

«Thrash-König» in Zürich
Slayer-Saitenhexer Kerry King gastierte mit seinem selbstbetitelten Solo-Projekt am Montagabend im Zürcher Komplex 457. Vermochten er und seine erprobten Mitstreiter zu überzeugen, oder wäre die Angelegenheit eher ein reiner Fall für Studio-Experimente? Am Ende dieses Artikels werdet ihr mehr darüber wissen.
Wir beginnen mit ein wenig Historie. Manch einer behauptet, dass die aktuellen Miseren und Krisen auf unserem Planeten erst so richtig ins Rollen gekommen sind, nachdem sich die Thrash Metal-Giganten Slayer Ende 2019 aufgelöst haben. Etwas Wahres scheint da tatsächlich daran zu sein, denn kurz darauf stürzte uns die Corona-Pandemie regelrecht ins Verderben und veränderte bedauerlicherweise zahlreiche Dinge und Gedanken… Viel weiter möchte ich jedoch nicht darauf eingehen, da wir alle diese Sache wahrlich oft genug «durchgekaut» haben.
In Bezug auf den Abgang von Slayer war die Enttäuschung bei den Fans jedenfalls gross. Viele hätten der Band diskussionslos noch ein paar weitere, erfolgreiche Jahre zugetraut. Die Abschiedstournee machte im November 2018 auch in Oerlikon halt (siehe Review von Domi the Stick und Vedi). Meine Wenigkeit verliess die Halle damals grundsätzlich zufrieden. Es war eine würdige Slayer-Dernière! Nichtsdestotrotz hinterliess der Abschied eines der «Big Four»-Mitglieder eine Lücke im System…
Unternehmen wir nun einen kleinen «Zeit-Hüpfer». Andauerndes «Füsse hochlegen» schien Gitarrist Kerry King – das ist übrigens der tätowierte, bärtige Kahlkopf mit den fetten Ketten an den Hosen – nicht vollends zu befriedigen. Aus diesem Grund gab er Anfang Februar 2024 ein Lebenszeichen in Form der Single «Idle Hands» von sich. Da wurde die Szene selbstverständlich hellhörig. Es sollte bloss der erste Streich seines Solo-Projekts, welches unspektakulär auf den Namen «Kerry King» hört, sein. Mitte Mai desselben Jahres erschien dann nämlich das Erstlingswerk «From Hell I Rise». Personell kann sich die Equipe ebenfalls sehen lassen. Neben Axtmann Kerry sind Paul Bostaph (Drums), Kyle Sanders (Bass), Phil Demmel (Gitarre) und Mark Osegueda (Gesang) mit von der Partie.
Eigentlich hätte diese Formation bereits im Juli 2024 auf helvetischem Grund im Komplex 457 auftreten sollen. Bedauerlicherweise wurde die Show kurzfristig aufgrund von «logistischen Schwierigkeiten» abgeblasen. Insider wissen ja in der Regel, welche Gründe sich effektiv hinter solchen Aussagen verbergen. Nun folgt aber ein Jahr später der zweite Anlauf: Selbe Band, selbe Location. Das Aufwärmprogramm beschreiten derweil die dänischen Jungspunde Neckbreakker (welche vielleicht einigen von euch noch unter ihrer ursprünglichen Identität «Nakkeknaekker» ein Begriff sein könnten).
Ehe wir uns auf die beiden Auftritte fokussieren, sei noch ein kleiner Nachtrag zu Slayer erlaubt. Die Herrschaften scheinen seit dem letzten Jahr doch irgendwie «back in business» zu sein. Zumindest lagen schon gewisse Festival-Darbietungen drin. Allerdings möchte ich an dieser Stelle lieber keine Büchse der Pandora zu den Themen «Timing des richtigen Absprungs», «Rücktritt vom Rücktritt» oder «gefühlt 50 Jahre dauernde Abschiedstourneen» öffnen…
Neckbreakker
Die Jungs aus Dänemark liefern den anwesenden Nackenmuckis ab 20 Uhr exakt das, was sie nach einem strengen Montag benötigen. Wohltuende, akustische Massagen mit dem optimalen Härtegrad! Die Bude platzt heute jedoch sicherlich nicht aus allen Nähten und das Publikum wirkt leider noch leicht schläfrig. Aufgrund dessen verpuffen die Circle Pit-Aufforderungen der Protagonisten auffallend wirkungslos. Schade, denn meines Erachtens weisen die präsentierten Tracks eine anständige Schlagzahl auf. Die fiesen Schweine-Quieker von Sänger Christoffer Kofoed sind keinesfalls zu verachten. Dummerweise ziehen der Laden und die Mischer heute wieder einmal einen eher bescheidenen Abend ein. Man hört primär die Drums und den Gesang. Der Saiten-Fraktion verbleibt derweil die undankbare, «dekorative» Rolle. Dass der Gig bereits nach mickrigen 25 Minuten durch ist, bringt den Akteuren in meiner Analyse einen weiteren Minuspunkt ein. Auf einen solchen «Quickie» habe ich mich bei lediglich einer Support-Gruppe ehrlich gesagt nicht eingestellt…
Kerry King
Das müsste der Headliner somit locker überbieten können. Ich erwarte nun schon ein paar Zusatzschichten. Ein ausschliesslicher Dienst nach Vorschrift wäre eine herbe Enttäuschung. Bei den Bühnen-Accessoires setzt man auf beiden Seiten der «Spielwiese» auf in verschiedenen Farben aufleuchtende Petruskreuze, die in einem «X» stecken. Sie repräsentieren das Band-Logo. Weitaus mehr interessiert mich aber die Leistung der Herren und die Entwicklung der Soundqualität. Mögen die Formkurven beider Punkte – hoffentlich – positive Trends an den Tag legen.
Das aus den Boxen erklingende Intro «Diablo» ruft direkt Vergleiche mit «Hell Awaits» auf den Plan. Anschliessend gibt «Where I Reign» die Marschrichtung vor. Knüppelharter Thrash Metal steht auf der Menükarte. Vorgetragen von fünf Experten ihres Fachs. Schreihals Marc ist – wie auch jeweils bei Death Angel – eine Macht am Mikrofon. Phil und Kerry duellieren sich mit fetzigen Soli. Basser Kyle lässt währenddessen engagiert seine Mähne fliegen. Und im Hintergrund? Dort bearbeitet Paul munter seine Felle. Der primäre Fokus verbleibt aber auf dem «Curry King». Immer wieder geniesst er kurze Ego-Sequenzen im Scheinwerferlicht. Zudem setzt der Meister wie gewohnt auf eine teuflische Klampfe.
Die Qualität der «Boxen-Ergüsse» wird langsam besser (allerdings nur phasenweise). Die Zuhörerschaft wirkt ebenfalls frischer und aktiver. Wenig überraschend sind es am Ende die Slayer-Hymnen, welche die ausgiebigsten Jubelstürme auslösen. Da die Musiker mit ihrem Erstlingswerk niemals eine komplette Setliste füllen könnten, tauchen verständlicherweise gleich mehrere Stücke von Kerrys Haupt-Band im Programm auf. Lieder wie «Repentless» oder «Disciple» funktionieren zwar immer gut, meine Wenigkeit hört sie trotzdem lieber von der originalen Quelle. Iron Maiden («Purgatory») und der traurigerweise kürzlich verstorbene «Prince Of Darkness» («Wicked World») kommen auch noch zu wohlverdienten Ehrungen. Für den Abschluss ist nach 90 Minuten dann schliesslich das Scheiben-Titellied «From Hell I Rise» besorgt.
Das Fanzit – Kerry King, Neckbreakker
Wie fällt jetzt meine Einschätzung zu dieser von Kerry King zusammengewürfelten Super-Group aus? Die einzelnen Haudegen agierten fürwahr engagiert, aber meines Erachtens müssen sie noch etwas mehr zusammenwachsen. Sobald zudem mehr eigenes Material vorhanden ist, dürfte sich dies sicherlich ebenfalls positiv auswirken. Heute vermochte mich die Show jedenfalls nicht über die gesamte Spielzeit zu fesseln. Ausserdem zog die Komplex-Bude in Sachen Soundqualität leider – nach doch einigen soliden Events – wieder einmal einen schwachen Abend ein… Und Neckbreakker? Tja, diese Jungs müsste man beim nächsten Mal zweifelsohne länger von der Leine lassen. Abriss-Potenzial wäre da nämlich durchaus vorhanden.
Die Setlist – Kerry King
- Intro
- Where I Reign
- Rage
- Trophies Of The Tyrant
- Residue
- Two Fists
- Idle Hands
- Repentless (Slayer-Cover)
- Toxic
- Tension
- Everything I Hate About You
- Disciple (Slayer-Cover)
- Purgatory (Iron Maiden-Cover)
- Chemical Warfare (Slayer-Cover)
- Crucifixation
- At Dawn They Sleep (Slayer-Cover)
- Wicked World (Black Sabbath-Cover)
- Shrapnel
- Raining Blood (Slayer-Cover)
- Black Magic (Slayer-Cover)
- From Hell I Rise*
*Zugabe
