THERION – LES FLEURS DU MAL

Symphonic Metal
26.12.2012

Wer am 10. Oktober 2012 im z7 in Pratteln war oder zumindest die Konzert-Review von damals gelesen hat, weiss das Mastermind Christofer Johnsson sich zum 25jährigen Bandjubiläum was Exquisites leistete. So exquisit, dass die Plattenfirma nicht mitmachte und somit Christofer sich seine Idee, ein Album bestehend aus älteren französischen Chansons und Pop-Songs aufzunehmen, komplett aus dem eigenen Sack finanzieren musste – sich also im wahrsten Sinn des Wortes «leistete».

Therion und dessen Kopf Christofer Johnsson im Speziellen, gelten als die Pioniere des symphonischen, bombastischen – Gothic – Opera-Metals. Der grosse Durchbruch gelang ihnen mit dem bis heute unerreichten Album «Theli» aus dem Jahre 1996. Es folgten weitere Hammerscheiben, welche mit ganzen Orchestern mit bis zu 180 Leuten aufgenommen und somit die fast unerreichbare Messlatte für alle anderen Bands in diesem Genre wurden. Mit jedem neuem Album erfand sich Therion auch immer wieder ein bisschen neu mit unzähligen Besetzungswechseln bis zu mehr oder weniger Solo-Alben von Christofer mit Gastmusikern unter dem Namen Therion.

Einem blieb er und Therion jedoch immer treu: Hammersound/-Symphonien mit Hammermusikern insbesondere mit den besten Metal-Stimmen abzuliefern.

Wer ist da dann wirklich ernsthaft überrascht, wenn Therion ein Album wie «Les Fleurs Du Mal» abliefert? Schon erstaunlich, dass dies zumindest das Plattenlabel von Therion noch nicht erkannt hat und nicht bereit war, diese aussergewöhnliche Scheibe mitzutragen.

Klar, Les Fleur Du Mal setzt eine gewisse musikalische Offenheit voraus, wer das nicht hat, der kann jetzt eigentlich aufhören zu lesen. Für alle anderen ist das neuste Meisterwerk von Therion eine erfrischende und irgendwo sicher auch witzige musikalische Bereicherung. Nicht zuletzt soll man gerade im Metal nicht immer alles zu ernst nehmen.

Das heisst jedoch nicht, dass man bei Fleur Du Mal auf bewährte Therion Qualität verzichten muss. Die Cover Songs wurden komplett neu arrangiert und in das typische orchestrale Sound-Gewand von Therion mit den in den letzten Jahren bewährten Sängern Lori Lewis und Thomas Vikström verpackt. Unterstützt werden Lori und Thomas bei einzelnen Songs von Snowy Shaw («Initials B.B.» und «Dis-Moi Poupée»), Mari Paul («Mon Amour Mon Ami», «Une Fleur Dans Le Coeur“ und «En Alabama») und Johanna Najla («Initials B.B.»).

Bei Fleur Du Mal handelt es sich definitiv auch um ein progressives Kunstprojekt. Angefangen beim Cover und der Gestaltung des Booklets mit Bildern vom italienischen Künstler Saturno Butto. Der Name und das Konzept des Albums wurden durch den umstrittenen französischen Poet Charles Baudelaire und dessen teilweise im 19. Jahrhundert verbotenen Gedichten unter dem Namen «Les Fleus Du Mal» inspiriert. Das ganze Album ist eine Hommage an Baudelaire.

Eröffnet wird das Album mit «Poupée De Cire, Poupée De Son». Dies ist ein von Serge Gainsbourg komponiertes Lied, das – vorgetragen von der Französin France Gall – für Luxemburg 1965 den Eurovision Song Contest gewann und eines der erfolgreichsten französischen Lieder überhaupt ist.

Ein erster Höhepunkt ist für mich das zweite Stück «Une Fleur Dans Le Coeur». In den Worten von Christofer hört sich das so an: «Re-arranging this song may just have been one of the greatest cultural achievements in the history of music, – just by simply removing the honky-tonk piano in the original». Wer sich das Original und dann die Version von Therion anhört, der versteht, dass hier Christofer in keiner Weise überheblich ist.

Weiter verrät uns Christofer eine schöne Anekdote aus der Produktion: «I sent a mail to Mikael from Opeth asking if he would want to sing in the song. He didn’t even reply, so I guess he thought the idea was so awful that he didn’t know how to say no in a polite manner. Or he simply got psychotic by hearing that honky-tonk, deleted the email from me and forced his brain to forget all about it (as some sort of mental self defense toward the honky-tonk shock). Mari Paul and Thomas had to fill his place in the arrangements instead and they did great. But if I close my eyes and listen, I can still hear Mikael’s voice doing this.»

Einerseits durch die französische Sprache aber auch durch die Arrangements, das Artwork und vor allem der Gesangsstil – zum Beispiel von «Initals B.B.» – beinhaltet Les Fleurs Du Mal auch eine ganz schöne  Prise Erotik und ein schönes – teilweise leicht düsteres – romantisches Flair.

So richtig verträumt-erotisch und schön düster ist vor allem «Mon Amour, Mon Ami» – ein weiterer Höhepunkt auf dem Album.

«Polichinelle» steigert das Tempo und ist ebenfalls ein Hammer-Arrangement mit genialem Gesang von Lori Lewis. Auch hier erzählt uns Christofer eine schöne Geschichte dazu: «When I first presented the idea of the record, most of my band mates were speechless. Not in a positive way. I guess Thomas was the only one that was somewhat positive from the start. I will never forget how Christian Vidal’s face was lighting up so many times during the pre-production when the songs were re-arranged and he sometimes burst out in a „Wooow! This is fantastic, listen to this chord, it’s so original! Oh, what a fantastic melody here!!! etc“. When he heard Polichinelle and we started to play around with the song he became very enthusiastic and said it was very inspired by Bach and asked if he could arrange the song, developing it further in a neo classical direction. Silly question. Of course! So he arranged guitar and bass in a baroque way which gave Nalley (Bassist) quite a pile of bass lines to memorize».

So richtig powermetallig wird es bei «Je N’ai Besoin Que De Tendresse» und Thomas singt in bisher unbekannten Höhen im Stile eines Rob Halford. Christofer: « I pushed Thomas Vikström as hard as humanly possible to make him sound like a mixture between King Diamond and Rob Halford. He never sang this high before (in other songs I made him sing lower that he ever did, that’s the kind of guy I am) and never would have thought he’d be able to reach that high if it wasn’t for me being so incredibly stubborn about it. Musically Christian and I arranged it as a power metal song, to create a more light, up feel in contrast to the gloomy songs on the rest of the album. As a result, Johan had to work hard for his money with the double bass drums.»

«J’ai Le Mal De Toi» war der erste Song, der bearbeitet wurde und somit der Ursprung der Idee dieses Albums ist. Es ist auch das typischste Chanson auf Les Fleurs Du Mal und somit auch der Gegenpol zu Je N’ai Besoin Que De Tendresse.

 

Fanzit:

Irgendwie typisch Therion und irgendwie eine völlig neue Welt, die sich einem beim Anhören von Les Fleurs Du Mal eröffnet. Es ist auch das klassischste und operettenhaftteste Album von Therion. Die französisch gesungenen Lieder befinden sich auf einem schmalen Grat zwischen hochstehender, erotischer Kunst und leicht ironisch-witzig aufgrund des unvermeidlichen Akzents der Sänger und Sängerinnen. Wer Therion mag, wer offen für Neues ist, der kommt an dieser alles in allem genialen Scheibe nicht dran vorbei. Wer Therion noch nicht so gut kennt, der sollte sich zuerst an deren Klassikern wie Theli, Vovin , Lemuria etc. versuchen und dann die Sammlung mit Les Fleurs Du Mal komplettieren. Wer die französische Sprache, Klassik, Oper und schöne Melodien mag, der ist mit dem Album von Anfang an richtig bedient. Für mich ist Les Fleurs Du Mal die beste Scheibe im symphonischen Opera-Metal 2012 und ein Must-Have – nicht zuletzt auch aus ideologischen Gründen gehört Christofer von uns Fans unterstützt. Wenn es seine Plattenfirma nicht tut, dann sollten wir solidarisch sein und Kunst, die einem auch gefällt, entsprechend unterstützen.

 

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Anspieltipps:

2 Une Fleur Dans Le Coeur, 4 Mon Amour, Mon Ami, 12 Je N’ai Besoin Que De Tendresse, 14 J’ai Le Mal De Toi

 

Tracklist:

01 – Poupée De Cire, Poupée De Son

02 – Une Fleur Dans Le Coeur

03 – Initials B.B.

04 – Mon Amour, Mon Ami

05 – Polichinelle

06 – La Maritza

07 – Soeur Angelique

08 – Dis-Moi Poupée

09 – Lilith

10 – En Alabama

11 – Wahala Manitou

12 – Je N’ai Besoin Que De Tendresse

13 – La Licorne d’Or

14 – J’ai Le Mal De Toi

15 – Poupée De Cire, Poupée De Son

16 – Les Sucettes (Bonus Titel auf der Tour-Edition)


Album Review Bewertung

Autor Bewertung: 9/10



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Autor
26.12.2012
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