Creeon - Piccadilly Brugg 2022
Sa, 7. Mai 2022

Creeon, Beyond Frequencies

Piccadilly (Brugg, CH)
05.06.2022
Creeon - Piccadilly Brugg 2022

Heimspiel 

In Brugg gegründet, in Brugg soll auch die Plattentaufe stattfinden. Creeon lädt zur Feier des neuen Albums «Circle Of Reality» in das Piccadilly ein. Die Band Beyond Frequencies unterstützt sie als Opener des Abends dabei, die Stimmung zum Kochen zu bringen.

Brugg vegetiert unterhalb der kulturellen Armutsgrenze vor sich hin. Einzig einige Engagierte und Vereine lassen die Stadt nicht aussterben, bloss das Piccadilly, das „Jugendkulturhaus“, wie es sich selbst betitelt, wird von der Stadt subventioniert. Ausserdem gäbe es da noch das Salzhaus, dessen Räumlichkeiten von der Stadt für Konzerte zur Verfügung gestellt werden. Im Piccadilly finden bereits seit Jahrzehnten, für Brugg bezeichnend im Keller, Konzerte statt.

Vermutlich aus dem Grund, professionell erscheinen zu wollen, ist ja schliesslich von der städtischen Jugendarbeit betrieben, begrüssen mich als ich das Pic, wie das Piccadilly kurz und knapp ebenfalls genannt wird, erreiche, zwei mässig motivierte Securities. Ein auf die Grösse der Veranstaltung bemessenes, lächerlich übertriebenes Sicherheitsaufgebot. Den ganzen Abend über werden die zwei Herren, ausgestattet mit Taschenlampe und allerlei Selbstverteidigungsgeräten, nichts zu tun haben, ausser da und dort mal einen Schwatz untereinander oder mit Besuchern zu halten. Ob die Gage der Musiker wohl höher als der Lohn des Sicherheitsdienstes ist? Man will es hoffen.

Mit solch kapitalistischen Gedanken betrete ich, nach Bezahlen des Eintrittsgeldes und somit auch Teil der Löhne der Türsteher, den Keller des Piccadillys, den man alternativ zur steilen Treppe auch über eine steile Halde hinunter rund ums Haus durch den Raucherbereich erreicht. Das Invaliden-WC ist optimal an Bedürfnisse von Rollstuhlfahrer angepasst, hat man doch eine Couch direkt so vor der WC-Tür platziert, dass sich diese nur noch einen schmalen Spalt breit öffnen lässt.

In Sache „Woke“ ist das Pic ebenfalls Spitzenreiter, in ihrem »Verhaltenskodex«, der laminiert da und dort an den Wänden oder Fensterscheiben klebt, schreiben die Betreiber, ihre Toiletten seien «Allgender», doch diese sind, gut ersichtlich, durch die allbekannten «Männlich-« und «Weiblich-« Piktogramme getrennt. Ist das schon Satire?

Was solls? Sei’s drum. Ich bin schliesslich nicht hier, um mich über Pseudo-Liberalismus zu amüsieren, sondern um mich mit guter Musik berieseln zu lassen. Also rein in die Konzert-Grotte!

Es scheinen mehr Scheinwerfer ins Publikum als auf die Bühne zu scheinen. Im Saal ist es farbig aber düster. Sitzmöglichkeiten gibt es an jeder Ecke: Eine Art Ersatzbank an der Seite und ein weiteres Sofa vor dem Mischpult, die üblichen Barhocker fehlen.

Ausgeschenkt wird nebst dunklem Bügelbier diverse, auch speziellere alkoholfreie Getränke, wie zu den „Allgender-Toiletten“ passend, „Mate“, ein Getränk, das keiner mag und nur von Leuten getrunken wird, die Coca-Cola als Akt der Kapitalismuskritik boykottieren. Um sich nicht nur von Zucker, Zusatzstoffen, Hopfen und Malz ernähren zu müssen, bereiten die Bardamen auf Nachfrage Hotdogs zu; es gäbe auch eine vegetarische Alternative, doch diese ruhen, wie mir mitgeteilt wird, ein Stockwerk höher im Tiefkühler. Fleischlose Ernährung wäre also möglich, nur blöd, dass sie noch eingefroren ist und Rollstuhlfahrer könnten auf die Toilette, nur blöd, dass ein Sofa davorsteht.

Aus den Boxen dröhnt Metalcore, Licht und Ton werden, genauso wie die Bar von «Jugendarbeit» bedient, diese macht dies ganz ordentlich. Da ertönt dann bald auch schon das Intro, künstliche Rückkopplungen, ab Band von Beyond Frequencies und erlösen mich von meinem Zynismus.

Beyond Frequencies

Ein Mix aus Metalcore und Melodic Metal, mit cleanem Gesang und Einflüssen aus dem Pop: So klingt Beyond Frequencies. Mein Fall ist es nicht. Weder gesanglich noch musikalisch mag mich hier irgendetwas überzeugen. Muss wohl Geschmacksache sein.

Zur Freude der Band, haben sich Freunde der Band, auch Fans genannt, unter das Creeon-Publikum gemischt. Dennoch bleibt die Stimmung kühl, wie der Pic-Keller, wenn er nicht gerade mit Menschen gefüllt ist. Die Sängerin Mel legt sich mächtig ins Zeug, lässt ihre Hände fliegen, Juan an der Gitarre und Dave am Bass fordern zum Mitklatschen und «Fäuste-Erheben» auf, das Echo vom Publikum fällt sehr verhalten aus.

Beyond Frequencies fegen durch die Songs, als wären es die Studio-Versionen. Die Entscheidung, Teile des Instrumentals, die Synthie-Elemente und Backing-Vocals, ab Playback parallel zu dem Live-Vorgetragenen, laufen zu lassen, nimmt nicht nur die Möglichkeit von Improvisationen, Instrumentalsolos oder anderen Spontanitäten aus der Performance, sondern lässt zumindest mich zweifeln, was denn überhaupt der Sinn dieser Live-Show ist. Nötig wäre es nicht. Im Mix geht der Backing-Track unter, man hört meist vor allem Gitarre, Bass, Schlagzeug, Gesang, also das was tatsächlich auf der Bühne dargeboten wird. Dies klingt gut und voll. Das Playback ist überflüssig.

Ein Mehrwert für diejenigen, denen das Teil-Playback nichts ausmacht, hat die Aufführung trotzdem allemal, nebst der gerade erschienenen Single «Cast A Spell», werden auch bisher unveröffentlichte Songs vom kommenden Album vorgetragen.

Die Stimmung steigt, als ein Drumsolo folgt, bei dem sich Gitarrist und Bassist, mit Trommel und Drumsticks bewaffnet, rechts und links neben dem Schlagzeug positionieren und gemeinsam mit Stefan, dem eigentlichen Drummer, ein Perkussion-Solo vortragen.

Es folgen noch einige Songs, darunter auch zwei neue, ein paar Danksagungen, der bisher grösste Hit der Band «After Dark», Foto mit dem Publikum und Beyond Frequencies verlassen auch schon wieder die Bühne.

So richtig eingeheizt für Creeon wirken die Zuschauer nicht.

Creeon

Vor zwei Jahren stieg «Circle Of Reality» gleich auf Platz 13 in die Schweizer Albumcharts ein. Seither hat man nicht mehr viel davon gehört. Grund dafür waren, wie könnte es auch anders sein, wieder einmal zwei Jahre Zwangspause. Am 30. April 2022 konnte Creeon endlich wieder als Vorgruppe der Band Dead Venus in der Met-Bar in Lenzburg, auftreten. Bereits zweimal mussten sie ihre Release-Show verschieben. Heute kann sie endlich stattfinden.

Nach Umbauen und kleinem Soundcheck läutet das Intro von «Sweet Decay» die Show ein. Die Instrumente fetzen, die Band scheint Spass zu haben, der Gesang ist kaum zu hören. Die Kommission «Jugendarbeit» dreht ein bisschen an den Reglern, nun passt der Mix schon besser.

Creeon setzt ähnliche Strategien ein, das Publikum zur aktiven Beteiligung zu motivieren wie beim vergangenen Konzert in der Met-Bar (siehe Review). Doch anders als da, scheint sich das Pic heute mehr zu zieren, «Hey Hey Hey» zu brüllen, selbst rhythmisches Klatschen scheint zu viel verlangt zu sein. Die Band lässt sich nicht beirren, rockt einfach weiter. Nach Song Nummer zwei folgt die erst Ansage. Ob es den Zuschauern gut geht, lässt sich nach der zurückhaltenden Antwort von diesen auf Björns (Gesang) Frage nur schwer sagen. Egal, das kommt sicher noch. Brugg ist schliesslich Heimspiel für Creeon, dementsprechend viele tragen Creeon-T-Shirts. Ich für meinen Teil muss mir erst noch eins besorgen.

Die Songs sitzen, die lange Bühnen-Abstinenz ist Creeon nicht anzumerken. Björn legt, anders als beim letzten Konzert, Song-spezifisch ausgewählte Effekte wie zum Beispiel einen dumpfen Klang auf seine Stimme. Einzig mit Ansagen scheint es noch zu hapern. Zwischen den Songs entstehen Pausen, in denen das Publikum unruhig wird, Handys nach vorne holt, Kollegen auf WhatsApp schreibt… Was ist hier gerade los? Creeon hat es heute, in Bezug auf Zuschauerbeteiligung wirklich nicht leicht!

Es wird dunkel auf der Bühne. Ab Band erzählt eine Sprechstimme, unterlegt von epochaler orchestraler Musik, etwas von einer Band, die während Corona ein Album veröffentlicht hat. Es folgt die Plattentaufe: Poster und CD in einem Bilderrahmen werden mit Champagner besprüht, auf dieses Poster sollen die Zuschauer nach der Show unterschreiben. Es soll anschliessend im Bandraum aufgehängt werden.

Nach diesem Unterbruch wird in der Setlist mit «Take Care» weitergefahren. Mich zieht es in die vorderen Reihen. Zumindest ich bin nun vollkommen «eingeheizt». Vor der Bühne hat es ausreichend Platz. Der für Konzerte in dieser Grösse in der Schweiz übliche «Höflichkeitsabstand» wird auch hier gewahrt. Die unverfrorensten Leute scheinen in der ersten Reihe zu stehen. Normalerweise lasse ich Mensch, Mensch sein, aber wie unhöflich ist es bitte ganz vorne zu stehen und seinem Telefon mehr Aufmerksamkeit, als dem was sich gerade vor seiner Nase auf der Bühne ereignet zu schenken? Zum Glück bin ich nicht der Einzige, der die Dreistigkeit besitzt sich vor die «Handy-Gesichter» zu stellen. Es folgen einige Headbang- und gar Pogo-Einlagen. Rein durch Zufall werden dabei auch ein paar unaufmerksame Handynutzer angerempelt. Ups.

«Heaven In Hell», ein Song der auf der Platte als Featuring mit Seraina Telli (Sängerin von Dead Venus) in Erscheinung tritt, trägt Björn alleine vor, in dem er beide Stimmen singt. Das ebenfalls von Telli gespielte Piano kommt vom Band. Es sei ihnen verziehen. Abgesehen von den Intros ist hier ansonsten alles live. Oliver liefert ein ordentliches Drumsolo ab. Nun hat auch das Pic dieselbe Stufe auf dem Stimmungsbarometer erreicht, wie letzte Woche die Met-Bar. Wie befohlen gehen Band und Publikum im folgenden Song «Were Not Done» in die Knie, um gemeinsam aufzuspringen, schaut gut aus und macht Spass. Creeon hat das Publikum wieder in der Hand. Bei «Were Not Done» will die Meute gar nicht mehr aufhören «ooohoo» zu singen, «pass auf was du dir wünschst» will man Creeon da raten, so steigt die Band dann mehr oder weniger notgedrungen nochmal in den Song ein, bis die «ooohoo» Gesänge verklingen.

Abriss dann zumindest in der sich neu gebildeten ersten Reihe bei «Monster». Derart «gemosht» auf einem Konzert in dieser Grösse habe ich bisher auch noch nie. Creeon sind wahrlich Magier. Als Zugabe folgt dann «Prometheus». Fotos mit dem Publikum machen und man verabredet sich für ein persönliches Gespräch am Merch-Stand.

Fanzit – Creeon und Beyond Frequencies

Das mich Creeon live erneut begeistern würde, war mir seit ich sie vor Dead Venus in der Met-Bar sah klar. Daher nahm ich auch an, dass dasselbe auf die, von ihnen erlesene Vorband zutrifft. Vielleicht hätte Beyond Frequencies mir auch besser gefallen, wenn dieses Playback nicht gewesen wäre. Live is Life (Nanananana) ist meine Devise. Alles andere gehört ins Fernsehen!

Die Konzertbesucher ergaben in der Masse sicherlich ein «schwieriges Publikum», doch Creeon vermochte selbst Leute wie mich, die ansonsten auch eher zu den passiven Zuschauern zählen, zum Mitklatschen, Mitspringen, Mitbrüllen, in meinem Fall gar zum Headbangen animieren.

Eine einzige Stimmungskanone! 

Setliste Beyond Frequencies

  1. Give Me A Break
  2. Died
  3. Unless You Try
  4. Cast A Spell
  5. Favorite Mistake
  6. Burning Bridges
  7. Under My Skin
  8. Back Off
  9. Good
  10. Drum Session
  11. Voodoo
  12. Dark & Stormy
  13. Not Done Yet
  14. After Dark

Setliste Creeon

  1. Sweet Decay
  2. Faded
  3. Scream My Name
  4. Shadows
  5. Gimme A Break
  6. Plattentaufe
  7. Take Care
  8. The Cliff
  9. Hope In Hell
  10. First World Problems
  11. Stay With Me
  12. Your Betrayal (Bullet For My Valentine Cover)
  13. We’re Not Done
  14. Fuck You All
  15. Monster
  16. Promotheus (Zugabe)

Wie fandet ihr das Konzert?

05.06.2022
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