Brienzersee Rockfestival 2025 – Kissin‘ Dynamite, Jeff Scott Soto, Victory u.v.m.
Seestrasse (Brienz, CH)Festival mit Seeanschluss
Das Brienzersee Rockfestival überzeugt auch bei der mittlerweile 36. Ausgabe neben der Location vor allem mit guter Musik.
Kaufi: Es ist einfach herrlich: Sobald man am oberen Ende des Brienzersees auf das Gelände läuft, ist man sofort gefesselt von der fantastischen Atmosphäre. Das Panorama mit den Bergen, der von der Aare gespiesene und daher recht kalte See – wenn dann das Wetter noch mitspielt, so wie in diesem Jahr, dann ist das eigentlich wirklich der perfekte Ort für ein Festival. Stehen auch noch entsprechende Bands auf dem Billing, reist man doppelt gerne ins Berner Oberland!
Organisation / Neuerungen
Doch bevor wir uns ins musikalische Getümmel stürzen, muss ich ein paar Worte zur Organisation loswerden. Die ist – eigentlich wie gewohnt – absolut erstklassig. Angefangen bei den Shuttlebussen vom Parkplatz zum Festzelt (sonst ein Fussmarsch von zehn bis fünfzehn Minuten) und zurück, Wartezeiten sehr moderat. Und auch nach Brienz ins Dorf fahren die Kleinbusse am Abend bei Bedarf.
Der Bezug der Festivalbändeli läuft sehr speditiv und wer noch vor der offiziellen Türöffnung da ist, kann sich dennoch gleich in der Bar neben dem Eingang flüssig verpflegen. Das Festzelt steht direkt am See, in dem sich vor allem dann am Freitag viele Leute abkühlen lassen. Fast der grösste Pluspunkt hier ist jedoch immer noch die Tatsache, dass es keine dreissig- oder vierzigminütigen Kurzauftritte gibt, JEDE Band spielt mindestens sechzig Minuten, die meisten bekommen einen neunzigminütigen Slot. Wo sonst findet man solche Bedingungen?
Zwei neue Dinge stechen derweil ins Auge. Erstens ist der Donnerstag nun ein (fast) normaler Festivaltag (dazu gleich mehr). Und dann wurde die Bühne gedreht, sprich: Die steht neu auf der Südseite. Was man mir so zuträgt (vom Hörensagen lernt man Lügen…), sei der Grund, dass nun die Leute in der Nähe der Bar raus müssen und man erhoffe sich, dass somit nicht alle nach den Konzerten sofort Richtung Zeltplatz, Shuttlebus oder sonst wohin verschwinden, sondern noch etwas in der Bar verweilen. Tönt nach einem schlüssigen Argument, ob es da allerdings (zusätzlich) andere Punkte gibt, weiss ich nicht. Wichtig jedenfalls: Der Zugang zum See ist geblieben, egal wo die Bühne nun steht!
Pöch: Von einem der Shuttle-Fahrer wird auch noch eine andere Begründung genannt: So soll eine Band für ihre Bühnendeko einen solch grossen Lastwagen angekündigt haben (es kann sich hier eigentlich nur um Kissin’ Dynamite handeln), dass das Manövrieren im hinteren Bereich des Geländes äusserst mühsam geworden wäre, weshalb die direkte Zufahrt für den Backstage-Bereich genutzt wurde.
Brienzersee Rockfestival 2025 – Tag 1 (Donnerstag, 7. August)
Kaufi: Ich habe es kurz erwähnt: Der Donnerstag wurde zum (verkürzten) Festivaltag, dafür hat man den Family Sunday gekippt. Wie gut oder weniger gut diese Idee ist, werden die Veranstalter im Nachgang sicher eingehend analysieren. Zumindest für meine Wenigkeit ist alleine das Line-up am Donnerstag ein Grund, hierher zu reisen. Zwar spielen „nur“ drei Bands, dafür alle wie erwähnt neunzig Minuten. Und alle gehören zu meinen Faves. Es wird ein strenger Abend…
King Zebra
Eigentlich ist der Donnerstag ja wirklich kein optimaler Tag für solche Veranstaltungen. Viele müssen tags darauf arbeiten und können / wollen / dürfen nicht auch noch einen langen Abend haben. Das merkt man dann schon beim Zuschaueraufkommen, denn von vollem Festzelt ist man – trotz Beginn erst um halb sieben am Abend – doch recht weit weg.
Die Zürcher Steppentiere lässt das jedoch kalt. Denn die Fans, die da sind, sorgen sofort für gute Stimmung. Und King Zebra danken es ihnen mit einer saustarken Performance. Mit Eric St.Michael – heute wieder mit Hawaii-Hemd – haben die Jungs halt schon einen sehr charismatischen Fronter, der die Leute problemlos in den Bann ziehen kann.
Die ganze Band zeigt sich sehr spielstark, vor allem Gitarrist Jerry scheint den Auftritt enorm zu geniessen. Selten hab ich ihn so strahlen sehen. Aber vielleicht liegt es auch daran, dass er auf seiner Seite lichtmässig oftmals eher im Dunkeln gelassen wird. Egal – Hauptsache Spass!
Im Fokus des Abends stehen natürlich die zwei letzten Outputs der Zebras. Sowohl von „Survivors“ wie von „Between The Shadows“ gibt es je sieben Songs zu hören. So schafft es unter anderem die „Hot Cop Lady“ wieder einmal ins Programm, genauso wie der Titeltrack „We’re The Survivors“. Umrahmt wird das alles noch mit Oldies der Marke „King Zebra“ und dem saugeilen „That’s What I Like“.
King Zebra zeigen mittlerweile auch eine gewisse Stabilität, so ist das Eröffnungstriple mit „Wicked“, „She Don’t Like My R’n’R“ und „Love Lies“ zum Standard geworden. Gleiches gilt für das Finish, welches mit „Firewalker“, „Walls Of Confusion“ und dem wohl besten Song der Band, „Children Of The Night“, nicht besser sein kann. Als Bonus kann ich nicht unerwähnt lassen: Die Zürcher sind endlich soweit, dass sie ein langes Set spielen können, ohne auf irgendwelche Coverversionen („Rockin‘ In The Free World“…) zurückgreifen zu müssen. Das ist perfekt so!
Pöch: Von «Mitten drin statt nur dabei» bin ich angesichts einer kürzlichen Schulteroperation weit weg. Aber bei diesem genialen Line-up ist Dabeisein immer noch hundertmal besser als zuhause zu verweilen. Somit geniesse ich das Geschehen in sicherer Distanz sitzend bei den Festbänken und erweitere Kaufis Bühnenrandbericht mit einer weiteren Perspektive. Positiv zu vermerken ist auf jeden Fall schon Mal, dass die Soundqualität hier hinten ausserordentlich gut ist, so dass ich das «Gedränge» in vorderster Front gar nicht erst vermisse.
Bei King Zebra handelt es sich um eine Band, bei welcher ich das Live-Erlebnis bisher noch nie geniessen durfte (wobei ich ihren 25-minütigen Auftritt am Rock The Lakes 2024 wegen einem unerwarteten Besuch auf dem Campingplatz nur haarscharf verpasst habe). Dafür darf ich heute als Entschädigung die ganze neunzigminütige King Zebra-Dröhnung geniessen und die hat es wahrlich in sich. Da freue ich mich bereits jetzt auf die nächsten Auftritte.
Die Setlist – King Zebra
- Wicked
- She Don’t Like My R’n’R
- Love Lies
- King Zebra
- On The Run
- Under Destruction
- We’re The Survivors
- With You Forever
- Dina
- Cyanide
- Hot Cop Lady
- Rush
- That’s What I Like
- Love Me Tonight
- Starlight
- Firewalker
- Walls Of Confusion
- Children Of The Night
Die Fotos – King Zebra
Victory
Kaufi: Noch mehr 80er-Sound gefällig? Aber nun von einer Band, die damals schon aktiv war? Sehr gerne – hier sind Victory! Zugegeben, vom damaligen Line-up ist heute nur noch Herman Frank dabei, doch er war damals schon die prägende Figur. Am Mikrofon stand dannzumal mit Fernando Garcia ebenfalls ein Schweizer. So sind es vor allem die Alben „Culture Killed The Native“ (1989), „Temples Of Gold“ (1990) und „You bought It, You Name It“ (1992), welche der Band Aufmerksamkeit brachten. Ein live-mässiges Highlight dürfte zu dieser Zeit sicher auch der Auftritt im Hallenstadion als Opener für Gary Moore gewesen sein. Hach ja, die guten alten Zeiten…
Die gingen zu schnell vorüber und Victory erlitten das gleiche Schicksal wie viele andere Truppen zu der Zeit: Ihr Sound war nicht mehr gefragt, Grunge „sei Dank“. 2019 stellte Herman Frank dann ein neues, stabiles Line-up zusammen für ein Comeback, welches man durchaus als gelungen bezeichnen darf. Mit dem Basler Gianni Pontillo als Sänger, Mike Pesin an der zweiten Gitarre, Michael Stein an den Drums und Malte Burkert (seit 2021) am Bass erleben Victory spätestens seit dem Release des saustarken „Circle Of Life“ (2024 – siehe Review) ihren zweiten Frühling. Und das dürfen sie nun am Brienzersee unter Beweis stellen!
Auch Victory dürfen hier einen zeitmässigen Headlinergig spielen. Mit ihrem Backkatalog ist das selbstredend kein Problem. Es ist dann insgesamt kein lupenreines Oldschool-Programm, denn nicht mal die Hälfte der gespielten Tracks stammt von den beiden Alben aus der Glanzzeit. Ein deutliches Zeichen, welches Vertrauen der bestens gelaunte Herman Frank in sein weiteres Schaffen hat.
Mit einer Ausnahme, nämlich dem schnellen und saustarken Opener „Gods Of Tomorrow“, ist der Beginn allerdings schon ziemlich auf „alt“ getrimmt. Aber verdammt: „Rock The Neighbours“, „Are You Ready“, „Take The Pace” – das ist halt schon fantastischer Stoff! Und später ist „Temples Of Gold” wohl DAS Highlight, in meinen Ohren auch nach all den Jahren einer der besten Tracks überhaupt von Victory.
Doch das neuere Material muss sich dahinter kaum verstecken. „Tonight We Rock“ ist ein absolut herrlicher Stampfer, der für allerbeste Laune sorgt. „Moonlit Sky“ und auch „Count On Me“ fallen gegenüber den „Oldies“ nicht ab.
Ein Trumpf der Band ist zudem zweifellos Sänger Gianni. Mit breitestem Basler Dialekt kann er im Berner Oberland behaupten, dass er YB- und auch FC Thun-Fan sei. Das mit YB ist allerdings schwer zu glauben, zumal diese am Abend zuvor genau beim FC Basel übel verloren haben. Der Fronter fragt nach, ob es denn in Brienz auch eine Mannschaft gäbe und erhält irgendwo her die Antwort „Badminton“. Es sind dann genau diese Dinge, die solche Shows einfach noch etwas auflockern, Spass muss sein!
Apropos Gianni: Zur Zugabe „Check’s In The Mail” lässt er es sich nicht nehmen, den Track in eine Schweizer Flagge gehüllt zu singen. Selbst wenn das Festzelt noch weit davon entfernt ist, richtig gefüllt zu sein: Die mehreren hundert anwesenden Fans feiern diese Aktion und die ganze Show, denn Victory überzeugen mit einem richtig geilen Auftritt. Gerne wieder – und wenn ich noch einen kleinen Wunsch anbringen darf, spielt dann bitte auch mal einen Track vom `92er-Werk, „No Way Tonight“ oder so.
Pöch: Letztes Jahr auf der 70’000 Tons durfte ich den sympathischen Sänger Gianni kennenlernen und habe dabei gleich die ersten Auftritte von Victory bestaunen dürfen. Als Einstimmung für den heutigen Abend habe ich mir dann vor einer Woche noch den Wacken-Livestream der Band gegeben. Obwohl in Norddeutschland wohl etwa fünfzig- bis hundertmal so viele Leute zugegen waren, packt mich der Gig heute Abend am Brienzersee viel mehr, was unter anderem auch daran liegt, dass Giannis Stimme meines Erachtens gerade in absoluter Bestform ist.
Die Setlist – Victory
- Gods Of Tomorrow
- Rock The Neighbours
- Are You Ready
- Take The Pace
- Standing Like A Rock
- Feel The Fire
- Surrender My Heart
- Always The Same
- Temples Of Gold
- Tonight We Rock
- Moonlit Sky
- Don’t Tell No Lies
- Power Strikes The Earth
- Children
- Count On Me
- Speak Up
- On The Loose
- Check’s In The Mail*
*Zugabe
Die Fotos – Victory
Kissin’ Dynamite
Vor knapp zwei Wochen an der Pyraser Classic Rock Night hat der heutige Headliner gespielt, Kollege Raphi hat da die Lobeshymnen geschrieben. Ganz so falsch kann ich bei meinen früheren Einschätzungen demzufolge schon nicht gelegen haben… Heute jedenfalls sind meine Lieblingsschwaben der Mainact und natürlich der absolute Hauptgrund für die Fahrt hierher. Neunzig Minuten KD, dies nach King Zebra und Victory – ich befürchte, man muss mich danach auf einer Bahre raustragen oder ins Sauerstoffzelt legen…
Der grösste Unterschied zur Show in Pyras ist zweifellos der Zuschaueraufmarsch. Während an jenem Samstag um die 4‘000 Zuschauer dem totalen Abriss beiwohnten, dürften es heute ein paar hundert sein. Und hier zeigt sich jetzt deutlich, dass der Donnerstag kein Festivaltag ist. Denn Kissin‘ Dynamite sind auch in der Schweiz längstens ein Publikumsmagnet, der ein Z7 und eigentlich wohl noch grössere Hallen zu füllen vermag. So gesehen ist es sehr schade, dass die Band nicht am Samstag spielen kann. Denn der Schedule der Band liess offenbar nur den Donnerstag zu.
Pöch: Andererseits habe ich das Gefühl, dass der Donnerstag ohne diesen Top-Headliner dann zuschauermässig komplett getaucht wäre. Denn beim Wettbewerb unter den Bands, welche den 23:00-Uhr-Headliner-Slot befüllten (ich nehme das mal vorweg, da die Knipserfraktion bei den Samstaggigs nicht mehr zugegen sein wird), gehen Kissin’ Dynamite stimmungsmässig als Sieger hervor und das obwohl an den nächsten zwei Tagen mehr Leute anwesend sind. Am Freitag kämpften Art Nation zu Beginn mit Soundproblemen, weshalb sich viele Leute nach wenigen Songs wieder hinaus zum See gesellten und beim Gig von Mike Tramp’s White Lion sprang der Funke so etwas von gar nicht aufs Publikum, weshalb sich nur circa knapp die Hälfte des Bereichs vor dem Mischpult füllte.
Hier war die Anpassung der Running Order mit dem Austausch von The Lazy’s und Mike Tramp wenig förderlich, denn The Lazy’s haben um 19:00 Uhr stimmungsmässig das Zelt so was von abgerissen… Jedoch mangelt es bei der Booking Agency der Australier an den notwendigen Geographie-Kenntnissen, so dass sie zwischen den zwei Gigs am Freitag und am Sonntag in England, mal kurz einen Abstecher nach Brienz eingeplant hatten (daher die Verschiebung auf einen früheren Slot). Mit diesem Monsterprogramm werden sie ihrem Bandnamen alles andere als gerecht 🙂
Kaufi: Nichtsdestotrotz: Das Zelt ist jedenfalls bis zum Mischpult gefüllt – die Fans, die hier sind, wollen die Band auch wirklich sehen. Und das wirkt sich sofort wieder auf die Stimmung aus, denn es ist laut, richtig laut! So gesehen perfekte Voraussetzungen für den nächsten KD-Abriss.
Es ist dann auch das erwartete Hit-Feuerwerk, welches die Schwaben hier zünden. Sicher, der Bühnenaufbau ist nicht so üppig, wie er anderorts sein könnte. Dennoch machen Kissin‘ Dynamite alles, um mehr als nur einen Hauch Stadium Rock an den Brienzersee zu bringen. Songs wie „DNA“, „I’ve Got The Fire“ oder das schwer an Bon Jovi angelehnte „Queen Of The Night“ sind dafür beste Voraussetzungen.
Hannes, ergriffen von der fantastischen Stimmung, erwähnt dann auch, wie schön es hier ist. Sie haben schon an allen möglichen und schönen Orten spielen dürfen. Doch hier… „Man kommt mit dem Nightliner an, öffnet die Vorhänge und sieht dieses Panorama: Dies ist wohl wirklich die schönste Festival-Location, an der wir je spielen durften! Und wir sind zudem stolz darauf, dass wir der erste Headliner an einem Donnerstag sein können!“.
Im Gegensatz zur Pyraser Rocknacht kann ich mir hier nach meinem Fotoeinsatz einen Weg ganz nach vorne bahnen. Hier ist man nicht so stur und verteidigt seinen Platz mit aller Macht, hier lässt man auch mal Personen durch, so dass ich schnell bei den Kolleginnen bin. Hannes‘ Aufforderung vor „Only The Dead“, dass er ALLE springen sehen will, lasse ich dennoch sein. Dafür fehlt die Power…
Generell trumpft heute Hannes erneut mit Sprüchen. „Seit Ghost und Iron Maiden ist klar: Handys und Konzerte sind nicht mehr die besten Freunde. Und Handys haben an Rockkonzerten eigentlich wirklich nichts zu suchen!“ Sagt es und gibt die Absolution, dass man sie JETZT hervornehmen darf um ein Lichtermeer für die Ballade „Heart Of Stone“ zu erzeugen. Da nimmt einer so richtig oldschoolmässig sein Feuerzeug hervor und wird dafür vom Sänger grad abgefeiert! Was sofort Nachahmer animiert, denn plötzlich sind einige dieser geforderter Lichter analog und nicht digital. Herrlich!
Für kuriose Blicke bei der Band sorgen zudem immer wieder die Seifenblasen, die jemand im Publikum macht und die immer gegen die Bühne schweben. Die Musiker machen sich zwischendurch einen Spass daraus: Just in dem Moment, als Hannes eine grosse Blase platzen lassen will, sticht Gitarrist Jim von hinten zu. Trotz grosser und sicher auch einstudierter Show: Es sind diese Momente, die alles dann dennoch auflockern. Und der Sänger schafft es kurz darauf, genau im Takt mit dem letzten Schlag auf den Drums eine Blase zu killen, was ihm grad einen Sonderapplaus der vordersten Reihen beschert.
Die Zeit rast und schon fast ist das Ende erreicht: „Not The End Of The Road“ ist musikalisch emotional wie immer, während showmässig nun auch die riesigen Dynamitstangen aufgeblasen sind. Danach nimmt die Stadium Rock-Atmosphäre endgültig Überhand. Beim gigantischen „You’re Not Alone“ unternimmt Hannes wieder eine crowdsurfende Ausfahrt im Gummiboot und einen Moment lang sieht es so aus, als ob die Fans ihn wirklich grad in den See raustragen wollen! Doch schlussendlich wird er doch zur Bühne zurück transportiert, wo er dann das absolute Finish „Raise Your Glass“ mit abschliessender Musiker-Pyramide zelebrieren kann. Der nächste Abriss ist vollbracht!
Wenn ich jetzt die beiden Shows von Pyras und Brienz vergleiche, fällt mir schon etwas auf. In Pyras kannte ich die Setlist nicht (Pluspunkt) und konnte die Show quasi nur von draussen auf Video verfolgen (Minuspunkt). Hier ist es umgekehrt: Ich kenne die Setlist (ich gehe nicht davon aus, dass da was geändert wird im Vergleich zu Pyras), dafür stehe ich ganz vorne. Natürlich: Meine Stimme ist weg. Natürlich: Ich bin völlig fertig. Dennoch habe ich den Eindruck, dass die Show in Pyras (noch) intensiver war. Was absolut keine Kritik an Band, Performance oder Publikum sein soll. Dies ist schlicht meine persönliche Einschätzung. Kein Zweifel, dass ich mir Kissin‘ Dynamite sobald wie möglich wieder reinziehen werde. Dies zudem so oft, wie ich nur kann…
Pöch: Dem gibt es eigentlich nichts hinzuzufügen. Was für eine Spielfreude, was für eine Bühnenpräsenz, was für eine ausgelassene Stimmung… Da kann auch ich mich in der zweiten Reihe kaum entziehen und feiere fleissig mit. Und wer es sich leisten kann, Hochkaliber-Songs wie „Flying Colours“ und „Hashtag Your Life“ (um nur zwei zu nennen) einfach so auf der Reservebank platzieren zu können, hat trotz jungen Alters bereits jetzt einen beachtlichen musikalischen Backkatalog. Und mein Gefühl sagt mir ganz getreu dem einen Song des aktuellen Albums: „The best is yet to come!“
Die Setlist – Kissin‘ Dynamite
- Back With A Bang
- DNA
- No One Dies A Virgin
- I’ve Got The Fire
- My Monster
- I Will Be King
- Heart Of Stone
- Queen Of The Night
- The Devil Is A Woman
- Only The Dead
- Six Feet Under
- Not The End Of The Road
- You’re Not Alone*
- Raise Your Glass*
*Zugaben
Die Fotos – Kissin‘ Dynamite
Brienzersee Rockfestival 2025 – Tag 2 (Freitag, 8. August)
Kaufi: Selten war ich nach einem Konzertabend dermassen gerädert. Die dreimal neunzig Minuten von drei Bands, die ich sehr mag, haben mich wirklich an die Grenze gebracht. Egal – das Wetter stimmt, es wird warm respektive heiss heute. Badehosen sind montiert und wenigstens der Akku der Kamera ist voll. Ein weiterer langer Tag steht vor uns! Also ab aufs Gelände, wo wir die Bändeli für Tag zwei in Empfang nehmen.
Bad Marilyn
Kaufi: Es ist schon eine etwas undankbare Aufgabe, wenn man an einem solch herrlichen Tag um zwölf Uhr mittags ein Festival eröffnen muss. Bad Marilyn scheint das allerdings nicht zu sehr zu stören. Die Berner haben in den letzten Monaten für ziemlich Furore gesorgt in der Schweizer Metalszene, so qualifizierten sie sich sogar für das Halbfinale des Wacken Metal Battle.
Ich selber hatte bislang noch nicht die Gelegenheit, mich mit dem Quintett auseinander zu setzen, ich kannte bislang nur Gitarrist Sammy von seinem Engagement bei Gods Of Silence. So war mir auch nicht bekannt, dass hier mit Andrea Raffaela eine Sängerin am Werk ist. Und die ist ein wahrer Trumpf der Band!
Ins Auge sticht zudem das geile Backdrop mit einer untoten Marilyn Monroe mit unanständiger Geste – erinnert schwer an die Mona Lisa, welche Mötley Crüe anno dazumal 1991 im Basler Joggeli dabei hatten. Ebenfalls erwähnenswert: Es gibt sie wirklich noch, die Live-Keyboarder! Auch wenn die umgehängten Dinger absolut uncool sind…
Musikalisch merkt man sehr schnell, dass hier mehr als nur Power Metal angesagt ist. Denn plötzlich packt die blonde Fronterin böse Growls aus. Die nehmen allerdings nie Überhand, sondern sind recht passend in die Songs verpackt und geben einen coolen Kontrast. Leider erleben das wirklich nur eine Handvoll Leute vor der Bühne, viele der früh Anwesenden sitzen draussen an den Festbänken oder tummeln sich im See.
Gut, ich bin auch noch nicht wirklich fit und schaue und höre mir das von etwas weiter hinten an. Mir gefällt das, ich müsste da wohl mal eine CD-Bestellung ins Auge fassen… Gegen Ende dreht die Band nochmals richtig am Heftigkeitsrad, „Retribution“ ist wohl der heftigste und böseste Song, der dann schon fast aus dem Rahmen fällt. So oder so, Bad Marilyn sind eine Band, die ich a) gerne wieder mal anschauen werde und b) hier mehr Zuschauer-Zuspruch verdient hätte. Kollege Pöch ist auch wieder auf dem Platz, oder? Was meinsch Du als Gipser?
Pöch: Tatsächlich bin ich auch schon wieder vor Ort. Einerseits wurde mir diese Band von meinem Arbeitskollegen wärmstens empfohlen, wobei ich in Zukunft weniger auf ihn hören sollte, da ich vor drei Wochen auf der Hinfahrt zum Konzert seines Sohnes mein Fahrrad in der Tramschiene parkiert habe… Andererseits musste ich wegen dieses Malheurs auf Hotelübernachtung umstellen, was wegen der Kurzfristigkeit ein schwieriges Unterfangen war und mich nun wegen eines Hotelwechsels an Tag 2 von 11:00 bis 15:00 Uhr ohne Bleibe dastehen lässt. Es bietet sich also wunderbar an, mal die ersten zwei Gigs am Brienzer Rockfestival zu geniessen. Und Bad Marilyn sind definitiv eine Band, welche man weiter im Auge behalten sollte, denn die Darbietung heute gefällt mir ausserordentlich gut. Mehr davon…
Die Setlist – Bad Marilyn
- I Die Inside
- Eye Of The Snake
- Eternal Pain
- Legend Of Salvation
- When She’s Gone
- Children Of Tomorrow
- Perfect Moment
- Queen Of Thunder
- Stay Awake
- Broken Days
- Retribution
- Revolution
Die Fotos – Bad Marilyn
Black Diamonds
Kaufi: Gute Laune ist angesagt! Eine Stunde Glam Metal meiner Lieblingsrheintaler steht als nächstes an. Da ist es besser, wenn auch meine eigene Batterie voll geladen ist! Das Zelt ist zwar immer noch weit davon entfernt, wirklich voll zu sein, doch die Diamonds dürfen sich nun über deutlich mehr Fans freuen. Im Laufe der Show zieht es zudem manch einen auch von draussen her Richtung Bühne. Da stehen natürlich zahlreiche langjährige Hardcorefans, die keine Sekunde verpassen wollen. Derweil wird die Band gleich noch im besten Licht präsentiert, was die Fotografen sehr freuen dürfte.
Der Beginn mit «Through Hell And Back» sowie dem wie immer von Mich und Andi abwechselnd gesungenen «Evil Twin» ist standesgemäss. Doch danach bietet das Quartett ein recht erstaunliches Programm. Es ist nicht die pure Rock ’n’ Roll-Show, denn die ausgewählten Songs sind in der Masse ein Mix aus Melancholie und Ernsthaftigkeit. Songs der Marke „Rock’n’Roll Is My Religon“, „We Want To Party“ oder natürlich „Not Going Home” fehlen allesamt.
Umgekehrt kommt für einmal die (vor allem für Drummer Manu) emotionale Ballade „Only For A While“ zum Zug. Kombiniert mit Songs wie „Yesterday’s News“, „After The Rain“ und „Lonesome Road“ ergibt das eine spezielle Stimmung.
Dass mit „Out In The Fields“ noch ein Cover dabei ist, finde ich allerdings dann etwas schade. Jungs, da hättet ihr genügend eigene Alternativen! 😉 Immer wieder stark ist dafür „Thrillride“, welches das Finish einläutet. Dies ist mit dem erwähnten (und grossartigen) „Lonesome Road“ und „Paradise“ mittlerweile wohl ebenfalls ein Fixpunkt.
Nach einer Stunde ist leider schon Schluss, die Fans hätten da nichts gegen einen längeren Nachschlag gehabt. Dennoch gilt es nochmals zu erwähnen: Auf anderen Festivals erhalten Bands um diese Tageszeit eine Spielzeit von vielleicht dreissig oder vierzig Minuten. Hier haben ALLE Bands im Minimum eine Stunde Zeit, sich zu zeigen. Und die Black Diamonds machen das einmal mehr richtig souverän!
Ach ja – das T-Shirt von Fronter Mich verdient Bonuspunkte ohne Ende! Ultimate Warrior forever… Und jetzt wollen wir mal lesen, was Pöch so zu dieser Show meint!
Pöch: Ich bin musikalisch sehr gespannt auf diesen zweiten Tag. Sehr viele der performenden Bands heute habe ich noch nie auf der Bühne erlebt, aber das Material auf den Tonträgern ist teils sehr, sehr vielversprechend. Die Black Diamonds sind die grosse Ausnahme dieser Regel, da ich die Rheintaler bereits zwei Mal (Anm. Kaufi: Jööööö!) live bestaunen durfte. Nach dem grandiosen letzten Langeisen „Destination Paradise“ ist natürlich Runde drei gesetzt und ich werde definitiv nicht enttäuscht. Da das Zelt noch weit weg davon ist gefüllt zu sein, wage ich mich mit meiner Armbinde auch mal etwas weiter nach vorne und kann so den tollen Gig der Glam Metaller noch viel intensiver geniessen. Stark!
Die Setlist – Black Diamonds
- Through Hell And Back
- Evil Twin
- Yesterday’s News
- Forever Wild
- I’ll Be Ok
- Out In The Fields
- Only For A While
- After The Rain
- Reaching For The Stars
- Thrillride
- Lonesome Road
- Paradise
Die Fotos – Black Diamonds
Sideburn
Kaufi: Nun ist eine Band aus der Westschweiz an der Reihe: Sideburn aus Lausanne. Die sind mir mal vor langer Zeit im Z7 begegnet als Support von wem auch immer und ich habe sogar eine CD in meiner Sammlung, die ich allerdings noch nicht allzu viel angehört habe. Jedenfalls habe ich generell keine allzu schlechten Erinnerungen.
Der Fünfer hat sich dem rifflastigen Hardrock verschrieben, ganz im Stile von AC/DC, Rose Tattoo und ähnlich gelagerten Bands. So ist es kein Wunder, dass in ihrem Programm auch entsprechende Covers zu hören sind (unter anderem „Shot Down in Flames“ und „Rock’n’Roll Outlaw“). Das ist alles sehr nett anzuhören, den Zuschauern gefällt es. Ich selber mache jedoch mal mein Fotoprogramm, danach brauche auch ich eine Abkühlung. Man kann den Sound also ebenso problemlos im gar nicht mal so kalten Brienzersee prima hören und geniessen.
Wo ist eigentlich Pöch? Hotelumzug oder bist du noch da?
Pöch: Genau, ich profitiere vom ganztägigen Bus-Shuttle zum Bahnhof Brienz und vollziehe nun den Hotelwechsel. Dank der langen Sets hier in Brienz muss hierfür nur gerade eine Band über die Klinge springen. Tut mir leid Sideburn, dass es euch heute trifft. Aber es ergibt sich in Zukunft sicher eine neue Gelegenheit.
Die Fotos – Sideburn
Temple Balls
Kaufi: Langsam geht es auf den Abend zu. Zeit für eine Band, die ein weiterer Hauptgrund war für meine Anreise: Temple Balls! Die Finnen „schulden“ mir nämlich noch ein volles Konzert… Als sie 2022 im Z7 spielten, durfte ich nicht hin, weil der Dökti meinte, dass ich notfallmässig ins Spital gehöre. Drei Tage später, am Wildfest in Belgien, haben die Nordmänner ihre Show abbrechen müssen, weil sich Bassist Jimi die Kniescheibe rausgedonnert hat. Doch heute gibt es keine Ausreden – her mit dem nordischen Glam Metal!
Es scheint so, als ob ich nicht der Einzige bin, der hier diesem Auftritt entgegenfiebert. Denn über so viel Zuspruch der Fans konnte sich bislang noch keine Band freuen am heutigen Tag. Und die Finnen liefern ab, soviel kann ich vorweg nehmen…
Mit dem saugeilen „Strike Like A Cobra“ geht’s los und sofort sticht vor allem Fronter Arde heraus, der im besten 80er-Style mit seinem Mikrofonständer das Zepter übernimmt. David Coverdale lässt grüssen. Es folgt ein Querschnitt durch das bisherige Schaffen, der Schwerpunkt liegt dabei dann aber schon auf den letzten beiden Alben „Avalanche“ (2023) und „Pyromide“ (2021). Zusätzlich werden noch ältere Songs von den kaum mehr erhältlichen Alben „Traded Dreams“ (2017) und „Untamed“ (2019) eingebaut. Die dürften allerdings dann wirklich nur die Hardcore-Fans der ersten Stunde kennen. Während Leute wie ich fast verzweifelt versuchen, an diese alten CDs zu kommen…
Der Auftritt der Nordlichter macht aber so oder so enorm Spass. Einzig das etwas ausufernde Gitarrensolo stört den Genuss etwas, doch Tracks wie „Dead Weight“ oder das nicht minder starke „Prisoner In Time“ vermögen dies dann doch recht problemlos zu kaschieren.
Die grosse Hitze, das sommerliche Wetter – das hingegen ist offensichtlich nicht so das, was die Skandinavier mögen. Abgesehen von den spassigen Ansagen und Kommentaren von Arde, hat man manchmal wirklich den Eindruck, dass der Fünfer unter den Temperaturen etwas leidet. Vielleicht ist auch das ein Grund, warum sie schlussendlich ihre zur Verfügung stehenden neunzig Minuten nicht vollständig ausnutzen. Andererseits: Sie spielen das komplette Programm auf der Setliste…
Die Temple Balls wissen zudem verdammt genau, wo ihre ganz starken Momente liegen. Das Finish mit „Trap“ (dem wohl besten Song von „Avalanche“), „Bad Bad Bad“ und dem Donner aus dem Norden (dem wohl besten Song überhaupt) ist kaum zu toppen, diese letzte knappe Viertelstunde ist ohne Zweifel DAS Highlight dieser Show. Das sehen wohl die meisten Fans genauso und verabschieden Arde und Co. danach mit grossem Applaus. Ganz starke Performance und endlich durfte ich somit einen vollständigen Auftritt dieser Jungs erleben.
Pöch: Oh, da gibt es doch noch eine zweite Ausnahme einer Band die ich schon mal live erlebt habe (mit etwas Nachforschung nach dem Konzert finde ich heraus, dass sie 2019 bei Sonata Arctica im Z7 das Vorprogramm belebten). Ganz so begeistert wie Kollege Kaufi bin ich vom Dargebotenen nicht, da mir irgendwie die Ausbrüche des Sängers in den hohen Tonlagen das Klangbild der sonst so tollen Songs etwas kaputt machen. Aber der Auftritt ist definitiv solide und wo ich dann wieder bei Kaufi bin, ist das Schlussbouquet. Diese drei Songs reissen den Gig dann doch noch deutlich über den Durchschnitt und lassen mich zufrieden zurück.
Die Setlist – Temple Balls
- Strike Like A Cobra
- Lonely Stranger
- O.T.C.
- Fallen Youth
- Huudatus
- Ball And Chain
- Hell And Feelin‘ Fine
- Dead Weight
- Guitar Solo
- Let’s Get It On
- Stand Up And Fight
- Prisoner In Time
- Infinity
- Trap
- Bad Bad Bad
- Thunder From The North
Die Fotos – Temple Balls
Scarlet Rebels
Kaufi: Zu einem erstaunlich guten Slot treten nun die Scarlet Rebels auf. Angekündigt als Geheimtipp, dürften dennoch viele Besucher (noch) nicht viel mit dem Namen anzufangen wissen. Bei der Band handelt es sich um ein Quartett aus Wales, dies wird somit auch das erste Mal sein, dass jemand aus dieser Ecke Grossbritanniens am Brienzersee zu Gast ist.
Die Jungs spielen harten Rock, manchmal mit etwas Metal und manchmal mit etwas Pop versetzt. Zugegeben, mich packt das jetzt nicht so sehr, zumal ich noch von den Temple Balls ziemlich fertig bin. Insofern mag ich mich in diesem Moment auch nicht richtig auf den Sound einlassen. Somit mache ich die Fotos, gehe nochmals für eine Weile in den (mittlerweile deutlich kühleren) See und überlasse das Wort mal Pöch. Der hat hoffentlich noch etwas mehr zu vermelden als ich.
Pöch: Die Songs von Scarlet Rebels haben mich bei der Vorbereitung aufs Festival sofort gepackt (obwohl der Härtegrad etwas tiefer als gewohnt ist – sehr melodische, moderne Rocksongs). Auch live kann ich problemlos in die Welt der Waliser eintauchen und ich geniesse die Darbietung von der ersten bis zur letzten Sekunde. Sicher kein Stimmungsknaller wie am Vortag bei Kissin’ Dynamite, aber so richtig etwas zum Augenschliessen und Abschalten …
Die Fotos – Scarlet Rebels
Jeff Scott Soto
Kaufi: Selbst wer den Namen Jeff Scott Soto nicht kennt – man hat garantiert schon Musik von ihm gehört! Der fast sechzigjährige US-Amerikaner ist durch diverse Engagements bei Bands wie der von Axel Rudi Pell, Journey, W.E.T. oder Yngwie Malmsteen’s Rising Force bekannt. Zudem hat er selber zahlreiche Soloalben veröffentlicht. Jeff Scott Soto ist wahrlich kein unbeschriebenes Blatt!
Seit vielen Jahren trifft man ihn als Solokünstler auch auf Konzerten und Festivals an. Für mich ist diese Begegnung heute eine Premiere, auf die ich allerdings sehr gespannt bin. Als die Show beginnt, merkt man sofort, was für ein begnadeter Entertainer der Sänger ist. Seine Präsenz nimmt die ganze Bühne ein und noch bevor überhaupt ein „allgemein bekannter“ Song gespielt wird, trumpft Jeff mit seinen Sprüchen auf. So erklärt er gleich zu Beginn, dass diese Mitsingspielchen „Hey! Hey!“ langweilig sind. „We make animal sounds“! Und schön antwortet das Publikum auf seine Aufforderung hin mit Hundegebell, Kuhmuhen, Hühnergegacker und Katzenmiauen.
Nun gut, schlussendlich ist es dennoch ein Rockkonzert und das Medley „Cry Of The Gypsy“ / „Warrior“ / „Fool Fool“ aus seiner Zeit bei Axel Rudi Pell setzt schon mal ein deutliches Ausrufezeichen hinter die musikalische Qualität, die hier geboten wird. Aufgrund des immensen Backkataloges, den Jeff aufweisen kann, stehen viele weitere Medleys auf dem Programm. Der Sänger setzt also darauf, möglichst viel zu zeigen, selbst wenn es dann gekürzte Versionen sind.
Nicht gekürzt und vielleicht auch gerade dadurch eines der Highlights (vor allem wenn man mit den Solowerken nicht so bewandert ist), ist ohne Zweifel „Seperate Ways“. Der Klassiker von Journey ist einfach etwas vom Besten, was diese Band damals veröffentlicht hat – und nicht nur ich feiere den Song so richtig ab. Jeff selbst ist längstens komplett durchgeschwitzt, krass zu sehen, wie der Kerl nonstop Gas gibt!
Das Talisman-Medley tönt auch stark, bevor dann Stoff aus Zeiten von Yngwie Malmsteen den regulären Teil der Show nach gut achtzig Minuten beendet. Während ich hinter der Bühne bereits warte für das Schlussbild, sehe ich, wie sehr sich der Sänger verausgabt hat. Doch das hält ihn nicht davon ab, nochmals rauszugehen und für die Zugabe „Stand Up“ ein letztes Mal richtig durchzustarten. Hut ab vor dieser physischen Leistung, die Soto hier zeigt!
Pöch: Wahnsinn, was für eine vielseitige Zeitreise wir hier gerade erleben. Und Soto, welcher ja auch nicht mehr der Jüngste ist, absolviert dies wie von Kaufi treffend beschrieben mit einer unglaublichen Leichtigkeit. Ich bin vor allem ein Riesenfan der bisherigen vier W.E.T.-Alben, welche aus meiner Sicht eine perfekte Symbiose des grandiosen Songwritings des Eclipse-Sängers Erik Martensson und der einzigartigen Stimme von Soto darstellen. Dementsprechend ist das Highlight des Gigs für mich dann auch das W.E.T.-Potpourri, welches dem Brienzer Publikum von jedem dieser vier Alben einen Ausschnitt eines Songs um die Ohren haut, abgeschlossen durch den Song „One Love“ vom unübertroffenen Debutalbum. Wow, absoluter Hammer!
Kaufi: Es ist mittlerweile weit nach 23 Uhr. Für Nicky und mich ist das diesjährige Brienzersee Rockfestival bereits zu Ende. Das Programm am Samstag packt uns beide nicht so sehr (ok, Mike Tramp hätte ich nach dem starken Auftritt an der Pyraser Rocknacht gerne nochmals gesehen), aber vor allem meine Batterien sind endgültig leer. Doch Pöch ist noch da, er darf gerne den letzten Festivaltag Revue passieren lassen.
Die Fotos – Jeff Scott Soto
Brienzersee Rockfestival 2025 – Tag 3 (Samstag, 9. August)
Pöch: Das anfängliche Soundproblem von Art Nation am Freitag, die begeisternde Show der Lazys und die etwas schwerfällige Darbietung von Mike Tramp habe ich ja bereits im Donnerstags-Kommentar erwähnt.
Saint City Orchestra
Der Brienz-typische Irish Folk-Slot am Samstag um 15:00 Uhr wird dieses Mal von der St. Galler Kapelle Saint City Orchestra belegt, welche wie schon Victory in der Vorwoche die Chance auf einen Wacken-Auftritt bekamen und dort angeblich den Holy Ground zum Beben gebracht haben. Und meine Güte, auch hier springt der Funken von der ersten Sekunde aufs Publikum rüber und danach gibt es im Zelt während eineinhalb Stunden nur noch ausgelassenes Herumtanzen. Ganz grosses Kino mit einem sehr hohen Spassfaktor!
Auf die Band Adrian & the Rise verzichten wir hingegen und kehren zum Abendessen in unser Hotel zurück. Was mich auch gleich zu einem kleinen Kritikpunkt bei der Organisation des Brienzersee Rockfestivals bringt: Für ganze drei Festivaltage ist die Auswahl im kulinarischen Bereich hier dann doch arg eingeschränkt, vor allem wenn man sich auch mal ein wenig gesünder mit etwas Salat oder Gemüse ernähren möchte. Da man wohl aus finanziellen Gründen den ganzen Food-Bereich seit Jahren unter die eigenen Fittiche nimmt, konzentriert sich das Sortiment verständlicherweise recht stark auf Gegrilltes, Frittiertes oder Pasta. Da gefällt mir das Konzept mit unterschiedlichen Food-Trucks bei anderen Festivals wesentlich besser. Aber das ist wohl wie bei der Musik auch einfach Geschmacksache.
Storace
Zum Auftritt von Storace sind wir aber wieder zurück und dies ist natürlich ein Name, der das Volk nochmals massiv ins Zelt pilgern lässt (jedoch ist auch bei diesem relativ grossen Namen wesentlich weniger Andrang als in anderen Jahren). Der Krokus-Frontmann verzichtet bis auf ein paar wenige Ausnahmen weitestgehend auf Coversongs seiner Hauptband, was aber der Qualität der Show keinen Abbruch tut. Grossartige MusikerInnen und ein gut aufgelegter Sänger lassen nach neunzig Minuten ein begeistertes Publikum zurück.
Kleiner Wehrmutstropfen: Die durch einige Covers auf YouTube bekanntgewordene britische Gitarristin Anna Cara besticht durch ihre unglaublichen Skills an ihrem Instrument, schafft es aber während eineinhalb Stunden kaum einmal ihren Gesichtsausdruck zu verändern. Gitarrenarbeit absolut top, aber an den Emotionen auf der Bühne könnte noch etwas gearbeitet werden. Aber das gehört vielleicht auch schlicht zum Gesamtkonzept und ich bin einfach noch nicht bereit dafür…
Das Fanzit – Brienzersee Rockfestival 2025
Kaufi: Blicken wir also zurück auf die letzten Tage. Und da tauchen einige Fragen auf. Hat es sich gelohnt, den Donnerstag zum Festivaltag zu machen? Auch wenn Kissin‘ Dynamite einen Abriss erster Güte hinlegten – der Zuschaueraufmarsch war da schon eher bescheiden. Zugegeben, in diesem Fall konnten die Schwaben aus terminlichen Gründen halt wohl wirklich nur am Donnerstag hier spielen.
Doch generell hatten wir das Gefühl, dass deutlich weniger Leute anwesend waren als in früheren Jahren, auch am Freitag. Sicher, der Eindruck täuscht möglicherweise etwas, weil bei dem Wetter dann doch viel Volk lieber draussen an den Festbänken und im See verweilten. Umgekehrt muss man sagen, dass der Name Jeff Scott Soto nicht die Strahlkraft auf die Fans hat wie manch andere Band, die in den letzten Jahren hier zu Gast war. Was eigentlich unverständlich ist, denn rein qualitativ muss sich Soto hinter niemandem verstecken, für mich war das DIE positive Überraschung des Festivals!
Schlussendlich ist es aber klar, dass es für solche eher kleinere Festivals halt auch immer schwieriger wird, richtige Zugpferde zu engagieren. Doch selbst wenn riesige Namen fehlten: Für mich persönlich waren am Donnerstag und Freitag mit die besten Line-ups am Start, die ich hier je gesehen habe! Während ich viele Bands lange kenne, liebe und schon oft gesehen habe, so war alleine die Tatsache, dass die Temple Balls geholt wurden, ein Hauptgrund hierher zu kommen.
Was bleibt, ist also: Zuschaueraufmarsch „na ja“, Bandauswahl „sehr stark“, Konzerte „tadellos“, Atmosphäre „kaum zu übertreffen“. An dieser Stelle auch nochmals ganz herzlichen Dank an Bea, die sich stark eingesetzt hat, mir manche Dinge zu ermöglichen! Wir hoffen, dass wir das im nächsten Jahr wiederholen können – denn der Brienzersee rockt!
Gastbeitrag: Pöch