Von Fährmännern, Lovecraft-Stories und angerichteten Früchten
Im April machte die Musigburg einen Abstecher ins hindu-buddhistisch abgedriftete Tschechien. Reiseveranstalter waren dabei Cult Of Fire, die mit den beiden Vorbands The Great Old Ones und Caronte auftraten.
Rückblick zur ersten Ausgabe des Metal Storm over Luzern im Vorjahr: Als mittlere von sieben Bands spielt eine mir bis dahin unbekannte Truppe aus Tschechien – sozusagen als «Entdeckerzückerli» zwischen den sechs anderen Kapellen, die sich schon in der Vergangenheit bewiesen hatten. Die Show des Vierers ist zwar die Definition von statisch. Trotzdem hängt meine Kinnlade ob der Inszenierung, Geschwindigkeit und Eindruckskraft konstant zum Boden.
Jene Truppe hört auf den Namen Cult Of Fire. Sie findet sich heute Abend in der Musigburg ein – ein Must-see!
Caronte
Den Eröffnungsslot übernehmen gemäss der Website der südwestaargauischen Location gewisse «Cartone». Beim Schreiben des Vorberichts führte mich dieser Tippfehler ein wenig in die Irre. Schnell merkte ich jedoch, dass der Name gar nichts mit Karton zu tun hat, die Band sich stattdessen Caronte nennt und dies der italienische Begriff für den Fährmann Charon ist.
Anfangs – und damit meine ich leider das erste halbe Set – hat die Band aus der Emilia-Romagna noch etwas Mühe, das Publikum abzuholen. Irgendwie wirkt ihr Stoner Metal auf der einen Seite etwas zu gequält, auf der anderen Seite trotzdem nicht sehr überzeugend. Ich kann nicht ganz ausmachen, woran es fehlt, doch ich begebe mich bald in den hinteren Bereich der unteren Besucherfläche und geniesse das Gesamtbild. Ich glaube, es ist der Gesang, der sehr gewöhnungsbedürftig ist. Optisch passt Dorian Bones, der Sänger mit Glatze, Truckerschnauz und Nietenweste, sowieso irgendwie nicht richtig ins Bild respektive zur Musik.
Genauso wenig kann ich mir dann erklären, wann, wie und weshalb der Schalter umgelegt wurde. Fest steht jedoch, dass mich die zweite Sethälfte deutlich mehr überzeugt. Musikalisch passt jetzt irgendwie alles. Das Auftreten der Musiker strahlt plötzlich Emotionen aus. Diese erlauben dem Zuschauer ein Abtauchen in die Klangwelten der Italiener. Doch dann ist schon Schluss. Hätte die Musik von Anfang an gewirkt, hätte die Spieldauer sich natürlicher angefühlt.
The Great Old Ones
An zweiter Stelle sind The Great Old Ones an der Reihe. Die Truppe aus Bordeaux stützt sich thematisch auf die Werke von H. P. Lovecraft, was sich unter anderem mit den kreisförmigen Dekorationselementen an den Mikroständern bemerkbar macht. Optisch auffällig ist zudem die Kapuze des Sängers Benjamin Guerry, welche bis zum Ende des Auftritts sein Haupt bedeckt.
Musikalisch liefern die Südwestfranzosen Post Black Metal, der sowohl rasante Black-Parts als auch atmosphärisch-groovige Stellen mit sich bringt. Zudem birgt der variable Gesang stellenweise ansprechende Elemente. Musikalisch ist das Gezeigte top, jedoch könnten längere Auftritte von The Great Old Ones Gefahr laufen, die Schwelle zur Langweiligkeit zu überschreiten. Auf und vor der Bühne verhalten sich alle verhältnismässig statisch. Erst nach einer Weile scheint der Auftritt den Musikern selber Spass zu machen, was sich dann in gelegentlichem Headbangen zeigt. Zusammen mit dem für Black Metal aussergewöhnlich bunten, nervösen Licht wird zwar allen Sinnen etwas geboten – am meisten geniesst The Great Old Ones heute jedoch der Hörsinn.
Die Setlist – The Great Old Ones
- Me, The Dreamer
- In The Mouth Of Madness
- The Omniscient
- Antarctica
- Dreams Of The Nuclear Chaos
- Under The Sign Of Koth
Cult Of Fire
Was für ein Bühnenbild uns während der Show des Headliners erwartet, ist bereits in der Pause absehbar. Zwar verdeckt ein schwarzer Vorhang die Bühne, doch ist dieser so dünn, dass man jedes Detail auf der dahinter hell ausgeleuchteten Bühne ohne Schwierigkeiten ausmachen kann. Das riesige Backdrop mit dem weiss-roten Logo ist dabei das am wenigsten auffällige Element. Davor findet sich ein Schlagzeug mit roten Bassdrum-Fellen und am Bühnenrand der reich angerichtete Gabentisch des Sängers Vojtěch Holub. Seitlich flankieren diesen die zwei riesigen Kobrastatuen der beiden Gitarristen.
Dann ist es so weit: Der Vorhang wird entfernt und Cult Of Fire beginnen mit ihrem Ritual. Die beiden Kerzenständer auf dem Altar sowie viel mehr noch die Rauchstäbchen am Bühnenrand verströmen einen intensiven Geruch, der mich schon nach einem Song zur Flucht nach hinten zwingt. Das hält man ja im Kopf nicht aus…! Von etwas weiter hinten sieht man die einzelnen Details zwar weniger genau, hat jedoch einen besseren Eindruck vom Gesamtbild. Dieses lässt den Besucher einmal mehr kräftig staunen. Wie kommt man auf die Idee, aus einem Konzert, dessen Fokus eigentlich auf der Musik liegt, eine derartig visuelle Show zu machen? Alleine die Maske des sich kaum bewegenden Sängers ist aufmerksame Blicke wert. Und dann die vielen Früchte, die auf dem Alter hergerichtet sind, oder die beleuchteten, mit für mich unleserlichen Schriftzeichen verzierten Kobras, in welchen die Gitarristen im Schneidersitz ihr Werk verrichten.
Doch wie vorhin erwähnt: Der Fokus liegt bei einem Konzert ja eigentlich auf der Musik. Diese ist nichts für schwache Nerven: Einerseits haben wir es hier mit gnadenlosem Black Metal zu tun, der von Speed, dissonanten Riffs und unverständlichen Vocals lebt. Andererseits bauen bei Cult Of Fire die beiden Gitarristen einen östlichen Einfluss ein, der den Songs etwas Mystisches, Episches verleiht. Aufgrund dessen, was ich damals in der Musiktheorie lernte, vermute ich massenhaft harmonische Tonleitern. Eine definitive Aussage kann ich jedoch nicht treffen – es gibt einen Grund, wieso ich Schlagzeuger bin.
Im heutigen Programm dominiert das aktuelle Album «The One, Who Is Made Of Smoke», welches eine Woche vor dem Konzert erschien. Mit fünf (von sieben) Songs wird es fast in voller Länge gespielt und stellt die Hälfte der Setliste. Wie schon bei meinem Erstkontakt mit den Tschechen ist also viel mir unbekannte Musik dabei. Doch habe ich irgendwie den Eindruck, dass mich die Songs damals in Kriens etwas mehr catchten.
Dafür achte ich mich heute genauer darauf, was die Musiker so tun. Das Drumming von Peter Heteš empfinde ich als sehr spannend, zumal auch er einen Mix zwischen klassischem Black Metal und coolen, zu den mystischen Parts passenden Tom-Figuren findet. Die oft mehrere Schläge auf demselben Ton hängenden, aber schnell gespielten Gitarrenklänge verleihen der Musik ihren starken Charakter. Zudem staune ich ob der Leichtigkeit der Handbewegungen des Gitarristen, der vor mir sitzt. Die manchmal hymnenhaften, manchmal fast schon erzählend wirkenden Gutturalgesänge runden das Ganze ab. Dazu kommen die markanten Handbewegungen, mit welchen Herr Holub seine Vocals untermalt. Während den Instrumentalparts steht er hingegen beinahe regungslos da – oder zelebriert auch mal irgendeine Art Aufguss auf seinem Altar.
Nach zehn Songs ist der gesamte Spuk ziemlich schnell vorbei. Der Drummer erhebt sich, der Sänger bedankt sich mit Handgesten beim Publikum, dann verdeckt wieder der Vorhang die Bühne.
Die Setlist – Culf Of Fire
- Dhoom
- Zrození výjimečnégho
- Joy
- Anger
- Kālī mā
- Untitled 1
- Blessing
- Khaṇḍa maṇḍa yōga
- Buddha 5
- There Is More To Lose
Das Fanzit – Cult Of Fire, The Great Old Ones, Caronte
Caronte hatten heute etwas Startschwierigkeiten. Erst nach der Hälfte ihres Auftritts begannen ihre Stoner-Klangwelten zu wirken, und viel zu schnell war der Auftritt dann vorbei. Ähnlich erging es danach The Great Old Ones, welche im ersten Teil selbst nicht viel Spass am Auftritt zu haben schienen. Im Laufe ihres Slots änderte sich dies jedoch und man konnte doch noch in den Post Black Metal der Franzosen abtauchen.
Cult Of Fire lieferten in der Musigburg einen sehr eindrücklichen Auftritt, bei dem ich mich jedoch frage, inwiefern er auch ohne die vielen Showelemente funktionieren würde. Wie bei Heilung nimmt das Visuelle einen wichtigen Teil des Gesamtwerks ein. Doch wirkt diese Kombo bei Cult Of Fire sehr gut und ich würde sie jederzeit wieder besuchen.

