Metalinside.ch - Saxon - Z7 Pratteln 2022 - Foto Kaufi
Di, 11. Oktober 2022

Saxon, Diamond Head

Z7 (Pratteln, CH)
/ 01.01.2023

Das «S» steht für souverän!

Seit nunmehr 44 (!) Jahren sind die NWOBHM-Legenden Saxon aus der englischen Verwaltungsgrafschaft South Yorkshire in unserer Szene aktiv. Manch einer attestiert den Briten zurecht das Attribut «unverwüstlich». Anfang Februar dieses Jahres haben «Goldkehlchen» Biff Byford und seine Gefährten ihr mittlerweile 23. Studioalbum rausgehauen. Falls ihr wissen möchtet, wie die Kompositionen von «Carpe Diem» am Dienstagabend beim Z7-Publikum angekommen sind, lege ich euch die Lektüre dieses Berichts freilich ans Herz.

Dutti: Die noch junge Woche wartet früh mit einem grossartigen Highlight auf: Saxon statten Pratteln einen Besuch ab! Da die Herrschaften schon gefühlte hundert Mal in der Konzertfabrik aufgetreten sind, klingt das im ersten Moment zwar nicht sonderlich spektakulär, aber wer die stabilen Schwermetaller kennt, weiss, dass schlechte Shows definitiv nicht zu ihrem Repertoire gehören. Ich kann mich zumindest an keine Entgleisung von Biff und Kompanie erinnern. Die Vorfreude ist riesig! Es würde mich auch kein bisschen überraschen, wenn sich meine Stimme morgen dann wegen Heiserkeit eine Zwangspause gönnen muss. Aber lassen wir das doch einfach die Sorge des «Zukunfts-Dutti» sein und richten den Fokus wieder auf die Gegenwart.

Die aktuelle Rundreise hört auf den Namen «Seize The Day»-Tour. Das ist nichts anderes als die englische Übersetzung des Titels der neusten Saxon-Scheibe. Dieser hat bei mir im Vorfeld doch eher skeptische Gedanken ausgelöst. Machen die Herren jetzt auf Entspannungs-Yoga und gemütliches Teeschlürfen? Sind die wilden Zeiten vorbei? Wird es von nun an spirituell und droht ein Abdriften in Weichspüler-Musik? Pustekuchen! Bereits die ersten Single-Veröffentlichungen – wie beispielsweise «The Pilgrimage» – haben jedem Hörer rasch gezeigt, dass der Fünfer nix von seinem Biss und der Fähigkeit des Komponierens von epischen Tracks eingebüsst hat. Ich bin zudem felsenfest davon überzeugt, dass mich das Liedgut auch im Live-Gewand vom Hocker hauen wird.

Saxon haben allerdings nicht bloss eine neue Platte mit im Gepäck, sondern ebenfalls ihre Landsleute von Diamond Head. Diese Truppe ist notabene eine der ersten Vertreterinnen des NWOBHM-Genres. Die Veteranen dürfen der helvetischen Zuhörerschaft unter anderem beweisen, dass das Stück «Am I Evil?» lediglich von Metallica gecovert wurde. Das Original stammt nämlich aus der Feder der Diamantköpfe. Und apropos Support, wenn sich Saxon Verstärkung ins Boot holen können, darf ich das sicherlich gleicherweise tun, oder? Gesagt, getan! Kollege Kaufi greift mir bei der heutigen Berichterstattung unter die Arme und wird dabei den Fotograben unsicher machen. Wundervoll, dass wir als fulminantes Duo endlich wieder einmal gemeinsam für metalinside.ch im Einsatz stehen dürfen.

Diamond Head

Dutti: In den Reihen der knipsenden Zunft bricht dann sogleich dezente Panik aus. Schuld daran ist die Frühstart von Diamond Head. Die Jungs legen – begleitet von einer Art «Jurassic Park»-Intro – schon um 19.45 Uhr los. Abermals wäre ein Timetable seitens Veranstalter hilfreich respektive wünschenswert gewesen… (aber das ist ein altbekanntes Problem in diesem sonst absolut tollen Laden).

Ursprünglich wollte ich mein Stimmorgan ja für den Headliner schonen, aber dieses Vorhaben wird rapide zerschmettert. Die Gruppe rund um den Lead-Klampfer (und noch einzig verbliebenem Gründungsmitglied aus dem Jahre 1976) Brian Tatler erwischt einen fantastischen Start und bringt die Fans schnell auf Betriebstemperatur. Der putzmuntere, dänische Frontmann Rasmus Bom Andersen wird bei den zahlreichen Mitsing-Abschnitten tatkräftig unterstützt. Puh, waren die beim Bang Your Head!!! 2017 ähnlich packend? Meine grauen Zellen sind sich diesbezüglich uneinig. Egal, heute ist das Quintett jedenfalls mit ordentlich Schmackes unterwegs. Das gefällt! Mein Setlisten-Höhepunkt heisst «In The Heat Of The Night» – sackstarke Hymne! Die Zeit vergeht wie im Flug. Kurz vor halb neun setzen die britischen Diamanten mit dem bereits zuvor angedeuteten «Am I Evil?» einen gelungenen Schlusspunkt.

Saxon

Dutti: Mit vorbildlich geölten Stimmbändern finden wir und schliesslich pünktlich um 21 Uhr wieder vor der Bühne ein. Nun schlägt die Stunde des Headliners! Wie werden «the mighty Saxon» abliefern? Zum Einstieg gibt’s direkt einmal das flotte «Carpe Diem (Seize The Day)» auf die Lauscher. Für mich persönlich nutzen die Künstler nicht nur den Tag, sondern den gesamten Spätherbst ihrer Karriere. Exakt wie ein edler Tropfen aus dem eigenen Weinkeller werden die Briten mit zunehmendem Alter schlichtweg besser und besser. Aus dem Schatten von Iron Maiden und Judas Priest werden sie mit grosser Wahrscheinlich niemals treten können, aber ungeachtet dessen weisen der mit schicker Uniform ausgestattete Biff und seine Mannen eine unfassbare Qualität auf. Trotz aller Routine droht die Show aber zu keinem Augenblick in Langeweile zu versinken. Das ist die hohe Kunst dieser exzellenten Musiker.

Selbst wenn das neue Eisen ausgiebig beworben wird, bleiben die Klassiker selbstverständlich keinesfalls auf der Strecke. Bei «I’ve Got To Rock (To Stay Alive)» kommen automatisch Erinnerungen an die Wacken-Einstimmungs-Videos von Harry Metal hoch und während «Dallas 1 PM» kitzeln die flinken Finger von Paul Quinn und Doug Scarratt markante Riffs aus ihren Saitenköniginnen heraus. Etwas später müssen die Besucher eine schwierige Entscheidung treffen: «Broken Heroes» oder «The Eagle Has Landed»? Das ist effektiv der einzige Nachteil bei dieser Band. Eigentlich möchte man bevorzugt sämtliches Liedgut von ihnen hören und sich nicht mit irgendwelchen Abstimmungen herumschlagen müssen. Am Ende siegen die «gebrochenen Helden». Eine überragende, stets für massenhaft Hühnerhaut sorgende Ballade! Mister Byford zeigt bei der Treffsicherheit der Töne keine Schwäche. Phänomenale Leistung des 71-jährigen Fronters! (Anm. Kaufi: So gehen die Geschmäcker zwischendurch auseinander – ich persönlich hätte hier lieber den landenden Adler gehört. Aber so what: Dutti hat absolut recht mit seiner Aussage über Biff. Unfassbar beeindruckend, in welcher fantastischen Verfassung der Kerl ist!)

Die Halle ist übrigens verdammt gut gefüllt. Meines Erachtens bewegen wir uns sogar nahe an der «Sold Out»-Grenze. Für einen Dienstagabend und die momentane Phase der schleppenden Ticketverkäufe ist das alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Das spricht dafür umso mehr für die Popularität von Saxon. Gerade die zahlreich vertretenen, älteren Semester in den Publikumsreihen halten den Engländern zweifelsohne seit etlichen Lenzen die Treue. Sie werden nicht enttäuscht. (Anm. Kaufi: Es wäre allerdings ein Irrglauben, dass sich „nur ältere Semester“ im Publikum finden. So feiert zum Beispiel ein grossgewachsener Kerl weit vorne die Engländer ohne Unterlass ab. Und das in komplettem Black Metal Outfit, inklusive phöse angemaltem Gesicht! Auch Pandas haben sichtlich Freude an Classic Rock…)

Selbst kleinere Überraschungen liegen drin – wie beispielsweise der Song «Metalhead». Ein geiler Kracher, den die Akteure da aus der Mottenkiste hervorgekramt haben. Gemäss setlist.fm war das Ding letztmals 2010 regelmässiger Programmbestandteil. In den beiden Zugabe-Blöcken wird ebenfalls nix dem Zufall überlassen und nochmals ein regelrechtes Hit-Feuerwerk entfacht, welches so manch andere Formation vor Neid erblassen lassen würde. Die quälende Wahl zwischen «Strong Arm Of The Law» und «Solid Ball Of Rock» bleibt uns glücklicherweise erspart. Biff erklärt kurzerhand, dass sie einfach beide Nummern spielen werden. Zum Abschluss entlässt uns die Prinzessin der Dampflokomotiven in die Nacht («Princess Of The Night»).

Das Fanzit – Saxon, Diamond Head

Dutti: Das «S» in Saxon steht für souverän! Die NWOBHM-Veteranen vermochten ihre schweizerische Anhängerschaft erneut zu begeistern – und das während stolzen 105 Minuten. Bleibt zu hoffen, dass die Gesundheit bei allen Parteien weiterhin brav mitspielt und die Herren demnächst noch nicht in Rente gehen müssen. Im altehrwürdigen Z7 wären sie auf jeden Fall stets willkommen. Diamond Head haben dank einer starken Performance ebenfalls Anerkennung verdient. Sie waren am heutigen Abend wahrlich die optimale Warm Up-Kapelle.

Kaufi: Da gibt’s kaum was zu ergänzen, werter Kollege. Saxon sind live in der Tat einfach eine Macht, schlecht können die nicht. Erfreulich auch, dass doch einige neue Songs im Programm zu finden sind und die Briten nicht wie viele andere gealterte Kollegen nur auf älteres Material setzen. Selbst wenn das dann heisst, dass Songs wie „Crusader“, „Power And The Glory“ oder auch das bereits erwähnte „The Eagle Has Landed“ gekippt werden. Aber wer weiss – vielleicht gibt es ja irgendwann doch mal wieder noch eine dreistündige Special Show oder so… Der Ausflug in die Nordwestschweiz hat sich jedenfalls gelohnt, DAS schleckt keine Geiss weg!

Setliste – Diamond Head

  1. The Prince
  2. Bones
  3. The Messenger
  4. In The Heat Of The Night
  5. Lightning To The Nations
  6. It’s Electric
  7. Helpless
  8. Am I Evil?

Setliste – Saxon

  1. Carpe Diem (Seize The Day)
  2. Sacrifice
  3. Age Of Steam
  4. I’ve Got To Rock (To Stay Alive)
  5. Dambusters
  6. The Thin Red Line
  7. Living On The Limit
  8. Dallas 1 PM
  9. Heavy Metal Thunder
  10. Broken Heroes (vom Publikum gewählt anstatt «The Eagle Has Landed»)
  11. Black Is The Night
  12. Metalhead
  13. And The Bands Played On
  14. Wheels Of Steel
  15. The Pilgrimage*
  16. 747 (Strangers In The Night)*
  17. Strong Arm Of The Law*
  18. Solid Ball Of Rock*
  19. Denim And Leather**
  20. Princess Of The Night**

*Zugabe 1

**Zugabe 2

Fotos Saxon, Diamond Head – Z7 Pratteln 2022 (Kaufi)


Wie fandet ihr das Konzert?

/ 01.01.2023
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