Orthodox – A Door Left Open
Hardcore, MetalcoreKlassischer Metalcore
Mit „A Door Left Open“ veröffentlicht die amerikanische Hard-/ Metalcore-Band Orthodox ein Album, das brutalen Metal bietet, ohne sich in Experimenten zu verlieren.
Geradlinig
Zwei Gitarren, die hauptsächlich Powerchords spielen, ein Bass für das Grundgerüst, ein schnelles Schlagzeug mit auffällig flacher Snare und ordentliche Growls – mehr brauchen Orthodox nicht für einen klassischen wie prägnanten Hardcore-Klang auf ihrem neusten Werk „A Door Left Open“.
Das Dargebotene der Saiteninstrumentalisten ist kaum erwähnenswert, der Fokus rückt umso mehr auf die Drums, die weniger, wie sonst gewohnt, nur taktgebend sind, als dass sie durch eine beeindruckend komplexe, schnelle Spielweise in den Vordergrund rücken und beinahe den Lead übernehmen. Platz für ein Solo bekommen sie trotzdem nicht. Weder Instrument noch Gesang bricht aus der Einheit heraus. Eine von wenigen Ausnahmen ist „Searching For A Pulse“. Hier wird einem Gitarristen kurz gewährt auf einer Tonleiter herumzurutschen. Ansonsten bleiben die Saiten unter dem Klangteppich.
Zu diesem entsprechend rhythmuslastigen Instrumentalboden gesellt sich der Gesang, der nicht wirklich mehr Melodie in das Klangbild bringt – hier wurden Lieder zum Headbangen und nicht zum Mitsingen geschrieben.
Sänger Adam Easterling verzichtet komplett auf Klargesang. Dieser hat, wenn überhaupt, nur durch Brann Dailors Gastbeitrag auf dem Track „One Less Body“ einen kurzen Auftritt, der sich aber rasch der Aufmerksamkeit des Hörers entzieht und so nicht ins Gewicht fällt. Easterling fokussiert sich bei seiner Darbietung vollständig aufs Growlen. Dies meistens in einer Weise, die dem Sprechgesang nicht fern liegt. Zum bewegenden Inhalt der Texte passend, was ebenfalls für das Genre Hardcore bezeichnend ist, taumelt der Gesang und somit das lyrische Ich emotional auf einem Drahtseil zwischen verzweifelt bis wahnsinnig.
Sicherlich ein Hörerlebnis, um sich aufgestaute Frustration und Ärger aus der Seele schreien zu lassen.
Ein richtiges Album
Zwölf Tracks mit einer Gesamtlänge von 32 Minuten lassen auf kurze Songs schliessen, was nicht falsch ist – der kürzeste, Body Chalk, dauert weniger als zwei Minuten. Alternativ könnte aber auch von einem Track mit einer Gesamtlänge von 32 Minuten gesprochen werden. Denn wer nicht genau hinhört oder das Album visuell vor sich hat, ob nun digital oder in Form einer physischen Kopie, kann schnell mal den Wechsel von einem Song zum nächsten verpassen. Dieser erfolgt meist lückenlos, stellenweise hat man sich als Überbrückung für Samples von kurzen gesprochenen Dia- oder Monologen entschieden, die ebenfalls Anwendung in B-Teilen finden, B-Teile die (nicht nur) dadurch ebenso gut den nächsten Track einleiten könnten. Erst das am Ende des letzten Stücks des Albums an Ausatmen erinnernde Ausklingenlassen der letzten Gitarrenklänge setzt so etwas wie einen Schlusspunkt.
Der Effekt von fehlender Abgrenzung von einem Lied zum nächsten wird nicht nur durch gekonnte Übergänge erzeugt, man macht es sich einfach, indem man nebst Innovation und dadurch entstehenden Wiedererkennungswert ebenso auf Stilbrüche verzichtet. So fehlt etwa trotz schwerer Inhalte wie Trauer, Traumas und Tragik die für ein solches Album eigentlich unerlässliche Metalcore-Ballade. Doch auf dem schnellen, eng getakteten „A Door Left Open“ wird diese nicht vermisst.
Auf die Bühne
Das Mastering drückt auf die Ohren, dass es sich hier um eine aufwendige Studioproduktion handelt, dennoch klingt das Album wie für die Bühne geschaffen. Die Struktur praktisch jedes Songs läuft auf einen „Zeitpunkt des Ausrastens“, im Fachjargon Breakdown genannt, hinaus. Vielleicht kam bereits im Studio die Idee auf, mit der Darbietung der neuen Werke sich als Vorgruppe von anderen (grösseren) Bands durch das Öffnen grosser Moshpits beweisen und so neue Hörer abholen zu können.
Das Fanzit zu Orthodox – A Door Left Open
Metalcore Fans, die auf der Suche nach (ihnen) noch unbekannten Künstlern sind, ohne sich den Ergüssen von Bands aussetzen zu wollen, die behaupten eine neue Stilrichtung geschaffen zu haben, werden an „A Door Left Open“ Spass haben. Das Album ist schnell, brachial und wütend, also das, was man von Hardcore geboten bekommen will.
Mir persönlich hat das Album ebenfalls Freude bereitet. Gerade während des Sporttreibens haben mich die treibenden Tracks angetrieben, doch nach einigen Hördurchgängen merkte ich, dass ich eine Pause von „A Door Left Open“ brauche, ansonsten würden mir die Lieder verleiden.
Vielleicht ist das ein Album, das man sich am Merchtisch von Orthodox holen soll, nachdem man eine begeisternde Show von ihnen gesehen hat, so dass die aufgezeichneten Klänge stets mit Erinnerungen an das energiegeladene Konzert in Verbindung stehen.
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Die Tracklist – Orthodox – A Door Left Open
1. Can You Save Me?
2. Body Chalk
3. Dread Weight
4. Blend In With The Weak (feat. Matt McDougal)
5. Godless Grace
6. Keep Your Blessings
7. Sacred Place
8. Step Inside
9. One Less Body (feat. Brann Dailor)
10. Searching For A Pulse
11. Commit To Consequence (feat. Andrew Neufeld)
12. Will You Hate Me?
Line-up – Orthodox
- Adam Easterling – Vocals
- Austin Evans – Guitars
- Shiloh Krebs – Bass
- Ben Touchberry – Guitars
- Mike White – Drums