Metalinside.ch - Comaniac - KIFF Aarau 2023 - Foto Fredy
Fr, 20. Oktober 2023

Comaniac, Teutonic Slaughter, Uncaved, No Mute

KiFF (Aarau, CH)
/ 22.11.2023

Vier Bands und zwei Plattentaufen

Comaniac lädt zur Weihung ihrer jüngsten Ausgeburt aus dem Studio. Am Tauf Altar haben sich zudem die Bands Teutonic Slaughter, Uncaved und No Mute versammelt. Es sieht alles danach aus, als würde das ein Event werden, bei dem man später darüber froh ist, dabei gewesen zu sein. 

Die Tage werden kürzer, kälter und das Wetter präsentiert sich von seiner unfreundlichsten Seite: Es ist nass und eine unangenehme Biese gräbt sich tief bis in die Glieder vor. Umso wohler fühlt sich da der Konzertbesucher in seinem kuscheligen, schlecht belüfteten Konzertsaal – der Zeitpunkt, um ein junges Album der Metalgemeinde zu präsentieren, hätte nicht besser gewählt werden können.  Und um sicherzustellen, dass auch der Rest des Events reibungslos vonstattengeht, hat man es nach Schweizer Präzision bis in das letzte Detail durchgeplant. Sicherlich kein leichtes Unterfangen bedenkt man, dass nebst dem, was sonst noch an mehr oder weniger für eine Liveshow verbindlichen Aufgaben anfällt, Comaniac den ganzen Abend geplant, organisiert, strukturiert hat, das «Booking» für die Supportbands stemmt und zusätzlich ganz nebenbei, mit wenig Unterstützung, den Verkauf ihres Merchs übernimmt. Da stellt sich doch die Frage, wer in der Schweizer Musiklandschaft sich wirklich «Büezer Buebe» nennen darf.

Teutonic Slaughter

Nach dem Abschluss des ersten Sets des mysteriösen DJ Spotify, wie ihn die Running Order nennt, positioniert sich die erste Supportband: Teutonic Slaughter aus dem deutschen Ruhrgebiet, zu Ausschnitten der Tonspur einer RTL Sendung namens «Zugriff – Jede Sekunde zählt»  auf der Bühne. Nach dem eher langen, wenig aussagekräftigen Intro legt man direkt mit klassischem Old School Thrash Metal los, dessen hörbaren Parallelen zu Grössen wie Slayer oder Destruction sicherlich kein Zufall sind. Die hohe Kopfstimme von Sänger und Rhythmus-Gitarrist Philip ist im Kontrast zu seinem imposanten körperlichen Auftreten im ersten Moment überraschend und zieht sich, mit wenigen Unterbrüchen von Clean-Vocals durch die ganze Setlist (der ich nicht habhaft wurde und deshalb in dieser Review nicht zu finden ist, ich bitte um Entschuldigung). Geschmackssache.

Bleibend Eindruck hinterlassen wird die Band sicherlich durch grosszügiges Verteilen von Bierbüchsen im Publikum, die mit dem Band Logo bedruckt sind. Ein Showeffekt, der einerseits das Konzert unterbricht, das bisher nur durch kurz gehaltenes Ansagen in seinem Fluss gestört wurde, die vor allem aus «Dankeschön» und teilweise der Nennung des Namens des folgenden Songs bestanden haben. Anderseits bringen die Erfrischungsgetränke ein wenig Bewegung in das Publikum, das bisher eher statisch im Raum stand. Nicht umsonst gilt Alkohol als Lösungsmittel. Leider bedient man sich erst gegen Mitte des 40-minütigen Gigs an diesem Lösungsmittel und fordert das nun aufgetaute Publikum auch erst dann zu Moshpits und «Hey, hey, hey» Rufen auf, was zumindest teilweise umgesetzt wird. Als Einheizer des Abends hätte man vielleicht schon früher das Lexikon der Konzert-Animation aufschlagen können.

Uncaved

Vom Thrash Metal abweichend präsentiert die nächste Band des Abends etwas, was sie selbst als «Progressive Death Metal» bezeichnet, beziehungsweise als «hässigi Musig», wie man sein Schaffen augenzwinkernd beim Publikum vorstellt. Tatsächlich hört sich Uncaved nach ziemlich klassischem Old School Death Metal an, wobei diese Bezeichnung ihnen auch nicht wirklich gerecht wird, hat man doch ebenfalls viele moderne Einflüsse in der Musik und bringt viel Neues, experimentelles auf die Bühne. Aber bedeutet experimentell automatisch progressiv? Ebenfalls interessant hört sich die Mischung der Sprachen an, in der die Vocals gegrowlt werden. Nebst den zu erwartenden düsteren, in Englisch verfassten Texten, beschallen den Zuhörer Lyrics auf Deutsch («Lichtbringer») und auf Platte gar Texte in Latein («Nocturni Luminis», «La Propaganda») von denen Live leider nichts zum Besten gegeben wird.

Das Erstlingswerk «Dogmatorraistes» wurde im August auf die Welt gebracht, allen Anschein nach aber noch nicht getauft. Die Idee, dies auf der Plattentaufe einer anderen Band nachzuholen, ist, salopp gesagt: blöd. Kaum einer im Publikum scheint Uncaved im Vorfeld gekannt zu haben und schon gar nicht ihretwegen angereist zu sein. Ebenso scheint sich kaum einer für eine Plattentaufe, ausser der von Comaniac zu interessieren. Entsprechend vergehen die Wünsche und Danksagungen von Schlagzeuger Gregor, der durch das gewohnte Ritual der Weihung einer neuen Musik-Scheibe führt, im lautstarken Gemurmel der Meute unter. Zu allem Übel betritt zum selben Zeitpunkt eine Horde spät angereister Fans des Mainacts den Konzertsaal und stört das Ritual unwissend zusätzlich.

Trotz diesem misslungenen Interlude bringt man das Konzert souverän zu Ende und das Publikum zum Kochen, auch wenn Moshpits ausbleiben. Vermutlich, da nie darum gebeten wird.

Setlist – Uncaved

  1. Lichtbringer
  2. Envy
  3. Thus I Demand The Abolition Of God
  4. Scorner
  5. The First Night
  6. Permanent Repository

Comaniac

Pünktlich zum Auftritt der Stars des Abends hat sich der Saal in einen Zustand versetzt, den man als «gefüllt» bezeichnen kann. In der vordersten Reihe hat sich gar der Metal Nachwuchs und gleichzeitig Schüler des Gitarristen Valentin positioniert, gekleidet in selbst designten T-Shirts mit der Aufschrift «Go Valentin». Und dieser Valentin «goet» dann auch, wie von ihm verlangt. Nebst der unverkennbaren Stimme von Sänger Jonas trägt eben dieser Valentin mit seinen Gitarrensoli, die Songs, wie auch die anderen Bandmitglieder erstklassige Leistung im Einsatz ihrer Werkzeuge zeigen.

Die Setlist ist sinnvoll gestaltet: weder die Energie noch der Draht zu dem Publikum geht jemals im Verlauf des Auftritts verloren. Einzig Jonas Ansagen wirken zeitweise nervös, unstrukturiert, beinahe zu überschwänglich. Offensichtlich liegt der Band sehr viel an diesem Auftritt und dieser neuen Platte. Man scheint sich sehr über die positive Resonanz des Publikums, in Form von tosendem Applaus, zu freuen. Dies macht sich dann in der direkten Kommunikation mit dem Publikum bemerkbar. Möglicherweise wäre es angebracht gewesen, diese da und dort kürzer zu halten. Anderseits soll an einer Plattentaufe Raum vorhanden sein, um über die zu taufende Platte zu reden: Der Review-Autor im Zwiespalt.

Das Ritual der Plattentaufe selbst zieht sich ziemlich in die Länge. Nebst dem Überschütten einer physischen Version des neusten Werks mit Schnaps-Shots, hat man Vertreter der Souls Of Rock Foundation eingeladen, die sich zum Ziel gesetzt hat, kleinere Acts aus dem Rock- und Metal Bereich mittels Spendengelder zu unterstützen. Im Fall von Comaniac überreicht sie, theatralisch auf der Bühne, einen physisch überdimensional grossen Scheck, den man nicht, wie erst humorvoll angekündigt, «versaufen», sondern in ein neues Musik-Video investieren will.

Um nach dieser zeitlich ausgeuferten Taufe, wieder Energie in den Raum zu bringen, fährt man fort mit dem «schnellsten Song der Bandgeschichte»: «Break Down Rite», ein Ausschnitt aus dem soeben mit Schnaps übergossenen Album. Auf jenem sei man ein bisschen eine progressivere Schiene gefahren. Dies soll sich besonders in dem Song «Between The Stars» zeigen, eine Behauptung, die schwer als Tatsache abgetan werden kann. Möglicherweise ist man mit einer anderen Vorgehensweise als sonst an die Komposition dieses Tracks herangegangen, für den Hörer ist dies jedoch nur schwer auszumachen. Am Ende ist «Progressiv», wie «Metal», kein klar definiertes Genre und verweist in diesem Fall vielleicht einfach auf den verhältnismässig ruhigen C-Teil. Wirklich ein Stilbruch ist auf dem neuen Album nicht zu hören und so fallen die neuen Songs in der Setlist auch nicht wirklich auf. Abgesehen von den Konzertbesuchern, die die Diskographie der Band in- und auswendig kennen (siehe auch Album-Review).

Mit dem Spielen von insgesamt zwei Zugabe-Stücken, die vom Publikum nur mässig gefordert wurden, da die vorherigen Bands diese Konzert-Praktik nicht angewendet haben, verabschiedet man sich von den Zuschauern, die anschliessend zu einem nicht zu verachtenden Teil den Nachhauseweg antreten. Sehr zum Leidwesen des letzten «Special Guest» der NACH Comaniac auftritt.

Setlist – Comaniac

  1. Eye To Eye
  2. Art Is Dead
  3. Start The Madness
  4. Secret Seed
  5. Between The Stars
  6. Nothing But Lies
  7. Break Down Rite
  8. None For All
  9. Desolation Manifest
  10. Coal
  11. The New Face Of Hell
  12. Head Of The Snake
  13. Killing Tendency
  14. Battery*
  15. 1, 2, Rage*

*Zugabe

No Mute

No Mute hat allem Anschein nach die vorangegangenen Konzerte über nicht nur Mineralwasser getrunken. Dies macht sich besonders bei Sänger Tobias bemerkbar, der sich nicht mehr ganz senkrecht auf der Bühne hin und her bewegt und dessen Wortwendungen an das verbliebene Publikum ein Weilchen brauchen, um anzukommen. Vorerst wird eher irritiert und zurückhaltend auf seine Ansagen reagiert, im Verlauf soll sich das aber ändern: Der noch nicht abgereiste Konzertbesucher wirkt froh darüber, zu der eher kleinen Anzahl an Verbliebenen zu gehören, die diesen, sich kaum um Konventionen scherenden Act noch erleben. So beteiligt man sich mehr oder wenig aktiv am Geschehen: Schüttelt seine Haare und rempelt die Umstehenden an, was vermutlich als Moshen gewertet werden soll.

Wirklich dafür zu interessieren, wie viele Leute sich vor der Bühne befinden, scheinen sich No Mute nicht. Vielmehr ist ihnen wichtig, dass diese Leute wörtlich: «Noch mal alles geben und so richtig steil gehen». Diese Ansagen kommen beim Publikum bestens an. Auch da das wichtigste Instrument, ein Bierharass, dafür verwendet wird, ähnlich wie Teutonic Slaughter, grosszügig Gebrautes zu verschenken, um die Stimmung anzukurbeln.

In etwa so stark wie für Publikumsgrössen scheint sich No Mute für Genres zu interessieren. Am ehesten lässt sich das Gespielte wohl als «Stoner Rock» bezeichnen, durchaus sind aber auch Einflüsse aus dem Thrash Metal, Grunge, Metalcore und noch vielem weiterem zu hören. Und dieser beeinflusste Stoner Rock klingt, trotz dem erhöhten Promillewert der Erzeuger, ganz passabel: Musik um, wie gefordert, «nochmal richtig abzugehen» und den Abend ausheadbangen zu lassen.

Setlist – No Mute

  1. Fuck Off
  2. Target
  3. Thoughts
  4. Derail
  5. Neuer Song (?)
  6. Big Talk
  7. Feather For A Stone
  8. Iron Mask
  9. I Want It

Das Fanzit – Comaniac, Teutonic Slaughter, Uncaved, No Mute

Wird es draussen immer kälter, so ist es umso besser, wenn drinnen vier Bands auf einer Bühne stehen, die ihr ganzes Herzblut in ihre Kunst fliessen lassen, die dem Publikum vor der Bühne einheizt. So entfachte sich an diesem Abend im Kiff ein angenehm heisses Höllenfeuer aus Metal in diversen Formen und Farben. Alle, die dafür Holz in die Flammen warfen, taten dies in einer mehr als angenehmen Art, so dass man sich angetrieben fühlte, um dieses Feuer herumzutanzen, sein Haupt zu schwingen, mitzuklatschen…

Besonders der Initiant dieser Feier: Comaniac, zeigte sich von seiner besten Seite, kein Wunder also standen nach deren Konzert die Leute Schlange, um ein Stück der Feuerglut in Form von einem T-Shirt, einer Platte oder CD mit nach Hause zu nehmen. Zu bemängeln gibt es einzig, dass der „Special Guest“ No Mute nach dem Hauptact auftreten musste und entsprechend vor einer verkleinerten Zuschauermenge spielte. Und warum Uncaved ihre Plattentaufe in eine andere integrierten, bleibt wohl ein Rätsel.

Ungeachtet dieser kleinen Bemängelungen erhält das gesamte Event das Prädikat: «Gerne wieder»!

Fotos Comaniac, Teutonic Slaughter, Uncaved, No Mute (Fredy)


Wie fandet ihr das Konzert?

/ 22.11.2023
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