Fr, 4. Oktober 2013

CREMATORY

Schüür (Luzern, CH)
12.10.2013

Der legendäre Luzerner Konzert-Gaden – die Schüür – ist heute eher spärlich besucht. Grosszügig geschrieben zu einem Viertel gefüllt. Das erstaunt mich schon ein wenig, wurde doch nichts weniger als die Gothic-Pioniere Deutschlands angekündigt.

Ich gestehe vorweg, ich bin auch einer von denen, die Crematory über deren bekanntesten Song „Tears Of Time“ kennen gelernt haben. Ich besitze zwar 3, 4 Alben der Band, es ist aber vor allem dieser Ohrenwurm, auf den ich und wohl viele andere heute drauf plangen.

Gehören somit Crematory wie Grave Digger zu den One-Hit-Wonders des Metals? Einen Übersong und der Rest entweder daran angelehnt oder eher weniger stark. Aber wegen einem Song wäre ich heute nicht da. Ich lasse mich heute gerne von deren Live-Qualitäten und auch anderen Songs in den Bann ziehen und so vom Gegenteil überzeugen. Ich bin ohne übergrosse Erwartungen in die Schüür gekommen und freue mich, auf einen Konzertabend mit Freunden und ein paar Bier – in der Schüür wie immer aus der Glasbügelflasche (Naturperle).

Und wenn die schon vor meiner Haustüre spielen, kann ich ja sowieso nicht auf zickig machen.

Die vier aus Westhofen in der Nähe von Mainz – zumindest wurde dort die Band gemäss Wiki gegründet – machen durchaus einen sympathischen Eindruck, auch wenn ich deren Provokationen mit Anspielungen aus Erfahrungen in Österreich – wobei wir hier aufgrund des spärlichen Publikums und dementsprechend wenig Stimmung wohl nicht sonderlich gut wegkommen – nicht ganz verstehe. Zu meiner Verteidigung bin ich grad mit dem noch spärlicheren Licht beschäftigt, um einigermassen brauchbare Fotos zu machen. Wie so oft habe ich das wenige Licht wortwörtlich gegen mich (gerichtet). Ein bisschen Rückenlicht (aus meiner Optik), würde die Band und schliesslich vor allem meine Fotos in einem besseren Licht erscheinen. Nun, die Band spielt ja nicht exklusiv für meine Kamera, drum genug gejammert.

Die Band macht gute Miene zum zwar nicht bösen, aber dem nicht ganz einfachen Spiel, weil wie erwähnt wenige Leute da sind. Ich erfahre später von der Band, dass man egal wie viele kommen, immer alles gibt – und das sagen natürlich alle. Es ist aber sicher wieder mal spannend zu hören, dass auch eine bekanntere Band wie Crematory nicht von der Musik leben kann. Alle gehen einer geregelten Arbeit nach und die Wochenenden sind für Konzert reserviert – und die für ein paar hundert Euro. Wenn also wieder mal jemand jammert wegen zu hohen Billetpreisen, sollte er sich daran erinnern, dass hier eine Band durch halb Europa reist, für eine spärlich besuchte Show für eine Handvoll Franken.

Nun, jetzt aber zurück zum Konzert. Sänger Felix will uns mit den nicht ganz schmeichelhaften Vergleichen mit dem östlichen Nachbarn etwas aus der Reserve locken. Das gelingt, heute mal Cliché zu Recht, mit den etwas reservierten Schweizern nicht. Gleich ein Rewind – ich halte von diesem Vorurteil gar nichts, denn wir können bedeutend mehr abgehen, als in vielen anderen Ländern dieser Welt. Da rede ich aus Erfahrung.

Ui, ich schweife schon wieder etwas ab. Vielleicht ist dies eben grad typisch für das Konzert. Es wird ordentlich gespielt und die Songs gefallen mir auch. Aber man tendiert mit seinen Gedanken wo anders zu sein. Es fesselt zu wenig, der notorische Funke springt und zündet nicht.

Mit nur eine Gitarre und einem Bass, der sich stark aufs klassische E-Saiten-Bassspiel konzentriert – wenn auch mit viel Style – fehlt irgendwie die Power. Die kann auch vom eher gemächlichen Schlagzeug nicht kompensiert werden.

Aber das ist jetzt auch ein bisschen gesuchte Kritik, denn eigentlich gibt’s gar nicht gross was zu Rüffeln. Es macht ja Spass, der Sound ist ganz gut und eben Bier haben wir auch, es ist Freitagabend. Ist ja alles gut so.

Und schon fängt der nächste Abschnitt wieder mit „aber“ an. Es ist nicht das grosse Ding. Schon von der ersten Minute an schreit eine – sorry – Knalltüte nach „Tears Of Time“. Erinnert mich an Doro-Konzerte, wo es sicher immer ein paar Knaller schaffen, von Beginn an nach „All We Are“ zu schreien. Obwohl jeder weiss, der Übersong kommt, und wie immer am Ende des Sets – ist ja klar – und Doro hat weiss Gott noch Dutzende andere Hammersongs im Gepäck. Kann mir vorstellen, dass dies die Band auch nervt. Dementsprechend ist die kaltschnäuzige Reaktion von Sänger Felix nicht überraschend: „Den Song spielen wir heute nicht.“

So richtig zum ersten Mal gute Stimmung kommt bei „The Fallen“ auf. Und so sind wir dann auch alle nach einer gefüllten Stunde bereit für … ja, jetzt kommt’s: „Tears Of Time“. Schon geil. Und das war‘s. OK, zumindest folgen jetzt nach dem ersten Verlassen der Bühne die Zugaben.

Sänger Felix fragt uns brüllend dann nicht, ob wir noch da oder wach sind, sondern ob wir ready für Gothic-Rock n Roll seien. Aber klar doch. Ist jedoch Crematory wirklich Gothic-Metal? Gut so was wie Tears Of Time bestimmt. OK, genug hinterfragt … wobei ein Geheimnis wird noch gelüftet. Felix trinkt während dem ganzen Konzert seinen „Tee“ aus einem schwarzen Mini-Kanister. Tee? Als einer von der ersten Reihe aus Mitleid dem Teetrinker sein Bier zur Verfügung stellt und dabei noch sagt, das leere Glas darfst du behalten, er dieses aber zusammen mit einem Schluck aus dem Kanister erhält, sehen wir schwarzen Tee. Tee? Sieht eher nach Coke aus. Yep, ich durfte mich später daran versuchen. Jacky Cola. Also nix Tee.

Witzig aber war, als Felix das Geschenk mit einem ironischen „Mein erstes Glas“ verdankte.

Irgendwann landen wir dann bei diesem Geplänkel bei Metallica oder gemäss Felix der Band, die bisher drei (!) Alben rausbrachte. „Nach Master Of Puppets war Schluss.“ Ich lass das jetzt mal so in den Weiten des Internets stehen. Nach Metallica wird auch Slayers „Raining Blood“ für rund eine Minute angespielt. Weiter geht’s mit dieser Thrash-Metal Session mit Sepulturas „Arise“. Also doch nicht so lupenreiner Gothic Rock. Zumindest die Covers.

Felix meint dann nach diesen Ausflügen in die 80er/90er: „Wir sollten wieder Crematory Songs spielen. Eigentlich machen wir das schon seit 23 Jahren.“ So soll es sein.

Als Basser Harald in den Laufweg von Felix kommt und nur mit viel Glück, Geschick und jahrelanger Erfahrung ein Crash verhindert werden konnte, gibt Felix den Tarif mit einem Augenzwinkern klar durch, wo dieser mit seinem Bass zu stehen hat. Drohend fügt er noch an: „Don’t play with 140 kilos, baby.“ Es sollte der letzte Beinahe-Crash des Abends sein.

Ganz am Schluss darf dann Gitarrist und Mitsinger Matthias noch ganz alleine auf die Bühne und ein Keyboard ab Band Acapella begleiten. Ich weiss jetzt nicht, ob das bei Crematory so Tradition ist. Aber der Abgang könnte für meinen Geschmack ein bisschen heavier sein. Passt irgendwie nicht so ganz.

Dafür ist umso heavier, dass Felix bei der Verabschiedung vom Publikum um einen fetten Applaus für die Vorbands bittet. Und dann seine verherrenden Worte: „Nachher trinken wir noch einen.“ Morgens um acht war ich dann auch im Bett.

Fanzit: Crematory sind definitiv kein One-Hit-Wonder, dafür sind sie zu eifrige Schaffer mit 23 Jahre Bandgeschichte. Und dass was wir heute Abend erlebt haben, war solides Handwerk. Dass die ganz grosse Stimmung ausblieb hatte sicher einerseits damit zu tun, dass die Schüür zu spärlich gefüllt war und andererseits, die Band auch etwas müde wirkte – es wurden auch „nur“ 15 Songs gespielt. Es war gutes Handwerk, aber keine Kür. Spass hat es trotzdem gemacht, inklusive intensiver Diskussionen mit Felix später im „Down“ (Down-Town Bar, Luzern). Wo übrigens seit langem wieder mal richtig geiler Sound lief.

 

Setliste:

  1. A Story About
  2. Fly
  3. Out Of Mind
  4. Pray
  5. Kaltes Feuer
  6. Revolution
  7. Shadowmaker
  8. Höllenbrand
  9. Tick Tack
  10. Sense Of Time
  11. The Fallen
  12. Tears Of Time
  13. Greed
  14. Black Celebration
  15. Perils Of The Wind (Acapella)

Konzert Review Bewertung

Autor Bewertung: 7/10



Wie fandet ihr das Konzert?

12.10.2013
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