NIGHTWISH – Endless Forms Most Beautiful

Symphonic Metal
27.03.2015

In Sachen Nightwish bin ich zugegebenermassen ein rechter Spätzünder. Der Mega-Seller „Once“ war mein erster Kontakt, live habe ich die Band mit der ursprünglichen Sängerin Tarja Turunen leider nie gesehen. Kein Wunder zähle ich mich zur „Anette Olzon – Fraktion“. Auch wenn ich mittlerweile im Besitz aller alten Nightwish CDs bin, so ist mein Favorit doch ganz klar „Dark Passion Play“! Mir gefällt Anette’s Gesang einfach besser als Tarja’s – die ist mir oft ZU „opernhaft“. Ja, ich weiss – mit einer solchen Aussage kann man eigentlich nur verlieren. Und Pam wird mir dafür neben Geburtstags- und Weihnachtsgeschenken wohl auch den Osterhasen streichen… (Anm. v. pam: Genau).

Nun denn – auch wenn „Imaginerium“ trotz einigen Highlights insgesamt ein eher maues Album war, so war ich trotzdem schwer enttäuscht, als Anette gefeuert und durch Floor Jansen ersetzt wurde. Aber natürlich hat auch die neue Sängerin ihre Chance verdient. Und ich darf wohl behaupten, dass „Endless Forms Most Beautiful“ eines der meist erwarteten Werke 2015 ist: schliesslich sind Nightwish eine feste Grösse – Wechsel hinter dem Mikrofon steigern die Erwartungshaltung immer noch zusätzlich…

Als vor einem guten Monat dann endlich die erste Single „Élan“ präsentiert wurde, da war ich recht geschockt und auch etwas konsterniert. Ziemlich ruhig, wenig Pfupf, teilweise fast poppig. Das war mein erster Eindruck. Und die Vorfreude auf das Album wurde grad ziemlich gedämpft…

Nun ja – eine Single macht aber noch kein Album. Zumal „Élan“ im Gesamtkontext einiges besser rüberkommt, dies darf ich vorweg nehmen.

Jetzt ist also endlich das ganze Werk da, es ist das mittlerweile achte Studioalbum der Finnen. Neben Floor Jansen hatte die Band ja noch einen weiteren Zugang zu verzeichnen: den Flötenspieler Troy Donockley. Der Brite ist bereits seit 2007 live unterwegs mit Nightwish, 2013 wurde er dann zum vollwertigen Mitglied. Und sein Einfluss auf den Sound ist unüberhörbar!

„Shudder before the Beautiful“ nennt sich der Opener. Und in mein Gesicht zaubert sich ein Grinsen der Erleichterung: DAS hier tönt nach der erwähnten Single schon mal viel eher nach den Nightwish, wie ich sie mag! Harte Gitarren, anständiger Speed, und über allem thront der klassische Bombast. Ah, und was ist mit dem Gesang? Da ist ebenfalls alles im grünen Bereich. Wer gehofft hat, dass hier alte Tarja-Zeiten heraufbeschworen werden – sorry, Fehlanzeige. Floor Jansen geht ebenfalls in die rockigere Richtung und zumindest zu Beginn ist da (stilistisch) kein allzu grosser Unterschied zu Anette festzustellen (Anm. v. pam: Schade.).

Im gleichen Stil geht’s weiter mit „Weak Fantasy“. Eine absolut typische Nummer, bei der auch Marco Hietala am Mikrofon zum Zug kommt. Der Song könnte problemlos auch auf „Once“ stehen.

Richtig ruhig wird’s ein erstes Mal bei „Our Decades in the Sun“, bei der Floor eindrucksvoll zeigt, dass sie eine ausgezeichnete Sängerin ist. Wunderschöner Song, erinnert mich vom Stil her etwas an „Eva“. Die erwähnten Einflüsse von Troy Donockley sind dafür bei „Élan“ und bei „My Walden“ (da darf er zu Beginn sogar noch ein paar Zeilen singen!) deutlich zu spüren, da steigt der Folk-Anteil recht an. Vergleich gefällig? „Last of the Wilds“ von „Dark Passion Play“…

Dann ist da der Titeltrack. Ein etwas hektischer Beginn, aber das ändert sich rasch. Ein weiterer typischer Song, keine Spielereien  – pure Konzentration auf die Dinge, die Nightwish ausmachen! Eine perfekte Fusion zwischen harten Gitarren und orchestralen Parts, dazu der wirklich tolle Gesang von Floor. Saustark!

Das pure Gegenteil davon wäre dann „The Eyes of Sharbat Gula“. Ein Instrumental, sehr ruhig, wieder mit den bekannten keltischen Einflüssen, sanfte Pianoklänge – und irgendwie der einzige Song, der etwas abfällt.

So – 55 Minuten feinster Musik sind durch, insgesamt zehn Songs sind das gewesen und wer wie gesagt keine Rückbesinnung auf alte Tarja-Tage erwartet hat, dem dürfte das bis jetzt gefallen haben. Aber es ist noch nicht das Ende! Denn jetzt folgt ein absolutes Meisterwerk – der Titel ist Programm: „The greatest Show on Earth“! Damit man weiss, woran man sich hier einlässt: dieser Song dauert 23:58! In Worten: dreiundzwanzig Minuten und achtundfünfzig Sekunden! Und ich wiederhole mich: es ist ein Meisterwerk!

Mit klassischen Pianoklängen geht’s los bis dann die Drums und das Orchester das erste Mal Akzente setzen. Wenn Nightwish diese Nummer live spielen sollten, dann sehe ich die Flammenwerfer bereits vor mir! Absolut perfekte Passagen… Floor zeigt jetzt, dass sie durchaus nicht nur die rockigen Sachen drauf hat, eine kleine Versöhnung mit den Tarja – Anhängern…? (Anm. v. pam: Ein bisschen). Nach einer kurzen Spoken Word Passage von Richard Dawkins nimmt der Song völlig unvermittelt Fahrt auf. Begleitet von den keltischen Flöten schlägt der Bombast wieder zu. Floor singt jetzt auch mal richtig böse und gemein – auch das hat sie drauf! Mittlerweile sind bereits sieben Minuten durch, keine Spur von Langeweile… Und auch hier gibt’s wieder Passagen, die live richtiggehend nach optischen Effekten schreien.

Es wird ruhiger, Tier- und Naturgeräusche sind zu hören. Ganz sanft darüber immer wieder klassische Elemente. Doch plötzlich sägen wieder die Gitarren richtig los, Marco übernimmt den Gesang, der dann im Duett mit Floor gipfelt.
Wir sind bei Minute 17, das Ende scheint nach einem dramatischen Part da zu sein.

Aber nein – es wird wieder äussert ruhig, Piano und Flöten sind zu hören, ganz dezent untermalt vom Orchester. Es folgt der zweite Spoken Word Part von Dawkins. Im Gegensatz zu „Song of myself“ von „Imaginerium“ passen diese kurzen Passagen perfekt in den Song und sind wirkliche Farbtupfer.

Mittlerweile dominiert der klassische Teil, von Metal ist im Moment nichts zu erkennen. Dawkins hat nochmals einen kurzen Part und mit weiteren Geräuschen aus der Natur klingt der Song aus.

Wenn man wirklich etwas rumstänkern möchte: wie bei „The Poet and the Pendulum“ gibt’s mitten im Song ein spektakuläres Finish. Danach folgt ein ruhiger Part, der möglicherweise etwas fehl am Platz oder gar überflüssig wirken kann. Aber schlussendlich passt das auch so, wie es ist!

Was bleibt jetzt noch zu sagen? Floor Jansen ist in der Tat ein hervorragender Ersatz für Anette Olzon, das muss ich einfach zugeben… Sie singt generell ebenfalls auf der rockigeren Schiene (was mir persönlich sehr gefällt), aber sie scheint das „opernhafte“ auch drauf zu haben. Insofern darf man vor allem gespannt sein, wie die alten Sachen dann live mit ihr tönen werden!

Die Songs gehen wieder mehr in Richtung „Dark Passion Play“ und „Once“, weg von dem Soundtrack „Imaginerium“. Für mich ebenfalls ein Pluspunkt. Einige Songs wird man sicher zwei-, dreimal hören müssen, bis sie sich entfalten. Und mit „The Greatest Show on Earth“ haben die Finnen – ich sag’s zum dritten Mal! – ein unglaubliches Meisterwerk geliefert! Neun von zehn Punkten sind das Mindeste, was man „Endless Forms Most Beautiful“ verteilen kann!

 

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Album Review Bewertung

Autor Bewertung: 9/10



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27.03.2015
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