Black Hole Fest – der sechste Streich
Anfang Mai 2025 ging das sechste Black Hole Fest (notabene die helvetische Ausgabe) in Aarburg über die Bühne. Finstere und teuflische Klänge dominierten drei Tage lang die örtliche Musigburg. Die Fans kamen trotz des verhältnismässig unbekannten Programms in Scharen und glänzten sowohl in als auch ausserhalb der Location mit Feierlaune. Fotograf Fredy und Schreiberling Dutti mischten sich für euch unter die Schwarzmetaller.
Donnerstag, 01.05.2025 (Warm Up) – Start nach Mass
Am 01. Mai hat der liebe Dutti frei. Deswegen ist ein Besuch der Warm Up-Show für das Black Hole Fest VI die ideale Beschäftigungstherapie. Auf nach Aarburg! Drei Tage gefüllt mit diversen schwarzmetallischen Akustik-Botschaften erwarten uns. Allerdings haben die Black Hole Agency-Oberhäupter Tamara und Reto dieses Mal – zumindest aus meiner Perspektive – einige Gruppen verpflichtet, die man bisher mehrheitlich nicht wirklich auf dem Schirm hatte. Vielleicht täuscht mich mein Eindruck aber auch und die hartgesottenen Szenekenner stempeln mich für diese Aussage umgehend als Amateur ab – wer weiss? Ungeachtet dessen verbuche ich dieses anstehende, verlängerte Wochenende als Weiterbildungsseminar. Im Geschäftsalltag mögen diese Kurse jeweils verhasst sein oder als unnötige Zeitfresser betrachtet werden, aber in Bezug auf (Black) Metal-Musik sind sie mir wahrlich stets willkommen.
Mein nächtliches Quartier wird – wie bereits im vergangenen Jahr – ein Hotel namens «Holiday Inn Express Aarburg-Oftringen» sein. Von dort aus gelangt man entweder zu Fuss oder mittels kurzer Busfahrt zu der musikalischen Location. Aufgrund der angenehmen Wetterlage entscheiden sich meine Kumpels und ich für die sportliche Variante. Dadurch wird der Körper in Form gebracht und das Wegbier setzt nicht direkt zu sehr an.
Nach einem erfolgreichen Marsch erreichen wir schliesslich unser Ziel, nehmen die Festivalbändchen entgegen und decken uns mit den essenziellen Verzehrkarten ein. Anschliessend geben wir uns den munteren Begrüssungsritualen hin. Knipser Fredy ist ebenfalls bereits am Start. Die Zeit bis zum ersten Auftritt überbrücken wir engagiert mit der Dezimierung des hiesigen Gerstensaft-Bestands. Die verwendeten Becher lassen sich dank eines kleinen Griffs optimal am eigenen Gurt befestigen. Ausserdem sind die Trinkgefässe mit dem Motto der Organisatoren beschriftet: «Black Metal – von Wenigen geschätzt, für uns geschmiedet!» Diesem Leitsatz halten wir selbstverständlich die Treue. Also, meinetwegen dürfte es nun gerne mit den Live-Beschallungen losgehen. Wie seht ihr das?
Die Fotos – Impressionen Warm-up
Ghörnt
Die Verantwortung für die Eröffnungszeremonie bleibt in schweizerischer Hand. Allerdings sind Ghörnt in diesem Jahr effektiv die einzigen Vertreter unseres Landes. Vielleicht hätte man irgendwo im Line-up noch etwas Platz für eine weitere CH-Equipe schaffen können. Aber an den gehörnten Kerlen erfreuen wir uns natürlich trotzdem, denn schliesslich zelebrieren sie heute Abend offiziell die Veröffentlichung ihres neusten Eisens «Bluetgraf». Zwei Stücke davon – «Vlad» und «För emmer» haben es in die Setlist geschafft. Sollte irgendjemand Zweifel daran gehabt haben, ob sich der Luzerner Dialekt wirklich für hasserfüllten Black Metal eignet, wird er hier gerade von Fronter Thulus eines Besseren belehrt. Mein persönliches Highlight ist der Kracher «Häxesabbath», welcher uns schonungslos seine messerscharfen Klauen in die Nackenmuskeln rammt.
Kritik müssen sich die Herrschaften lediglich wegen des holprigen technischen Starts und des Nichtausreizens der verfügbaren Spielzeit gefallen lassen. In einer Viertelstunde hätte man sicherlich nochmals zwei weitere Lieder (oder eventuell eine Platten-Tauf-Prozedur) einbauen können. Aber ansonsten darf die Angelegenheit als gelungen erachtet werden. Ich flitze nun jedenfalls zum Merchandise-Stand, um mir rasch ein «Bluetgraf»-Exemplar für meine Sammlung zu sichern.
Die Setlist – Ghörnt
- Nedchrescht
- D’Zeremonie
- Häxesabbath
- Zerschtört
- S tote Land
- Folter
- Vlad
- Alpdämon
- För emmer
Lamp Of Murmuur
Mit der nächsten Formation hatte ich bereits am diesjährigen Dark Easter Metal Meeting in München das Vergnügen. Lamp Of Murmuur (kultiger Name!) stammen aus den Vereinigten Staaten und bringen den inzwischen vollen Saal ohne Schwierigkeiten zum Headbangen. Verzweifelt dürfte dagegen Kollege Fredy sein. Die Lichtverhältnisse lassen nämlich lediglich äussert sporadisch Blicke auf die schemenhaften Gestalten zu. Ich erkenne immerhin, dass der Sänger mit Kapuze und Umhang unterwegs ist. Ob das die Nachwelt in fotografischer Form jemals zu Gesicht bekommen wird, steht hingegen auf einem anderen Stern. Dafür bleibt mehr Spielraum, um sich komplett auf die Musik zu fokussieren (gänzlich ohne Ablenkung). Und in dieser Disziplin muss ich den Amis ein Kränzchen winden. Die heutige Leistung ist weitaus besser als diejenige in Deutschland. Sie bringen ordentlich Groove mit (und verleiten mich wohl später mit grosser Wahrscheinlichkeit zu weiteren Investitionskäufen auf dem «Merchandise-Aktienmarkt»).
Die Fotos – Lamp Of Murmuur
Spectral Wound
Wir bleiben gleich westlich des Atlantiks und gehen jetzt noch etwas mehr nach Norden. So landen wir schliesslich in Kanada, dem Herkunftsland von Spectral Wound. Wird die Belüftungssituation in der Bude allenfalls wieder zu einem Faktor? Es sind zumindest stickige Anzeichen vorhanden. Da kommt das frostige Intro, welches in diesem Augenblick aus den Boxen schallt, just wie gerufen. Dazu wird die Bühne grosszügig eingenebelt. Mit einem satten «Ugh!» startet das Quintett in sein Set. Die Akteure setzen bevorzugt auf die Depressive- respektive Suicidal-Schiene. Instrumental ist die Sache zweifellos packend und Spectral Wound drücken fürwahr auf das Gaspedal. Melodiöse Abschnitte kommen ebenfalls zum Handkuss. Beim Gesang von Jonah würde ich mir hingegen etwas mehr Kraft wünschen. Und auch die Backing Vocals von Basser Sam könnte noch eine zusätzliche Umdrehung an den Lautsprecherreglern vertragen. Abgesehen davon werden die Zuschauer jedoch bestens unterhalten.
Sarkrista
Der Kollegenkreis meint, dass mir Sarkrista gefallen müssten. Na dann, für Empfehlungen bin ich natürlich immer offen und in diesem Bereich traue ich meinem Umfeld eigentlich meistens über den Weg. Angeführt von Frontmann Revenant, der einem mit seinen dämonischen Augen direkt die Seele aus dem Körper zu ziehen scheint, wagt sich der Fünfer aus Schleswig-Holstein an die Aufgabe des Rausschmeissers. Die Publikumsreihen haben sich zwar minim gelichtet, aber es ballert trotzdem! Mit Demona an der Gitarre steht heute Abend auch zum ersten Mal ein Mädel auf der Bühne im Einsatz. Tieftöner-Hüne Skratte und Klampfer Frostvandrer setzen derweil auf nackte Oberkörper. Soundtechnisch bewegt sich die Truppe irgendwo zwischen Marduk und Uada. Revenant – notabene ein richtiger Apparat von einem Kerl – agiert selbstbewusst und legt am Ende der Zugabe-Nummer «The Lurking Giant» mittels Mic Drop einen gepfefferten Abgang hin. Ein Abschluss nach Mass!
Die Setlist – Sarkrista
- …Still Lurking
- The Gathering Of Blackest Shadows
- Sworn To Profound Heresy
- Psalms Of Impious Malice
- Summoners Of The Serpents Wrath
- As The Voids Mouth Opens
- Black Devouring Flames
- The Lurking Giant
Die Fotos – Sarkrista
Das Fanzit – Warm Up
Der Start in den diesjährigen, helvetischen Black Hole Fest-Reigen ist freilich geglückt. Am heutigen Abend vermochten insbesondere Lamp Of Murmuur und Sarkrista zu überzeugen. Es tut gut zu sehen, dass sich die Warm Up-Session zu implementieren scheint und von den Gästen wertschätzend angenommen wird. Möge sie ebenfalls für künftige Ausgaben weiterhin ein fixer Programmbestandteil sein!
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Freitag, 02.05.2025 (Tag 1) – Frostige Mucke in der «Sauna-Burg»
Nach der gestrigen Aufwärm-Runde kann das Black Hole Fest VI heute so richtig losgehen! Ich kenne praktisch keine Band und bin somit ziemlich gespannt, auf die bevorstehenden Horizonterweiterungen. Manchmal ist es aber schlichtweg besser, ohne irgendwelche Vorkenntnisse oder Vorbelastungen ins Rennen zu gehen. Auf diese Art und Weise kann man sich nämlich vollends auf die Musik einlassen und unverblümt in die akustischen Erzeugnisse eintauchen. Doch zuvor geniessen wir den Sonnenschein im Aussenbereich und weisen den ersten «Hopfenblondinen» den Weg durch die Speiseröhre.
Die Fotos – Impressionen Tag 1
Magoth
Die aus dem deutschen Bonn stammenden Magoth eröffnen schliesslich um 16.30 Uhr den Festival-Freitag. Die vier Herrschaften tragen allesamt Kapuzen und es sieht aus, als ob ihnen Hörner aus den Köpfen wachsen würden. Diese an den ägyptischen Gott Anubis erinnernden Schädelbedeckungen haben definitiv ihren Reiz. Zudem stehen diverse Konstrukte auf der Bühne, welche mit diabolischen Emblemen – wie beispielsweise dem Pentagramm oder dem Leviathan-Kreuz – verziert sind. Die Stücke der Gruppe bauen auf einen galoppierenden Rhythmus. Beim zweiten Track «Declaring Eschaton» kommt richtig Hass in die Hütte. Da das Gros der Leute noch draussen herumstiefelt, ist die Luft im Saal bisher absolut erträglich. Alles in allem ein solider Auftakt auf welchen gerne weitere Performances folgen dürfen.
Die Setlist – Magoth
- Sinister Forces Arose
- Declaring Eschaton
- Above The Sacred Lands
- Sola Scriptura
- Converging The Void
- Ascension
- Cosmic Termination
- Entering The Cavern Of Grief
- Thorns
Ad Mortem
Auch Ad Mortem sind in Deutschland beheimatet und gehen nun als zweite Formation an den Start. Das ist Black Metal exakt nach meinem momentanen Gusto. Schnörkellos, eisig und boshaft – bravo! Viel mehr «Tamtam» ist manchmal gar nicht nötig. Möglicherweise mag dies gewissen Zuhörern ein bisschen zu stumpf rüberkommen, aber jeden Nerv kannst du sowieso nie treffen. Patronengurte sind bei diesen Jungs übrigens glasklar das «Must-have» Accessoire. Die ihnen zur Verfügung stehenden 60 Minuten nutzen die Musiker dazu, um uns eine kleine Auswahl ihrer bisherigen Werke zu präsentieren. Im vergangenen Jahr haben sie mit «In Honorem Mortis» ihr Debüt-Studioalbum veröffentlicht. Ansonsten sind in der Diskographie der Sachsen primär Demo- und Split-Aufnahmen zu finden.
Die Setlist – Ad Mortem
- Von hohen Himmeln
- Größer als das Leben
- Crown Of Hate
- Todesstreben
- Dem Tod zu Ehren
- Auf kalten Gräbern
- Tenebris Saeculum
- Ad Mortem
- Totenkult
Die Fotos – Ad Mortem
Vananidr
Mit den Schweden Vananidr hatten meine Freunde und ich schon zur Mittagszeit das Vergnügen. Im nahegelegenen Restaurant Bahnhof Aarburg nahmen sie nämlich gleich neben uns sitzend ebenfalls eine kulinarische Stärkung ein. Damals noch mit ungeschminkten Antlitzen. Das sieht jetzt in der Musigburg deutlich furchteinflössender aus. Musikalisch schimmern gelegentlich ihre skandinavischen Qualitäten durch. Insgesamt dürfte das Gezeigte aber ruhig noch eine Stufe mitreissender rüberkommen. Die Publikumsreihen sind komischerweise nach wie vor eher licht. Womöglich benötigt selbst der düsterste Schwarzmetaller keine andauernde Finsternis, sondern hat gegen ein wenig Sonne und angenehmes Klima bedeutend weniger einzuwenden als man denkt.
Die Setlist – Vananidr
- Forest Of Grief
- In Silence Descend
- Awake
- Hunter
- Cold Dead Skin
- Far Beyond
- Dressed In Pain
- Black Feathers
- Apostle Of The Apocalypse
Die Fotos – Vananidr
Blackbraid
Für das nächste Projekt gingen im Vorfeld des Events ebenfalls einige Hörempfehlungen raus. Atmospheric Black Metal kombiniert mit indianischen Einschüben? Das klingt tatsächlich verdammt interessant! Aushängeschild Sgah’gahsowáh imponiert der Masse – jep, mittlerweile ist die Location rappelvoll – mit seinem gestählten Oberkörper. Das verleitet insbesondere die weiblichen Gäste dazu, die eigenen Augäpfel weit aufzureissen. Der Fünfer zockt schwungvoll und mausert sich rasch zum heutigen Tageshighlight. Die gelegentlichen Flöteneinsätze sind nicht zu verachten. Später ist ein Abstecher zur Merchandise-Ecke fraglos Pflicht! An dieser Stelle gebührt der Black Hole Agency ein grosses Dankeschön. Es ist jedes Mal aufs Neue faszinierend, wie sie es schaffen, solche Perlen aus dem tiefen, schwarzmetallischen Ozean herauszufischen und uns vor den Latz zu knallen. Dafür nimmt man auch die Strapaze einer schweisstreibenden Musigburg ohne Murren auf sich. Werden wir am Ende etwa noch «geweihraucht»? Damit wären dann wohl sämtlich bösen Geister endgültig vertrieben.
Die Fotos – Blackbraid
White Death
Finnische Mucke? Immer her damit! Die Nordmänner haben mit Heinrich Von Heretik sogar einen Live-Tastenklimperer mitgebracht. Mikro-Krächzer Vritrahn benötigt für seine extrem stachligen Armschienen zweifelsohne einen Waffenschein. Sein Outfit ist generell komplett der kontroversen Sparte zuzuordnen. Exakt formuliert trägt er eigentlich bloss Cape, Kapuze, einen Patronengurt und einen äusserst knapp gehaltenen Gliedschutz. Für den Beobachter tritt hier somit das «Unfall-Phänomen» auf den Plan: Du willst eigentlich nicht hinschauen, tust es dann aber trotzdem. Die spinnen, die Finnen! Im Rahmen dieser Vorführung haben wir erneut mit einer Gratwanderung zwischen Genie und Wahnsinn das Vergnügen. Auf White Death trifft allerdings hauptsächlich das zweite Attribut zu.
Die Setlist – White Death
- Intro
- Born From The Unholy Fire
- Immortal Hunter Of The Moon
- Iconclast
- Celestial
- Goat Emperor
- Warpath
- Cunt
- To Die A Thousand Times
- White Death’s Power
Die Fotos – White Death
Wrang
Die heutige Prügel-Einheit, welche uns in die Nacht hinaus befördern soll, stammt aus der niederländischen Domstadt Utrecht. Das passt mit den Abbildungen auf ihrem Band-Logo respektive -Wappen zusammen. Der grossgewachsene Fronter Galgenvot lässt seine stechenden Blicke durch die dezimierten Besucherreihen schweifen. Seinen Mikrofonständer packt er jeweils nicht gerade mit Samthandschuhen an. Man könnte es natürlich auch als Stabilitäts-Test verstehen. Musikalisch haben wir es mit einem kompromisslosen Rausschmeisser zu tun. Bassist Y.S. mutiert zum fleischgewordenen Propeller und deckt zudem die Backing-Vocals ab. Die «Ugh»-Rufe verzücken die Zuhörerschaft. Die einstündige Lärm-Sequenz wird schliesslich mit einem hässlichen Mic Drop würdevoll beendet.
Die Setlist – Wrang
- Liturgie
- Haatspraak
- Voor Ons De Zee (Neuer Song)
- Doodgeslagen Onschuld
- Afgunst
- Propaganda Der Afvalligen
- Domstad Swart Metael
- Morbide Delirium
Die Fotos – Wrang
Das Fanzit – Freitag
Sonderlob muss nach dem heutigen Tag aus meiner Sicht definitiv an Ad Mortem und Blackbraid gerichtet werden. Doch unter den anderen Equipen habe ich ebenfalls wieder vielversprechende Kandidaten für künftige Begegnungen kennengelernt. Die Musigburg war ehrlich gesagt bei vergangenen Ausgaben des Festivals schon voller, aber der Sauna-Effekt hat trotzdem abermals eingesetzt.
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Samstag, 03.05.2025 (Tag 2) – Ein «Zaubertrank» namens Lonkero
Und schon sind wir beim letzten Festivaltag angekommen. Weshalb müssen diejenigen Dinge im Leben, welche am meisten Spass machen und Freude bereiten, eigentlich immer zu schnell zu Ende gehen? Unerklärlich! Aber was will man machen? Geniessen wir diese finalen Stunden innerhalb der schwarzmetallischen Gemeinschaft und verschwenden (noch) keinen Gedanken an das Morgen.
Der Aussenbereich öffnet bereits um 13 Uhr. Nach einer Stärkung aus der «italienischen Fladenbrot-Abteilung» ist mein Grüppchen fraglos bereit für das bevorstehende Abenteuer. Noch ist es ziemlich sonnig. Vereinzelte Regengüsse wurden erst für später angekündigt. Ein bisschen Abkühlung kann sicherlich nicht schaden. Ehe diese meteorologisch eintrifft, hole ich sie mir in flüssiger Form beim Getränkewagen ab. Entgegen den Warnhinweisen gewisser Kollegen wage ich mich heute in die Fänge des finnischen Dosen-Gemisches namens Lonkero. Grapefruitlimonade trifft auf Gin. Verflucht süffige Sache! Und da euer geschätzter Dutti wieder einmal den attraktiven und charmanten «Thekenmädels» verfallen ist (er lernt es einfach nie!), folgen rasch ein paar weitere Alu-Behältnisse. Perkele!
Blood Countess
Wer nach den letzten Zeilen befürchtet, dass ich fortan beduselt in einer Ecke liege, befindet sich fürwahr gänzlich auf dem Holzweg. Das Band-Programm wird selbstverständlich unerschütterlich durchgezogen. Da kennt mein Metaljournalisten-Pflichtbewusstsein kein Pardon! Also, auf zur englischen Blutgräfin!
Erwartungsgemäss ist der Saal noch ziemlich leer, aber rasch wird klar, dass alle Abwesenden etwas verpassen. Das Frontmädel mit dem Künstlernamen «The Cuntess» (jep, tatsächlich so geschrieben) entpuppt sich als keifender, stampfender Giftzwerg. Beeindruckend, welche Energie sie da an den Tag legt. Regelmässig stachelt sie die Meute an. Ein Wunder, dass sie in den kurzen Pausen zwischen den einzelnen Liedern Wasser zu sich nimmt (ich hätte ja viel eher Blut erwartet). Unterstützt wird die zierliche Mikrofon-Hexe von vier männlichen Mitmusikern. Trommler Stephen Wilkinson feuert hinter seiner Schiessbude aus allen Rohren! Jawohl, die erste Truppe platziert die Messlatte schon in einer anspruchsvollen Höhe. Wie werden die weiteren Akteure darauf reagieren?
Die Setlist – Blood Countess
- Intro
- Storms Over Carpathia
- Orgasm Leading To Death
- Ad Altare Sanguinem
- Ferenc Nadasdy
- Sadistic Marchioness
- Ululation Of The Grief Stricken Peasants
- In Virgins Blood
Die Fotos – Blood Countess
Luciferian Rites
Die Mexikaner von Luciferian Rites, die sich in diesem Line-up garantiert den Exoten-Status sichern, schreiten mit leichter Verspätung zur Tat. Meine Zeitüberwachungsmaschine zeigt 16.45 Uhr an. Das im Hintergrund ständig flimmernde Band-Logo sorgt für leichte Irritationen. Weitaus irritierender – respektive für gespaltene Meinungen sorgend – ist der Gesang des Fronters. Gelegentlich streut er Heul-Attacken in seine Abschnitte ein, die ich als sittenwidrige Vereinigung zwischen Eule und Wolf beschreiben würde. Jedenfalls schlagen diese schrillen Töne den einen oder anderen Besucher in die Flucht. Doch es bleiben einige Hartgesottene übrig, die den Mittelamerikanern die Stange halten und sie angemessen unterstützen. Mich persönlich haut das Gezeigte auf lange Sicht leider nicht aus den Socken. Ansonsten wären die vorherigen Zeilen freilich positiver ausgefallen.
Die Setlist – Luciferian Rites
- When The Light Dies
- Eternal Misanthropy Of The Black Cosmos
- All Your Lies
- Oath Of Midnight Ashes
- Omnia Oscura
- Under The Devil’s Cross
- Bitter Wake Of Destruction
- Twilight Of The Dead Stars
Die Fotos – Luciferian Rites
White Rune
Mit einer weiteren Lonkero-Dose in der Pranke bin ich logischerweise ausgezeichnet gerüstet für die Performance von White Rune. Die Sauna-Liebhaber werden von Gitarrist Ruttokieli angeführt, der mit seinem Outfit durchaus danach aussieht, als ob er locker schnurstracks in die nächste Schlacht marschieren könnte. Des Weiteren ist der gute Mann für den Gesang verantwortlich. Sein Kollege am Bass trägt derweil ein schmuckes Petruskreuz um den Hals und der andere Saitenhexer auf der linken Seite lässt sein Instrument das eine oder andere Mal beinahe fliegen. Neben dem Intro «Eventide» werden uns mit «Nightweaver», «Mortal Eclipse» und «Arcane Journeys» gleich mehrere Songs vom kommenden Album präsentiert. Da können sich die Black Hole-Fans effektiv glücklich schätzen. Die Formation überzeugt und die oftmals angepriesene, finnische Qualität schimmert deutlich durch. Mit einem anschliessenden Merch-Abstecher meinerseits muss definitiv gerechnet werden.
Die Setlist – White Rune
- Intro – Eventide
- Nightweaver
- Mortal Eclipse
- The Iron Claws Of Satan
- Pestilence Upon Us
- The Sinister Force Of The Moon
- Hateful Shadows / Submerged In Sulphur
- Soulstorm
- Death At Sundown
- White Rune Rising
- Arcane Journeys
- Antrisch
Die Fotos – White Rune
Antrisch
Auf die nächste Truppe traf ich bereits am vergangenen Wochenende am Ragnarök Festival in Lichtenfels. Umgehauen hat mich die Sache damals nicht, aber bekanntermassen gebe ich allen Bands grundsätzlich oftmals mehrere Chancen. Was man Antrisch diskussionslos attestieren kann, ist die spürbare Hingabe für ihr Konzept. Sei es nei den Klamotten, dem Liedgut, den käuflich zu erwerbenden Artikeln, der Kommunikation auf ihren Social Media-Kanälen oder generell der Bühnen-Show – die Elemente der arktischen Expedition sind überall zu erkennen. Ein Kollege spricht etwas salopp von «alten Zug-Kondukteuren». Jedoch dürfte dieser Beschrieb der Angelegenheit nicht wirklich gerecht werden.
Sowohl optisch als musikalisch rufen Antrisch umgehend Vergleiche mit Kanonenfieber auf den Plan. Ich frage mich, wer sich hier wohl von wem hat inspirieren lassen? Eine kurze Recherche verrät jedoch, dass beide Lager das «Baujahr» 2020 aufweisen. Somit fällt ein allfälliger Vorwurf des Ideenklaus direkt vom Tisch. Meine Wenigkeit gehört eher zu den Sympathisanten von Noise und seinem Projekt. Ungeachtet dessen muss ich gestehen, dass Antrisch heute Abend eine ansprechende Leistung abliefern. Fronter Maurice Wilson weist gelegentlich Till Lindemann-Charakterzüge auf. Als bei einer Nummer dann plötzlich künstlicher Schnee auf die headbangenden Massen herabrieselt, sind die Leute hellauf begeistert. Das rundet die frostige Atmosphäre, welche die Protagonisten erzeugen, nachvollziehbarerweise gekonnt ab.
Quizfrage an die Leserschaft: Kennt ihr sonst noch eine Equipe, die eine komplett aus Koordinaten bestehende Hymne verfasst hat? Antrisch bieten aus dieser Kategorie einen Hörgenuss namens «IIIIII. 68° 15′ N 98° 45′ W – 68° 54′ N 98° 56′ W» an.
Die Setlist – Antrisch
- I. Festgefroren
- II. Wahnrationen
- III. In Perpetuum
- IIII. Ultima Ratio
- IIIII. Exodus
- IIIIII. 68° 15′ N 98° 45′ W – 68° 54′ N 98° 56′ W
- I. Aufbruchsignale
- II. Seilschaftargwohn
- III. Stirnschlag
Die Fotos – Antrisch
Order Of Nosferat
Als Order Of Nosferat aus dem Schatten heraustreten, wird mir auch klar, weshalb Sarkrista-Sänger Revenant über die vollen drei Tage auf dem Festivalgelände herumgestiefelt ist. Er ist nämlich nicht nur als Besucher unterwegs, sondern krächzt jetzt abermals ins Mikrofon. Diese blutverschmierte Bestie kann einem wahrlich das Fürchten lehren. Und wir haben gleich einen weiteren Wiederholungstäter im Einsatz: Wrang-Frontmann Galgenvot versucht sich dieses Mal an der Gitarre. Die Vampir-Vereinigung legt eine solide Darbietung auf das Parkett. Ich habe im Vorfeld etwas über mögliche Synthesizer-Orgien gelesen und war deswegen ein bisschen skeptisch. Aber das schien tatsächlich eine falsche Fährte gewesen zu sein. Die Herrschaften zocken animierenden Black Metal und treffen damit exakt den Nerv der Hörer.
Die Setlist – Order Of Nosferat
- Crossing The Shadowland
- Vampiric Wrath Unleashed
- Bloodwolves
- Beyond The Eternity Gates I Wait
- Rats And Pestilence Shall Conquer
- Fear The Unchained Ghoul
- My Final Breath
- The Cruel Awakening
Die Fotos – Order Of Nosferat
Koldbrann
Schritt um Schritt nähern wir uns der Zielgeraden. Die zweitletzte Mannschaft hört auf den Namen Koldbrann und stammt aus Norwegen. Serviert wird typisch kaltes Geballer aus dem Fjord-Land. Ähnlichkeiten zu Kampfar sind durchaus vorhanden. John Grave trägt einen ansehnlichen, stachligen Bass-Gurt. Sänger Mannevond raunt ins Mikro, dass sie irgendwann 2007 zum ersten Mal in der Schweiz gespielt haben. Offenbar sei dies entweder in Olten oder Uster gewesen (ich war jedenfalls als Zeitzeuge leider nicht vor Ort). Anschliessend bedankt er sich bei den Fans für deren langjährige Treue. Die «Ugh!»-Rufe sitzen und passen. Gegen Ende unternimmt der Herr am Tieftöner dann sogar noch einen kleinen Ausflug hinunter ins Publikum.
Die Setlist – Koldbrann
- Ingen Skånsel
- I Unaturens Vold
- Forstanden Seiler Sin Egen Sjø
- Maskiner Av Nihil
- Koldbrann
- Kaosmanifest
- Opium Fields Forever
- Totalt Sjelelig Bankerott
- Inhumanitær Inngripen
Thy Light
Die Durchführung der finalen Zeremonie gebührt den Brasilianern von Thy Light. Vor zwei Jahren konnten mich die Südamerikaner am Münchener Dark Easter Metal Meeting restlos überzeugen. Ihre schwermütigen Melodien luden zum Nachdenken ein und liessen die anwesenden Seelen gemächlich durch die Lüfte gleiten. Ob dies heute Abend in Aarburg abermals geschehen wird? Inszeniert wird die ganze Geschichte zumindest äusserst einlullend. Jede Menge Kerzenständer und Weihrauch-Wellen tun dazu ihr Übriges. Die kapuzentragenden Gestalten verbergen sich hinter einem Vorhang aus blauem Scheinwerferlicht. Paolo Bruno faucht die von Depressionen und Wehmut durchtränkten Zeilen in sein Mikrofon. Diese Schmerzen sind in Tat und Wahrheit spürbar. Mit «Unfurling Abyss» und «From Where Silence Calls» haben zwei frische Stücke den Weg in die Setlist gefunden. Schade nur, dass Thy Light ihr Ritual 15 Minuten zu früh beenden. Einen weiteren Track hätten wir garantiert noch ausgehalten.
Die Setlist – Thy Light
- Infinite Stars Thereof
- A Crawling Worm In A World Of Lies
- Unfurling Abyss (neuer Song)
- The Bridge
- From Where Silence Calls (neuer Song)
- In My Last Mourning…
Die Fotos – Thy Light
Das Fanzit – Samstag
An diesem letzten Festivaltag hinterliessen vor allem Blood Countess, White Rune und ein «Zaubertrank» namens Lonkero bleibende Eindrücke beim Verfasser dieses Artikels. Es war insgesamt erneut ein gelungenes Black Hole Fest mit zahlreichen Band-Entdeckungen. Der Besucheraufmarsch fiel im Vergleich mit den vergangenen Jahren etwas spärlicher aus, aber dafür war nicht ständig alles überfüllt. Die Running Order wurde dieses Mal mehrheitlich ziemlich gut eingehalten.
Und mit jeder Ausgabe wird deutlicher, dass Tamara und Reto hier effektiv ein familiäres Festival für Liebhaber der düsteren und finsteren Tonfolgen etabliert haben. Bravo! Die Vorfreude auf das siebte helvetische Black Hole Fest, welches vom 30. April bis und mit 02. Mai 2026 stattfinden wird, macht sich schon jetzt bemerkbar. Wer zuvor gerne noch dem Black Hole Fest Germania III einen Besuch abstatten möchte, müsste kurz vor den diesjährigen Weihnachtsfeiertagen in den Hellraiser-Club nach Leipzig pilgern. Die «Frost Edition» erwartet euch!