

Einmal abräumen bitte!
Einen knappen Monat nach Release des Zweitalbums «March Of The Unheard» verschlug es The Halo Effect am 2. Februar ins Kofmehl. Mit ihren Support Acts Pain und Bloodred Hourglass räumten die Göteborger so richtig ab.
Wer die eigentlich noch junge Band The Halo Effect schon mal live erleben durfte, weiss, was ihn heute in Solothurn erwartet: Melodic Death Metal göteborgischer Schule! Schliesslich haben wir es hier mit Veteranen des Genres zu tun. Alle Musiker waren mal bei In Flames dabei, bevor diese in die heutigen neumetallischen Gefilde abgedriftet sind. Als The Halo Effect wollen sie den je nach Ansicht etwas angestaubten Stil in die Moderne befördern. Dies taten sie 2022 mit Erfolg, als sie in Wacken ihr Live-Debüt gaben und auf ganzer Linie überzeugten. Kurz darauf folgte das Debütalbum «Days Of The Lost», einen Monat später die Europa-Tour mit Amon Amarth und Machine Head. Jetzt, da der zweite Silberling «March Of The Unheard» verfügbar ist, ist es höchste Zeit für eine Headliner-Tournee!
Dafür konnten die Schweden gleich zwei hochkarätige Support Acts verpflichten: Sowohl die finnischen Genrekollegen Bloodred Hourglass als auch die genretechnisch etwas abdriftenden Landsmänner Pain überzeugten in der Vergangenheit mit packenden Auftritten.
Entsprechend voll ist das Kofmehl, als wir es noch vor der ersten Band betreten. War die Halle schon immer so klein? Kaum zu glauben, dass ich hier bereits Arch Enemy und Powerwolf sah… An der Bar im Erdgeschoss bilden sich lange Schlangen, doch zum Glück hat die obere Bar ebenfalls geöffnet und kann uns innert nützlicher Frist mit kühlen Hopfengetränken versorgen. Dann noch weit vorne, aber ziemlich seitlich ein Plätzchen gesucht, und es kann losgehen!
Bloodred Hourglass
Ein kurzer Blick auf die Bühne verrät, dass wir uns für Bloodred Hourglass mit der rechten für die falsche Seite entschieden haben. Hier steht nämlich verhüllt das Schlagzeug von Pain direkt am Bühnenrand. Der finnische Opener hingegen darf ein bisschen mehr als die linke Hälfte der Bühne nutzen. Deshalb wirkt die Band während dem ganzen Auftritt etwas zusammengepfercht.
Trotz diesem Umstand machen Bloodred Hourglass ihren Job einmal mehr goldrichtig. Die harten und dennoch nie Melodien missen lassenden Kompositionen bahnen sich ihren Weg unaufhaltbar in die Gehörgänge. Zwar ist der Sound etwas breiig und nicht jedes Instrument immer gleich klar zu hören, doch tragen die dreistimmigen Gitarrenläufe das Gesamtkonstrukt souverän durch den Raum. So geben sich die sechs Musiker sehr selbstbewusst. Wohlwissend, dass ihr Sound gut ankommt.
Zeugen davon sind nämlich die headbangenden vorderen Reihen sowie das weiter hinten stattfindende wohlwollende Nicken, vor allem aber das ausbleibende Gequatsche. Nicht so wie bei Yu als Opener für Alligatoah, wo das dauernde Gebrabbel und Geplapper die Stimmung etwas knicken liess. Ein Blick in den vollen, ständig vom Stroboskop geblitzten Raum – auch die Galerie hat längst keine freien Front-Row-Plätze mehr – bestätigt: Bloodred Hourglass haben als Opener alles richtig gemacht.
Pain
Peter Tägtgren kennt man primär als Frontmann von Hypocrisy. Daneben hat und hatte der Multiinstrumentalist jedoch immer wieder bei weiteren Formationen die Finger im Spiel. Nicht nur als Produzent verschiedener Genregrössen (Amon Amarth, Children Of Bodom, Dimmu Borgir, Immortal…), sondern sogar an verschiedenen und manchmal gleich mehreren Instrumenten. Beispiele davon sind Bloodbath, Lindemann oder eben Pain. Sein langjährigstes noch immer bestehendes Projekt vermischt elektronische Industrial-Einflüsse mit poppigem Metal, was in der Szene für Freude und Abscheu zugleich sorgt.
Früher hatte ich so meine Mühen mit dem von Live-Musikern unterstützten Ein-Mann-Projekt. Doch seit die Schweden das Kofmehl vor eineinhalb Jahren zusammen mit Ensiferum, Eleine und Ryujin besuchten, bin ich dem Ganzen nicht mehr zwingend abgetan.
Trotzdem frage ich mich während den ersten paar Songs, wie genau die Wahl für den zweiten Act auf Pain fiel. Dass Peter bei The Halo Effect mitproduziert haben soll, schliesst eine kurze Recherche aus. Beide Alben wurden nämlich von Oscar Nilsson und Niclas Engelin (Leadgitarrist) produziert. Naja, wie auch immer. Spätestens bei «Call Me», dem dritten Song im Set, packen Pain ihre spassige Seite aus. Der Song wird vor dem Refrain schnell unterbrochen, um kurzerhand den Live-Gitarristen Sebastian Svalland in Joakim Brodén zu verzaubern. Der Song ist nämlich ein Featuring mit dem Sabaton-Sänger, welcher wiederum mit unzähligen Bands solche Kollaborationen rausgebracht hat. Mister Svalland imitiert Joakim humorvoll-überzeugend und das Eis ist gebrochen.
Ich für meinen Teil konzentriere mich der örtlichen Gegebenheiten und meiner persönlichen Präferenzen wegen vor allem aufs Schlagzeug. Hinter der gleich bei uns stehenden Schiessbude hat nämlich Peters Sohn Sebastian Tägtgren Platz genommen und malträtiert seine Kessel und Becken passend zu den Industrial-Kompositionen seines Vaters. Den Sohn trommeln zu lassen scheint so ein Musikerding zu sein. Hust hust, Cavalera, Dirkschneider, Collins, Starr, hust… Und wieso stehen Drumsets eigentlich nicht öfters am Bühnenrand?
Damit das Melodeath-Publikum nicht einschläft – ich begründe es jetzt einfach mal ganz provokant damit –, verkleiden Pain sich immer wieder mal. Scheinbar vor allem zu den ganz bekannten, eingängigen Songs. Bei «Go With The Flow» trägt Vater Tägtgren ein buntes Hawaiihemd und ein Fischerhüetli, während der Rest der Band in Einweg-Schutzanzügen herumläuft. Zusammen mit den vertikalen Neonleuchten und dem viel zu oft eingesetzten Stroboskop ergibt sich somit ein echt schräges Bild. Bei «Party In My Head» setzt das Quartett mit einem Mönchsmantel, bunten Plüschumhängen, Schneesportbrillen, einer Krone und gar einer in Plüsch gekleideten Gitarre nochmal eins obendrauf. Da ist der in Schutzanzug und Monstermaske gehüllte Unbekannte, der vor dem abschliessenden Song das Publikum zu den Synthi-Klängen von «Shut Your Mouth» animiert, direkt harmlos… Pain überzeugen das Publikum also nicht schlecht, greifen dabei jedoch zur Belustigung aller Anwesenden ein bisschen in die Trickkiste.
Die Setlist – Pain
- It’s Only Them
- Don’t Wake The Dead
- Call Me
- Zombie Slam
- Suicide Machine
- I’m Going In
- Go With The Flow
- Same Old Song
- The Great Pretender
- Party In My Head
- Have A Drink On Me
- Let Me Out
- Shut Your Mouth
The Halo Effect
Zurück zum Melodeath! Headliner des Abends ist ein Haufen, der für dieses Genre Pionierarbeit geleistet hat. Damit sind natürlich nicht The Halo Effect selber gemeint, sondern deren Musiker. Sie alle sind der Göteborger Metalszene entwachsen. Allen gemein ist zudem das ehemalige Mitwirken bei In Flames, wenngleich in unterschiedlichen Epochen. Sänger Mikael Stanne zum Beispiel war beim Debüt «Lunar Strain» Sessionsänger, bevor die Band Anders Fridén als langjährigen Frontmann gewinnen konnte. Fridén war zuvor für die Vocals bei Dark Tranquillity zuständig, worauf Mikael dort die Gitarre niederlegte und das Mikro übernahm. Die anderen Halos spielten hingegen zumindest abschnittsweise zusammen bei In Flames. Zuletzt war Gitarrist Niclas Engelin bei der inzwischen in den Metalcore abgedrifteten Band tätig, bevor er diese nach einer 2019 beginnenden Auszeit verliess. Und später The Halo Effect gründete. Ins feste Line-up und somit ins Songwriting wurde sogar Jesper Strömblad einbezogen, der live jedoch meist von Patrik Jensen ersetzt wird.
Diese Truppe, die sich zum Ziel nahm, den altehrwürdigen Göteborger Sound wieder zu entflammen, räumt gleich zu Beginn mit dem Titeltrack des neuen Albums «March Of The Unheard» ab. In viel Nebel und je nach Song variierenden Farbtönen getaucht ballern die fünf Musiker ihre Kompositionen in die Menge. Die Person am Licht lässt sich genauso mitreissen wie die erste Reihe, zeigt seine Begeisterung aber statt Headbangen mit erneut viel zu viel Strobo-Einsatz. Hrmpf. Dafür macht Herr oder Frau Tontechniker den Job sehr gut und lässt nur wenig Wünsche nach klarerem Sound offen.
Mikael Stannes Gutturalgesang ist sowieso sehr charakteristisch. Trotzdem ist es erstaunlich – und dank solider Abmischung gut wahrnehmbar – wie deutlich man ihn beim Growlen versteht. Der stets gut gelaunte Rotschopf zaubert mit seiner Performance einmal mehr vielen Besuchern ein Lächeln ins Gesicht. Dabei hören wir doch Deff Meddel?! Egal, die Schweden leben für ihren Sound und lassen sich ihre Freude anmerken. Im Gegensatz zu Pain verzichten sie auf sämtlichen Deko- oder Spass-Schnickschnack. Nur fünf Musiker, Nebel, Licht, und die Songs von zwei ehrlichen Alben. Das Resultat ist ein sehr atmosphärischer Auftritt, der zum Headbangen, Lächeln, Staunen oder schlicht In-Gedanken-Schwelgen einlädt.
Das Publikum erwidert den Enthusiasmus der Band. Ein gelegentlicher Blick zurück in die gut gefüllte Halle zeigt, dass das Kofmehl für die Acts eine coole Aussicht bietet. Fans auf zwei Etagen, dazu ein drittes Level mit scheinbar eingeschränktem Zugang und die beiden parallel zur Bühne aufsteigenden, ebenfalls von Zuschauern besetzten Treppen – rundum schaut man in glückliche Gesichter. Neun Songs vom Debüt und fünf vom aktuellen Album später ist es leider so weit: «Shadowminds» beschliesst einen intensiven Gig. Der minutenlange Jubel während der Verabschiedung beweist: Nicht nur ich habe The Halo Effect genossen!
Die Setlist – The Halo Effect
- March Of The Unheard
- Feel What I Believe
- In Broken Trust
- The Needless End
- Detonate
- Conditional
- Cruel Perception
- A Truth Worth Lying For
- Become Surrender
- What We Become
- Gateways
- Last Of Our Kind
- Days Of The Lost
- Shadowminds
Das Fanzit – The Halo Effect, Pain, Bloodred Hourglass
Auf vergleichsweise engem Raum erfüllten Bloodred Hourglass heute sämtliche Erwartungen an einen guten Opener. Genretechnisch tanzten Pain dann etwas aus der Reihe, verzückten das Publikum aber nicht zuletzt mit viel Blödelei. Die unangefochtenen Gewinner des Abends waren jedoch The Halo Effect. Überzeugt vom eigenen Schaffen und beflügelt von jubelnden Fans räumten die Göteborger bei ihrem ersten Headliner-Auftritt auf Schweizer Boden so richtig ab.
