Metalinside.ch - Imagine Dragons - Stade de Suisse-Bern 2022 - Foto - Sandro
Do, 9. Juni 2022

Imagine Dragons, Mother Mother, Kings Elliot

Stade de Suisse (Bern, CH)
06.07.2022
Metalinside.ch - Imagine Dragons - Stade de Suisse-Bern 2022 - Foto - Sandro

Drachenstark!

Die Imagine Dragons riefen – und 40’000 pilgerten ins restlos ausverkaufte Berner Wankdorf-Stadion.  Mit fünf Studioalben im Gepäck zählen die Jungs aus dem US-Bundesstaat Nevada zu den aktuell wohl angesagtesten Acts weltweit. Umso erfreulicher, dass ihr gewaltiger Tross (vor dem Wankdorf parkieren neun Stage-Trucks) auf der „Mercury“-Tour auch in der Schweiz Halt macht. Metalinside war für euch vor Ort mit dabei.

Bereits Stunden vor Konzertbeginn herrscht emsiges Treiben rund um den sonst eigentlich primär den Berner Young Boys vorbehaltenen Fussballtempel. Die Eingangskontrolle geht ohne Probleme von statten. Naja, zumindest für mich, bleibt direkt vor mir doch eine Dame mit einer Art Camping-Rucksack hängen. „Maximal A4“ ist definitiv kleiner. Im Stadion bzw. dem Spielfeld selbst ist der Boden mit Kunststoffplatten abgedeckt. Eine weise Entscheidung, würden sich die vielerorts auszumachenden Zigaretten doch nur bedingt mit dem darunterliegenden Kunstrasen vertragen. Nach einem Abstecher zum Merch-Stand heisst es dann aber erst einmal sich hinsetzen, die Leute beobachten und warten…

Kings Elliot

Eröffnet wird der zwischen sonnig und bewölkt hin und her wechselnde Abend von einem heimischen Gewächs: Kings Elliot (oder gut bürgerlich: Anja Gmür) betritt pünktlich um 17:50 Uhr die riesige Bühne – Schweizer Präzision eben. Zwar wirkt die zierliche, blauhaarige Schwyzerin aus Altendorf in der übergrossen Szenerie fast ein wenig verloren, doch füllt sie mit ihrer klaren Stimme und den ruhigen, tragenden Liedern das schon recht ansehnlich gefüllte Rund gekonnt aus. Allein von einem Keyboard begleitet nutzt sie während ihres 25-minütigen Auftritts die Chance, einen so grossen Act supporten zu dürfen. Und umso schöner natürlich auch die Tatsache, dass das erste Konzert der „Mercury“-Tour in Europa, bei dem sie mit dabei sein darf, gerade hier in ihrer Heimat stattfindet. Ein erfrischender, wenn auch aufgrund der langsamen Töne nicht unbedingt einheizender Auftritt.

Mother Mother

Nach einer kleinen Umbaupause geht’s mit den kanadischen Indie-Vertretern „Mother Mother“ gleich um einiges rockiger zur Sache. Dass ihre Mucke schweisstreibend werden würde, war bereits anhand der vielen ausgelegten Frottiertücher absehbar. Speziell Frontmann Ryan Guldemond flitzt unentwegt übers weite Parkett und animiert das bis anhin nur teilweise bewegungsfreudige Publikum immer wieder zum Mitmachen. Und auch die beiden singenden Tastendamen Molly Guldemond (Ryans Schwester) und Jasmin Parkin, sowie Drummer Ali Siadat tragen das Ihrige zum unterhaltsamen Auftritt bei. Einzig bei Bassist Mike Young bin ich mir noch immer uneins, ob er nicht doch hauptberuflich als Holzfäller tätig ist. Jänu, andere Baustelle!

Mir bis Bern gänzlich unbekannt, sind die fünf Ahornblätter speziell in ihrer Heimat (und darüber hinaus) gefeierte Stars, welche gerade bei den Streamingdiensten während des 2020er Lockdowns wortwörtlich durch die Decke gingen. Und mit Titeln wie „Dirty Town“, das mit seinen stilistischen Querhüpfern schon fast so etwas wie einen „Bohemian Rhapsody“-Touch aufweist, wird auch der künstlerischen Varianz durchaus Genüge getan. Zwar flacht das Ganze meiner Einschätzung zufolge gegen Ende des Sets hin etwas ab, als man sich eher älterem Material zuwendet, doch übergeben Mother Mother alles in allem dem Hauptact eine gut vorgewärmte Meute.

Imagine Dragons

Als dann um 20:10 Uhr die Hauptattraktion des heutigen Abends die dank der übergrossen Videoleinwände nun grell ausgeleuchtete Bühne betritt, gibt es ohnehin kein Halten mehr. Die Combo aus Las Vegas hat das Publikum von der ersten bis zur letzten Minuten voll im Griff, zeigt sich auffallend spielfreudig und agil. Insbesondere der ein schwarzes Netzhemd tragende Sänger Dan Reynolds nutzt den weit in die Zuschauerränge hinein reichenden Laufsteg exzessiv aus. Ständig ist er im Dialog mit den Fans, interagiert, animiert. Im Vergleich zu den Studiowerken wirkt seine Stimme zudem einige Nuancen rauer, kraftvoller. Die Töne sitzen trotz seines Bewegungsdrangs, Aussetzer sucht man vergebens. Irgendwie krass, wie viel Energie er während der ziemlich genau zweistündigen Show freizusetzen vermag.

Überhaupt könnte der Sound kaum besser sein! Und auch wenn die Sonne zu Beginn des Sets noch flach am Horizont steht und es bis zum Ende nicht ganz einnachtet, so trägt das kolossale Bühnenbild mit der gigantischen Stage-Leinwand diesem Umstand doch vollends Rechnung. Die Projektionsfläche wird nebst Videoaufnahmen von Musikern und Publikum (gerne auch mal überblendet) zudem für visuelle, mit einer Erzählstimme unterlegte Videosequenzen verwendet, welche Themen verschiedener Songs und Alben aufgreifen.

Was bei Metal-Konzerten Pyro-Effekte (die gab’s hier zwar auch) wären, sind heute Abend Konfetti-Explosionen. Die dem Mittelgang entlang angebrachten Verteil-Behälter haben einen ordentlichen Bums und berieseln die Menge wirklich grossflächig. Entsprechend wuseln nach jeder Eruption fleissige, mit Laubbläsern bewaffnete Roadies quer über Bühne und Catwalk, um drohenden Ausrutschunfällen vorzubeugen. Dank Hits wie „Believer“, „Thunder“, „Birds“ oder „Natural“ im ersten Teil des Sets braucht man sich in den Reihen der anno 2008 formierten Truppe ohnehin keine Gedanken über mangelnde Resonanz zu machen. Auch wenn wohl Tags darauf nirgends verspannte Nackenmuskeln einen Gang zum Physio nötig machen, so ist die Stimmung doch genau so, wie es sich gehört: begeistert, freudig, ausgelassen. Ein Musikfest der gehobenen Güteklasse eben. Zwar stören die massig vertretenen Handyfilmer die Gesamtszenarie ein wenig, doch dürfte dies wohl auch dem Zeitgeist geschuldet sein (und ganz von dieser Kritik ausnehmen darf ich mich ohnehin nicht, selbst wenn meine Aufnahmen vorrangig journalistischen Zwecken dienten).

Den Mittelteil des Gigs bildet eine vier Lieder umfassende Akustik-Session, bei der sich die gesamte Band vorne auf dem „Catwalk“ einfindet. Spätestens beim Ben E. King – Cover „Stand By Me“ verliert dann auch der Allerletzte seine Hemmungen und singt inbrünstig mit. Hatte ich Dans Rastlosigkeit bereits erwähnt? Bei „I Bet My Life“ mischt sich der nimmermüde Fronter unters Publikum, schüttelt Hände, rennt umher. Irgendwie tut mir dabei der auf der Grossleinwand zu sehende Bodyguard schon fast ein wenig leid, wie er da Reynolds hinterherspurtet. Nach einem kurzen Gruss-Stopp beim Samariterzelt geht’s dann aber doch zurück auf die Bühne.

Lag mein erzählerischer Fokus bis hierhin einzig auf dem Shouter, so gebührt natürlich auch dem Rest der Truppe ein gewaltiges Lob. Gitarrist Daniel Wayne Sermon, Basser Ben McKee sowie Drummer Daniel „Platz“ Platzman gelingt es nämlich vortrefflich, mit ihren Instrumenten einen sehr druckvollen, raumfüllenden Klangteppich zu legen. Dabei kommt der Sound für meinen Geschmack zudem um einiges härter, auch verzerrter als auf Platte daher und drückt zuweilen wohlig satt auf den Magen – ohne dabei jemals unangenehm zu werden. Mag Dan vielleicht so etwas wie das Aushängeschild von Imagine Dragons sein, so sind die restlichen Dreiviertel der Formation für das Gesamtgefüge doch mindestens ebenso wichtig. Ein harmonierendes, funktionierendes Quartett eben.

„Als wir das erste Mal in der Schweiz gespielt haben, waren gerade mal 750 Zuschauer zugegen. Wenn ich mich jetzt hier umsehe, so bin ich einfach nur unendlich dankbar. Und wir werden in der Schweiz spielen, solange ihr das wünscht“. Worte von Reynolds, die nicht aufgesetzt wirken, sondern die Stimmung eines gestandenen Musikers widerspiegeln. Überhaupt spricht der bald 35-Jährige verhältnismässig viel. Über seine depressive Erkrankung. Über seinen Kampf dagegen. Und dass es ihm dabei verdammt ernst ist, das merkt man. Nicht zuletzt auch bei seinem Aufruf, unbedingt Hilfe zu suchen, eine Therapie zu beginnen und dies nicht als Schwäche abzutun. „It’s okay (to be not okay)“ ist denn auch die passende Hymne zu alledem.

Das letzte Drittel der Darbietung ist dann eine Art „Best Of“ des bisherigen Schaffens. Hits wie „Whatever It Takes“, „Demons“, „Enemy“, „Bones“ oder „Walking The Wire“ geben sich dabei vor dem frenetisch mitfeiernden Publikum quasi die Klinke in die Hand, und sogar das speziell für die „League Of Legends 2014 World Championship“ komponierte „Warriors“ findet Einlass in den musikalischen Olymp. Nach einem fulminanten „Radioactive“,bei dem Dan zu Beginn am Klavier sitzt und im Verlauf des Songs nochmals alle Register gezogen werden, ist dann aber Schluss – eine Zugabe gibt es erstaunlicherweise nicht. Die Fans scheint es – zumindest für mich etwas überraschend – nicht gross zu stören. Zu viel Dopamin pulsiert in diesem Moment wohl noch in ihren Adern.

Das Fanzit – Imagine Dragons, Mother Mother, Kings Elliot

Ganz ehrlich, ich hätte mir nicht träumen lassen, von einer doch eher als „artfremd“ einzustufenden Band derart mitgerissen zu werden. Perfekte Show, absolut passende, stimmige Songauswahl, rundum zufriedene Fans. Umso spannender, tags darauf Schlagzeilen wie diese zu lesen: „40’000 Leute feiern Imagine Dragons – auch wenn Kritiker die Nase rümpfen“. Aber ehrlich, wenn sich sogenannte professionelle Schreiberlinge über Dans Netzhemd enervieren, kann’s so arg nicht gewesen sein.

Für manche mögen Imagine Dragons schlicht eine überbewertete Popband sein. Dass diese Einschätzung jedoch in vielerlei Hinsicht falsch ist, haben die Amis an diesem Abend auf eindrückliche Weise unter Beweis gestellt. Ich für meinen Teil freue mich auf alle Fälle schon gewaltig auf ihr nächstes Gastspiel in der Schweiz! Dann wohl anlässlich ihres am 1. Juli erscheinenden Albums „Mercury – Act 2“.

Setlist Imagine Dragons

  1. It’s Time
  2. Believer
  3. Polaroid / Hopeless Opus
  4. Thunder
  5. Amsterdam
  6. Shots
  7. Birds
  8. Follow You
  9. Lonely
  10. Natural[Acoustic]
  11. Next to Me
  12. I Bet My Life
  13. Stand By Me (Ben E. King cover)
  14. One Day
  15. Whatever It Takes
  16. It’s Ok
  17. Demons
  18. Enemy
  19. Bones
  20. Walking the Wire
  21. Warriors
  22. Radioactive

Video Imagine Dragons – Warriors


Wie fandet ihr das Konzert?

06.07.2022
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