefühle ein und wurde dabei eindeutig nicht enttäuscht.

Es ist fast schon ein wenig peinlich. Nun pilgere ich endlich wieder jedes Wochenende an irgendwelche Konzertveranstaltungen, aber für Abstecher in die Lokalitäten der Städte Winterthur oder Zürich hat’s trotzdem kaum gereicht… Umso mehr erfreut mich die Tatsache, dass ich dank Gastgeber Mainland Music AG nach einer gefühlten Ewigkeit das Dynamo wieder einmal zu Gesicht bekomme. Keine Ahnung, wie lange mein letzter Besuch im Jugendkulturhaus an der Wasserwerkstrasse 21 zurückliegt. Doch beim Betreten des Gebäudes macht sich rasch ein vertrautes Gefühl breit. Erinnerungen an fantastische und prägende Erlebnisse werden wach. Zudem kann mit dem Emporklimmen der zahlreichen Stufen direkt das heutige Fitnessprogramm abgehakt werden. Aufgrund dessen ist das jetzt meine Kehle herabrinnende Feierabendbierchen fraglos verdient.

Während es bei den letzten Malen für die in Würzburg beheimateten Schwarzmetaller Der Weg einer Freiheit noch ins Loch (welches euch wahrscheinlich eher als «Werk 21» bekannt sein dürfte) ging, dürfen sich die Jungs nun an der Eroberung des grossen Saals versuchen. Dazu werden sie unter anderem auf Material ihres erst kürzlich erschienenen, fünften Studioalbums «Noktvrn» setzen. Des Weiteren haben die Deutschen als Verstärkung ihren Label-Kumpan Dávid Makó mitgebracht. Der Ungare agiert unter dem Projekt The Devil’s Trade und produziert dabei finstere Folk-Melodien. Ich bin gespannt, wie der Typ als «Ein-Mann-Band» bei den heute anwesenden Gehörgängen ankommen wird.

The Devil’s Trade

Da lacht das helvetische Herz! Pünktlich um 20 Uhr wird der Raum verdunkelt. Lediglich vereinzelte Scheinwerfer sind auf die Bühne gerichtet, wo der erste Akteur des Abends während einigen Zeigerumdrehungen stoisch, einzig mit einer Klampfe in der Hand bewaffnet, kniet und die erklingenden Töne aus den Boxen ihre Wirkung entfalten lässt. Die effizientesten Mittel des Ungarn sind glasklar sein Gitarrenspiel und sein imposantes Stimmorgan. Alter Verwalter! Mein Körper ist mit Hühnerhaut übersät. Gesanglich sind Parallelen zu Einar Selvik nicht von der Hand zu weisen. Der gesamte Klangteppich an sich ähnelt zudem Gruppen wie Alcest, Sólstafir oder Wadruna. Für Personen mit einem Faible für Blastbeat-Salven ist das Dargebotene somit eher ungeeignet. Alle anderen, die ihre Seelen solchen Kompositionen problemlos hingeben können, erleben eine atemberaubende Reise durch die Schmerzen und Leiden des menschlichen Daseins. Lediglich ein paar unbelehrbare «Schnorris» stören die Atmosphäre mit ihrem Geplapper. Führt eure unwichtigen Unterhaltungen doch bitte draussen weiter, merci!

Dávid ist ein cooler, entspannter Kerl, der – vor allem wegen seines Schnurrbarts und dem kahlen Schädel – optisch an einen klischeehaften Muskelmann aus dem Zirkus erinnert, der mit seinen Hanteln irgendwelche Tricks vorführt. Der Künstler verfügt ausserdem über einen furztrockenen Humor. Er schätzt sowohl die Ruhe der hiesigen Besucher zwischen den Songs (abgesehen von den oben erwähnten Ausnahmen) als auch applaudierende Hände am Ende eines Stücks. In seiner Musik dominieren hingegen die ernsten Themen. Ruhig und beinahe in bisschen scheu kündigt er jeweils die dazugehörigen Geschichten an. Mit tiefer Stimme erzählt Dávid beispielsweise von Unstimmigkeiten in seinem Heimatland oder dem Ableben seiner Schwester, die traurigerweise zehn Jahre vor seiner Geburt verstorben ist. Die in diesem Zusammenhang stehende Hymne «Dead Sister» lässt einen bis in die letzten Fasern des eigenen Körpers erschaudern. Unfassbar, welche Stimmung The Devil’s Trade – wahlweise mit einer Gitarre oder einem Banjo ausgerüstet – zu erzeugen vermag. Allen Interessierten lege ich eine Hörprobe wärmstens ans Herz!

Der Weg einer Freiheit

Meine allererste Begegnung mit den Würzburger Kickers… -ähm… Quatsch! Ich meine natürlich mit den Würzburger Schwarzmetallern liegt drei Jahre zurück. Damals figurierten Der Weg einer Freiheit als Support-Act von Moonsorrow und Primordial auf der «Heathen Crusade»-Tour (siehe Review). Der ansprechende Auftritt in der Prattelner Konzertfabrik Z7 machte freilich Lust auf mehr. Am diesjährigen Black Hole Fest II wäre ebenfalls ein Gastspiel eingeplant gewesen, welches jedoch aufgrund von Terminverschiebungen am Ende blöderweise nicht zustande kam. Dafür ist die jetzt folgende Show in der Limmatstadt nicht mehr aufzuhalten. Frenetisch fiebert das Publikum den ersten Tönen entgegen.

Losgelegt wird schliesslich um 21 Uhr. Von Beginn weg macht das Quartett Volldampf und präsentiert sich in bestechender Form. Fulminante Blastbeat-Salven und wilde Scheinwerfer-Geflacker wecken selbst die schläfrigsten Nasen im Saal. Auf diese wuchtige Dosis haben die Headbanger sehnsüchtig gewartet! Höchste Zeit, um die eigene Haarpracht (sofern in ausreichender Länge vorhanden) energiegeladen herumwirbeln zu lassen. Doch Fronter Nikita und seine Mitstreiter decken die Masse nicht bloss mit Haudrauf-Momenten ein, sondern lassen ebenfalls regelmässig gemächlichere Passagen in ihre Song-Strukturen einfliessen. Dadurch zeigen sie in ihrem musikalischen Schaffen einen Spagat zwischen der alten, norwegischen Schule und den moderneren Aspekten des Black Metal. Wahrlich kein alltägliches Gemisch – aber exakt darin liegt die Stärke dieser Kapelle.

Erwartungsgemäss dominiert das Liedgut des aktuellen Ablegers «Noktvrn» die Setliste. Da sind unglaublich fesselnde und Tracks mit von der Partie, die allesamt locker die 6-Minuten-Marke knacken. Bei «Immortal» kommt’s sogar zu einer umjubelten Kollaboration mit The Devil’s Trade. Ganz grosses Blockbuster-Kino! Die Zuhörerschaft saugt die Atmosphäre gierig auf und scheint nicht genug davon zu bekommen. Derweil werden die Musiker nie müde, sich regelmässig bei den Fans für deren zahlreiches Erscheinen zu bedanken. Bis und mit dem Zugaben-Zückerli «Lichtmensch» kosten die Protagonisten ihre Performance vollends aus. Ein rundum gelungener Abend!

Das Fanzit – Der Weg einer Freiheit, The Devil’s Trade

So mag ich meine Freiheit! Mit The Devil’s Trade habe ich einen interessanten und vielversprechenden Künstler entdeckt, dessen aktuelles Eisen «The Call Of The Iron Peak» nach der Show selbstverständlich direkt käuflich erworben werden musste. Danach schlüpften Der Weg einer Freiheit in die Rolle des überzeugenden und bockstarken Headliners. Aufgrund dieser Leistung musste meine Geldbörse anschliessend auch in ihrer Merch-Ecke ein kleines Abspeckprogramm durchmachen.

Ein grosses Dankeschön gebührt zudem der Mainland Music AG, die uns diesen wichtigen Seelen-Balsam überhaupt erst ermöglich hat. Hoffentlich war das nicht wieder für längere Zeit die letzte Dosis «Live-Musik»… Allerdings wären so oder so tolle Erinnerungen an diesen Abend vorhanden.

Setlist – The Devil’s Trade

  1. Dreams From The Rot
  2. Dead Sister
  3. Három Árva (Cover eines ungarischen Folk-Songs aus Transsylvanien)
  4. No Arrival
  5. Pusztinai Nagy Hegy Alatt (Cover eines ungarischen Folk-Songs aus Moldawien)

Setlist – Der Weg einer Freiheit

  1. Finisterre II
  2. Monument
  3. Einkehr
  4. Repulsion
  5. Posthum
  6. Immortal (featuring The Devil’s Trade)
  7. Morgen
  8. Am Rande der Dunkelheit
  9. Zeichen
  10. Gegen das Licht
  11. Lichtmensch*

*Zugabe


Wie fandet ihr das Konzert?

15.12.2021
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