Avantasia - A Paranormal Evening with the Moonflower Society (Cover Artwork)
Fr, 21. Oktober 2022

Avantasia – A Paranormal Evening with the Moonflower Society

Heavy Metal, Power Metal, Symphonic Metal
06.01.2023
Avantasia - A Paranormal Evening with the Moonflower Society (Cover Artwork)

#TeamMoonflowerSociety

Alle paar Jahre zieht Tobias Sammet los, um die mitunter Talentiertesten der trällernden Zunft hinter dem Mikrofon zu vereinen. Avantasia nennt sich die Mutter aller All-Star-Projekte, „A Paranormal Evening with the Moonflower Society“ der neunte und zugleich neueste Wurf.

Böse Zungen mögen behaupten, dass das ursprünglich als einmaliges Experiment gestartete Projekt ein klitzeklein wenig aus dem Ruder gelaufen sein könnte und Tobi aus der Nummer einfach nicht mehr rausfindet. Schaut man sich aber an, wie viele Nachahmer Herr Sammet über die Jahre hinweg gefunden hat (man denke da etwa nur an „Theater Of Sorcery“ von Avaland, bei welchem im Bandnamen indirekt Bezug auf die ursprünglichen Ideengeber genommen wird), so hat sich Avantasia unvoreingenommen besehen vollkommen zu Recht zu einem der erfolgreichsten Symphonic Power Metal-Projekt überhaupt gemausert.

Den Kern der Mannschaft bilden wie gewohnt Tobias Sammet (Gesang, Keyboards, Bass) und Sascha Paeth (Gitarren, Keyboards), welche seit einer gefühlten Ewigkeit die Geschickte dieses ambitionierten Ansinnens leiten. Genauso unangetastet bleibt nach über zwanzig Jahren auch das Grundkonzept des Ganzen, nämlich eingängigen, mitreissenden Power Metal mit schmissigen Refrains, gewaltigen Arrangements sowie grossartigen Gastvokalisten in einen Topf zu schmeissen, kräftig umzurühren (die Beschwörungsformeln bleiben dabei genau so geheim wie die Rezeptur des Appenzeller Käses) – und speziell auch bei Live-Auftritten diese geballte Macht an zu Noten manifestierter Magie auf die Zuhörerschaft loszulassen! Bei der Durchsicht der mitwirkenden Gastsänger stösst man auch dieses Mal wieder auf viele bekannte Gesichter respektive Stimmen: Jorn Lande, Bob Catley (Magnum), Ronnie Atkins (Pretty Maids), Eric Martin (Mr. Big), Geoff Tate (ex-Queensryche) sowie Michael Kiske (Helloween) waren allesamt bereits auf der einen oder anderen Ava-Scheibe vertreten und bereichern den symphonischen Reigen einmal mehr mit ihrem Kantus. Freuen darf man sich auf „der neuen Avantasia“ (Tobis (in-)offizielle Kurzform für den etwas gar überlang geratenen Album-Titel „A Paranormal Evening with the Moonflower Society“) zudem auf die beiden illustren Neuzugänge, die da wären: Floor Jansen von Nightwish und Ralf Scheepers (Primal Fear).

Fascht e Familie – plus zwei Neue

Bereits beim allein von Herrn Sammet vorgetragenen Opener „Welcome to the Shadows“ fühlt man sich als altgedienter Avantasia-Gefährte irgendwie zu Hause. Beziehungsweise sanft bei der Hand genommen und in eine Welt jenseits von Zeit und Raum entführt. Wobei dieses „sanft“ mit Vorsicht zu geniessen ist, versprühen diese creepy Synthesizer-Klänge gleich zu Beginn, die opulenten Background-Chöre sowie das Geflüstere zwischendurch doch jede Menge angespannte Geisterbahn-Aura. Ganz im Gegensatz zum Refrain, der irgendwie hoffnungsvoll und weit weniger melancholisch daherkommt. Ein gelungener Start in insgesamt 54 Minuten beste Unterhaltung! Den Auftakt zu den traditionell mit Stars besetzten Duetten macht das krachende „The Wicked Rule the Night“, welches an der oberen Kante der avantasischen Härtedecke kratzt und bei dem Newby Scheppers mit seiner stimmlichen Variabilität und Ausdruckskraft eine äusserst beeindruckende Performance hinlegt. Weiter geht es dann mit dem zweiten Neuzugang Floor Jansen im etwas an die Popgiganten der 80er Jahre erinnernden „Kill the Pain Away“, welches einen deutlich höheren Catchiness-Wert aufweist und speziell dank des fast schon fröhlich klingenden, intensiven Refrains zu punkten vermag.

Die ersten paar Noten von „The Inmost Light“ könnten eins zu eins vom anno 1991 auf „Pink Bubbles Go Ape“ veröffentlichten „The Chance“ stammen. Tobi schreit sich hierbei die Lunge aus dem Leib, um mit der geballten Stimmeskraft des meines Erachtens besten Kürbis-Fronters mithalten zu können. Auch der Refrain klingt enorm nach den guten alten Tagen, als die Leute beim Begriff Helloween noch zuerst an geilen Metal aus norddeutschen Gefilden – und nicht an Süsses oder Saures plärrende Kinder – dachten. Eine formidable Leistung des unverwüstlichen Michi Kiske. Schwenk zurück auf Frau Jansen, welche ja mit Sabaton-Schiessbudenbetreiber Hannes van Dahl verheiratet ist (was der gute Hannes seiner Angebeteten beim ersten Kennenlernen nicht gesagt hat, lest ihr übrigens hier). Hatte Tobias der Nightwish-Sopranistin beim ersten Beitrag noch eine catchy Uptemponummer kredenzt, so wagt man sich bei Co-Work Numero zwei nun an eine echte, beinahe schon überlebensgrosse Power-Ballade heran. „Misplaced among the Angels“ ist dabei ein Lied, das eher dezent beginnt, sich dann mit dem Einsetzen von Floors Stimme aber urplötzlich in härtere Sphären hochschraubt. Das Zusammentreffen dieser beiden Stimmen bildet für mich denn auch eines der absoluten Highlights dieses Albums!

Viel Mondschein im Tal der Nachtschattengewächse

Für den stämmigen Rocker „I Tame the Storm“ wird das Mikro an Stammgast Jorn Lande weitergereicht (der sein Stimmorgan nun bereits zum sechsten Mal in die Dienste von Avantasia stellt). Nicht unbedingt mein Favorit auf diesem Longplayer, was aber weniger mit Landes Leistung zu tun hat. Das Teil ist mir im Vergleich zu anderen Tracks einfach ein wenig zu unausgegoren, „normal“, wenn man so will. Dank des eingängigen Refrains, des guten Gitarrensolos sowie der soliden gesanglichen Leistung aber dennoch hörenswert. Das von Ronnie Atkins  vorgetragene „Paper Plane“ ist dann eines dieser Love me or hate me – Dinger, an dem sich ziemlich sicher die Geister scheiden werden. Sehr poppig und irgendwie schlicht, aber auch emotional und stimmig. Und ein Titel, der wie guter Wein in den Gehörgängen erst etwas reifen muss, um sein volles Bouquet zu entfalten. Mit dem energiegeladenen, rhythmischen Titeltrack „The Moonflower Society“, folgt ein weiterer absoluter Glanzpunkt dieser Scheibe, der vom ersten Takt weg voll nach vorne losstampft und einen Bob Catley in absoluter Höchstform präsentiert. Der dazugehörige Videoclip ist zudem ein künstlerischer Augenschmaus!

Auch wenn es auf der neuen Avantasia im Grunde genommen keine schlechten Nummern gibt, so fällt das nachfolgende „Rhyme and Reason“ trotz des bemerkenswerten Mittuns von Eric Martin in Korrelation zum sonst mehrheitlich brillierenden Rest doch etwas ab. Ähnlich wie bereits „I Tame the Storm“ zuvor fehlt es mir hier ein wenig am Drive, an der Originalität, welche dem Gros der aktuellen Lieder inne ist. Beim düsteren, stimmungsvollen Rocker „Scars“ zeigt Queensryche – Legende Geoff Tate einmal mehr, wieso er wohl genreübergreifend zu den Besten seines Schlages gehört. Und dass Tobias Sammet die Klasse des vier Oktaven umspannenden Baritons bei Avantasia um Längen besser herauszuarbeiten weiss, als dies zum Beispiel bei Sweet Oblivion der Fall ist, spricht irgendwie Bände! Ein Song, der mich zu Beginn nicht wirklich zu berühren vermochte, in der Zwischenzeit aber deutlich an Boden gewonnen hat! Nicht ganz so super-duper warm werde ich dafür mit dem abschliessenden, mit einer Spieldauer von zehn Minuten wohl in die Epic-Ecke einzuordnenden „Arabesque“. Zwar enthält der Track so einige Elemente, die mich eigentlich bezirzen müssten: Verspielte Tempiwechsel, Dudelsackgedudle, orientalische Anspielungen… und doch vermag mich das Teil nicht so wirklich in seinen Bann zu ziehen. Definitiv kein schlechtes Lied, versteht mich da nicht falsch. Allein schon das herausragende stimmliche Triumvirat von Lande, Kiske und Sammet wären in der Regel eine Ehrenmeldung wert. Nur ist’s für mich halt irgendwie zu langatmig und – naja, auch – schleppend im Vergleich zu den pfiffigeren Stücken zuvor.

Neues aus Mysteryhausen

Lassen wir zum Abschluss noch Herrn Sammet himself kurz zu Worte kommen: „Von den ersten Songideen, die ich bereits in den Jahren 2018 und 2019 hatte, bis hin zur Produktion, der Orchestrierung, den Keyboards, Arrangements und Details war ich in sämtliche Arbeitsschritte so tief eingebunden, dass das Album extrem persönlich wurde. Es ist in allen Belangen verdammt nah an meiner ursprünglichen künstlerischen Vision, auch weil ich einfach sehr viel Zeit in den letzten zweieinhalb Jahren hatte. Es gab ja sonst kaum etwas zu tun. Das Leben wurde entschleunigt, und mein Mysteryhausen-Studio wurde von immer grösserer Bedeutung, denn es diente mir als Eingang in eine andere Welt, voller Musik, Inspiration und Begegnungen mit meinen Musen, die mir dabei halfen, einen klaren Kopf und die Hoffnung zu bewahren. Ich bin sehr stolz auf das Album, da sind einige meiner besten Songs drauf, einige meiner emotionalsten und extremsten Gesangs-Performances, und einige der besten Gast-Beiträge überhaupt. Ich könnte mit dem Resultat wirklich nicht glücklicher sein. Und wenn Ihr es hört, werdet Ihr wissen, warum!“

Das elf Tracks umspannende Wert mit dem episch langen Namen ist in diversen Varianten, Formen und Farben erhältlich, wovon einige streng limitiert sind. Das wundervolle Artwork, welches sich ja auch in den Videoclips widerspiegelt, wurde übrigens vom schwedischen Illustrator Alexander Jansson entworfen.

Das Fanzit Avantasia – A Paranormal Evening with the Moonflower Society

Summa summarum bietet „A Paranormal Evening with the Moonflower Society“ ziemlich viel im Überfluss von alle dem, was man an Avantasia zu lieben und schätzen gelernt hat: Schmissige, eingängige und doch ab und an überraschende Songs, viel Pathos, tolle Stimmen sowie merklich sehr viel Liebe zum Detail. Überhaupt ist es immer wieder höchst beeindruckend, wie vortrefflich Sammet die Stärken der einzelnen Gastsänger herauszuarbeiten weiss. Für mich eines der besten – wenn nicht gar: das beste – Avantasia-Album bisher.

Wer gut gemachtem Power- respektive Symphonic Metal nicht vollends abgeneigt ist, sollte unbedingt ein Ohr (oder besser zwei) riskieren!

Anspieltipps: The Wicked Rule the Night , Misplaced among the Angels, Paper Plane, The Moonflower Society

Reinhören und portofrei Digibook, Artbook oder Vinyl bestellen

Trackliste Avantasia – A Paranormal Evening with the Moonflower Society

  1. Welcome to the Shadows
  2. The Wicked Rule the Night (feat. Ralf Scheepers)
  3. Kill the Pain Away (feat. Floor Jansen)
  4. The Inmost Light (feat. Michael Kiske)
  5. Misplaced among the Angels (feat. Floor Jansen)
  6. I Tame the Storm (feat. Jorn Lande)
  7. Paper Plane (feat. Ronnie Atkins)
  8. The Moonflower Society (feat. Bob Catley)
  9. Rhyme and Reason (feat. Eric Martin)
  10. Scars (feat. Geoff Tate)
  11. Arabesque (feat. Jorn Lande & Michael Kiske)

Line Up – Avantasia

  • Gesang – Tobias Sammet
  • Gitarre – Sascha Paeth
  • Gitarre – Oliver Hartmann
  • Keys – Michael Rodenberg
  • Schlagzeug – Felix Bohnke

Gäste:

  • Floor Jansen
  • Michael Kiske
  • Jorn Lande
  • Ralph Scheepers
  • Ronnie Atkins
  • Bob Catley
  • Eric Martin
  • Geoff Tate

Video Avantasia – The Inmost Light (feat. Michael Kiske)


Album Review Bewertung

Autor Bewertung: 9/10



Wie bewertet ihr dieses Album?

06.01.2023
Weitere Beiträge von

Avantasia