Axel Rudi Pell - Lost XXIII (Cover Artwork)
Do, 14. April 2022

Axel Rudi Pell – Lost XXIII

Hardrock, Heavy Metal
13.04.2022
Axel Rudi Pell - Lost XXIII (Cover Artwork)

Und täglich grüsst das Murmeltier

… ist man bei Axel Rudi Pell zuweilen versucht zu sagen. Nach dem 2020 erschienenen Werk „Sign Of The Times“ schlägt das deutsche Gitarren-Urgestein knapp zwei Jahre später bereits wieder zu. „Lost XXIII“ heisst der rockige Nachschlag und regt zur vertieften Reflexion über Stetigkeit an…

Unser aller Leben ist durchdrungen von Konstanten – allgemeingültigen, als unveränderbar geltenden Grössen wie der Lichtgeschwindigkeit, der Elektronenmasse – oder der aus der Schule wohl geläufigsten überhaupt, Pi (man erinnert sich: die Kreiszahl, 3.141592 und so weiter und so fort). Und dann gibt es einen gewissen Axel Rudi Pell, der seit dem Anbeginn der Zeit (oder zumindest so ähnlich) in zuverlässiger Regelmässigkeit Album um Album veröffentlicht. Wie viel „Hatten wir doch schon mal“ steckt in der aktuellen Aufnahme, respektive können die neusten Kompositionen bei eingefleischten ARP-Fans den berühmten Funken noch immer überspringen lassen?

Machen wir’s nicht unnötig spannend: Ja, absolut! Natürlich erfindet sich der aus Bochum stammende Gitarrist und Songschreiber auch auf seinem 21. Studiowerk nicht neu. Und doch wirkt im Vergleich zum Vorgänger der Sound auf der gegenwärtigen Scheibe nochmals etwas härter, druckvoller. Die zehn Songs (plus Intro) präsentieren eine Band in Hochform, was beim handwerklichen Können der beteiligten Musiker beginnt und bis hin zur griffigen, warmen Produktion nicht abreisst. Und natürlich trägt Johnny Gioeli mit seinem grandiosen, mal raspelig, mal gefühlvoll eingesetzten Gesangsorgan das Seine zum stimmigen Gesamtbild bei.

Vom Leben auf der Strasse…

So klingt „Lost XXIII“ denn wie ein gut geschmiertes Hard Rock-Getriebe, bei dem ein Rädchen formidabel ins andere greift. Bereits das kraftvolle „Survive“ – die erste Singleauskopplung – strotzt nur so vor Energie, toller Gitarrenarbeit und knackigen Drums. Im selben Fahrwasser tummeln sich auch das rockige, von Volker Krawczaks Bass getriebene „Down On The Streets“ oder das düster groovende „Freight Train“, bei welchem mich das Gitarrensolo gegen das Ende hin klanglich enorm an den Beginn von Queensrÿches „Another Rainy Night“ erinnert. Thematisch handeln die beiden Tracks vom Leben auf der Strasse, respektive Menschen, die in den USA auf Züge aufspringen, um durchs Land zu reisen. Lyrics fernab der einstigen Dungeons & Dragons – Maxime.

„Follow The Beast“ ist eine weitere Vollgas-Nummer, welche in vielerlei Hinsicht mit Referenzen an die NWOBHM-Zeiten aufwartet, derweil „No Compromise“ eher bei den rifflastigen Stücken eingeordnet werden kann. Doch was wären Axel Rudi Pell ohne ihre sanftere Seite? Auf dem aktuellen Werk finden sich denn auch gleich zwei balladeske Stücke, von denen textuell „Gone With The Wind“ mit seiner wahren Geschichte über einen Hund, der ein Jahr lang vergeblich am Bahnsteig auf sein verstorbenes Herrchen wartete, heraussticht. Ähnlich erhaben sorgt die eindringliche, mit einem stimmungsvollen Klavierpart beginnende Ballade „Fly With Me“ für echte Hühnerhaut.

Während „The Rise Of Ankhoor“ – ein kleines Wortspiel aus anchor und encore (Zugabe) – als Stück ohne Gesang aufleuchtet und mit Hammond-Orgel-Klängen sowie Uriah Heep- und Deep Purple-artigen Vibes jede Menge 70-Jahre Flair versprüht, liefert der Titeltrack „Lost XXIII“ das für ARP beinahe schon obligate Epik-All-In-One-Paket – wobei sich episch hier leider auch auf die Länge des Tracks bezieht. Für einmal wäre etwas weniger vielleicht etwas mehr gewesen.

Den Abschluss bildet eine weitere Instrumentalnummer namens „Quarantined 1“, welche – wie es der Name schon erahnen lässt – während der Corona-Pandemie entstand und den Pell bereits im Frühjahr 2020 in Eigenregie zu Hause aufgenommen und seinen Fans auf YouTube als eine Art „COVID-Support-Paket“ präsentiert hatte. Für die Albumversion steuerte Bobby Rondinelli nun noch richtigen Schlagzeugsound bei, so dass daraus ein „echter“ ARP-Track wurde.

… und einer verlorenen Welt

Ein grosser Pluspunkt im ARP-Universum ist zweifelsohne die Kontinuität des Line-Ups, besteht die Band doch seit Langem nebst Axel aus Johnny Gioeli (Gesang), Bassist Volker Krawczak, Keyboarder Ferdy Doernberg und Schlagzeuger Bobby Rondinelli (Ex- Rainbow). Getoppt wird diese Beständigkeit lediglich durch Pells 33-jährige Zusammenarbeit mit Steamhammer/SPV – nota bene im dreiunddreissigsten Jahr seiner Solokarriere! In unserer schnelllebigen, von allerorts aufpoppenden Trends geprägten Zeit wohl definitiv eine Ausnahme!

Kritiker mögen leicht zynisch monieren, dass sich das Songwriting seit Jahren in absolut vorhersehbaren Bahnen bewege, und Innovation respektive eine stilistische Weiterentwicklung allenfalls in homöopathischen Dosen erfolge. Und natürlich haben sie in gewissem Sinne vollkommen Recht. Allerdings sind ARP dabei gewiss kein Einzelfall (hatten wir ja auch schon bei Sabatons letztem Streich – siehe Review). Denn schlussendlich kreieren die Jungs exakt diese Art von Sound, der ihnen am besten entspricht – und womit sie die Herzen ihrer Fans einmal mehr höher schlagen lassen werden. Und unter uns, genau das ist es doch, auf was es ankommt!

Bleibt nur noch das kleine Rätsel rund um den Albumtitel zu lösen. Pell erklärt: „XXIII ist die römische Zahl für 23 und steht für W, den 23. Buchstaben des Alphabets [Randbemerkung des Autors: Dies aber erst seit der Renaissance; zuvor bestand das lateinische Alphabet aus 21 resp. 23 Buchstaben]. Was in diesem Fall eine Abkürzung für ‚Welt‘ ist, also könnte man das Album auch ‚Lost World‘ nennen, eine Anspielung auf den derzeit ziemlich alarmierenden Zustand unseres Planeten.“

„Lost XIII“ wurde von Axel Rudi Pell himself produziert, von Tommy Geiger gemischt, von Ulf Horbelt gemastert, und das mysteriöse Cover-Artwork stammt wiederum von Thomas Ewerhard (u.a. Gotthard, Edguy, Sons Of Apollo). Opus Nummer 21 beinhaltet zehn Songs (plus Intro) und wird als Digipack, CD, Vinyl-Doppelalbum, limitiertes Boxset sowie digital veröffentlicht.

Das Fanzit Axel Rudi Pell – Lost XXIII

Axel Rudi Pell liefern auf ihrem neusten Werk „Lost XXIII“ exakt das, was ihre über die Jahre hinweg munter angewachsene Fangemeinde von ihnen erwartet: Eingängigen, melodiösen Hard Rock, der von der überragenden Stimme Johnny Gioelis getragen wird. Die Kontinuität im Line-Up trägt einmal mehr hörbar Früchte, so dass das Ganze äusserst homogen und perfekt aufeinander eingespielt rüberkommt. Zudem hinterlässt über alle Songs hinweg betrachtet die aktuelle Langrille einen homogenen, ausgewogenen Eindruck, ist das Liedgut generell von guter Qualität, Aussetzer oder Füller sucht man vergebens.

„Lost XXIII“ ist eine eindrückliche Qualitätsveröffentlichung einer Band, welche ob ihres offen zur Schau getragenen Pragmatismus wohl hier und da belächelt werden mag. Nichtsdestotrotz gibt ihnen der anhaltende Erfolg bei den wichtigsten Gradmessern ihres Tuns – den Fans nämlich – absolut Recht. Wer gut gemachten, eingängigen Metal mag, wird sicherlich nicht enttäuscht werden. Und für ARP – Anhänger ist diese Scheibe ohnehin ein Pflichtkauf. Hochverdiente 8.5 Punkte, mit einem fetten Drall in Richtung der 9!

Anspieltipps: Survive, Down On The Streets, Freight Train, Follow The Beast

Ab Release reinhören und Digipak/Vinyl portofrei erhalten

Trackliste Axel Rudi Pell – Lost XXIII

  1. Lost XXIII Prequel (Intro)
  2. Survive
  3. No Compromise
  4. Down On The Streets
  5. Gone With The Wind
  6. Freight Train
  7. Follow The Beast
  8. Fly With Me
  9. The Rise Of Ankhoor
  10. Lost XXIII
  11. Quarantined 1

Line Up – Axel Rudi Pell

  • Johnny Gioeli – Lead and Backing Vocals
  • Axel Rudi Pell – Lead, Rhythm and Acoustic Guitars
  • Ferdy Doernberg – Keyboards
  • Volker Krawczak – Bass
  • Bobby Rondinelli – Drums

Video Axel Rudi Pell – Survive


Album Review Bewertung

Autor Bewertung: 8.5/10



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13.04.2022
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