Jimi Jamison – 1998 Live Hits
Hardrock
Jimi Jamisons unvergängliches Vermächtnis
Manche Stimmen definieren ein Genre. Und dann gibt es Jimmy Wayne „Jimi“ Jamison, dessen unverwechselbares Organ Jahrzehnte überdauerte.
„1998 Live Hits“ ist nicht nur ein nostalgischer Rückblick, sondern das kraftvolle Vermächtnis eines Künstlers, der mehrere Generationen von Rockfans direkt ins Herz getroffen hat.
Es ist ein lebendiges Dokument einer Ära, in der Jamison – längst über Survivor hinausgewachsen – seine unvergleichliche Mischung aus Power, Eleganz und Seele auf die Bühne brachte. Die Aufnahmen stammen aus drei Shows in Little Rock, Nashville und Bettendorf und wurden damals von seinem engen musikalischen Umfeld eingefangen, aber nie veröffentlicht.
Dass sie nun, über 25 Jahre später, erstmals offiziell erscheinen, ist für Fans nicht weniger als ein vorgezogenes Geburtstagspräsent – plus Weihnachten obendrauf. Die Tracklist liest sich wie ein Destillat seines künstlerischen Schaffens: unsterbliche Survivor-Hits, persönliche Solo-Momente sowie ein überraschendes Cover, die zeigen, weshalb Jamison bis heute als einer der stärksten Vokalisten der AOR- und Melodic-Rock-Welt gilt.
Von Memphis in die Stadien
Geboren in Memphis – einer Stadt, in der Blues, Soul und Rock’n’Roll buchstäblich aus jeder Ritze drangen – prägte Jimi Jamison früh seine klangvolle Karriere. Seine erste Single veröffentlichte er bereits 1967. Doch erst mit Target und Cobra (unter anderem mit dem Schweizer Gitarristen Mandy Meyer) entwickelte er jenen kraftvollen, unverwechselbaren Gesangsstil, der bald ganze Stadien füllen sollte.
Internationalen Ruhm erreichte Jamison jedoch als Frontmann von Survivor. Mit Songs wie „Burning Heart“, „The Search Is Over“, „High on You“ oder „I Can’t Hold Back“ (welche – Achtung, Spoilerchen – allesamt auf dem vorliegenden Tonträger versammelt sind) prägte er die 1980er-Jahre wie kaum ein anderer Sänger. Dass Casey Kasem ihn einst schlicht „The Voice“ nannte, ist bis heute nicht übertrieben.
Doch Jimi war mehr als „nur“ der Stimmvirtuose einer legendären Rockband: Solowerke, Kollaborationen mit Jim Peterik und Bobby Kimball, seine unverkennbare Performance des Baywatch-Themes „I’m Always Here“, unzählige Touren sowie Liveprojekte machten ihn zu einer der konstantesten Grössen des melodischen Hardrocks.
Privat galt Jamison als bodenständiger, warmherziger Mensch, der sich eng mit seiner Familie verbunden fühlte und offen über seine Liebe zu Memphis, zur Natur und zu klassischer Soul- und Bluesmusik sprach. Sein Tod im September 2014 – verursacht durch einen hirnhämorrhagischen Schlaganfall (Hirnblutung; der anfänglich kolportierte Herzinfarkt wurde durch den Autopsiebericht präzisiert) – kam überraschend und erschütterte die Rockwelt zutiefst. Viele Musiker würdigten ihn als eine der grossen Stimmen seiner Generation, als einen Sänger, der nicht nur Töne traf, sondern Gefühle transportierte.
Ungeschliffen und authentisch
Das nun veröffentlichte „1998 Live Hits“ ist beileibe kein perfektioniertes Live-Album von der Stange, sondern die unverfälschte Momentaufnahme eines Künstlers, der mit der Gelassenheit eines erfahrenen Frontmanns und der Energie eines ewigen Rockers auftrat. Jemand, der seine Stimme nicht nur kontrollierte, sondern fühlte – ja: lebte. Die Setlist vereint in sich dabei Survivor-Klassiker, Solo-Tracks und eine überraschende Doors-Coverversion („Riders On The Storm“) – alles getragen von einer Formation, die Jamison seit Jahren kannte und musikalisch verstand. Jeff Adams, Hal Butler, Chris Adamson, Pete Mendillo und Wes Henley bilden das Rückgrat dieser Mitschnitte, die nun endlich ihren Weg an die Öffentlichkeit finden.
Und so ist es genau die Ungeschliffenheit dieses Tondokuments, die dem Ganzen so viel Authentizität verleiht. Genau wie viele kleine Details, die einem vielleicht erst beim wiederholten Hören der Scheibe ins Ohr springen. Sei es das treibende „Burning Heart“ aus „Rocky IV“, das mit seiner Textzeile „Is it East versus West or man against man?“ so sinnbildlich die Gefühlswelt einer ganzen aufstrebenden Generation in eine simple Frage zu pressen wusste. Oder „I See You In Everyone“ vom Bestseller „Vital Signs“ (1984), das mit einem wunderbaren Pianointro startet und sich in der Folge zu einer Nummer mit einem gehörigen Heavy Touch mausert – ein Schwelgen in Erinnerungen ist da nahezu unmöglich. Bei „Oceans“ (When Seconds Count – 1986) wird einem so richtig, richtig bewusst, mit welch ausserordentlichen Stimmorgan dieser Künstler doch gesegnet war – auch wenn die unterlegten Vocal-Echos jetzt nicht unbedingt nötig gewesen wären.
Generell zeigen sich die Stücke – darunter das eindringliche „Oceans“ – ruhiger und gesetzter und gewinnen gerade durch diese Zurückhaltung an unverminderter, immenser Leuchtkraft. Und klar gibt es Songs, die ich persönlich vermisse, respektive mir als zusätzliche Perlen auf diesem Silberling gewünscht hätte. „Man Against The World“ ist so ein Titel, der mich immer wieder aufs Neue zu verzaubern mag (ja, die Longplayer des Herren Jamison laufen bei mir aktuell mal wieder – nostalgiebedingt – in Dauerschleife). Oder das unvergleichliche „Ever Since The World Began“ – von „Eye Of The Tiger (1982)“ und dem ursprünglichen Survivor-Shouter Dave Bickler eingesungen (der die Band Ende 1982 wegen Polypen an den Stimmbändern und einer längeren Erholungsphase verliess) – das aber auch von Jimi auf so wunderbare Art und Weise auf seinem Solo-Album „Rock Hard“ wiedergegeben wurde.
Von Ballade zu Rocker
Balladen gehen natürlich immer, und so setzt das warme, einschmeichelnde „The Search Is Over“ mit seiner leichten künstlerischen Abwandlung in der zweiten Strophe sowie der emotionalen Komponente im Refrain ein überaus inniges Ausrufezeichen. „I Can’t Hold Back“, „I See You In Everyone“ oder das zuweilen auf sphärischen Soundteppichen schwebende „High On You“ sind weitere Tracks, die für grosse Momente besorgt sind. Und dass ein solider Rocker wie das von seiner Soloscheibe stammende „Rock Hard“ (When Love Comes Down, 1991) nebst diesen Überhits zu bestehen vermag, zeugt vom unbestreitbaren Talent dieses Ausnahmekünstlers, der seine Mitstreiter gerade in diesem Lied mit hörenswerten Soli so richtig scheinen lässt.
Dass „Eye of the Tiger“, der wohl grösste Hit der „Überlebenden“, den Abschluss bildet, überrascht kaum. Unerwarteter ist hingegen die Instrumentierung: Ausgerechnet das Piano übernimmt in diesem treibenden, hochgradig rhythmischen Song die prägende Rolle. Doch beim Öffnen einer Zeitkapsel muss man mit Überraschungen rechnen – so auch mit dem kreischend-atypischen Schlusspunkt dieser Einspielung.
Das Fanzit Jimi Jamison – 1998 Live Hits
„1998 Live Hits“ schafft den Spagat zwischen historischem Dokument, persönlichem Vermächtnis und musikalischem Genuss. Und auch wenn nicht immer alles super perfekt und rund um die Ecke kommt, so ist dieses Werk – diese Schatztruhe aus einer wunderbaren Klang-Epoche – wohl ein Pflichtkauf für all jene, welche eine der grössten Stimmen des AOR in ihrer ehrlichsten Form erleben möchten.
Anspieltipps: Burning Heart, I See You In Everyone, The Search Is Over, I Can’t Hold Back
Ab Release reinhören und CD/Vinyl portofrei bestellen
Die Tracklist Jimi Jamison – 1998 Live Hits
- Burning Heart
- High On You
- Rebel Son
- I’m Always Here
- I See You In Everyone
- Rock Hard
- Oceans
- The Search Is Over
- Is This Love
- I Can’t Hold Back
- Riders On The Storm
- Too Hot To Sleep
- Eye Of The Tiger
Das Line-up – Jimi Jamison
- Jimi Jamison – lead vocals
- Jeff Adams – bass and vocals
- Chris Adamson – guitars
- Hal Butler – keyboards and vocals
- Pete Mendillo – drums
- Wes Henley – guitars
Video Jimi Jamison – „Burning Heart“


