Metalinside.ch - Halestorm - Interview Arejay Hale und Josh Smith - Greenfield Festival 2023 - Foto Sandro
Sa, 10. Juni 2023

Halestorm – Interview mit Arejay Hale und Josh Smith

Flugplatz Interlaken (Interlaken, CH)
28.06.2023
Metalinside.ch - Halestorm - Interview Arejay Hale und Josh Smith - Greenfield Festival 2023 - Foto Sandro

Halestorms köstliche Klangküche

Halestorm sind „Back From The Dead“ – und am finalen Tag des diesjährigen Greenfield-Festivals zudem live auf der Jungfrau-Stage zu bewundern. Wir nutzten die sich bietende Gelegenheit und unterhielten uns mit Arejay Hale (Drums) sowie Josh Smith (Bass) über Balladen, Stolz sowie ideale Koch-Zutaten.

Die amerikanische Rockband wurde 1997 von den Geschwistern Lzzy und Arejay Hale gegründet. War anfangs noch Vater Roger am Bass mit von der Partie, erweist sich die mit Joe Hottinger (Gitarre) und Joe Smith zum Quartett erweiterte Besetzung seit 2004 als erstaunlich stabil. Als ich die Garderobe im Backstagebereich des Greenfield Festivals betrete, die auch für Interviews genutzt wird, erwarten mich zwei bestens gelaunte Musiker. Und warum auch nicht, steht doch ein Auftritt in der wunderschönen Umgebung des Berner Oberlandes bevor, der ihresgleichen sucht.

Doch bevor wir mit unserem auf eine Viertelstunde angesetzten Gespräch beginnen, führen die beiden Herren erst mal irgendwelche Kung-Fu-artigen Bewegungen aus, begleitet von passenden Schreien… Arejay grinst mich breit an und sagt lapidar: „Das ist meine Art, mich aufzuwärmen“. Ja, wenn das so ist…

MI: Zuallererst ganz herzlichen Dank, dass ihr euch die Zeit für dieses Interview nehmt! Wenn man sich das aktuelles Cover Artwork von „Back From The Dead“ anschaut … [ich lege das Booklet auf den Tisch]

Arejey: Gefällt mir! [Nimmt es in die Hand, zögert, grinst mich an]. Aber es ist deines, ich weiss.

MI: Warum überrascht mich das nicht besonders [lacht]? Na ja, dieses schreiende Gesicht und die dominierenden Farben Schwarz und Rot… Ich nehme an, das alles spiegelt irgendwie eure Stimmung während der Pandemie wider. Wie geht es euch jetzt und wie hat Corona euer Leben verändert?

Josh: Als wir ins Studio gegangen sind, dachten wir sehr intensiv darüber nach, was für eine Art von Album wir erschaffen möchten. Wir hatten so viele Songideen. Unserer Meinung zufolge standen wir vor folgender Wahl: Entweder wir sprechen über diese schwierige Zeit, die wir alle durchmachen mussten. Oder aber wir schauen respektive rocken einfach nach vorn los und hauen eine heavy Scheibe raus. Im Mittelpunkt stand aber immer der Gedanke, gemeinsam Spass zu haben. Und der wird heute hier am Greenfield ganz sicher nicht zu kurz kommen!

Und ja, Corona war natürlich ein Thema für uns, aber im Mittelpunkt stand das Gefühl, endlich wieder all das tun zu können, was wir in dieser Zeit so schmerzlich vermisst hatten! Wieder auf der Bühne zu stehen. Und so ist das Album ziemlich heavy geworden – wahrscheinlich die härteste Platte, die wir bisher gemacht haben. „Back From The Dead“ spiegelt unsere Freude darüber wider, dass all das [zeigt in die Runde] wieder möglich ist.

Arejay: Aber es hatte auch etwas Therapeutisches, ins Studio zu gehen und die Lautstärke voll aufzudrehen. Wir haben einfach losgelegt und eine richtig aggressive Platte gemacht. Das war unsere Art, den ganzen Frust loszuwerden, der sich angestaut hatte, während wir zu Hause herumsitzen mussten. Es fühlte sich einfach gut an [lacht].

MI: Konntet ihr die Zeit auch nutzen, um zurückzublicken und euch bewusst zu machen, was ihr alles erreicht habt?

Arejay: Ou, spannend! Ja, ich denke schon.

Josh: Es war regelrecht beängstigend, dass all das, was wir uns in den vergangenen Jahren erarbeitet haben, einfach so verschwinden könnte. Daher sehen wir es auch keinesfalls als selbstverständlich an, wieder hier sein zu dürfen.

Arejay: Definitiv!

MI: Anders gefragt: Worauf seid ihr bei Halestorm am meisten stolz?

Arejay: Oh Mann, das ist eine schwierige Frage! Ich glaube, am meisten stolz bin ich darauf, dass wir uns von Anfang an glücklicherweise für ein langsames und gleichmässiges Tempo entschieden haben. Meine Schwester und ich sind beide sehr jung ins Musikbusiness eingestiegen und hatten das grosse Glück, dass unsere Eltern uns uneingeschränkt unterstützten. Bei Josh und Joe war das genauso, auch ihre Eltern haben sie in ihrem Bestreben sehr stark gefördert. Das gab uns die Möglichkeit, uns menschlich weiterzuentwickeln, bevor wir richtig loslegten und versuchten, die Band zu promoten. Qualität vor Quantität, wenn man so will. Wir hatten nie das Bedürfnis, alles auf einmal zu erreichen. Schritt für Schritt lautet unsere Devise. Einen Fan nach dem anderen gewinnen und die Sache stetig wachsen lassen.

Und ich denke, das ist auch ein wichtiger Grund, warum wir noch immer hier sind, es Halestorm schon so lange gibt. Wir haben nie versucht, Abkürzungen zu nehmen oder Stufen auf der Karriereleiter zu überspringen. Unser Ziel war es stets, eine gute Show abzuliefern und die Zuschauer als lebenslange Fans nach Hause zu entlassen. Und ich denke, das hat uns über die Jahre eine unglaubliche Fanbase auf der ganzen Welt eingebracht. Es gibt so vieles, wofür wir extrem dankbar sind.

Josh: Da kann ich Arejay nur zustimmen! Wir vier sind das ganze Abenteuer wie eine Familie angegangen, wie eine verschworene Einheit. Ich bin als Letzter zur Gruppe gestossen, und das ist unglaubliche zwanzig Jahre her …

Arejay: Und wir sind immer noch hier…

Josh: Allein der Gedanke, dass ich schon mein halbes Leben in dieser Band spiele, ist einfach verrückt. Und dass wir das tun, was wir von ganzem Herzen lieben – und sogar davon leben – ist schlicht unglaublich befriedigend.

Arejay: Ich kenne nicht viele Bands, bei denen noch immer vier, oder fünf, oder drei [zeichnet die Anzahl mit den Fingern nach] – oder wie viele auch immer [lacht] – aus der Originalbesetzung mit dabei sind. Ich glaube, dass wir im Vergleich zu vielen anderen Gruppen eine ziemlich seltene Spezies sind. Wir können uns wirklich glücklich schätzen, dass wir uns alle so gut verstehen. Wir sind alle gerne zusammen und das ist toll.

MI: Wie ihr bereits erwähnt habt, ist „Back From The Dead“ ein ziemlich aggressiv klingendes Album geworden. Gleichzeitig habt ihr mit „Terrible Things“ und „Raise Your Horns“ zwei fantastische Balladen darauf verewigt [beide strahlen und bedanken sich]. Wie wichtig sind solche gefühlvollen Stücke für euch als Band?

Arejay: Das ist natürlich ein Teil unseres Sounds. Irgendwie ist es so, dass … Ich möchte es wie folgt formulieren: Ich glaube, es liegt daran, dass wir alle eine sehr grosse Liebe oder Wertschätzung für viele verschiedene Musikrichtungen empfinden. Wenn man Lieder schreibt, kanalisiert man einfach Dinge, die einen begeistern. Und wenn man gerade in der Stimmung ist, einen heavy Song zu schreiben, so spiegelt sich das auch im Ergebnis wider. Dann sprudelt es nur so aus dir heraus. Umgekehrt, wenn dir nach etwas Intimerem, Tiefgründigerem oder Bedeutungsvollerem zumute ist, wird genau dies das Ergebnis deiner Bemühungen sein.

Das ist etwas, was ich persönlich immer deutlicher spüre, gerade jetzt, wenn wir auf Rockfestivals auftreten. Ich sehe so viel Vielfalt im Line-up, das für einen oder mehrere Tage hinweg zusammenfindet. Und ich bin überzeugt, dass das auch daran liegt, dass die Leute offen sind für verschiedene Stile und Genres. Ich denke, unser Publikum schätzt diese Fülle an Eindrücken, der sich ja in gewisser Weise dann auch in unserem Soundkatalog widerspiegelt. Sie mögen, was gespielt wird, und das ist gut so.

Josh: Wir lieben es einfach, ganz besondere Momente zu schaffen, sowohl auf unseren Alben als auch live. Natürlich könnten wir unserem Publikum einen harten Song nach dem anderen um die Ohren hauen, ihnen eine richtige Breitseite verpassen, aber…

Arejay: … Aber wir möchten ihnen mit einer Ballade auch die Gelegenheit geben, einfach mal durchzuatmen.

Josh: Exakt. Und alles erst mal sacken zu lassen. Gerade unsere Balladen haben oftmals eine ganz spezielle Bedeutung, nicht zuletzt auch für die Fans. Diese Momente, in denen Lzzy sich anhört, als würde sie in diesem Augenblick einzig zu dir sprechen. Und genau diese Momente sind für uns enorm speziell.

MI: Wie erlebt ihr Festivals im Vergleich zu den üblichen Clubshows – und was macht euch mehr Spass [Gelächter]?

Josh: Beides ist auf seine Art sehr speziell. Aber es wäre wohl etwas vermessen, jetzt nach dem Download-Festival, wo wir vor vielleicht 90’000 Leuten gespielt haben, zu sagen, hey, wir machen lieber Clubshows. Auf der anderen Seite haben diese auch ihre ganz besondere Atmosphäre. Beide sind auf ihre Weise einzigartig und können nicht wirklich miteinander verglichen werden.

Festivals machen vielleicht etwas mehr Spass, weil sie, … Scheisse, weil es eben Festivals sind [beide lachen herzhaft und Arejay scheint sehr interessiert daran, wie Josh sie da herauswinden will]. Und auch, weil hier andere Bands sind, mit denen wir schon zusammen gespielt haben. Die wir schon lange kennen, aber eben nur selten zu Gesicht bekommen. Ein solches Festival ist also auch immer eine Art Wiedersehen.

Arejay: Das ist wirklich eine schöne Sache [nickt].

MI: Um noch einmal auf euren ganz speziellen Sound zurückzukommen: Welche Zutaten braucht es eurer Meinung nach für den perfekten Halestorm-Song?

Arejay: Hahh! Welche Zutaten werden benötigt … Auf jeden Fall Gewürze [lacht]!

MI: Die da wären?

Arejay: Dieses arrrrghhh [lacht]. Diesen roten, süss-scharfen Pfeffer! Aber dann benötigt man manchmal auch einen Weichmacher, ein wenig Vanilleextrakt, um alle wieder etwas zu beruhigen und allen zu signalisieren, dass wir jetzt über etwas reden wollen, was uns wichtig ist, uns am Herzen liegt. Nur um ihnen fünf Minuten später mit dem Wallholz eins überzuziehen [lacht herzhaft]. Sie mit ein paar scharfen Messern zu tranchieren [spätestens jetzt kommt der Hobbykoch zum Vorschein].

Josh: Nur um das Ganze dann mit einem Schuss Whiskey abzulöschen [schallendes Gelächter].

Arejay: Es ist so ähnlich wie das, worüber wir vorhin gesprochen haben. Die Vielfalt der Klänge, die unsere Musik ausmacht, kommt von der Diversität der Dinge, die uns inspirieren.

MI: Zutaten, die das Herz rocken! Wenn ich euch so zuhöre, kocht ihr wohl ziemlich gerne?

Arejay [blickt zu Josh und nickt]: Absolut, ja. Josh ist da wirklich gut!

[Die Tourmanagerin steckt den Kopf zur Tür herein und zeigt unmissverständlich an: Noch zwei Minuten.]

Josh: Ich war’s vielleicht mal …

MI: Wenn ihr zurückblickt: Inwiefern unterscheidet sich euer Leben als Rockstar von dem Traum, den ihr damals als Kind davon hattet?

Arejay: Vielen Dank, das ist ein schöner Titel [in Anlehnung an „Rockstar“; lacht]. Sehr nett von dir. Aber ich denke, dass wir in all den Jahren vieler Erfahrungen sammeln durften und das Ganze nun anders sehen als früher, anders angehen. Und im Vergleich zu damals, als es noch unser Hobby oder eine lustige Sache war, die wir nach der Schule gemacht haben, ist es jetzt unser Beruf, unsere Karriere. Wir nehmen es gleichsam ernster. Aber das Wichtigste bei all dem ist meiner Meinung nach, dass man diesen Hunger, den man als junger Mensch so intensiv verspürt hat, nicht verliert. Man darf sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen, faul werden und anfangen, die Shows einfach so abzuspulen. Wir wollen jedes Konzert so angehen, als wäre es unser erstes – oder auch letztes!

Wir sind sicher alle froh, dass wir an Erfahrung gewonnen haben, dass unser musikalisches Vokabular gereift ist. Aber wir haben nie diese jugendliche Spontaneität verloren, diese Leidenschaft, stets noch besser werden zu wollen. Ich denke, sobald man glaubt, schon alles zu wissen, wird es gefährlich. Denn auch – oder gerade – als Künstler lernt man nie aus! Und da spreche ich wohl auch für Josh [dieser nickt eifrig].

MI: Zum Abschluss: Gibt es etwas, was die Leute nicht von euch erwarten würden?

Arejay: Nun, ich liebe Düfte, die ganze Kunst der Parfümerie. Ich bin da ein richtiger Nerd. Und ich denke, die Pandemie hat mir etwas Zeit gegeben, mich um andere Leidenschaften und Hobbys zu kümmern. Das ist etwas, das sich auch nach der Rückkehr zur Normalität auf mein normales Leben auswirken dürfte. Josh, wie ist das bei dir?

Josh: Ich liebe Wein [Arejay deutet auf Josh: Er ist ein echter Weinkenner], arbeite auch sehr gerne im Garten, wenn ich zu Hause bin. Meine Frau und ich haben da so ein Projekt am Laufen. Ausserdem mag ich Motorsport, Racing …

MI: Arejay, Josh, ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch!

Josh [schaut auf seine Uhr]: Sehr gutes Timing!

Arejay [nickt]: Das waren genau zwei Minuten! Vielen Dank, dass du dich so gut daran gehalten hast! Denn unser Zeitplan ist sehr eng.

MI: Was in der Schweiz wohl nicht wirklich verwundern dürfte [Gelächter]. Nochmals vielen Dank! Ich freue mich schon jetzt auf euer Gastspiel am 27. November 2023 im Komplex 457 (Zürich).

28.06.2023
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