Fit For An Autopsy - Interview mit Pat Sheridan (l.)
So, 5. Oktober 2025

Fit For An Autopsy – Interview mit Pat Sheridan

Death Metal, Deathcore, Hardcore, Progressive Metal
11.12.2025
Fit For An Autopsy - Interview mit Pat Sheridan (l.)

Zwischen Koffein und Klanggewalt

In einem Genre, das sich durch rohe Intensität und unerschütterliche Ehrlichkeit auszeichnet, konnten sich die Amerikaner Fit for an Autopsy mittlerweile einen festen Platz in der Szene erobern. Die Band, die dafür bekannt ist, erdrückende Härte mit anspruchsvollen Texten zu verbinden, erweitert die Grenzen der Heavy-Musik.

English version

Metalinside traf sich mit Pat Sheridan (Gitarre, Gründungsmitglied) in Zürich und tauchte tiefer in die kreative Denkweise ein, die den unverwechselbaren Sound von Fit for an Autopsy prägt. Ausserdem haben wir über sehr interessante Geschichten hinter den Kulissen gesprochen und darüber, was einen richtig guten Kaffee ausmacht.

Metalinside.ch (Liane): Ich muss ehrlich sein. Ich habe euch bisher nur einmal live gesehen und das war bei Rock im Park. Ich war begeistert. Ihr habt gegen Mittag gespielt und ich hätte nicht gedacht, dass schon so viele Leute kommen würden, weil ich mir sicher war, dass die meisten Besucher noch schlafen würden. Es war verdammt früh!

Pat Sheridan: Oh ja, das war ein guter Auftritt! Es war verrückt!

MI: Ich freue mich sehr, heute Abend wieder hier zu sein und euch in einem intimeren Rahmen zu sehen.

Pat Sheridan: Das wird Spass machen!

MI: Wie hat euch Rock im Park beziehungsweise Rock am Ring gefallen und was war das beste Festival, auf dem ihr bisher gespielt habt?

Pat Sheridan: Das ist eine Fangfrage, oder? Die Festivals Rock am Ring und Rock im Park waren unglaublich. Wir sind seit etwa 17 oder 18 Jahren eine Band. Wir sind gerade an einem Punkt in unserer Karriere angelangt, an dem diese Festivals erkennen, dass wir es wert sind, dort zu spielen. Sie sind daran interessiert, mit uns zusammenzuarbeiten. Zu Festivals wie Rock am Ring/Rock im Park, Copenhell, Hellfest, Download eingeladen zu werden, ist grossartig – das sind Festivals, von denen man als Kind träumt, dort spielen zu können. In unserer Welt – vor 1’500 bis 2’000 Menschen pro Abend zu spielen – sind das grosse Shows, denn unsere Musik ist so speziell. Wenn wir also auf diesen riesigen Festivals spielen und so tun können, als wären wir eine grosse bekannte Band, ist das etwas ganz Besonderes für uns. Alle Veranstalter und alle Leute, die uns für die Sommerfestivals gebucht haben, werden wir nie vergessen. Das erste Mal bei diesen Festivals zu spielen, war unglaublich, es war fantastisch. Es war ein unglaublich cooles Gefühl, als erste Band auf der Hauptbühne zu stehen und vor Tausenden von Menschen zu spielen. Es fühlt sich einfach unglaublich an. Also ja, es war wirklich cool!

MI: Und es war wirklich verrückt, ich habe es so sehr geliebt. Ich war kurz davor, mich in den Moshpit zu stürzen, aber mal sehen, vielleicht klappt es ja heute Abend.

Pat Sheridan (lacht): Vielleicht heute, wir werden sehen. Manchmal kann es in der Schweiz ziemlich verrückt zugehen, manchmal ist es aber auch sehr ruhig. Wir werden sehen, wie es heute Abend läuft. Letztes Mal war es sehr gut.

Die Dream-Theater-Stimmung

MI: Das ist ein guter Punkt. Das Publikum dreht bei euren Shows normalerweise völlig durch. Es herrscht immer eine grossartige Energie. Ich habe einige Videos auf YouTube gesehen. Deshalb habe ich mich gefragt, ob ihr jemals ein Dream-Theater-Publikum hattet.

Pat Sheridan: Ja, es gab schon Publikum, welches sich mehr aufs Zuschauen als aufs Mitmachen konzentriert hat. Man spielt an einem Ort und Moshing, Circle Pitting, Stagediving oder Crowdsurfing gehören kulturell nicht zu dem, was man so macht bei Konzerten. Sie gehen zu den Shows, sie schauen sich die Band an, sie sind begeistert und klatschen und loben dich auf diese Weise. Aber es fühlt sich auch so an, als wären sie nicht ganz dabei. Manchmal ist es schwer, die Energie zu erzeugen, weil sie aus dem Bauch herauskommt. Es ist eines dieser Dinge, bei denen man die Reaktion des Publikums beobachtet und dann geht man weiter als diese und dann gehen die Fans weiter als man selbst und bevor man sich versieht, ist man mitten im Publikum – so funktioniert Fit for an Autopsy. Es ist sehr punkrockig. Wir kommen alle aus der Punk- und Hardcore-Szene und haben uns zu dem entwickelt, was wir heute sind.

Wir reagieren auf das Publikum; live haben wir viel mehr eine Hardcore-Mentalität als eine Metal-Band-Mentalität. Wir wollen, dass das Publikum reagiert, und wir geben ihm zurück, was es uns gibt. Wir gehen noch einen Schritt weiter, um zu sehen, ob die Leute auch einen Schritt weiter gehen und dann stürzen sich alle von der Bühne in die Menge. Es gibt viele Videos, in denen die Anwesende total ausflippen und das ist toll. Manchmal wollen sie einfach nur zusehen und das fühlt sich auf der Bühne komisch an. Aber wenn wir fertig sind, kaufen die Leute Merchandise und umarmen uns. Also ist es okay, aber wir mögen diese Energie.

MI: Das ist eigentlich typisch schweizerisch. Ich war schon auf Tausenden von Konzerten und die Leute haben einfach nur regungslos dagestanden und zugesehen. Das kann für die Band irritierend sein. Ich weiss, was du meinst.

Pat Sheridan: Ja, das ist es ja gerade: Man kann nicht immer erwarten, dass alle das tun, was man will. Es ist ein Geben und Nehmen und man ist für sie da. Man wird dafür bezahlt, eine Show zu spielen. Es ist unser Job, also müssen wir das Paket liefern. Manchmal ist es so, als wäre man sich nicht sicher, ob sie sauer sind, dass man da ist, oder ob sie sich amüsieren, verstehst du, was ich meine (lacht)?

Hands-On Mentalität

MI: Die komplette Tournee hat erst vor wenigen Tagen in Portugal begonnen. Es stehen also noch etwa dreissig Konzerte aus. Ihr werdet durch Europa, Grossbritannien, Mexiko und Australien touren. Soweit ich mich erinnere, wird das nicht vor Januar 2026 zu Ende sein. Wie schafft ihr diese Tournee körperlich und mental?

Pat Sheridan: Wir sind für das Touren gemacht. Wir sind die Art von Band, die ihre eigene Crew ist. Wir haben einen Fotografen, einen Tontechniker, ein Tourmanagement, einen Merchandise-Verantwortlichen, und alles andere machen wir selbst. Wir bauen die Bühne auf, wir schleppen unser Equipment, wir stimmen unsere Gitarren, wir machen alles selbst. Das ist für uns eine der Möglichkeiten, um aktuell ein angemessenes Einkommen zu erzielen. Wir wissen, dass wir viel Arbeit selbst erledigen müssen, aber wir sind auch sehr praktisch veranlagt. Wir lieben die Hands-on-Mentalität, wir lieben die Herausforderungen des Tages. Wir sind mit Bands auf Tour, die unter uns spielen und fünf bis sechs Leute in ihrer Crew haben, das haben wir nicht. Wir sind also für diesen Job geschaffen, darin sind wir gut. Will Putney ist fantastisch im Schreiben von Musik. Touren und die Musik live zu spielen, ist das, was was wir tun, dafür sind wir geschaffen. Also geht es uns gut, wir fühlen uns gut, sind ein bisschen müde, haben leichte Rückenschmerzen, aber wir sind hier, um zu feiern.

Die Kunst, tiefgründige Texte zu schreiben

MI: Apropos Songs schreiben. Eure Texte beschäftigen sich mit sehr belastenden und schwierigen politischen und sozialen Themen. Ich habe mich gefragt, wie ihr damit umgeht, wenn ihr euch jeden Abend bei den Auftritten damit auseinandersetzen müssen. Hat das Auswirkungen auf dich oder euch?

Pat Sheridan: Ich denke, was mich vielleicht am meisten beeinflusst, ist die Art und Weise, wie die Menschen, die unsere Musik mögen, von ihr beeinflusst werden. Wenn man live spielt, ist das wie Arbeit. Man ist da, man ist im Moment und es fühlt sich nicht so verbunden an, weil man seinen Job macht. Auftreten ist in diesem Moment die Aufgabe und wir machen sie so gut wir können. Aber wenn ich mit Leuten spreche und sie sagen: „Hey, damit kann ich mich identifizieren!“ oder „Das verstehe ich!“ oder sogar „Das gefällt mir nicht! Ich bin gegen das, was ihr da sagt“, dann berührt mich das. Dann wird mir klar: Mann, das was wir da rüberbringen, ist so tiefgründig und so anders als bei vielen anderen Metal-Bands.

Dies bringt uns auch wieder zu dieser Hardcore-Mentalität und Punkrock-Mentalität zurück, über die wir gesprochen haben. Politische und soziale Weltanschauungen sind Dinge, die uns beeinflussen. Geld und Macht und der Missbrauch von Macht sind Dinge, über die wir viel reden. Und wenn diese Gespräche aufkommen, denke ich, dass sie mich beeinflussen. Ich gehe weg und denke darüber nach, bevor ich abends schlafen gehe. Während ich meine Arbeit mache, kann ich die Performance von dem trennen, was die Performance notwendigerweise aussagt. Für Joe, unseren Sänger, geht das vielleicht manchmal etwas tiefer. Aber weisst du, wir sprechen über einige heikle Themen und nicht jeder stimmt uns zu. Das ist okay. Solange man respektvoll damit umgeht und wir anständig darüber reden können, dann ist das in Ordnung. Aber ich denke, dass vieles, was wir sagen, wichtig ist und ob man damit einverstanden ist oder nicht, am Ende sind es aktuelle Themen und es geht um das, was gerade in der Welt passiert. Wir sagen, was wir wollen, und wenn es dir nicht gefällt, ist das in Ordnung. Wenn es dir gefällt, ist das auch in Ordnung, aber das ist es, was wir tun. Wir müssen damit leben, weisst du, das ist alles. Es ist, wie es ist.

MI: Kommen wir nochmals zurück zu Will Putney – schreibt er alle Texte?

Pat Sheridan: Die meisten davon, ja.

MI: Sind sich alle in der Band einig bezüglich der Botschaft?

Pat Sheridan: Ich würde sagen, ja. Wir müssen manchmal nicht einmal darüber diskutieren. Es gab Zeiten, in denen Dinge angesprochen wurden, zu denen ich gesagt habe: „Vielleicht sollten wir das anders angehen oder wir sollten überlegen, das auf eine andere Art und Weise zu machen“. Wir haben gerade die Themen für das neue Album besprochen, das wir vorbereiten oder bereits planen. Wenn wir fertig sind, werden wir zwei Jahre lang mit einem Album auf Tournee sein, also diskutieren wir bereits, was die aktuellen Themen sein werden und worauf wir uns konzentrieren wollen. Aber ich denke, wir sind alle bereit, für die Kunst, die wir machen, ein Risiko einzugehen. Viele Leute werden sich an etwas festklammern und sagen: „Oh, die nutzen das aus! Sie sind politisch so eingestellt!“ oder was auch immer, und sie haben wahrscheinlich recht, jedoch: Schockwert sorgt für Gesprächsstoff. Wenn wir also etwas tun, dann vielleicht, um euch zum Nachdenken anzuregen. Vielleicht geht es nicht unbedingt darum, was es genau bedeutet. Vielleicht sagen wir es, um euch zu provozieren: «Scheisse, das ist schrecklich, was sagen die da?“ Und dann geht ihr hin und lest es und nehmt vielleicht etwas davon mit.

Wie ein guter Dichter, ein guter Film, ein guter Drehbuchautor – sie schreiben oder erzählen etwas, um die Zuhörer zu fesseln. Sie tun das, um andere dazu zu bringen, in sich selbst zu graben und diesen unangenehmen Ort zu finden. Lyrisch und emotional versuchen wir, unsere Zuhörer herauszufordern, damit sie sagen: „Wow, was ist das denn, wovon reden die denn?“ und dann weitergraben. Die Kunst und die Botschaft, die wir vermitteln wollen, sind uns wichtig. Aber noch wichtiger ist es uns, zu unseren Überzeugungen zu stehen – deshalb werden wir niemals das tun, was andere von uns erwarten. Wir werden immer über das sprechen, worüber wir sprechen wollen, und wenn du uns falsch interpretierst oder ein falsches Bild von uns hast, dann hast du nicht genug gelesen.

Wie das Business funktioniert

MI: Ich habe das Gefühl, dass es unter den Musikern der Metalszene einen starken Zusammenhalt gibt, aus dem auch viele spannende neue Projekte und Kooperationen entstehen. Ich habe zum Beispiel gehört, dass Joe, euer Sänger, an einem neuen Projekt namens Spitting Glass arbeitet. Wie wichtig ist Networking heutzutage für den Erfolg einer Band oder eines Musikers?

Pat Sheridan: Nun, vieles davon läuft im Hintergrund ab. Geschäft ist Geschäft und Booking-Agenturen und Management kümmern sich um vieles, wie zum Beispiel die Zusammenstellung von Tourneen. Es geht nicht immer darum, wen man mag. Manchmal geht es darum, was man zur Tournee beitragen kann, was Sinn macht, denn Geschäft ist Geschäft, und wenn man keine Tickets verkaufen kann, will man einen nicht. Aber persönliche Beziehungen helfen natürlich sehr. Eine Sache bei dieser Killswitch Engage-Tour ist, dass Jesse Leach und ein paar andere Leute aus der Band uns nach einem Gespräch ganz klar gesagt haben, dass alle Bands auf dieser Tour von der Band ausgewählt wurden, weil sie die Bands mögen. Wenn man gute Beziehungen aufbaut, eine gute Arbeitsmoral hat und ein guter Performer ist, ist das auf jeden Fall von Vorteil.

MI: Wir haben vorhin über Will Putney gesprochen. Er ist Produzent und Hauptsongwriter und ein sehr beschäftigter Mann. Er hat ein Tonstudio, ein Plattenlabel, tourt mit Bands wie Better Lovers und – das muss ich dir nicht sagen – er hat einen Grammy gewonnen (lacht).

Pat Sheridan: Ja, er hat einen Grammy für die Produktion des Songs „Bum-Rush” von Body Count gewonnen.

MI: Ich habe gerade erfahren, dass er nicht mit Fit for an Autopsy auf Tournee ist?

Pat Sheridan: Fit for an Autopsy wurden zwischen 2006 und 2007 gegründet, wir sind also schon seit langer Zeit eine Band. Will Putney und ich spielen seit 2000 zusammen in Bands und er ist einer meiner besten Freunde. Ich habe seine Entwicklung als Produzent, Toningenieur und Songwriter mitverfolgt und bin sehr stolz auf meinen Freund. Fit for an Autopsy funktionieren nur, weil Will und ich zusammen in der Band sind. Wenn Will das nicht machen würde, würde ich es wahrscheinlich auch nicht machen wollen. Das ist einfach so, wie es ist.

Als Wills Karriere als Toningenieur und Produzent wichtiger wurde als das Touren, wurde ihm klar, dass er nicht touren und der Band das geben konnte, was sie brauchte. Das ist ihm sehr wichtig, denn Will ist vor allem ein extrem kreativer Mensch. Er ist einer der kreativsten und fähigsten Musiker und Toningenieure, mit denen ich je zusammenarbeiten durfte. Mit jemandem wie Will zu arbeiten, ist also etwas, das einer Band zugutekommt. Viele Leute suchen ihn auf, weil er weiss, wie man Dinge aus einem herausholt, von denen man selbst nicht einmal weiss, dass sie da sind. Er macht das so, dass er sagt: „Das ist gut, aber du kannst es noch besser machen!“ Das ist gut, weil man diesen ständigen Drang verspürt, besser zu werden und die Mittelmässigkeit zu überwinden. Er ist einer der Menschen, mit denen ich zusammenarbeiten möchte. Als er zu mir kam und sagte: „Ich weiss nicht, ob ich diese Band noch weitermachen kann, ich möchte mich auf etwas anderes konzentrieren“, antwortete ich: „Ohne dich möchte ich die Band nicht weiterführen.

Ich sagte: „Wie kann ich dich in diesem Projekt halten, denn ich bin nicht bereit aufzugeben, weil das meine Karriere ist.“ Und er meinte: „Hör mal, ich bleibe zu Hause, denn was ich liebe, ist das Schreiben und Komponieren von Musik. Wir suchen jemanden für die Band, der Gitarre spielt. Ihr führt die Band weiter, ich bleibe zu Hause und schreibe die Musik, so machen wir das.“ Denn um ehrlich zu sein, sind alle in der Musikindustrie voller Scheisse. All diese Bands, die sich zusammenfinden und gemeinsam Alben schreiben, das ist nicht der Fall. Ein oder zwei Leute in der Band sind die Hauptsongwriter und sie sind es, die die Vision haben, die die Band zu dem macht, was sie ist. Alle anderen sind da, um das zu unterstützen, zu helfen, um das Projekt voranzubringen. Wir alle haben unsere Aufgaben. Eine Sache, die man im Geschäftsleben oft vergisst, ist, dass jeder seinen Platz hat. Einer kümmert sich um die Musik, einer um das Geschäft, einer um die Tourneen und alle zusammen bringen die Dinge auf den Weg. Jedes Teilchen macht das Puzzle komplett.

Was Will angeht: Ich möchte nicht ohne Will in der Band sein. Er hat die Vision, wie Fit for an Autopsy klingen sollten. Er und ich haben gemeinsam daran gearbeitet, wie wir optisch auftreten sollten. Ich kümmere mich um die Tourneen und die Logistik, er um viele geschäftliche Angelegenheiten. Es gibt also diese Yin-Yang-Beziehung zwischen uns beiden, die dafür sorgt, dass alles wirklich gut funktioniert, und das macht Fit for an Autopsy zu dem, was es ist. Aber vor allem sind wir Freunde. Und Fit for an Autopsy bestehen derzeit aus einer Gruppe von Menschen, die sich lieben, die gut in ihrem Job sind, und das ist perfekt. Die Leute sagen zwar: „Oh, Will ist nicht in der Band, aber er schreibt die Musik?“, aber es ist so: „Nein! Er ist in der Band!“

MI: Und er spielt auf dem Album?

Pat Sheridan: Ja. Und er ist der Hauptsongwriter und er ist in jedem Video zu sehen. Er war zwölf Jahre lang nicht mehr mit der Band auf Tour und jetzt ist er in der Lage, auf Tour zu gehen, also hat er seine anderen Projekte. Man kann sagen, dass es viele Musikproduzenten gibt, die dafür bezahlt werden, für Bands zu schreiben, denen sie nicht angehören, und das weiss ich ganz sicher. Will ist in jedem Fall ein Bandmitglied und er wird immer in jedem Video zu sehen sein. Er wird auch auf jedem Album zu hören sein, bis die Band aufgelöst wird. Daran gibt es keinen Zweifel; er ist mein wichtigster Mann und ich bin sehr zufrieden damit, wie das funktioniert.

MI: Ich möchte noch etwas zum letzten Song des neuen Albums fragen, er heisst „The Silver Sun“. Er ist sehr schön und mir gefällt das Ende. Wer spielt das Klavier?

Pat Sheridan: Mein Lieblingssong! Er ist traurig. Wenn ich mich nicht irre, könnte mich auch täuschen, aber ich glaube, einer von Wills Toningenieuren hat diesen Teil des Songs für uns gemacht. Ich bin mir ziemlich sicher, aber ich weiss, dass Will ihn geschrieben hat, er ist ziemlich unglaublich. Ich glaube, Randy aus dem Studio hat den Klavierpart eingespielt.

MI: Werdet ihr den Song heute Abend spielen?

Pat Sheridan: Nein. Wir haben nur wenig Zeit. Der Song ist so lang, dass man manchmal, wenn man ein Set zusammenstellt, das Beste für sein Geld herausholen will. Wir versuchen so viele Songs wie möglich in das Set zu packen, also machen wir einfach ein Set voller Knaller, die nicht zu lang und nicht zu kurz sind, sondern einfach alle passen, verstehst du?

Neues Material

MI: Es gibt einen neuen Song namens „It Comes For You” und du hast von einem neuen Album gesprochen. Kannst du uns noch etwas mehr darüber erzählen?

Pat Sheridan: Es ist noch zu früh, wir diskutieren gerade, was wir machen wollen, aber vor allem versuchen wir, diese Tournee zu Ende zu bringen. Wir haben gerade einen Song veröffentlicht, wie du gesagt hast, und ein Video dazu. Quasi ein kleines Merchandise-Produkt, weil wir manchmal gerne Songs machen, die nichts mit dem Rest zu tun haben und bei denen wir zu unseren älteren Stilen zurückkehren oder etwas Aggressiveres oder Melodischeres machen können. Es gibt einfach so viel, worüber man sich in der aktuellen globalen Situation aufregen kann, und wir wollten etwas Wütendes machen. Wir alle hatten irgendwie dieses Gefühl und es tat einfach gut, etwas Aggressives und Gemeines zu machen, etwas sehr Pointiertes, um in der aktuellen Situation ein Statement zu setzen. So ist das Ganze entstanden. Wir wollten auch vor der Tour ein bisschen neue Musik veröffentlichen, weisst du? Wir wollten die Band ein bisschen aus der Versenkung holen und den Fans etwas Neues zum Reden geben. Der Song macht Spass, ist aber live schwer zu spielen. Wir spielen ihn heute Abend, er ist der zweite Titel im Set. Er ist sehr schnell, aggressiv, aber er macht richtig Spass.

MI: Ich muss zugeben, dass ich den Song beim ersten Mal nicht zu Ende hören konnte. Nun, ich möchte nicht wie ein Weichei klingen, aber … (lacht)!

Pat Sheridan: Ja, es ist schwer zu verdauen. (lacht)

MI: Es ist sehr intensiv. Ich musste wirklich eine Minute Pause machen, tief durchatmen und dann aufhören: „Okay, vielleicht versuche ich es morgen noch einmal.“ (lacht)

Pat Sheridan: Ja, es ist intensiv und sehr aggressiv und ein wenig ausserhalb dessen, was wir gerade machen. Die Band wird, würde ich sagen, dynamischer und macht etwas melodischere Sachen. Wir wechseln aber zwischen aggressiv und melodisch, doch es ist immer irgendwie traurig und auch ziemlich heavy. Dieser Song ist einfach wütend. Es gibt so gut wie keine Pausen, es ist, als würde man gegen eine Wand rennen, verstehst du, was ich meine? Er ist zu hundert Prozent, was da draussen abgeht, also wollten wir einfach wieder in die alte Version unseres Stils eintauchen und die Leute daran erinnern, dass wir uns nicht verändern, sondern weiterentwickeln.

Der König der Kaffee-Kunst

 MI: Lass uns etwas persönlicher werden. Du bist nicht nur Musiker, sondern auch Tätowierer?

Pat Sheridan: Ja, Ma’am!

MI: Joe ist Friseur. Wäre das nicht ein zusätzliches Geschäftsmodell, um auf Tournee etwas Geld dazuzuverdienen? Zum Beispiel vor der Show Haare stylen und Leute tätowieren?

Pat Sheridan: So sehr ich Geld auch liebe, und das tue ich: Kein Geld bedeutet nämlich keine Tournee beziehungsweise keine Live-Auftritte. Du weisst, was ich meine, man muss einfach Geld verdienen. Ich habe schon auf Tournee tätowiert. Ich richtete kleine Gaststudios in lokalen Geschäften ein, weil es illegal ist, im Bus zu tätowieren. Das kann man einfach nicht machen. Wenn ich also jemanden in der Gegend kenne, richte ich so etwas ein. Aber in Europa sind sie sehr streng, was Visa und Tätowierungen angeht und mein Arbeitsvisum für die Band und mein Arbeitsvisum für Tätowierungen sind zwei ganz verschiedene Dinge. Wenn ich in Europa beim Tätowieren ohne das richtige Arbeitsvisum erwischt werde, bekomme ich Ärger, daher ist es sehr schwierig. In den USA komme ich damit ein bisschen durch, aber ich denke, ich werde vielleicht anfangen, in meiner Freizeit auf europäischen Tattoo-Conventions zu arbeiten und das einfach über die Band bekannt geben, etwa so: „Hey, ich komme in eure Stadt und werde auf dieser Convention tätowieren. Wenn ihr schon immer mal von mir tätowiert werden wolltet, ist jetzt eine gute Gelegenheit.“ Aber ich denke, beides unter einen Hut zu bringen, wäre sehr schwierig.

Ich weiss, dass Joe schon auf einigen Tourneen Haare geschnitten hat, aber es ist schwierig, zwei Jobs gleichzeitig zu machen. Das kann ziemlich anstrengend sein, vor allem, weil ich ein sehr praktischer Mensch bin und den ganzen Tag viel zu tun habe: Interviews, Soundchecks, dafür sorgen, dass alles läuft – ich bin mein eigener Gitarrentechniker. Das ist sehr aufwendig, aber ich habe es gemacht, es macht Spass, doch es ist auch viel Arbeit, deshalb ist es in Europa nicht so einfach.

MI: Ich habe gehört, dass du neben dem Tätowieren auch eine Leidenschaft für Kaffee hast?

Pat Sheridan: Will und ich sind grosse Kaffeeliebhaber. Ich trinke kein Bier, rauche kein Gras und habe keine dieser kleinen Laster. Andere Leute lieben Bier, sie lieben Whiskey und all das Zeug. Kaffee ist mein Ding. Aus diesem Grund habe ich mich intensiv mit verschiedenen Anbauern und Produzenten und verschiedenen Röstereien beschäftigt. Ich bin sehr wählerisch geworden mit dem, was ich liebe, und dadurch habe ich Beziehungen zu verschiedenen speziellen Röstereien aufgebaut. Golden Lantern war die erste Firma, mit der wir zusammengearbeitet haben, und Misha von Periphery ist tatsächlich daran beteiligt. Der Gründer von Golden Lantern heisst Matt Rosenblum und war in einer Band aus New Jersey. Wir kennen uns alle flüchtig und so hat das dann einfach geklappt. Wir haben ein paar fantastische Projekte mit Golden Lantern durchgeführt, darunter eines mit äthiopischem Kaffee. Das war unglaublich gut.

Vor etwa einem Jahr haben wir dann mit einer Firma namens Maca zusammengearbeitet und eine wirklich coole Mischung aus Pink Pavan und Yellow Pavan auf äthiopischer Basis kreiert. Ich glaube, es war dieser Produzent aus Kolumbien, Wilton Benitez, und wir haben dieses Material verwendet und sind dann zufällig auf etwas gestossen. Das ist eine grossartige Geschichte: Wir spielten in Manchester auf unserer Headliner-Tournee und ich ging um den Block zu einem Café namens Atrium Coffee in Manchester (GB) und traf dort einen Mann namens Matt Whitehead. Er ist der Gründer und stellte mir die Firma namens Oddy Knocky vor. Ich war so begeistert, dass ich mehr darüber wissen wollte. Dabei traf ich eine Frau namens Dimi, die für Oddy Knocky arbeitet und eine unglaubliche Barista ist. Ihre Latte-Kunst ist einfach unglaublich. Sie hat an all diesen Wettbewerben teilgenommen und ist eine super nette Person. Wir wurden Freunde und ich sprach mit ihnen bezüglich eines gemeinsamen Projektes.

Diese Woche holen wir eine Menge Kaffeebeutel ab, um sie auf Tour zu verkaufen, und wenn ihr in Grossbritannien seid, könnt ihr ihn auf ihrer Website kaufen. Wir haben eine limitierte Edition einer Kaffeetasse und von einem Kaffeebeutel entworfen. Wir freuen uns sehr, dass wir das anbieten können. Hoffentlich kaufen die Leute ihn, der Kaffee ist einfach unglaublich. Ich würde sagen, er ist vielleicht der beste Kaffee in Grossbritannien. Er gehört auf jeden Fall zu den besten. Ich hatte das Glück, zu Nomad und Tim Wendelboe und all diesen erstklassigen Röstereien auf der ganzen Welt zu reisen, aber Oddy Knocky hat mich umgehauen. Sie hatten einen Kaffee namens Holy Shit, den Matt vom Atrium in Manchester mich probieren liess. Wenn du in Manchester bist, solltest du unbedingt ins Atrium gehen, es ist fantastisch. Ich habe ihn probiert und war hin und weg. Ich musste ihn einfach kaufen. Ich habe fünf Kilo davon gekauft und zu mir nach Hause liefern lassen und ihn tiefgefroren in Beutel verpackt, damit ich ihn zu Hause aufbewahren kann. Ja, ich bin hin und weg. Ich freue mich also sehr darauf, mit diesen Leuten zusammenzuarbeiten, und ich weiss, dass Will auch ein bisschen ein anspruchsvoller Kaffeekenner ist und sich sehr darauf freut, mit diesem Unternehmen zusammenzuarbeiten.

MI: Das ist mal eine tolle Story! Okay, die Kaffeebohnen sind eine Sache, aber es ist auch wichtig, wie man den Kaffee brüht und wie man die Bohnen mahlt, oder?

Pat Sheridan: Klar. Ich sage dir Folgendes: Was Kaffee angeht, bin ich definitiv ein Nerd. Zu Hause habe ich in meiner Küche einen ganzen Bereich, in dem ich Pour-Over-Kaffee und Latte mache, und ich habe einen Cold-Brew-Turm. Nicht jeder muss so begeistert sein wie ich. Man kann ihn einfach kaufen und zu Hause mit einer guten Maschine zubereiten und als Filterkaffee ist er in Ordnung. Aber für mich kommt er als Filterkaffee, als Pour-Over, am besten zur Geltung. Wenn du zu Hause Pour-Over-Kaffee zubereitest, wirst du von diesem Kaffee nicht enttäuscht sein. Ich bin ein Pour-Over-Fan, ich habe ein Verhältnis von 16:1 und bin sehr wählerisch, was die Zubereitung angeht.

Modcup Coffee in den Vereinigten Staaten und Oddy Knocky in Grossbritannien sind meiner Meinung nach derzeit die beiden führenden modernen Kaffeeunternehmen. Sie machen die interessantesten Sachen. Es ist, als hätte ich Modcup entdeckt – ich bin total begeistert! Als ich Oddy Knocky entdeckt habe, dachte ich: Wow, es gibt noch eine weitere Firma dieser Art auf der Welt! Und ich bin sehr, sehr beeindruckt. Travis von Modcup – fantastische Leute – kommt ebenfalls aus Grossbritannien. Am Ende geht es darum, was man selbst präferiert. Das Brühen ist in jedem Fall eine ganz andere Ebene. Wenn du also zu Hause Pour-Over-Kaffee zubereitest, muss ich dir einen Beutel schicken, ich werde auf jeden Fall dafür sorgen, dass du einen Beutel dieses Kaffees bekommst.

MI: Puh, der Druck ist gerade gewaltig hoch! Ich hoffe, dir schmeckt der Kaffee, den ich dir mitgebracht habe. Er wurde in der Schweiz geröstet, da wo ich wohne.

Pat Sheridan: Oh, da bin ich mir sicher! Das ist ein fantastisches Geschenk, vielen Dank dafür. Wir trinken unglaublich viel Kaffee in diesem Bus, das glaubst du nicht. Wir sind alle Kaffeetrinker und trinken ganz ungeniert um zwei Uhr morgens Kaffee. Wir sind echte Kaffeekumpels, daher ist das das perfekte Geschenk, und ich weiss es sehr zu schätzen.

Das Musikgeschäft verändern?

MI: Meine letzte Frage an dich: Wenn du die Macht hättest, drei wesentliche Dinge im Musikgeschäft zu verändern, welche wären das?

Pat Sheridan: (pfeift) Nummer eins: Es muss weniger alberne Wettbewerbe zwischen Männern geben. Ich denke, es gibt einen Punkt, an dem Wettbewerb gesund ist. Zum Beispiel, wenn man nach einer Band spielt, die live wirklich gut ist, dann weiss man, dass man sich zusammenreissen und sich aufraffen muss, danach zu spielen. So wie wir, wenn wir auf dieser Tour nach Decapitated spielen – einer sehr guten, historisch bedeutenden Death-Metal-Band, die live unglaublich gut ist und technisch perfekt spielt. Wir müssen unsere Ärmel hochkrempeln, aufstehen und richtig gut spielen. Es ist okay, einen gesunden Wettbewerb zu haben, aber die Leute sollten miteinander auskommen. Gut wäre auch: weniger Ego, mehr Zusammenarbeit. Weniger Streitereien und mehr vorwärtsgerichtetetes Agieren – wir sind eine sehr ernsthafte Truppe, wenn es um die Arbeit geht. Eine weitere Sache, die ich cool fände, wäre, dass weniger Bands schlecht über andere reden. Wenn du etwas zu sagen hast, komm zu mir und sag es mir, dann arbeiten wir gemeinsam daran. Davon bin ich fest überzeugt. Das wäre also die erste Sache.

Zweitens: Bezahlt den Bands, was sie wert sind! Hört auf, euch auf unvernünftige Weise um Geld zu streiten. Ich kann gar nicht zählen, wie oft uns eine Tour angeboten wurde und wir als Band so unter Wert verkauft wurden, dass wir gesagt haben: „Auf keinen Fall machen wir das!“ Weil ich mir das einfach nicht leisten kann. Also fangt an, den Bands das zu zahlen, was sie wert sind.

Die Streaming-Dienste: Das ist mein dritter Punkt. Es macht mir nichts aus, wenn ihr an mir oder an Bands und Musik reich werdet, aber wir müssen auch reich werden. Es muss einen Punkt geben, an dem wir für diese Dinge so bezahlt werden, wie wir es verdienen. Streamingdienste sind sehr wichtig, weil sie unsere Musik auf einfache Weise zu Menschen bringen, die diese Musik sonst nie hören würden. Ich erkenne also den Wert dieser Dienste. Aber wenn es Bands gibt, die Millionen und Abermillionen von Streams haben und nur ein paar Cent dafür bekommen, dann tut mir das im Herzen weh. Irgendjemand wird reich, aber es sind nicht die Künstler.

Noch eine Randbemerkung: Es gibt mehr gute Leute in der Branche. Gute Leute verdienen es, gefördert zu werden, statt zurückgehalten zu werden, denn es gibt gute Leute, die bereit sind, andere mitzunehmen und Gutes für die Menschen um sie herum zu tun. Fördert diese Leute. Hört auf, die miesen Leute zu fördern. Menschen ändern sich, Menschen machen Fehler, das ist okay. Ich habe Fehler gemacht, ich habe meinen Wert als Tour-Musiker erkannt, aber ich sehe auch einige wirklich grossartige Leute, die nicht richtig behandelt werden. Das ist also etwas, das sich meiner Meinung nach auch in der Branche ändern könnte, also am Ende habe ich vier Punkte genannt.

MI: Vielen Dank für das ausführliche Interview, Pat. Es war mir eine ganz gosse Freude, dich kennenzulernen und mit dir zu sprechen.

Pat Sheridan: Danke! Ja, es hat Spass gemacht, vielen Dank. Eines der besten Interviews, welches ich je gegebe habe.

Die Fotos – Fit For An Autopsy (Komplex 457 Zürich 2025)

Fotos: Cheyne Smith

Das Video Fit for an Autopsy – It Comes For You

11.12.2025
Weitere Beiträge von

Fit For An Autopsy