

Willkommen in der Hölle!
Unter dem Motto „Circle Pitournium“ standen am Ostersonntag vier Bands angeführt von Cytotoxin in Lindau (D) auf der Bühne, die durch technische Raffinesse und aggressive Instrumentierung überzeugten.
Eigentlich ist mein bevorzugtes Genre Progressive Metal. In letzter Zeit ertappe ich mich aber immer häufiger dabei, wie mich Konzerte, bei denen ich brav den virtuosen Musikern zusehe und mich für jede kleine emotionale Regung entschuldigen muss, anfangen zu langweilen. Das war bei Paleface Swiss ganz anders! Zugegeben, das ist kein Progressive Metal, aber diese Band hat bei mir etwas ausgelöst. Paleface Swiss haben meinen musikalischen Horizont erweitert und mein Interesse an technisch anspruchsvoller, brutaler Musik mit viel Publikumsinteraktion geweckt. Klingt jetzt vielleicht etwas pathetisch, aber: Ja, ich will künftig bei Konzerten mehr ausrasten und alles geben! In diesem Zusammenhang hat mich vor allem Osiah motiviert, einen Ausflug nach Lindau zu machen. Deathcore ist mein neuer Freund.
Osiah
Aggressive, technisch versierte Riffs und intensive Breakdowns sind das Markenzeichen der Engländer Osiah. Mit ihrem Deathcore-Gewitter eröffneten sie den „Circle Pitournium“. Und mal ehrlich: Wenn Steve Jobs aus dem Jenseits Bass spielt, was soll da noch schiefgehen? Grossartige Gitarrenarbeit, ein Drummer, der mit frecher Leichtigkeit Brutalität serviert – das macht einfach Eindruck. Dazu kommen gutturale Vocals, die am Ende zu folgendem Fazit führen: Quälender Dreck, der begeistert, mitreisst, beeindruckt! Tourmanager Jasper Harmer, der auch bei Beyond Extinction am Mikro steht, überraschte mit einem starken Gastauftritt und übernahm spontan die Vocals.
Übrigends: Chris Keepin (Gitarre) und Andy Mallaby (Gitarre) standen Metalinside vor der Show für ein Interview zur Verfügung, das demnächst veröffentlicht wird. Dort erfahrt ihr dann auch, warum Steve Jobs den Bass spielt.
Acranius
Noch eine Spur wilder ging es weiter mit der Slam-Death-Metal-Keule von Acranius. Frontmann Marcus Jasak machte von Anfang an klar, was er vom Publikum erwartet: „Verkriecht euch nicht in den Ecken, ich will euch hier vorne sehen. Los!!“ Später wurde auch klar, warum ihm das so wichtig war: Zwei Bandmitglieder von Necrotted, die danach spielten, sollten vom Publikum quer durch den Club bis zum Mischer getragen werden. Dort gab es dann eine „High-Five“-Begrüssung. Dieser Auftritt war ein brutales musikalisches Manifest, unterlegt mit höllischen Growls und beeindruckender Interaktion mit dem Publikum. Ich war gespannt, wie es weitergehen würde.
Necrotted
Neben Osiah war Necrotted für mich das Highlight des Abends. Besonders das technisch versierte Gitarrenspiel von Johannes Wolf hat mich umgehauen! Der gesamte Auftritt war kompromisslos böse und fühlte sich an, als würde die Band einfach ohne Rücksicht auf Verluste aufs Gaspedal treten. Dieser Mix aus Deathcore und Death Metal hat richtig Spass gemacht! Frontmann Fabian Fink liess es sich auch nicht nehmen, ein paar bissige politische Kommentare gegen die AfD ins Publikum zu rufen. Die Performance war gewaltig und überzeugte mich vor allem durch das tornadoartige Tempo und das Wechselspiel zwischen tiefem Growling und keifenden Screams. Besonders bedrohlich wirkten die Rauchsäulen, die in aggressivem Tempo aus dem Bühnenboden schossen. Vielleicht traue ich mich beim nächsten Mal sogar, bei der Wall of Death mitzumachen.
Ein kleines End-of-Tour-Dilemma gab es dann aber noch: Am Merch-Stand waren die T-Shirts in meiner Grösse leider schon ausverkauft. Mein Geld habe ich dann kurzerhand bei Osiah gelassen.
Cytotoxin
Den Abschluss dieses Abends bestritten Cytotoxin, die als Headliner den ohnehin schon brutalen Sound des Abends noch einmal auf ein neues Level hoben. Der Name ist hier tatsächlich Programm: Ein Cytotoxin ist ein Zellgift, das Zellen schädigt oder zerstört – und genauso fühlte sich ihr Technical Death Metal für mich an. Ich dachte kurz, ich komme hier nicht mehr lebend raus. Auch die Bühnenshow war auf „Zerstörung“ ausgelegt: Gasmasken und radioaktive Fässer kamen zum Einsatz, und der grossgewachsene Frontmann Sebastian „Grimo“ Grihm beugte sich immer wieder über die Fässer, um sich vom aufsteigenden Rauch einnebeln zu lassen. Der Bezug der Band zum Thema „Atomunfall“ ist also nicht zu übersehen. Auch Grimo dirigierte die Fans von der Bühne aus und gab mehrmals klare Anweisungen mit einem Kreisverkehrsschild: „Circle Pit, los geht’s!“ Ihr am 11. April 2025 erschienenes Album „Biographyte“ wurde an diesem Abend gebührend gefeiert und präsentiert.
Das Fanzit – Cytotoxin, Necrotted, Acranius, Osiah
Die „Circle Pitournium“-Tour war für alle Beteiligten offenbar eine riesige Sause. Die lustigen Videos auf Social Media lassen das zumindest vermuten. Die Stimmung in Lindau war jedenfalls durchweg grandios, und ich habe mich während der knapp vierstündigen Show keine Minute gelangweilt. Das macht definitiv Lust auf mehr Underground-Gigs dieser Art. Besonders Osiah und Necrotted werde ich weiterhin im Auge behalten.
Es lebe der organisierte Moshpit!
Ein grosses Dankeschön an Anna Wirz, die mich als Gastfotografin bei diesem krassen Live-Erlebnis unterstützt hat.
Die Fotos – Cytotoxin, Necrotted, Acranius, Osiah (Anna Wirz)
