Metalinside.ch - Rammstein - Stade de Suisse Bern 2019 - Foto Liane
Mi, 5. Juni 2019

Rammstein, Duo Jatekok

Stade de Suisse (Bern, CH)

Hitze, Feuer, Pyro und ganz viel Rumms

Eine der am meisten gehypten Konzert-Tourneen machte am 5. Juni Halt im Berner Stade de Suisse: Rammstein spielte eines der ersten Konzerte ihrer aktuellen Europe Stadium Tour in unserer Bundesstadt.

Der Medienrummel um die Veröffentlichung des neuen Albums und um die Stadiontour war tatsächlich immens. Kein Wunder, schliesslich lagen zwischen der Veröffentlichung von «Liebe Ist Für Alle Da» und dem aktuellen, selbstbetitelten Album fast zehn Jahre. Zudem ist es ziemlich genau drei Jahre her, seitdem die Spitze der Neuen Deutschen Härte ihr letztes Konzert in der Schweiz auf der Luzerner Allmend gab.

Jetzt ist es also endlich so weit: Der grosse Tag, das Wiedersehen mit Rammstein, eines DER Konzert-Highlights des Jahres. Auch wenn ich nach dem erst letzten Monat stattgefundenen Metallica-Konzert im Zürcher Letzigrund eigentlich kein Bedürfnis hatte, mich mit 40’000 anderen Besuchern in ein Stadion zu zwängen, stand ich kurz vor Türöffnung vor dem Stadion bereit. Mein Rammstein-Hunger war gross und der Menschenmenge um das Stade de Suisse nach zu beurteilen, war ich damit nicht der Einzige.

Tatsächlich ist hier schon richtig viel los. Zwischen einigen Sponsoren-Ständen und Bierbuden steht der offizielle Rammstein-Merch-Lastwagen. Die Schlange davor ist gar nicht allzu lang, weshalb ich diesen Punkt der heutigen To-Do-List gleich schon abhake. Kurze Zeit später stehe ich im Stadion. Rund um mich sind alle glücklich und es scheint, als hätte der Einlass trotz dem Abgleichen der Personalausweise mit den personalisierten Tickets gut und zügig funktioniert. Aus den Boxen tönen verschiedenste Rammstein-Songs im Shuffle. Noch viereinhalb Stunden bis Showbeginn…

Das Stadion und somit auch der Stehplatzbereich füllen sich langsam, aber stetig. Im Gegensatz zu den vergangenen Shows in Gelsenkirchen und Barcelona hat es hier im Bern keine Wellenbrecher oder Golden Circles. Die Sonne strahlt und der brennend heisse Metallboden lädt nicht wirklich zum Hinsetzen ein. Wenn das so weitergeht, sind wir schon vor dem ersten Feuerstrahl der Show komplett gegrillt. Zum Glück gibt es Glacé-Verkäufer und Getränkestände, an welchen Bier und Softgetränke in drei verschiedenen Rammstein-Bechern ausgeschenkt werden.

Während der langen Wartezeit hat man genügend Gelegenheit, bereits die grosse und auffällige Bühne zu mustern. In der Mitte stehen die beiden grossen Streichhölzer, seitlich hat es total vier grosse kreisförmige Scheinwerfer-Formationen. Auch sonst scheint für jede Menge Lichtshow gesorgt zu sein. Über dem Tech-Zelt hat es ebenfalls eine kleine Plattform, auf welcher unter anderem die Vorband auftreten wird.

Dass Rammstein-Produktionen alles andere alles unaufwändig sind, ist gemeinhin bekannt. Doch der Aufbau beeindruckt. Diese giganteske Tour stellt natürlich auch logistische Knackpunkte. So werden die Stadien jeweils für knapp eine Woche gemietet, um genügend Zeit für Auf- und Abbau zu haben. Zudem gibt es zwei solche kompletten Bühnen. Während hier in Bern Rammstein-Tag ist, herrscht in München wahrscheinlich schon Aufbau-Stimmung.

Duo Jatekok

Pünktlich um 19 Uhr betritt der Opener, das Duo Jatekok, die bereits erwähnte Plattform über dem Tech-Pult. Die beiden Französinnen spielen Stücke aus Rammsteins «Klavier»-Album auf zwei Klavieren.

Es ist ja nicht das erste Mal, dass Rammstein als Opener einen Act aussucht, der sich mit ihren eigenen Songs befasst. Feuerengel durften schon ran, Remix-DJs durften schon ran, und nun eben das Duo Jatekok. Leider stellt sich diese Wahl – von hier vorne aus gesehen – als Fehlgriff heraus. Das Duo bekommt nicht wirklich mehr Fokus als zuvor die Rammstein-Songs ab Konserve. Dagegen hätte man z.B. durch eine bessere Platzierung (z.B. neben der Bühne) oder durch eine lautere Verstärkung Abhilfe schaffen können.

Als Warm Up hat das Ganze also mehr schlecht als recht funktioniert. Zum Glück hat die noch immer brennende Sonne diesen Aufwärm-Job hervorragend gemeistert. Der Schweiss läuft noch immer… Getränke zu holen, ist jetzt zumindest für Besucher vor der Bühne leider zum Ding der Unmöglichkeit geworden.

Rammstein

Spoiler Alert: Es folgt ein ausführlicher Bericht, der nicht vor der Nennung von Show-Elementen zurückschreckt. Für all jene, welche nicht dabei waren und noch nicht wissen wollen, was an der Show alles passiert, endet der Bericht nach diesem Absatz. Dasselbe gilt für jene, die dabei waren, aber noch einmal eine Show sehen werden und selber noch mehr Details entdecken wollen. Nur so viel: Rammstein haben auch mit neuen Songs in der Setliste wieder einmal gezeigt, dass ihr Name für ganz grossartige Shows steht. Die Vorfreude auf künftige Shows lohnt sich! Alle Gwundernasen dürfen natürlich weiterlesen.

Mit einer leichten Verspätung von 10 Minuten ertönen die ersten Klänge von der Bühne. Musste da erst noch kurz gewartet werden, bis die Sonne ganz hinter dem Stadionbogen verschwunden ist und keine Musiker mehr geblendet werden? Nach einigen leichten Tönen folgt ein erstes riesiges Rumms. Na klar, Rammstein ohne Unmengen an Pyro geht schliesslich nicht. Es ertönt der erste Song «Was Ich Liebe», der Nr. 7 des neuen Albums. Musikalisch ist das für mich eine der schwächeren Nummern, aber showmässig werden bereits weitere Effekte ausgepackt: Riesige dunkelschwarze Rauchschwaden steigen von den Bühnen und von den hinteren Lichttürmen aus auf und hüllen das Stadion in eine giftig aussehende Wolke.

Nach diesem Begrüssungstrack ertönen Marsch-Geräusche. Dem geneigten Fan ist klar: «Links 2 3 4» ist an der Reihe! Der Stimmungspegel steigt innert Sekunden ins Unermessliche. ‘Können Herzen singen?’ Ich kenne keine Antwort darauf, aber das Publikum kann es. Textsicher angelt es sich durch die Strophen und johlt beim Refrain umso mehr mit. Auf der Bühne bewegt sich zum ersten Mal der zwischen den beiden Streichhölzern aufgehängte Bildschirm. Immer wieder fährt sie nach oben oder unten. Grössere Leinwände daneben fehlen, nur an ihr werden zwischendurch Animationen oder Übertragungen der Kameras gezeigt. Somit konzentriert sich der Fokus des Publikums eher auf den ‘richtigen’ Musikern, welche auf der Bühne Vollgas geben.

Es folgt der nächste neue Song «Tattoo» und schon jetzt zeigt sich, was auch die nachfolgenden Songs des aktuellen Albums bestätigen werden: Auch wenn das Album erst einige Wochen alt ist, sorgt es für gleich gute Stimmung wie die alten Gassenhauer. Nicht viele Bands können es sich leisten, acht von elf Songs eines so jungen Albums zu spielen.

Nach «Sehnsucht», einem als Titeltrack des 2. Albums schon älteren Song, folgt «Zeig Dich». Neben den bösen Flammen gen Himmel überzeugt der religionskritische Song auch musikalisch. Was auf dem Album abgeht, funktioniert auch live gut. Zur Untermalung wird der untere Teil des Rammstein-Kreuzes auf der Leinwand während diesem Song länger gezogen.

‘Nun liebe Kinder, gebt fein acht!’ Dies ist nicht nur die Textzeile, aus welcher der Hashtag #gebtfeinacht stammt, sondern auch die erste Zeile von «Mein Herz Brennt». Auch hier herrscht ab den ersten Tönen wieder Ausnahmestimmung. Der Refrain wird zweimal angetäuscht, und dann nicht gespielt. Till macht sich mimisch und gestisch über das Publikum, welches darauf hineingefallen ist, lustig. Beim dritten Anlauf sind dann alle wieder dabei und es kann losgehen. Gegen Ende des Songs kommt erneut Pyro zum Einsatz, welche Tills brennendes Herz simulieren soll. Ganz stark!

Es geht weiter zum ersten grossen (und vor allem neuen) Show-Highlight: Bei «Puppe», welches nur schon thematisch alles andere als leichte Kost ist, wird das Publikum visuell in den Bann gezogen. Till fährt mit einem überdimensionalen Kinderwagen auf die Bühne. Auf dem Kopf trägt er eine Kamera, welche seine Sicht auf die Leinwand überträgt. Während der Strophen sehen wir normale Dinge: Die Musiker von Rammstein, das Publikum, das andere Ende des Stade de Suisse. Doch während den Refrains sehen wir ein ekliges Monstrum im Kinderwagen. Statt dass Till ihm wie im Text den Kopf abreisst und den Hals abbeisst, wird es übel verbrannt. Dass es Till dabei gut geht, ist natürlich allen klar. Aus dem Mund des Baby-Monsters strömen schwarze Papierfötzeli und zur Verstärkung des Effekts wird auch das Publikum sowohl vom hinteren als auch vom vorderen Stadionende ebenfalls damit zugedeckt. Episch!

Nach «Heirate Mich», bei welchem schon wieder für mächtig Flammen gesorgt wird und «Diamant», welches mich weder auf dem Album noch live besonders zu überzeugen vermag, wird es elektrisch. Ein DJ steigt in einem Lift zwischen den beiden Streichhölzern empor und es ertönt ein «Deutschland»-Remix. Auf der Bühne gibt es eine Show mit mehreren Tänzern. Hmm, okay. Das Publikum kann damit wohl nicht gross etwas anfangen. Als Opener hätte sich ein solcher Auftritt wahrscheinlich besser geeignet als das Klavier-Duo, aber während dem Set passt das Ganze irgendwie nicht.

Nach einigen Minuten ertönt dann endlich das richtige Intro zu «Deutschland» und die Jungs zeigen sich wieder auf der Bühne. Vor uns öffnet sich eine riesige Moshpit-Fläche und kurzzeitig hat man echt keine Chance mehr, sich vom Fleck zu bewegen. Da vorne scheint es richtig abzugehen! Auch «Radio» macht Spass. Der Moshpit hat sich zum Glück wieder beruhigt und auch wir können wieder normal atmen.

Es folgt die nächste grosse (und schon bekannte) Show-Einlage: das Koch-Rezept «Mein Teil» frei nach Till Lindemann und Christian «Flake» Lorenz. Während Till von weichen und auch harten Teilen auf der Speisekarte singt, kocht er als blutrünstiger Metzger verkleidet den ängstlichen Flake, welcher in seinem Kochtopf aber munter weiter auf die Tasten drückt. Als wäre dies noch nicht genug, bekommt Flake anschliessend einen feuerfesten Anzug und wird durch mehrere Feuerstösse aus Tills Kanone weitergegart. Da Nummern wie «Bück Dich» und «Ich Tu Dir Weh» heute im Programm fehlen, bleibt Flake von anderen Folter-Einlagen aber mehrheitlich verschont.

Bei «Du Hast» gibt es den ebenfalls bekannten Effekt mit den Pyro-Seilen über den Köpfen der Besucher. Die Flammen ziehen sich in einigen Metern Höhe mehrmals durch das ganze Stadion. Richtig heiss wird es dann aber bei «Sonne». Rund um uns stechen riesige Flammen in den Himmel; untermalt wird das Spektakel von gelbem Scheinwerfer-Licht.

Für die Pflicht-Ballade «Ohne Dich» wäre es wohl gedacht gewesen, dass man die beim Eingang kostenlos verteilten und mit dem Titel bedruckten Feuerzeuge in die Luft hält. Bei dem angenehmen kühlenden Wind erweist sich dies allerdings als schwer bis unmöglich. Nach dem Song verschwindet die Band. Nach eineinhalb Stunden könnte dies gut der Schluss sein, aber angekündet wurde eigentlich eine längere Show. Wie erwartet ist es aber nicht das Ende; es ist noch nicht mal das obligatorische Verschwinden vor dem Zugabe-Block.

Ohne Instrumente, aber mit je einem Mikrofon ausgestattet finden sich die sechs Musiker wieder auf der Plattform über dem Tech-Zelt, wo zuvor noch das Klavier-Duo aufgetreten ist. Auch die beiden Französinnen sind wieder da und sitzen an ihren Klavieren. Sie untermalen den Gesang zu «Engel» musikalisch, was sich als extrem gelungene Nummer erweist. Per Animation – Till richtet wie gewohnt während der ganzen Show kein Wort an das Publikum – werden die Besucher aufgefordert, ihre Handylampen anzumachen. Diese ruhigere Version von «Engel» mit dem rauen Gesang kommt gut an und überzeugt zumindest mich persönlich viel mehr als z.B. die Piano-Version zu «Mein Herz Brennt».

Nach diesem Stück rudert ein Teil der Band auf Schlauchbooten über das Publikum wieder zurück zur grossen Bühne. Nach dieser Anspielung auf das zuletzt erschienene Musik-Video folgt mit dem dazugehörigen Track «Ausländer» der letzte Song des aktuellen Werks. Oh, wow! Mehr bleibt eigentlich nicht zu sagen…

Bei den nächsten beiden Songs «Du Riechst So Gut» und «Pussy» werden wieder bekannte Show-Elemente hervorgeholt: Till schwingt Pyro um sich her und Paul Landers und Richard Kruspe tragen ihr Pyro auf der Gitarre. Während «Du Riechst So Gut» fällt mir ziemlich stark auf, was mich an Live-Shows von Rammstein schon immer ein wenig störte. Knackige Elemente wie gewisse Riffs, Pausen und Drum-Fill-Ins, welche die eigentliche Härte der Songs markieren, werden zwischendurch einfach weggelassen. Stattdessen hört man irgendeinen Disco-Beat. Das ist aber wirklich Nörgeln auf höchstem Niveau, denn trotz diesem kleinen Negativpunkt liefern Rammstein immer und immer wieder geniale Shows.

Ist denn nun fertig? Man könnte es mein, doch die ehemaligen Ostdeutschen lassen sich zu zwei weiteren Songs hinreissen: Mit «Rammstein» wird noch einmal eine extrem spannende Stimmung erzeugt, während bei «Ich Will» der Stadionrock zum Abschluss noch einmal richtig zelebriert wird. ‘Könnt ihr mich hören? Wir hören dich!’ Dazu stehen nun endlich die beiden grossen Streichhölzer in Flammen.

Nach den letzten Songs, einigen gestenhaften Danksagungen und einigen wenigen dankbaren Worten aus Tills Mund verschwinden Rammstein unter dem Bühnenboden, um kurz darauf auf dem Lift zwischen den Streichhölzern hochzufahren. Winkend verabschieden sie sich vom Berner Publikum und explodieren hinter der Leinwand.

Das Fanzit

Von Rammstein ist man sich gute Shows einfach gewohnt. Wenn jemand Zweifel an der aktuellen Tour gehegt hat, hatten diese wahrscheinlich mit der Einbindung der neuen Songs zu tun. Auch hier wurde aber alles richtig gemacht: Fast alle der neuen Songs konnten gespielt werden und sie sorgten mehrheitlich für sehr gute Stimmung. Rammstein kombinierten bereits bekannte und neue Show-Elemente zu einem umfassenden audiovisuellen Spektakel, welches die Herzen der Fans stärker brennen liess. Einfach nur ganz grosses Kino! Ich persönlich freue mich auf die Show in Luxemburg, welcher ich ebenfalls beiwohnen werde.

Setliste Rammstein

  1. Was Ich Liebe
  2. Links 2 3 4
  3. Tattoo
  4. Sehnsucht
  5. Zeig Dich
  6. Mein Herz Brennt
  7. Puppe
  8. Heirate Mich
  9. Diamant
  10. Deutschland Remix
  11. Deutschland
  12. Radio
  13. Mein Teil
  14. Du Hast
  15. Sonne
  16. Ohne Dich
  17. Engel
  18. Ausländer
  19. Du Riechst So Gut
  20. Pussy
  21. Rammstein*
  22. Ich Will*

*Zugaben

Fotos Rammstein – Stade de Suisse Bern 2019 (Liane)


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