
Wytch Hazel – V: Lamentations
Hardrock, Rock
Zeitlos
Seit ihrem Debut «Prelude» (2016) faszinieren Wytch Hazel mit ihrem wiedererkennbar archaischen Sound die Metalwelt.
Mit der bereits fünften Langrille im Gepäck ziehen die vier Herren aus Nordengland zurzeit durch vereinzelte Sommerfestivalgelände. Aus einer kleinen, aber treuen Fangemeinde hat sich die Combo von einem Geheimtipp zu einer ernstzunehmenden Grösse hochgearbeitet. Aber was genau fasziniert eigentlich an diesem scheinbar veraltet klingenden Sound? Und überhaupt: Wie schlägt sich das neue Album «V: Lamentations»?
Sound aus der Vergangenheit
Colin Hendra, der Kopf hinter dem ganzen Projekt, ist ein grosser Verehrer traditionell britischer Rockmusik. Grosse Namen aus den 1970ern wie Thin Lizzy, Wishbone Ash oder Jethro Tull sind wohl die bekanntesten unter vielen anderen. Hinzu kommt die Faszination für sakrale Musik sowie die unüberhörbare Liebe für Iron Maiden. Dennoch klingt die Musik von Wytch Hazel nach keinem der erwähnten Namen, obwohl wiederum alles darin herauszuhören ist. Das ergibt eine ausgereifte Mischung mit eigenem Charakter.
Besonders auffallend ist auch, dass der Sound zutiefst retro ausgerichtet ist. Trotz aller modernen Technik und den heutigen Möglichkeiten, haben sich Wytch Hazel für einen analogen und warmen 70s-Sound (typischerweise mit reduzierten Mitten) entschieden. Das klingt durch die rudimentären Aufnahmen auf dem Erstling für heutige Verhältnisse gewöhnungsbedürftig dumpf, lässt aber durch erstaunlich eingängige Songs aufhorchen. Der Nachfolger «II: Sojourn» (2018) haut musikalisch in dieselbe Kerbe, profitiert obendrauf von einer klareren und aufgeräumten Produktion. Wüsste man es nicht besser, das Album würde umgehend als ein Klassiker aus den 70er-Jahren durchgehen. «III: Pentecost» (siehe Review) schüttelt diesen Retro-Staub etwas ab und punktet obendrauf mit einer unglaublichen Hitdichte, die vom Nachfolger «IV: Sacrament» (siehe Review) nur bedingt erreicht wird. Allerdings sind das lediglich diskutable Nuancen.
Konzept der Echtheit
Wytch Hazel haben ihren Sound mittlerweile perfektioniert, obwohl ihr Grundkonzept unverändert bleibt. Eine Richtungsänderung sucht man auf «V: Lamentations» also vergebens. Aber genau diese Sturheit gehört zu einer authentischen Band. Diese Authentizität zeichnet Wytch Hazel besonders aus. So ist es beispielsweise kein Geheimnis, dass Colin Hendra seinen christlichen Glauben in seine Kunst einfliessen lässt. Doch statt missionierende Zeigefingerpropaganda zu betreiben, lässt Colin den Zuhörer am eigenen Straucheln und Scheitern sowie der zutiefst innewohnenden Hoffnung teilhaben. Dementsprechend ist «V: Lamentations» eine Sammlung von Klageliedern, angelehnt an den Propheten Jeremia.
Führt man sich dieses Konzept vor Augen, gehen die Songs mitsamt den Texten gleich noch tiefer unter die Haut. Hier hält sich niemand für etwas Besseres oder als jemanden, der zu wissen meint, was der andere zu tun oder zu lassen hat. Hier spielt das Leben, echtes Leben.
Sammlung von Klageliedern
Echt geht es auch musikalisch zur Sache. Mit ‹I Lament› haben die Briten den perfekten Opener gewählt, um ihre Visitenkarte gleich in vollem Umfang zu präsentieren. Kein Schnickschnack, keine Keyboarduntermalung, dafür reissende Twin-Gitarren und Hooks, die sofort ins Ohr gehen. Der Sound ist gegenüber den Vorgängern noch ausgeglichener sowie punchiger. Tatsächlich folgt mit ‹Run The Race› eines der härteren Stücke aus dem Hazel-Repertoire. Aber es ist nicht nur der treibend galoppierende Rhythmus, der die Heavyness ausmacht. Mit ‹The Citadel› geht’s mit reduziertem Tempo zur Sache, aber der Song ist an Schwere und gleichzeitiger Beflügelung kaum zu toppen. Einer der besten Songs, die Wytch Hazel je geschrieben haben.
Mit ‹Elements› und ‹The Demon Within› folgt ein Duo, das mit dem Einsatz akustischer Gitarren komplett in die 70er versetzt und damit die Stimmung gegen Ende von Seite A (analog gesprochen) etwas aufheitert. Seite B beginnt mit dem hymnischen Stampfer ‹Racing Forwards›, bevor das obligate Instrumental ‹Elixir› ins erbauende ‹Woven› überleitet. Danach wird’s im wahrsten Sinn des Wortes heavy: Die Last bei ‹Heavy Load› liegt spürbar schwer auf, wird aber zunehmend zu einem befreienden Crescendo – sagenhaftes Songwriting! Und das abschliessende ‹Healing Power› setzt dem an Dramatik noch eins obendrauf, bevor ruhige Klänge ein weiteres Kunstwerk besiegeln.
Das Fanzit zu Wytch Hazel – V: Lamentations
Mit der bereits fünften Langrille versetzen Wytch Hazel den Zuhörer erneut in ein imaginäres Heavy-Metal-Mittelalter. Das reisst sowohl bei ruhigen wie auch bei rassigen Stücken gleichermassen mit. Die hohe Messlatte, die sie mit «II: Sojourn» oder dem phänomenalen «III: Pentecost» gesetzt haben, wird nun noch höher angesetzt.
Man hört den Briten unverfälscht an, dass sie keinem Trend angehören wollen. Das ist der Grund, weshalb «V: Lamentations» nicht nur zeitlos klingt, sondern ein Album ist, das auch noch in zehn, zwanzig und mehr Jahren aufgelegt werden wird. Jetzt schon ein Kult-Klassiker!
Die Tracklist – Wytch Hazel – V: Lamentations
- I Lament
- Run the Race
- The Citadel
- Elements
- The Demon Within
- Racing Forwards
- Elixir (Instrumental)
- Woven
- Heavy Load
- Healing Power
Das Line-up Wytch Hazel
- Colin Hendra – Guitars, Vocals
- Alex Haslam – Guitars
- Andy Shackleton – Bass
- Aaron Hay – Drums
Video Wytch Hazel – The Citadel
