Metalinside.ch - Morgarten Fest 2023 - Foto Raphi
Sa, 2. September 2023

Morgarten Fest 2023 – Vanaheim, Morgarten u.a.

Frachtschiff (Neuenburgersee, CH)
18.09.2023
Metalinside.ch - Morgarten Fest 2023 - Foto Raphi

Ein Schiff wird kommen

Das Morgarten Fest ruft uns auf den Neuenburgersee. Mit Feierlichkeiten anlässlich der Schlacht von 1315 hat der Anlass allerdings nichts zu tun. Vielmehr ist es ein klitzekleines Metalfestival mit drei Bands pro Abend, das von der namensgebenden Band organisiert wird.

Doch alles der Reihe nach: die Viking Metaller Morgarten führen dieses Fest bereits zum dritten Mal durch. Dazu haben sie ein umgebautes Frachtschiff gemietet, das auf dem Neuenburgersee unterwegs ist und Platz für etwa 150 Gäste bietet. Dieses Jahr ist neu, dass an zwei Abenden Konzerte stattfinden, von denen Metalinside am Samstag vor Ort war. Wer den Besuch der beiden mit einer Übernachtung verbinden möchte, kann dies auf dem Campingplatz tun, der in unmittelbarer Nähe der Anlegestelle liegt. Die Website des Morgarten Fests wartet zudem auch noch mit Tipps auf für Verpflegungsmöglichkeiten oder Ausflüge tagsüber, von denen einige über die offiziellen Musikvideos eine Verbindung zur Band besitzen. Bereits im Vorfeld wird also klar, dass wir es hier mit einem liebevoll handgemachten Anlass zu tun haben.

Dieser Eindruck zieht sich weiter, als wir in Grandson auf der Corsair einschiffen, wie unsere schwimmende Konzertlocation heisst. Joël, seines Zeichens Schlagzeuger von Morgarten steht persönlich an der Reling, um die Tickets abzuscannen und die Gäste auf dem Schiff zu begrüssen. Der Einlass für akkreditierte Pressevertreter gestaltet sich dabei so unkompliziert, wie ich das noch an keinem anderen Ort erlebt habe und schwupps; schon sind alle an Bord. Das Morgarten Fest kann beginnen.

Morgarten Fest – Tag 2 – 2. September 2023

The Old Salt Company

Am Bug treffe ich meine Metalmitinsider Larissa und Domi the Stick samt Familie, als direkt neben uns eine Piratentruppe beginnt, Shantys in die Runde zu schmettern. Dabei handelt es sich um The Old Salt Company. Die Gruppe besteht ungefähr aus sieben Personen – ganz genau lässt sich nicht sagen, wer denn hier nun alles dazu gehört und wer einfach so ein Piratenkostüm angezogen hat – und ist keine Vorband im eigentlichen Sinne, sondern kümmert sich vielmehr um das musikalische Rahmenprogramm. Nachdem sie einige Lieder gesungen hat, zieht sich Band kurz zurück, um anschliessend mit Instrumenten ausgerüstet ein kurzes Set mit Folksongs jeglicher Couleur zu spielen am Eingang zum überdeckten Teil des Schiffes. Die unbeschwerten Folksongs untermalen die Fahrt auf dem See in einen traumhaften Sonnenuntergang. Mit ihrer unbeschwerten Art lockern The Old Salt Company dabei die Stimmung auf und sorgen bereiten eine gute Ausgangslage vor für die kommenden Auftritte.

Bis es mit Morgarten weitergeht, bleibt noch Zeit um sich mit Getränken einzudecken und das Verpflegungsangebot zu testen. Zu sehr fairen Preisen gibt es beispielsweise verschiedene Varianten von handgemachten frisch zubereiteten Croque Monsieur als ideale Stärkung vor dem musikalischen Sturm.

Morgarten

Dann ist es schliesslich soweit und das Intro von Morgartens neustem Album ertönt. Einer nach dem anderen betreten die fünf Lokalmatadoren die Bühne, was lautstarke Beifallsbekundungen bei den anwesenden Gästen auslöst. Kaum sind die letzten Klänge vom Band verklungen, greifen die beiden Gitarristen in die Saiten und los gehts mit „To Victory“. Die Fans lassen sich nicht lange bitten, schon wirbeln die ersten Haare durch die Gegend. Es liegt etwas in der Luft, so als ahnten alle Anwesenden bereits, dass heute ein gelungener Abend werden würde. Das liegt neben den besonderen Umständen sicher auch daran, dass Morgarten quasi vor einem Heimpublikum auftreten können. Hymnen wie „Oath of Allegiance“ oder „The last Breath“ treffen daher auf musikhungrige Metalheads und lösen rasch viel Bewegung aus.

Die gelöst wirkende Band agiert dabei als Orchester und Dirigent gleichermassen, während die beteiligten Protagonisten vor (Spiel-) Freude sprühen. Als Morgarten schliesslich eine Wall of Death anzetteln, tun sie dies nicht einfach von der Bühne aus mit einigen Handbewegungen. Nein, Ilann und Pierric schreiten die geteilten Reihen mit ihren Gitarren ab, während Bassist Cédric die bereitstehende Menge zu Kampfesrufen animiert – was er übrigens den ganzen Auftritt hindurch immer wieder tut. Die Spannung baut sich in diesen Momenten dermassen auf, dass einige Topmotivierte trotz Pierrics „wait“ viel zu früh losstürmen, um die Fronten zu schliessen. Aber das spielt gar keine Rolle, die Stimmung ist schlicht hervorragend. Metalmitinsider Domi meint sogar einige von der Decke fallende Schweisstropfen beobachtet zu haben.

Deshalb ist es für alle vor der Bühne natürlich viel zu früh, als Pierric den letzten Song ankündigt, darauf hinweist, dass das Schiff, auf dem wir uns befinden übrigens auch für Anlässe wie Geburtstage oder Hochzeiten gebucht werden kann, und Morgarten gleich als musikalische Untermalung für diese Gelegenheiten empfiehlt. Damit hat er die Lacher natürlich auf seiner Seite. Nach dem Abschluss mit „Tales of my Lands“, bei dem das Publikum nochmals voll aufdreht, zeigt ein Blick auf die Uhr, dass es tatsächlich nur 40 Minuten her ist, seit das Intro angeklungen ist. Doch so einfach kommt das Quintett nicht davon. Nachdem lautstark und vehement eine Zugabe gefordert wird, zeigt sich, dass die Band alles gespielt hat, was sie eingeübt hat. Flugs macht sie aus der Not eine Tugend und haut ein zweites Mal am heutigen Tag „To Victory“ raus. Da schleicht sich zwar noch der ein oder andere Fehler ein, aber der Jubel ist Morgarten mit diesem intensiven Auftritt sowieso sicher und verdient haben sie ihn.

Vanaheim

Nachdem der Schweiss etwas eingetrocknet ist, The Old Salt Company uns nochmals mit Folksongs unterhalten haben, der Innenraum durchgelüftet wurde und die Bühne in efeu- und laternenbestücktem Glanz erstrahlt, ist das Schiff des Morgarten Fests bereit für Vanaheim. Die niederländischen Aufsteiger treten heute das erste Mal in der Schweiz auf. Auf den Sold Out-Status des heutigen Abends dürfen sie also definitiv stolz sein. Der Unterschied zu ihrem Auftritt am Dark Troll Festival letzten Frühling (über den ihr hier alles nachlesen könnt) wird augenfällig, kaum wirbeln Vanaheim zu „Uit Steen Geslagen“ über die Bühne: das Preisschild an Sänger Zino van Leerdams Laterne ist weg.

Und Gitarrist Michael van Eck fehlt. Entweder versteckt er sich noch hinter der Bühne oder die Band ist für einmal tatsächlich nur zu viert unterwegs. Gefangene machen die anwesenden Vanaheimer trotzdem nicht, sondern treiben das Publikum von Beginn weg unermüdlich an. Frontmann Zino geht unerschrocken auf Tuchfühlung mit den vorderen Reihen und fordert regelmässig Circle Pits. Die Metalheads vor der Bühne lassen sich gerne darauf ein; wer nicht den Kopf wild kreisen lässt, mischt sich unter das fröhlich umherspringende Volk im Pit. Mit einem derart geglückten Einstieg haben es Vanaheim natürlich leicht, die Fans auf ihre Seite zu ziehen, zumal ihre Musik von konstanter Qualität ist und noch weitere Highlights erwartet werden dürfen. Das bezieht sich nicht nur auf das Debutalbum Een verloren verhaal, von dem der Opener des Sets stammt sondern auch auf die EP The House Spirit, die heute Abend mit „Daughter of the Dawn“ und „The Dwarven Chant“ zum Zuge kommt. Letzteres ist mit seinen Helalalai-Chören natürlich die perfekte Mitsingnummer, bei der dutzende Stimmen über das Wasser um uns herum schallen.

Wir sind uns einig; wenn Vanaheim so weitermachen, werden wir die Band nicht mehr lange in einem derart intimen Rahmen erleben können, wie es hier am Morgarten Fest der Fall ist. Dass die Songs so gut zur Geltung kommen, ist auch auf die (bereits den ganzen Abend über) tadellose Abmischung zurückzuführen. Einzig die fehlende Livegitarre trübt natürlich das Erlebnis. Der Gitarrist fehlt übrigens infolge persönlicher Umstände, wie uns die Band mittlerweile mitgeteilt hat. Dass sie sich von den Umständen nicht aufhalten lässt, ist ihr hoch anzurechnen, dennoch bleibt der Wermutstropfen, dass da gerade schon arg viel vom Band kommt. Doch dank der Spielfreude und Energie von Vanaheim kommen Hits wie „Reuzenspraak“ und „Gevallen in de Nacht“ trotzdem so gut an, dass das Publikum auch nach dem Outro noch begeistert nach einer Zugabe verlangt. Wie bereits bei Morgarten, erfordert das von Vanaheim etwas Improvisation. Geplant haben sie nämlich keine, aber um den Forderungen aus dem Zuschauerraum nachzukommen, entscheiden sich die Niederländer nach kurzer Besprechung dazu, es mit „Domovoi“ zu probieren. Das klappt, kommt gut an und beschliesst damit ein schweisstreibendes, fröhliches Morgarten Fest.

Das Fanzit – Morgarten Fest – Tag 2

Das Morgarten Fest besticht auf der ganzen Linie was den heutigen Samstag betrifft. Nebst der stimmungsvollen Location im holzverkleideten Schiff sind es vor allem die charmante Bodenständigkeit und die musikalischen Höhenflüge, welche den Anlass auszeichnen. Vanaheim haben gezeigt, dass sie es auch mit einem grossen Konservenanteil schaffen, das Publikum mitzureissen. Die Band punktet mit Energie, Spielfreude und abwechslungsreichen Songs. Ihr Auftritt hat auf der anderen Seite herausgehoben, was für ein grosser Pluspunkt es in einer Zeit ist, in der orchestrale Elemente häufig vom Band eingespielt werden, dass Morgarten mit Maël auch bei Konzerten einen Keyboarder in ihren Reihen haben. Das Quintett war aber vor allem deshalb der Star des Abends, weil es einen klasse Auftritt randgefüllt mit guter Laune gespielt hat.


Wie fandet ihr das Festival?

18.09.2023
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