Godzilla Was Too Drunk To Destroy Tokio – Sideral Voivod
Stoner RockDreckig im besten Sinne
Ein eigenartiger Name, ein neues Album: Godzilla Was Too Drunk To Destroy Tokio veröffentlichen mit Sideral Voivod ein neues Stück Do-it-yourself-Rock.
Abseits von Instrumenten und Gesang
Mindestens ebenso wichtig wie die Musik ist, um als Band aufzufallen, um gesehen und gehört zu werden und im Gedächtnis zu bleiben, die Art und Weise, die Attitüde, wie man sich der Welt präsentiert. So kann man etwa optisch auffallen, beispielsweise durch Halloween-Masken (Slipknot), durch ein Gimmick, wie in jeder Show den amtierenden Präsidenten der USA zu ermorden (Gwar), durch ein Maskottchen, das das visuelle Erscheinungsbild der Albencover und Bühnenbilder prägt (Eddie von Iron Maiden), oder dadurch, dass man sich als METALband METALlica nennt.
Ebenfalls durch den Namen auffallen, dürften Godzilla Was Too Drunk To Destroy Tokio (im Folgenden GWTDTDT genannt). Zumindest war er es, der mich dazu verleitete, mir ihr neuestes Album «Sideral Voivod» anzuhören und diese Review zu verfassen.
Alles ist Kunst
Die Erwartungen an eine Band mit einem solch humorvollen, abstrusen Namen sind erstmal nicht sonderlich hoch. Man mag sich vielleicht gar fragen, ob hier fehlendes Können hinter einem müden Lacher versteckt wird und sich hinter dem Witz über die betrunkene Riesenechse nichts künstlerisch Nennenswertes verbirgt. Was dann wiederum zur Überlegung verleitet, was überhaupt Kunst ist.
Nach modernem Verständnis, wie hinsichtlich bildender Kunst moderne Galerien erklären, kann Kunst, unabhängig von handwerklichem Können, alles sein, nur soll sie – im besten Fall – Grenzen sprengen und Neues probieren.
Hierzulande verkörpert eine musikalische Form dieser Definition von (moderner) Kunst die Berner Gruppe Andreas Trash Band, bei der das Trash Programm ist und die durch ihre selbst deklarierte schlechte Musik, die unter anderem aus schief gesungenen Tönen und arrhythmisch gespielten Perkussionsinstrumenten besteht, super in sozialen Netzwerken funktioniert, da die einen bei einer solchen Provokation, wie bei einem Unfall, nicht wegschauen können und die anderen es auf eine (betont) «ironische Weise» cool finden. Auf ähnliche Weise polarisiert seit rund dreissig Jahren das Hamburger Goa-Kollektiv HGicht.T, das aus Mitgliedern mit Namen wie «DJ Hundefriedhof» besteht.
In welche Stilrichtung schwankt Godzilla?
Diesen Weg gehen GWTDTDT nicht. Auch wenn ihr Name gerade danach schreit, Experimente zu wagen, orientieren sie sich stilistisch an dem, was die Bandmitglieder vermutlich selbst hören, was demzufolge ein Mix aus Grunge, Stoner Rock/Metal und Punk sein wird. Selbst bezeichnen sie das als «Heavy Fuzz Rock», doch um der Band zuzugestehen, ein neues Genre erfunden zu haben, fehlt eine Spur Innovation. Sideral Voivod – der Name des Albums geht unter dem alles überschattenden Bandnamen beinahe unter – ist nicht das erste Werk einer neuen Stilrichtung, macht aber dennoch Spass und darf sich in die Gruppe der Stoner Rock bezeichnenden Alben einreihen. Hörbare, beschränkte Ressourcen hinsichtlich Produktionsqualität sind dabei erstmal egal.
Authentischer Klang
Sideral Voivod erscheint beim italienischen Label Argonauta Records. Ein Label, das sich auf Stoner, Sludge und Doom Metal fokussiert hat. Welche Benefize die Band dadurch hat, dass sie über ein Label und nicht selbst publiziert, lässt sich – nebst der Annahme, dass dies schlicht weniger mühsame administrative Arbeit bedeutet – nur erahnen. Dass dank des Labeldeals der Gang in ein professionelles Studio (finanziell) geebnet gewesen wäre, ist eher unrealistisch. Das Album klingt, als wäre es im Proberaum mit Live-Equipment aufgenommen worden. Vermutlich, da dies der Realität entspricht. Und das ist im Grossen und Ganzen gut so. Ernst (oder nicht ganz so ernst) zu nehmendem Punk und Grunge tut es nicht unbedingt schlecht, wenn er dreckig klingt. Es gibt schliesslich einen Grund dafür, dass die weltgrössten Produzenten mit Distortion-Effekten herumexperimentieren, wenn sie etwas «rebellisch» klingen lassen wollen.
Auf Sideral Voivod ist dieser Klang vermutlich nicht gewollt, sondern einem fehlenden schallisolierten Raum und Studiomikrofon geschuldet. Dadurch klingt das Schlagzeug flach und der Gesang oft eine Spur zu leise und vor allem undeutlich. Der Inhalt der Lyrics lässt sich an einigen Stellen nur erahnen. Da möchte man beinahe in den Proberaum stürmen, um der Band vom Rap-Newcomer zu erzählen, der sein erstes Mixtape mit dem Mikrofon unter der Bettdecke aufnahm, was zumindest im Endprodukt Studiobedingungen simulierte. Doch vielleicht soll Sideral Voivod bewusst nach Kellerproduktion klingen, unverfälscht authentisch. Authentisch genug, um den Träger eines GWTDTDT-Shirts auf längere Zeit von der «Poser-Verdachtsliste» zu streichen.
Aufbau
Strukturiert sind die Songs ganz klassisch: Strophe, Refrain, Strophe, Refrain. Dies im Sinne des Punks technisch simpel gehalten. Da und dort nimmt sich die Band ein wenig mehr Zeit und präsentiert ihre Instrumente in B-Teilen. Diese Instrumentaleinlagen offenbaren oft kleine Einfälle, die man auf sechs Saiten hatte, die dann aber leider sehr oft wiederholt werden. Oder man rutscht in grosse Powerchord-Löcher, die noch repetitiver, je nach Aufmerksamkeitsspanne gar langweilig, klingen. An und ab beweist sich, dass weniger eben doch oft mehr ist und es dem ein oder anderen Song, wie beispielsweise «Stomp», guttun würde, wäre er beim Coiffeur und würde sich «die Seiten kurz» schneiden lassen. Live vorgetragen und insbesondere performt werden die Lieder bestimmt anders wirken. Gerade «Whale» klingt nach klassischer Pogo-Tanzmusik.
Der Gesang von Sängerin und Bassistin Sara de Luca klingt im besten Sinne dreckig und erinnert ein wenig an Joan Jett zu ihren besten Zeiten. Melodiös ist er nicht sonderlich, Brüllen geht über Singen, was sich wunderbar in die Musik und den restlichen Stil der Band eingliedert. Hier wird Stoff geliefert, mit dem man sich abreagieren kann. Besonders wütend wird es in «Worship The Middle», in dem sich gar an einem Thrash Metal anmutenden Riff versucht wird.
Das Fanzit zu – Godzilla Was Too Drunk To Destroy Tokio – Sideral Voivod
Allgemein klingt das Album nach klassischem Do-it-yourself-Punk, hat aber doch neben den damit einhergehenden simplen Strukturen kleine Leckerbissen, die sich vielleicht erst nach einigen Hördurchgängen zeigen.
Sideral Voivod ist eine Scheibe für die, die authentischen Grunge und Ausrutschen in der Bierlache beim Pogotanz nicht fürchten.
Die Tracklist – Godzilla Was Too Drunk To Destroy Tokio – Sideral Voivod
- Interstellar Greyhound
- Icarus
- Sideral Voivod
- Sasquatch’s Eyes
- Ouija Witch
- Telekinetic Thunder Yeti
- King Bong
- Prelude
- Whale
- Space Leech
- Worship The Middle
- Stomp
- Summer In The Void
Das Line-up – Godzilla Was Too Drunk To Destroy Tokio
- Bass & Gesang: Sara de Luca
- Schlagzeug: Nicola Viola
- Gitarre: Alessandro «Camu» Camurati