Freezes Deyna HAK - Kofmehl Solothurn 2024
Fr, 1. März 2024

Crossover Takedown – Freezes Deyna, HAK

Raumbar Kofmehl (Solothurn, CH)
14.03.2024
Freezes Deyna HAK - Kofmehl Solothurn 2024

Take Two

Mit nur fünf Jahren Abstand folgt auf die erste Ausgabe des Crossover Takedown der zweite Teil. Mit von der Partie, als Co-Headliner, sind HAK und Freezes Deyna. Beide Gruppen sind bekannt für Abriss und kompromisslosen Metal gepfeffert mit HipHop.

Rap im Solothurner Kofmehl

Die Schweizer Rapper Mimiks und LCone ziehen dieses Jahr gemeinsam durch ihr Heimatland und haben für den Tourstart den Saal das Kofmehls ausgesucht. Beide Rapper, die ebenfalls als Solokünstler bekannt sind, fallen allein schon dadurch auf, dass sie ihre Texte auf Mundart vortragen und damit Erfolg im gesamten deutschsprachigen Raum ausserhalb der Schweiz, geschweige denn international mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit ausschliessen. Ausserdem eher exotisch für die Szene ist die Live-Band, die nebst dem DJ auf der Bühne steht.

Normal, Schlagzeug, Gitarre und Bass dabei zu haben, ist es hingegen für die zwei Bands, die parallel dazu in der Kofmehler Raumbar auftreten, einer kleinen aber durch die hohe Besucheranzahl sehr kuscheligen Konzert-Location.

In der Raumbar wird abgerissen, im Saal wird aufgetreten

Geforderte und gebotene Konzertbeteiligung seitens der Zuschauer könnten in beiden Räumen nicht unterschiedlicher sein. Während Mimiks und Lcone sich freuen können, wenn das (sehr) junge Publikum das Handy mal in der Tasche verschwinden lässt, um auf Aufforderung mit den ausgestreckten Armen mehr oder weniger im Takt mitzuwippen, ärgern sich beim Crossover Takedown Konzertbesucher, die es ruhiger angehen wollen, über Leute aus den Moshpits, die immer mal wieder versehentlich in sie reinkrachen.

HAK und Freezes Deyna benutzen jeden Zündwürfel der Performance-Kunst, um einzuheizen, machen ihre Auftritte zu Partys und bauen im Grunde zwischen HipHop und Metal, für beide Seiten interessante, Brücken, die jedoch niemand so wirklich zu überschreiten wagt. So lässt sich keine Nase ausmachen, die interessiert in den anderen Saal ‘reinschnupperte. Rap ist in der Metal-Szene das hässliche Entlein, das nie zum Schwan werden wird, es sei denn, es wird mit schreiendem Gitarrenspiel und Gesang gestopft. Ebenso Metal gilt in der Rap-Szene als Lärm. Auf Nachfrage ist in dieser gar die Aussage zu vernehmen, man vermeide alles, das verzerrte Gitarren enthält, was entsprechend auch Projekte einschliesst, die definitiv näher am Rap als am Metal liegen, wie Bodycount von Ice-T.

HAK

Mimiks und LCone beschränken sich auf Mundart. Damit sind sie innerhalb der Rap-Szene Exoten, stehen aber nicht komplett allein da. Anders ist dies bei HAK. Klar, einige wenige schweizerdeutsche Metalbands existieren, nicht aber im Metalcore-Bereich. Dass diese Sprache im Sprechgesang in Kombination mit harten Gitarren funktioniert, wird an diesem Abend mehr als bewiesen. Inhaltlich fokussiert man sich auf Kritik an Politik, Gesellschaft und Leuten, die nerven – die Artikulation zeigt, dass Berndeutsch auch anders als friedfertig und warm klingen kann und alles andere als langsam vorgetragen werden muss. Im Gegensatz zu vielen anderen Crossover-Bands haben HAK kein DJ-Mischpult, dafür nicht nur eine, sondern gleich zwei Gitarren im Line-up. Diese sowie Bass und Gesang sind, beinahe ununterbrochen in Bewegung, was nicht nur aufgrund des benötigten Energielevels beeindruckend ist, sondern auch da die Bühne für solches Rumgerenne eigentlich zu klein und die überfüllte Raumbar zu heiss, ist. Aber wie schon viele Komiker sagten: „Lieber Schweissperlen als gar kein Schmuck“.

Leider ist dem Publikum zu Beginn des Konzertes noch gar nicht so warm. Obwohl HAK ebenfalls Headliner sind sie mit dem Fluch der ersten Band des Abends belegt und müssen somit als „Einheizer“ funktionieren, was ihnen aber offensichtlich nicht schwerfällt. Es braucht etwa so viele Lieder, wie der Tontechniker benötigt, um die Abmischung auf „Exzellenz“ zu bringen, zirka eineinhalb, bis das Publikum in Wallung kommt. Was erst mit Kopfnicken beginnt, entwickelt sich zu Headbangen und artet in Mosh- und Circlepits aus. Dafür benötigt es noch nicht einmal verbale Aufforderung seitens der Bühne.

Allgemein beschränken sich die Ansagen hauptsächlich auf „Geili Sieche“. Die Kommunikation erfolgt ansonsten hauptsächlich durch Gesten. Ein bisschen Fingerkreisen für Pitaufforderungen hier und Metal-Horns da. Mehr braucht es aber auch gar nicht und das ist allemal die bessere Alternative zu menschlichen Mikrofonständern, die irgendwas brabbeln, das inhaltlich noch nicht einmal sie selber verstehen. Passend dazu geben HAK mit „Hautät mau d’Schnurrä“ am Ende nochmal alles, die Menge schreit „Schnurrä zuä“ mit, und mit dem Lied „Geil das äs öich git“ verabschiedet man sich ohne Zugaben und Kompromisse von der Bühne.

Freezes Deyna

Nach einer Umbaupause, die erstaunlich kurz ausgefallen ist, bedenkt man, dass das ganze Equipment ausgetauscht wurde, ertönt Pavarotti aus den Lautsprechern. Zu dessen einzigartiger Stimme stürmen die Jungs von Freezes Deyna die Bühne und spielen einen Song über einen Hund, der zu ihrer Musik im Wohnzimmer ‘rumtanzt und Durchfall bekommt, während sein Herrchen aus ist, um LSD zu kaufen („December Moon“) – weiter weg könnte man wohl kaum von Luciano Pavarotti sein.

In das glimmende Publikum müssen Freezes Deyna bloss noch ein Scheit werfen, um es wieder zur Eskalation zu entfachen – dafür haben HAK mehr als ausreichend Vorarbeit geleistet. Eine gute Entscheidung also, mit einem Song zu starten, der nicht nur einen eigenartigen Text hat, sondern ebenfalls headbangbar wie auch rumhüpfbar ist. Und dazu ist mittlerweile die ganze Zuschauerschaft mit immer weniger werdenden Ausnahmen bereit, wozu der steigende durchschnittliche Alkoholpegel zusätzlich beiträgt.

Freezes Deyna könnten jedoch auch in einer Entzugsklinik auftreten – an der Stimmung würde sich kaum was ändern. Mit Texten auf Englisch, einer Gitarre weniger und einem DJ mehr, unterscheiden sie sich von HAK, stehen diesen vom Energielevel her aber in nichts nach. Die Entscheidung, diese ähnlichen aber doch unterschiedlichen Bands für das Crossover Takeover Take Two (was ein langer Name) zu buchen, war eine tolle Idee vom Veranstalter.

Weniger gute, beziehungsweise nicht zu Ende gedachte Ideenat hingegen der Lichtmann. Bereits bei HAK wollte er übermässig oft testen, ob sich Epileptiker, die anfällig auf Stroboskop reagieren, im Raum befinden, bei Freezes Deyna treibt er dies nochmal auf die Spitze – da wünscht man sich sowas wie eine Schweisserbrille dabei zu haben. Ausserdem scheint er landesweit alle Trockeneisreserven aufgekauft zu haben. Was mit wenig stimmungsvollem Dampf beginnt, nebelt erst den Schlagzeuger dann die ganze Band in weissen Rauch ein. Was optisch auf der Bühne vorgeht, muss man sich halt die nächsten paar Songs lang vorstellen, immerhin klingt es gut – dafür hatte der Soundmann ja während des vorherigen Konzertes genug Zeit gehabt. Allerdings ist es ausgesprochen laut. Das Dezibelmessgerät ist irgendwo hinter dem Mischpult versteckt. Dass es die vorgeschriebenen Hundert immer mal wieder überschreitet, ist sehr wahrscheinlich, jedenfalls steigt während der Veranstaltung die Nachfrage nach den kostenlos auf dem Bartresen angebotenen Ohropax.

Eine laute Beschallung schreckt das Publikum jedoch nicht davon ab, auch nach der ersten und offiziell einzigen Zugabe, wie ein Blick auf die Setlist verrät, mehr zu fordern. Diesem Wunsch kommen Freezes Deyna mit dem mässig geprobten Song „Pump It Up“ nach, werden dann aber, nachdem man sich eigentlich endgültig in den Backstage verzogen hat, vom Publikum wieder zurück auf die Bühne gepfiffen. Es folgen Anweisungen an den lauten Soundmischer, er solle nach dem Auftritt irgendetwas laufen lassen, um klar zu signalisieren, dass das Konzert zu Ende sei – scheint, als wäre das, was sich hier gerade abspielt, wirklich nicht geplant gewesen. Trotzdem hat die Abrissbereitschaft weder von der Band noch des Publikums nachgelassen. Letzterem wird gegeben, was es will und mit diesem „Don’t Stop Never Give Up“-Song („S Club 7 – Bring It All Back“) verabschiedet man sich endgültig – einem Rausschmeisser, weit weg von Freezes Deyna und noch weiter weg von Pavarotti.

Das Fanzit – HAK, Freezes Deyna

Wer Crossover mag, wird am Crossover Takedown Take Two auf seine Kosten gekommen sein, denn der Name war Programm. Fragen könnte man sich einzig, ob eine Veranstaltungsreihe, die mit grossen zeitlichen Abständen mit jeweils zwei Bands stattfindet, wirklich einen eigenen Namen braucht. Vielleicht hätte man noch ein bis zwei Vorgruppen dazubuchen können. Interessant wäre es vielleicht gewesen, wenn die eine davon klassischen Powermetal oder ähnliches gespielt hätte und die andere eine HipHop Formation gewesen wäre, doch vor allem für Letzteres hätte es vielen Besuchern möglicherweise an Toleranz gefehlt.

Beide Bands, die auf der Bühne standen, wichen bei ihren Darbietungen kaum von ihren Studioaufnahmen ab, was neue Instrumentalsolos und ausgedehnte B-Teile ausschloss. Solche wären für die gewählten Stilrichtungen allerdings auch untypisch. Was gespielt wurde, war jedoch solide und, soweit ich das beurteilen kann, fehlerfrei. Das Publikum dankte es ihnen.

Die Raumbar im Kofmehl ist ein angenehmes Plätzchen für Konzerte, hatte an diesem Abend aber gerade noch so genug Raum für alle, die reinwollten. Besonders dann, wenn Mosh-Unwillige, verständlicherweise, den Rückzug nach hinten antraten, wurde dies bemerkbar.

Es bleibt zu hoffen, dass es bis zum Crossover Takedown Take Three nicht erneut fünf Jahre dauert.

Setlist – HAK

  1. Geil
  2. Läbät iz
  3. Fake
  4. So bini
  5. Dräiät dürä
  6. Übär Nacht
  7. Troum
  8. Sägäts denä
  9. Z’houptproblem
  10. Unger Strom
  11. Gigu
  12. Sägät mir nüt
  13. Bärn City
  14. Gib nid uf
  15. Terrorischt
  16. Mach lut
  17. Hautät mau d’Schnurrä
  18. Geil das äs öich git

Setlist – Freezes Deyna

  1. December Moon
  2. Nature Fucks Back
  3. Real Estate
  4. Dope Is Dead
  5. Fuck It Up With Style
  6. Breakpoint No. Fuck You
  7. Put’em Out
  8. Chickmagnet
  9. No Bread
  10. H.N.S.D.M.P.F.
  11. Don’t Get Lost Boys
  12. Feed The Myth
  13. Pussy’s Paradise
  14. Buobelee
  15. Deynacode*
  16. Pump It Up**
  17. Sound Of The Monies**

* Zugabe

**Spontane Zugabe


Wie fandet ihr das Konzert?

14.03.2024
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