Metalinside.ch - Ensiferum - Rock The Lakes 2023 - Foto pam
Fr–So, 18.–20. August 2023

Rock The Lakes – Heaven Shall Burn, Eluveitie, Blind Guardian u.v.m.

La Ferme Lauper (Vallamand, CH)
/ / / / 08.02.2024

Drückende Hitze und viel Spass

Domi the Stick (DtS): Im August ging das Rock The Lakes in die zweite Runde. Die Veranstalter lockten mit grossen Namen, was mit hervorragenden Verkaufszahlen belohnt wurde. Auch im zweiten Jahr zelebrierten Metalheads aus der ganzen Schweiz ihre Musik bei wundervoller Aussicht auf den Murtensee. Sonnenschein und Sommerhitze inklusive.

Schon bei der ersten Ausgabe berichtete Metalinside vom damals neuen Open Air. Die Veranstalter machten vieles richtig, und so konnten wir – auch in Anbetracht des Line-Ups – auch dieses Jahr nicht widerstehen (pam: Und als Medienpartner der ersten Stunde sowieso – so viel Herzblut und Leidenschaft von Dani und seinem Team gehören gehörig unterstützt). Insgesamt sechs Metalinsider waren vor Ort: Mit Kamera bewaffnet pam, der am Sonntag von Nicky abgelöst wurde, mit Instagram-App ausgerüstet Larissa, mit Schreibwaren im Hosensack meine Wenigkeit, am Sonntag zusammen mit Kaufi, und als fleissige Unterstützung steuert auch Raphi seine Impressionen bei. Viel Spass!

Rock The Lakes 2023 – Tag 1 (Freitag, 18. August)

DtS: Es geht los! Wie schon letztes Jahr errichtet ein Teil von uns am Freitagmittag das Zelt auf dem Campingplatz. Dieser ist unmittelbar vor dem Infield gelegen, wodurch kurze Wege garantiert sind. Die Fläche ist sichtlich besser belegt als letztes Jahr – die Campingtickets sind sogar ausverkauft. Ein erstes Zeichen dafür, dass mit mehr Publikum zu rechnen ist, welches den Organisatoren wiederum mehr Umsatz generiert. Gegen 15 Uhr begeben wir uns ins Infield, wo bald die erste Band beginnen wird. Abgesehen von minimalen Anpassungen im oberen Bereich wurde die Einrichtung des Geländes mehrheitlich beibehalten. Da stehen wir also: Vor der Bühne, hinter der sich majestätisch der Murtensee erstreckt.

Fotos Impressionen Tag 1 (pam)

Dreamshade

DtS: Den Anfang machen Dreamshade aus Lugano. Der Auftritt der Metalcorer erweckt Erinnerungen an letztes Jahr, als das Festival von Silent Circus eröffnet wurde. Statt wie damals mit Brille und weissem Shirt steht jetzt ein Fronter mit Brille und weissem Cap auf der Bühne. Auch heute sind die Akteure motiviert und freuen sich über die bereits anwesenden Besucher. Der grosse Unterschied? Die Soundqualität! Letztes Jahr musste ich die Abmischung anfangs als “Katastrophe” bezeichnen, doch heute werden wir von Beginn weg mit erstaunlich gutem Sound empfangen. Da hat jemand seine Hausaufgaben gemacht!

Doch genug der Vergleiche mit der Vergangenheit… Bei strahlend blauem Himmel und brütender Sonne heizen uns die Tessiner ein. Dafür, dass wir uns noch immer im Opener-Slot befinden, ist auch die Stimmung vor der aktuell noch Schatten spendenden Bühne sehr gut! Viel anderes hatte ich eigentlich auch nicht erwartet, nachdem mich Dreamshade schon bei unserem ersten Zusammentreffen problemlos überzeugten (ob es Zufall ist, dass auch schon damals, im Z7 im Vorprogramm von Arch Enemy, eine Affenhitze herrschte?). Doch es ist immer wieder schön, wenn Erwartungen erfüllt werden. Gerade wenn eine Band eine derartige Spielfreude an den Tag legt, wie es Dreamshade heute eben tun.

Blind Channel

DtS: Weiter geht es mit Blind Channel. Der Name kommt euch bekannt vor? Richtig, die Finnen kennt man wohl vor allem wegen ihrer Teilnahme am Eurovision Song Contest vor zwei Jahren. Mit ihrem Song «Dark Side» erreichten sie in Rotterdam den sechsten Platz. Dass der Sechser mehr als nur diesen Track kann, beweisen uns Blind Channel also jetzt am Rock The Lakes. Mit ihrem zwischen Nu Metal und Alternative Rock angesiedelten Stil begeistern auch sie die vorderen Reihen, während sich die Publikumsaktivität etwas weiter hinten vor allem auf Mitnicken und gelegentliches Mitklatschen beschränkt. Zugegeben, mich reissen die Jungs jetzt auch nicht wirklich vom Hocker. Da ist es gar nicht so schlimm, dass ich letztes Jahr ihren Gig auf der Wacken-Hauptbühne für Crypta sausen liess… Wie eigentlich erwartet werden konnte, löst dann vor allem die ESC-Nummer «Dark Side» etwas mehr Begeisterung aus.

Die Feuerwehr – Retter in der Not

DtS: Gleich nach dem Konzert erblicke ich etwas weiter oben am Hang eine riesige Wasserfontäne. Hä, der jet d’eau ist doch in Genf und nicht in Vallamand? Nun, für die hiesige Erfrischung in Form von kaltem Wasser zeichnet die örtliche Feuerwehr Broye-Vully verantwortlich. Wie es auch kaum anders zu erwarten wäre, findet sich bald eine grössere Menge tanzender Metalheads um die beiden Feuerwehrleute ein und lässt sich vom Wasser berieseln. Sehr cool! Wortwörtlich. Dieses Spektakel wird sich von nun an, zumindest tagsüber, in jeder Pause wiederholen. Merci!

Auch ansonsten haben die Veranstalter auf die heissen Wetterprognosen reagiert: Links und rechts von der Bühne finden sich z. B. zwei aufgehängte, um 90 Grad gedrehte Wassersprenger, unter deren Nebel man sich ebenfalls abkühlen kann. Auch die Trinkwasserversorgung wurde aufgerüstet: Gab es letztes Jahr lediglich einen etwas suspekten Wasserhahn, von dem man nicht wusste, ob er wirklich Trinkwasser ausspuckt, gibt es jetzt eine gut signalisierte Wasserstelle. Und ich lasse mir sagen, auch das Wasser bei den Waschbecken der Toiletten sei trinkbar. Zudem, und das ist effektiv eine kurzfristige Reaktion auf die Hitzeprognosen, darf jede Person eine kleine PET-Flasche mit Wasser ins Infield nehmen. Bezüglich Hydrierung sollte also nicht viel schief gehen…

Deez Nuts

DtS: Eigentlich war die Idee, nur kurz im Camp vorbeizuschauen (und Neuankömmlinge zu begrüssen), und auf die zweite Hälfte von Deez Nuts wieder zurück zu sein. Doch wie so oft dauert so ein Abstecher zum Camp etwas länger als geplant, sodass ich dann nicht nur die australischen Hardcore Punker, sondern auch die schottischen Metalcorer Bleed From Within verpasse. Die kommenden Tage gebe ich mir dann mehr Mühe: Zu den beiden Ausfällen von jetzt wird nur noch ein einziger am Sonntag hinzukommen. War sonst jemand vom Team vor Ort?

Raphi: Leider kann ich noch nicht viel aushelfen. Wir sind noch auf dem Weg nach Vallamand. Nachdem ein Fahrzeug unserer Karawane aufgrund grösserer Motorproblemen den Geist aufgegeben hat, verbringen wir unsere Zeit gerade mit Warten in einer Werkstatt. Zum Glück haben wir genügend Verpflegung dabei, um die Zeit angenehm zu überbrücken.

pam: Wir sind auch noch auf der Anfahrt zur Unterkunft und schliesslich zum Festival.

Bleed From Within

DtS: Wie erwähnt, bleibe ich auch Bleed From Within fern. Von weit weg klingt die Show eigentlich ganz solide, doch ist es im Campingstuhl gerade sehr bequem, im Schatten angenehm kühl und in der Gruppe vor allem sehr lustig. Kommentaren von anderen Festivalbesuchern zufolge war auch im Publikum einiges los. Eindrücke von jemandem im Team?

Raphi: Ja, jetzt kann ich in die Bresche springen, denn mittlerweile sind auch wir am Rock the Lakes angekommen und ich schaffe es gerade noch, den Schluss von Bleed From Within mitzunehmen. Die Band macht ihre Sache prima und sorgt mit verspieltem Metalcore dafür, dass sich ein Teil des Publikums begeistert bewegt. Auffälligkeiten jeglicher Art bleiben aus, sei es im positiven oder negativen Bereich. Vielleicht könnte mich der Auftritt etwas mehr begeistern, wenn ich nicht gerade erst eingetroffen wäre, denn insgesamt hinterlassen die Schotten einen sympathischen Eindruck, was angesichts des Applauses auch das Publikum so zu sehen scheint.

Korpiklaani

DtS: So, für mich folgt also auf eine finnische Band… die nächste finnische Band. Korpiklaani sind innerhalb des (Alkohol thematisierenden) Folk Metals ein grosser Name. Leider erfüllen sie meine Erwartungen, die ihre hüpfigen Nummern ab Album erwecken, live nur selten. Auch zuletzt am Rockharz war ich nur semi-begeistert. Wie wird das heute?

Nun, das Rock The Lakes sorgt im Vergleich zum Rockharz aufgrund der kleineren Grösse (und den daraus folgenden kleineren Distanzen zu Bühne und Bands) für eine etwas familiärere Stimmung. Das werden wir dann auch am Sonntag bei Blind Guardian noch merken. Doch schon jetzt überträgt sich die Stimmung besser von der Band aufs Publikum. Wobei, was ich bei Korpiklaani gerne bemängele, ist, dass die Band selber gar nicht so aufdreht, wie es die Musik erwarten lassen würde. Diesbezüglich soll ich zwar in wenigen Wochen auf der Full Metal Cruise noch auf die Welt kommen. Doch das ist ein anderes Thema…

Hier und heute schmettern Korpiklaani uns also schonungslos ihre Songs entgegen. Die von Schweiss, Bier und Schlauchwasser getränkten Metalheads empfangen die Musik feierlustig und sorgen auch hier für gute Stimmung. Diese erreicht ihren Höhepunkt wie gewohnt vor allem bei den ganz bekannten Nummern (à la «Beer Beer»  und «Vodka»). Insgesamt muss ich sagen, dass dies einer meiner besseren Korpiklaani-Auftritte war. Wie üblich mit Luft nach oben…

Raphi: Da geb ich dir Recht, Domi. Der ganz grosse Reisser war der heutige Auftritt zwar nicht, aber die Stimmung unter den Fans hat diesen Umstand ein Stück weit ausgeglichen. Ich habe schon beides gesehen: schlechtere und bessere Konzerte von Korpiklaani, weshalb die heutige Darbietung für mich im Mittelfeld liegt.

Fotos Korpiklaani (pam)

Sepultura

DtS: So, Zeit für brasilianische Musik! Damit meine ich natürlich nicht Samba, sondern Sepultura! Derrick Green, Andreas Kisser, Paulo Jr. und Eloy Casagrande. Ein starkes Line-Up, das seit dem letzten Wechsel an der Trommler-Position konstant miteinander unterwegs ist. Die vier Herren betreten die Bühne mit einer Freude, die ich mir bei Korpiklaani wünschen würde. Klar, niemand erwartet deren Sänger Jonne in kurzen Hosen und Tanktop, wie es Mr. Green gerade vormacht. Aber die Spielfreude der Südamerikaner ist schon eine Nummer für sich!

Ich beobachte das Geschehen von etwas weiter weg – jetzt, zur Primetime, ist der Bereich vor der Bühne auch anständig voll – und geniesse! Mittig im Pit geben sich einige Metalheads auf die Mütze. Der groovige Thrash Metal lädt auch einhundertprozentig dazu ein. Dabei ist das auch das optimale Warmup für die legendären Pits von Heaven Shall Burn! Doch zuerst geniessen wir die volle Stunde Sepultura, in der wir vor allem mit Hits der ersten drei Alben «Arise», «Chaos A.D.» und «Roots» sowie natürlich vom aktuellen Silberling «Quadra» versorgt werden. (Raphi: gerade die Songs von “Quadra” beeindrucken durch die Schlagzeugstimme und damit verbunden die grossartige Performance von Eloy Casagrande.) Sepultura sorgen rundum für ganz grosses Kino. Gerne wieder! Und ich bin mir sicher, dass der langjährige Fan pam auch noch etwas sagen will?

pam: Nun, soll ich wieder mit der Leier kommen, dass Sepultura der Soundtrack meiner Oberstufenschulzeit war? Wie ich damals den Musiklehrer mit dem Sound der Thrash-Sensation aus Belo Horizonte überzeugen wollte? Dieser zeigte doch tatsächlich eine gewissen Offenheit … vor allem für die Texte, die mich eigentlich kaum interessierten. Denn was mich und wohl Millionen andere Metalheads vor allem überzeugte, war der unnachahmliche Groove von Sepultura. Und dieser zieht mich auch heute wieder in seinen Bann. 

Es sind die Songs von den ersten Alben, die bei mir immer wieder viele Erinnerungen und Hühnerhaut auslösen. Und Quadra. Denn das bisher letzte Album der Brasilianer, ist wie eine Art Best-of der ganzen Schaffenszeit von Sepultura, einfach mit alles neuen Songs. Für mich eines der besten (Thrash-Metal) Alben der letzten Jahre (siehe meine Review). Wie schon von Domi The Stick oben geschrieben, fällt die Spielfreude der Band äusserst positiv auf. Man kann es fast nicht glauben, dass diese Band im folgenden Jahr auf Abschiedstournee gehen will. Auch ohne Cavaleras spielen sie noch viele – auch jüngere Bands – locker an die Wand. Von mir aus könnten sie also gerne noch ein paar Jahre weitermachen. Nicht nur „Neuzugang“  Eloy an den Drums hat die Power von 20 Schlagzeugern zusammen, auch Andreas und Paulo zeigen noch keine Altersmüdigkeit und, dass auch mit nur einer Gitarre ein solches Brett möglich ist. Und Derricks Stimmorgan ist nach wie vor so wuchtig wie sein Körper. Für mich definitiv ein grosses Highlight – wie immer – und heute alles noch ein bisschen relaxter, fröhlicher, ungezwungener. Die gemütliche Atmosphäre am Rock The Lakes scheint sich auf die Band übertragen zu haben. 

Fotos Sepultura (pam)

Heaven Shall Burn

DtS: Los geht’s mit dem heutigen Headliner! Für mich ist es Show Nummer drei eines dreiwöchigen Hattricks: Vor zwei Wochen spielten Heaven Shall Burn am Wacken Open Air, vor 5 Tagen gaben sie ein intimeres Konzert im Amsterdamer Melkweg, und heute steht der Auftritt hier in Vallamand an. Das Programm ist also absehbar, doch sind dies drei völlig unterschiedliche Settings…

Los geht es mit «Awoken», dem sanften Intro von «Endzeit». Damit hauen die Thüringer gleich von Beginn weg ihren bekanntesten Hit raus, was vor der Bühne entsprechend belohnt wird. Schon während des Intros formiert sich ein grosses Loch, das bei den ersten Tönen des eigentlichen Songs zu einem gewaltigen Pit kollabiert. “Nothing, just nothing, nothing will break this front line!” dröhnt es aus der Soundanlage. Diese liefert ab dem ersten Ton eine angenehme Abmischung, was entscheidend ist, wenn so grosse Nummern schon zu Beginn gespielt werden.

Ich muss sagen: Heaven Shall Burn befinden sich aktuell auf einem Höhepunkt in Sachen Live-Performance! Gerade gegenüber vergangenem Jahr nehme ich eine markante Steigerung wahr. Dabei runden die absolut authentischen Ansagen von Shouter Marcus Bischoff das Ganze perfekt ab. Der stets mit rotem Hemd bekleidete und inzwischen lange Haare tragende Fronter mahnt stets zur nötigen Vorsicht bei Publikumsaktivitäten. Im Gegensatz zu Amsterdam, wo es keinen Graben gab, ist er heute wenigstens nicht auch noch für das Empfangen von Crowdsurfern zuständig.

Diese gewisse Vorsicht ist dann auch definitiv nötig, als das sportliche Highlight eines jeden HSB-Auftritts folgt. Marcus muss es inzwischen nicht mal mehr ankünden; er zeigt nur noch auf den FOH-Turm und meint, wir wüssten, was zu tun sei. Von Raphi erfahre ich dann nach dem Auftritt, dass wir – ein paar Verrückte – den riesigen Circle Pit um den Technikturm einen Song zu früh starteten. (Raphi: Marcus wies extra noch darauf hin, dass es erst beim anschliessenden Song losgehen würde.) Und ich wunderte mich noch, wieso wir die Kardio-Nummer während ganzer zwei Songs durchführen! Auf jeden Fall ist mein Shirt 29 Runden um den Turm später klatschnass. Schon bald beenden Heaven Shall Burn ihren Auftritt mit dem Blind Guardian-Cover «Valhalla». Das Original muss noch zwei Tage auf sich warten lassen.

Fest steht: Dieser Auftritt war eine ganz grosse Nummer! Mit jeder Menge Pyro- und Lichteffekten, der ganzen Publikumsaktivität, der förmlich spürbaren Sympathie der Band sowie astrein gespielten Songs dürfte sich jeder – auch die, denen die Musik nicht zusagt – wenigstens ein bisschen unterhalten gefühlt haben.

Fotos Heaven Shall Burn (pam)

Samael

DtS: Als letzten Act des Tages hat das Rock The Lakes eine Schweizer Band auf dem Programm. Die letzten 50 Minuten gehören ganz allein Samael. Augenfang schon vor dem Auftritt: Da steht kein Schlagzeug. Nein, dessen Stelle nehmen ein Keyboard, zwei Trommeln und drei Becken ein. Begründet werden kann dies mit der Verwendung eines Drum-Computers, der bei den Wallisern auch live eingesetzt wird. Gerade mir als Schlagzeuger nimmt dies etwas den visuellen Reiz, den ein sich austobender Drummer auf mich eben ausüben kann. Doch langweilig wird mir trotzdem nicht! Die stampfenden Industrial-Beats, gepaart mit Symphonic Black Metal, haben ihren ganz eigenen Reiz. Es ist Jahre her, seit ich die Band schon einmal erleben durfte und die Erinnerungen sind schwach. Doch so gut, wie sich Samael heute präsentieren, hatte ich sie definitiv nicht abgespeichert.

Mich persönlich hat der letzte Act mehr als überzeugt. Auch wenn ich dann an einem eigenen Headliner-Konzert doch eher passen würde. Im Gespräch erzählt mir Raphi, dass Stil und Auftritt ihn weniger aus den Socken gehauen haben. Wie war das genau, werter Kollege?

Raphi: Das kann ich gerne näher ausführen. Meine Erwartungen an Samael waren vorab sehr gross, denn in der Vergangenheit habe ich von verschiedenen Seiten ausschliesslich Lobeshymnen zu ihren Auftritten vernommen. Deshalb habe ich mich sehr gefreut, diese Qualitäten nun selbst einmal live erleben zu dürfen. Doch ich bin ernüchtert. Die Industrial-Anteile überwiegen und vom Black Metal kriege ich nur wenig mit. Da ich weit davon entfernt bin, ein Samael-Experte zu sein, kann ich nicht beurteilen, inwiefern da die Zusammenstellung der Setlist noch mit rein spielt, doch es hängt für mich auch mit der Prominenz zusammen, die den Beats in den Kompositionen eingeräumt wird. Das führt zu einer rhythmischen Monotonie, welche mich nur leider nicht hypnotisch vereinnahmen kann, sondern mehr dafür sorgt, dass ich mich nach Abwechslung sehne. Die Darbietung an sich ist tadellos auf den Punkt gespielt, da gibt es nichts daran zu rütteln. Aber eine “Livemacht”, ein “Abriss” oder eine “Wucht”, wie es mir im Vorfeld prophezeit wurde, kann ich hier wirklich nicht ausmachen. Im Gegenteil sitzt der Auftritt für mich etwas zwischen den Stühlen und ist sowohl zu treibend, um düster zu sein als auch zu gleichförmig, um tänzerische Stimmung zu verbreiten. Dafür hatten wir jetzt genügend Gesprächsstoff auf dem Weg ins Bett. Gute Nacht und bis morgen.

pam: Bevor ihr die Augen schliesst. Für mich macht der hypnotisierende Sound genau den Reiz von Samael aus. Vorph mit seinem monotonen, abgehackten Stakkato-Gesang hat eine, wie ich finde, nicht nur faszinierende Stimme, sondern auch eine sehr starke Ausstrahlung, während Drop an der Gitarre mit Spiel und starken Moves überzeugt. Das fehlende Schlagzeug ist sicher ein grosser Malus, aber alles in allem sind die Walliser für mich eine der stärksten Live-Bands nicht nur aus der Schweiz, sondern auch im internationalen Kontext. Ich denke, man mag es oder man mag es nicht. Jedoch definitiv nicht einfache Kost, nach einem langen (Hitze-)Tag und zwei Bands zuvor, die die ganze Region zum Beben brachten.

Fotos Samael (pam)

Rock The Lakes 2023 – Tag 2 (Samstag, 19. August)

DtS: Tag 2! Die Sonne scheint seit den frühen Morgenstunden und drangsaliert einen Metalhead nach dem anderen aus seinem Zelt. Die Stimmung auf dem Campingplatz ist gemütlich; rundherum hört man Gespräche, Lachen, das Zischen vom Öffnen der Bierdosen sowie Musik aus verschiedenen kleinen Böxli. Die Duschbegierigen stehen Schlange; zum Glück wurde diesbezüglich gegenüber letztem Jahr aufgerüstet. Auch das Podest mit den Waschbecken ist gut besucht: Wer nicht auf eine freie Duschkabine warten will, nutzt das eiskalte Wasser der Lavabos zur Erfrischung und zur Stillung der allernötigsten Hygienebedürfnisse. Noch schnell Sonnencrème draufgepackt und los ins Infield!

Fotos Impressionen Tag 2 (pam)

Deep Sun

DtS: Im Vergleich zur Eröffnung der Z7 Wild Dayz 2022 (den Bericht dazu findet ihr hier) durch Deep Sun kann der heutige Auftritt eigentlich nur gut gehen. Die Abmischung war damals dermassen katastrophal, dass der Klangteppich alles anderem als Symphonic Metal glich. Schade, denn ab Album kommen das Zusammenspiel der typischen Metal-Instrumente, der Melodien des Keyboards und vor allem der Sängerin Debora Lavagnolo ausgesprochen gut zur Geltung. Auf bessere Bedingungen hoffend, bin ich also sehr gespannt auf meine zweite Runde Deep Sun.

Wie erwartet, kommt heute alles besser! Die Symphonic Metaller aus dem Aargau geniessen hervorragende Voraussetzungen. Gerade in Kombination mit den vielen zur Kühlung genässten Shirts, Kutten und Kopfbedeckungen dürften Deboras Vocals vielerorts für Hühnerhaut sorgen. Der Zulauf ist noch nicht allzu gross, doch die bereits anwesenden Besucher vermögen den noch eher grossen Schattenbereich vor der Bühne gut ausfüllen. Allzu aktiv ist das Publikum nicht, doch blicken alle gebannt auf die Bühne. Kein Wunder, Deep Sun liefern hier gerade Symphonic Metal einer sehr hohen Güteklasse! Da muss man sich schon fragen, ob die Opener-Rolle gerechtfertigt ist. Die 25 Minuten, die der Band zustehen (das ist schon arg wenig…) vergehen wie im Fluge, und viel zu früh folgt die erste Umbaupause.

Setlist – Deep Sun

  1. Prologue
  2. Dreammaster
  3. Heroes
  4. Rogue
  5. Hands In Anger
  6. Living The Dream
  7. Euphoria

Fotos Deep Sun (pam)

Silver Dust

DtS: Zeit für den ersten Rock The Lakes-Wiederholungstäter! Nach dem Gastspiel vor einem Jahr dürfen Silver Dust die Ferme Lauper, wie das Gelände genannt wird, ein zweites Mal bespielen. Lord Campbell und seine Mitmusiker begeistern zweifelsohne auch mit ihrer Musik, die mit einer “neutralen” Ausrichtung zwischen Rock und Heavy Metal die meisten Besucher ansprechen dürfte. Doch selbst wenn einem die Musik nicht so richtig zusagt, dürfte man Gefallen an den Jurassiern finden. Mit weisslichen Gesichtern, edlen Gewändern und ihrem leicht gruseligen Auftreten bieten Silver Dust Unterhaltung für mehr als nur das Gehör. Gerade Sänger Lord Campbell ist ein Künstler darin, mit relativ wenig Aufwand eine ganz eigene Atmosphäre zu schaffen. Ein gekonntes Heben seines schwarzen Zylinders, ein durchdachtes Schwingen mit seinem schwarzen Stock, intensiver Augenkontakt. (Raphi: Nicht zu vergessen das Auswerfen von kleinen Plastikspinnen bei einem Song. Oder als er uns auffordert, einander an den Händen haltend einen Kreis zu bilden und danach gemeinsam mit ihm eine Art Ringelreihen zu tanzen. So etwas habe ich nun auch noch an keinem Konzert erlebt. pam: Da macht selbst Mister Rock The Lakes – Daniel Botteron – mit. Siehe Fotos – und schliesslich auch den Ausflug vom Lord ins Publikum). Dabei fallen die drei Instrumentalisten zwischendurch fast ein wenig zu fest in den Hintergrund.

Wieso Silver Dust direkt im zweiten Jahr wieder gebucht wurden, ist vielleicht nicht offensichtlich. Da hätte ja schliesslich auch eine andere, “neue” Band stehen können. Doch bin ich dem Artist Booking keineswegs böse, dass die Herren erneut hier stehen. Zu kurzweilig ist der Auftritt, der ebenfalls viel zu schnell vorüber ist.

Setlist – Silver Dust

  1. Welcome
  2. Chaplin
  3. Burlesque
  4. I’ll Risk It
  5. Animals Swig
  6. Echoes Of History

Fotos Silver Dust (pam)

Visions Of Atlantis

DtS: Zeit für eine Band aus dem Nachbarland! Aus welchem? Nun, ursprünglich aus Österreich, doch mittlerweile wird die Band oft als “international” betitelt, da ihr Aushängeschild, das Gesangsduo Clémentine Delauney und Michele Guaitoli, aus Frankreich respektive Italien stammt. Die Rede ist natürlich von Visions Of Atlantis. Zuletzt sah ich die Band an den Z7 Wild Dayz, wo ich bemängelte, dass der sprichwörtliche Funken nicht richtig rübersprang. Davon ist heute keine Rede! Der Fünfer knüpft problemlos an die ausgesprochen starke Bühnenpräsenz von Silver Dust an!

Die erste Piraten-Truppe des Tages – später folgen ja noch die schottischen Freibeuterkollegen Alestorm – versorgt uns während 40 Minuten mit eingängigen Musikstücken. Dabei singen Clémentine und Michele im Duett über Seefahrt und Mythologie. Gitarre und Bass auf der einen und sämtliche Keyboardklänge auf der anderen Seite passen sehr harmonisch zusammen. Letztere kommen leider durchgehend ab Band, was jedoch nicht besonders negativ auffällt, da der Fokus doch hauptsächlich auf dem Duettgesang liegt. Nimmt man noch kleine Spielereien dazu wie den Piratenhut, der ins Publikum fliegt und von Zuschauern mit Stolz getragen wird, darf auch der Auftritt von Visions Of Atlantis durchaus als kurzweilig bezeichnet werden.

Raphi: Die Band hat wirklich einen Lauf im Moment. Das aktuelle Songmaterial ist stark und die Truppe schafft es, diese Energie an ihren Konzerten umzusetzen. Wie du bereits erwähntest, Domi, liegt das zu einem nicht geringen Teil an der hervorragenden Chemie zwischen Clémentine und Michele. Wenn sie das Momentum auf ihr neues Album übertragen können, wird die Zukunft für Visions of Atlantis noch strahlender aussehen, als es die Gegenwart bereits tut.

Fotos Visions of Atlantis (pam)

Fit For An Autopsy

DtS: Strahlen ist gerade das richtige Stichwort: Die Sonne wandert (naja, eigentlich dreht sich ja die Erde) und somit auch mein Schatten. Den Platz am linken Ende des Grabens, den ich für die ersten drei Bands eingenommen hatte, gebe ich daher auf und nutze die Umbaupause für einen kurzen Gang übers Gelände. Da gibt es ja seitlich noch den einen oder anderen Stand zu entdecken.

Wenn es einige Besucher langsam nach etwas härterer Mucke gelüstet, ist dies in Anbetracht der bisherigen Running Order durchaus verständlich. Da kommt der nächste Programmpunkt wie gerufen: Fit For An Autopsy spielen Deathcore und drehen den bisherigen Härtegrad mehr als nur eine Stufe hoch. In der inzwischen komplett von der Sonne erfassten Pit-Region goutieren dies bewegungslustige Menschen mit wilden Mosh und Circle Pits. Wie es sich gehört, wird dabei auch ordentlich Staub aufgewirbelt. (Raphi: Tücher vor Mund und Nase sind also auch noch in einigem Abstand zum Pit von grossem Vorteil).

Wildes Gegrunze, schwere Riffs, antreibendes Getrommle, der gelegentliche Breakdown. Die US-Amerikaner geben alles! Solcherlei Shows leben vom gegenseitigen Aufstacheln zwischen Band und Publikum, und genau das passiert hier und jetzt. Die Stimmung auf und vor der Bühne ist hervorragend! Und wer mit der Musik gar nichts anfangen kann, hat genügend Möglichkeiten, sich mit Speis und Trank, den Ständen, einem netten Gespräch oder einfach nur der wunderbaren Seesicht die Zeit zu vertreiben.

Hämatom – Kurze Gedenkshow

DtS: Kurz vor dem Festival der herbe Schlag: Vor erst vier Tagen verstarb West, der Bassist von Hämatom. Keiner der Besucher einer der drei Festivalshows, welche die Band diesen Sommer noch gespielt hat (Rockharz Open Air (siehe Review/), Dong Open Air und Leyendas Del Rock) hätte sich ausgemalt, dass es das letzte Mal ist, dass man Hämatom zusammen mit West auf der Bühne stehen sieht…

Direkt im Post, in welchem die Band den Tod ihres Mitglieds kommuniziert, halten sie fest, dass sie (verständlicherweise) die Show am Rock The Lakes nicht spielen werden. Gestern informierte das Festival, dass “aus Respekt vor der Band“ keine Ersatzband gebucht wird. Stattdessen werde es einen noch zu definierenden Tribut geben. Zudem bekomme die Band die gesamte Gage, welche die drei verbleibenden Musiker vollumfänglich Wests Familie weiterreichen.

Alle sind also gespannt, was sich die Veranstalter für den jetzigen Slot einfallen lassen haben. Nun, eines ist klar: Die Bühne bleibt leer. Abgesehen von Süd, der heute Abend noch seinen Einsatz am Schlagzeug von Fiddler’s Green wahrnimmt, ist die Band natürlich gar nicht erst angereist. Doch was genau geschieht jetzt?

Leicht vor der Zeit erklingt in voller Lautstärke «Lichterloh». Von allen Seiten her tröpfeln nachdenkliche Metalheads in Richtung Bühne. Allzu viele sind es nicht, die sich direkt vor dem Geländer zusammenfinden. Doch wer da ist, dem steht die Trauer ins Gesicht geschrieben. Visuell untermalt wird die ansonsten leere Bühne lediglich von den aufgestellten Flammenwerfern. Eine leere Bühne, das sieht schon sehr traurig aus. Nichtsdestotrotz ein sehr schöner Moment! Es folgen noch die beiden Songs «Wir Sind Keine Band» und «Bis Zum Letzten Atemzug». Alle drei Tracks sind also sehr passend. Schaut man in die umliegenden Gesichter, ist mehr als nur eine Träne zu sehen.

Nach nur etwa 12 Minuten ist das Spektakel auch schon wieder vorbei. Ich bin mir sicher, Peter Haag, wie West mit bürgerlichem Namen hiess, hätte sich über diesen kurzfristig aufgegleisten Tribut gefreut. Ob er, wie im letzten Song beauftragt, mit den Engelscharen die Knorken knallen lässt?

Übrigens: Hämatom wollten West das schönste und grösstmögliche Abschiedsfest schenken, das ihnen möglich ist. Auch wenn ich am 21. Oktober weder in Geiselwind dabei sein noch den Live-Stream mitverfolgen konnte, bin ich überzeugt, dass die drei verbleibenden Himmelsrichtungen ihren Westi gebührend verabschieden konnten.

pam: Noch als kleine Ergänzung – Rock The Lakes Chef Botteron richtet noch ein paar Worte ans Publikum, in denen er genau das erklärt, was Domi the Stick oben schon geschrieben hat betreffend Gage etc. Ein wie ich finde starker und situationsgerechter Auftritt.

Setlist – Tribut für Hämatom

  1. Lichterloh
  2. Wir Sind Keine Band
  3. Bis Zum Letzten Atemzug

Fotos Tribut für Hämatom (pam)

Soilwork

DtS: Nach einer ungewöhnlich langen Pause – nach Plan hätten ja Hämatom gespielt und dann wäre umgebaut worden – ist der nächste Act an der Reihe: Es handelt sich um Soilwork, eine der bedeutenden Grössen des schwedischen Melodeaths. Nach einer persönlichen zehnjährigen Soilwork-Pause habe ich die Truppe erst im April wieder live gesehen und war begeistert. Auch wenn mich Björn Strid und seine Mannen heute nicht genau gleich abholen, empfinde ich den Gig als urgemütlich. (Raphi: Urgemütlich trifft den Nagel auf den Kopf, doch das ist irgendwie nicht das Wort, mit dem ich einen Melodic Death Metal-Gig möchte umschreiben müssen). Mit einem für meine Verhältnisse eher grossen Abstand stehe ich am Hang und lausche den melancholischen Klargesang-Klängen, welche sich mit härteren Passagen abwechseln. Mein Blick schweift immer wieder über die malerische Kulisse und ich geniesse den Moment.

Was, schon «Stålfågel»? Unglaublich schnell kommen wir am fulminanten Ende eines nicht überdurchschnittlichen, aber doch sehr soliden Auftritts an. Routiniert geht das Pausenspiel wieder los: Auf der Bühne wird hektisch Material ab- und aufgebaut, während man vor der Bühne entweder in der Front Row verharrt oder die Bedürfnisse nach Schatten, Essen und Trinken oder Blasenentleerung stillt.

Setlist – Soilwork

  1. Övergivenheten
  2. Stabbing
  3. I. I. I. Y. Darkness
  4. Nurturing Glance
  5. The Chainheart Machine
  6. Death Diviner
  7. The Ride Majestic
  8. Nerve
  9. Stålfågel

Fotos Soilwork (pam)

Ensiferum

DtS: Ensiferum sind definitiv ein Garant für gute Stimmung auf und vor der Bühne und sowieso für ein textsicheres Publikum, welches gerne auch die Haare fliegen lässt. Kein Wunder, dürfte man sogar denken, wenn man die Band nicht kennen würde und mit der ersten Nummer «Rum, Women, Victory» konfrontiert würde. Der Folk Metal, dessen Folk-Elemente halt nur ab Keyboard kommen, aber wenigstens live gespielt werden, macht eben Laune! Dass dabei dem Auftreten der Musiker ebenfalls eine äusserst wichtige Rolle zukommt, dürfte den Finnen durchaus bewusst sein. Gerade Bassist Sami zelebriert den Schabernack geradezu und sorgt bei mir mehr als nur einmal für ein fettes Grinsen.

Raphi: Du sagst es. Auch der Moshpit kümmert sich übrigens vortrefflich um die Pflege dieses Grinsens. Die Fans vor der Bühne benötigen nur einen kurzen Moment Anlauf, und dann gehts herrlich zur Sache. Ensiferum sind einfach eine sichere Bank, was gute Stimmung angeht.

DtS: Nach dem gefühlt noch kürzeren Set als bei Soilwork frage ich kurz nach einer Setlist und bekomme etwas in die Hand gedrückt, das man durchaus als solche auffassen könnte (siehe unten). Die Lacher hat der unbekannte Schreiberling dieser numerischen Aufzählung verdient.

Setlist – Fuck My Life

  1. You’re dumb
  2. Because
  3. This isn’t
  4. A setlist of a band!
  5. Greedy mf
  6. Buy merch
  7. If you wanna support a band

Die richtige Setlist möchte ich dem geneigten Leser natürlich trotzdem nicht vorenthalten:

Setlist – Ensiferum

  1. Rum, Women, Victory
  2. In My Sword I Trust
  3. Token Of Time
  4. Run From The Crushing Tide
  5. For Sirens
  6. One Man Army
  7. One More Magic Potion
  8. Andromeda
  9. From Afar

Fotos Ensiferum (pam)

Alestorm

DtS: In der Pause verzipfelte ich mich einmal mehr schnell zurück zum Zelt. Nach diesem kurzen Abstecher betrete ich rechtzeitig wieder das Infield und staune nicht schlecht: Von hier oben sieht die riesige, aufblasbare Gummiente der in Kürze auftretenden schottischen Piraten gleich nochmals grösser aus. Und auch die Menschenmenge vor der Bühne ist beachtlich.

Die Partypiraten um Christopher Bowes sind mehr als nur berüchtigt für ihre Blödeleien und ausufernden Konzerte. Mit «Keelhauled» geht es los und es vergeht keine Minute, bis sich die ersten kleinen Pits bilden. Es wird gehüpft, gemosht und vor allem lauthals mitgegrölt. Mit dem heutigen Set machen Alestorm keine Gefangenen: Die grosse Mehrheit der Songs stammt von den letzten paar Alben, welche alle zusammen mit der ursprünglichen Musik von Alestorm nicht mehr allzu viel zu tun haben. Das obligatorische «Hangover»-Cover und eigene Songs à la «Mexico» und «P.A.R.T.Y.» versetzen die Menge gekonnt in Ekstase und sorgen für eine riesige und sehr eindrückliche Party zwischen Bühne und Mischpult.

Allgemein verhält sich der heutige Auftritt so, wie sich jeder Alestorm-Auftritt verhält. Auch in der Setlist gibt es (leider) keine grösseren Überraschungen. Never change a running system scheint sich für Chris und Co. zu bewähren. Mit einer Zugabe, die den Überhit «Drink» und die Blödelnummern «Zombies Ate My Pirateship» und «Fucked With An Anchor» enthält, verabschieden sich Alestorm und hinterlassen eine von Hitze und Feiern geschaffte Meute.

Eluveitie

DtS: Diese Meute hat aber nun noch einen wichtigen Auftrag: Der Schweizer Metal-Export schlechthin, Eluveitie, beehrt Vallamand. Die ersten paar Songs schaue ich sitzend und Pizza mampfend, denn der Stand war gut besucht und trotz sehr effizienter Arbeitsweise bekam ich den italienischen Exportschlager erst gegen Ende Pause. Ja, ich habe gerade Eluveitie und eine Pizza mit demselben Wort umschrieben, ups (Raphi: Nicht schlimm, Domi. Schliesslich profitieren beide of Fire, Wind & Wisdom, sind auch im Carnutian Forest gerne gesehene Gäste und erhalten eine beachtliche Portion an Worship von ihren Fans… pam: Bin ich jetzt der einzige hier, der diesen Abschnitt nicht so ganz verstanden hat? Nicht so wichtig, denn Elu spielen und da muss ich nicht alles verstehen, was rundherum passiert.).

Doch kommen wir zum Thema: Die ursprünglich aus Winterthur stammende Band macht ihre Sache bockstark. Selbst hier hinten – nach dem Verputzen der Pizza bleibe ich gleich unter der VIP-Tribüne stehen – kommen die kräftige Ausstrahlung und der druckvolle Sound ungefiltert an.

Dass ich für einmal nicht allzu nahe am Geschehen dran bin, erlaubt es mir, mit den Gedanken ein wenig abzuschweifen. Und zwar zurück in der Zeit, ins Jahr 2010, als ich die Folk Metaller mit dem damals aktuellen Album «Everything Remains (As It Never Was)» kennenlernte. Ja, die Band, die aktuell gerade den Hang am Murtensee rockt, hat sich seither gewandelt. Es gab Wechsel im Line-Up, das eine oder andere neue Album, viele sehr starke Auftritte. Heute Abend erlebe ich eine gewisse Heimeligkeit, eine Vertrautheit mit der Band und ihren quer durch die Bandgeschichte reichenden Songs. Auch Chrigel und seiner Band scheint es ähnlich zu ergehen, sind sie doch alle äusserst gut aufgelegt. Da ist eine gewisse Dankbarkeit gegenüber der Schweizer “Homebase” spürbar, die der Fronter später auch noch explizit ausdrückt.

Im weiteren Verlauf des Sets spielen Eluveitie dann «L’appel des montagnes», die französische Version ihres Hits «The Call Of The Mountains». Ein schöner Moment, der nicht nur von den welschen Besuchern genossen, sondern wohl von vielen als Zeichen der Verbundenheit verstanden wird. Ein Symbolbild sozusagen für das dreitägige gemeinsame Feiern ennet der Sprachgrenze (pam: Bei diesen Zeilen hab ich doch grad Hühnerhaut. Das beschreibt doch das Festival wunderbar)  .

Die Fragen, die sich Eluveitie 2010 im Album-Intro «Otherworld» stellten (Canst thou tell me whence thou comest // and where thou goest? // And what is or what was // or what is to come?) kann man auch heute kaum beantworten. Das everything remains ist jedoch, glaubt man dem heutigen Abend, dass Eluveitie vor heimischem Publikum immer sehr willkommen sind und für ganz besondere Momente sorgen!

Fotos Eluveitie (pam)

Fiddler’s Green

DtS: Es ist bereits Zeit für den letzten Act des zweiten Festivaltages. Den deutschen Irish Folk Rockern Fiddler’s Green kommt dabei die etwas undankbare Aufgabe zu, nach einem hervorragenden Headliner-Gig zu spielen. Dabei machen sie ihren Job nicht schlecht, doch packt mich das Dargebotene nicht so richtig, obwohl die Songs von eingängigen Melodien, Offbeats und Hüpfpassagen nur so strotzen.

Ganz anders ergeht es jedoch unserem Raphi, den die Musik irgendwie infiziert zu haben scheint. Gerne überlasse ich ihm das Feld und verabschiede mich in Richtung Zeltplatz. Wie ein Duracell-Häschen tänzelt der Kollege dann den Hang runter in Richtung hüpfende Menschen. Ein herrlicher Anblick! Raphi, möchtest du zu dem Konzert noch etwas loswerden?

Raphi: Du meinst abgesehen davon, dass Fiddler’s Green es schaffen, die gelichteten Reihen nochmals in Bewegung zu versetzen? Abgesehen davon, dass der fröhliche Moshpit so viel Staub aufwirbelt wie bereits den ganzen Tag hindurch, in der Dunkelheit aber nicht mit blossem Auge erkennbar ist, ob man sich jetzt in der Wolke befindet oder nicht und daher erst die verklebten Nebenhöhlen Alarm schlagen müssen, bis das Hirn die Anweisung erteilt, ein Tuch vor die Nase zu ziehen? Abgesehen davon, dass die Setlist trotz aller Freude einige Klassiker wie zum Beispiel “Old Dun Cow” vermissen liess? Oder abgesehen davon, dass der Auftritt gut, aber nicht überragend war, weil Fiddler’s Green zwar immer prima abliefern, aber auch schon Shows mit mehr Energie gespielt haben? Ja? Dann kann ich – bevor ich mich ebenfalls auf den Weg ins Bett mache – nur loswerden, dass das Konzert ein spassiger Abschluss des heutigen Tages war.

Fotos Fiddler’s Green (pam)

Rock The Lakes 2023 – Tag 3 (Sonntag, 20. August)

DtS: Wie auch schon bei der ersten Ausgabe ist unser Plan, noch am Sonntagabend nach dem letzten Gig abzureisen. Entsprechend räumen wir unser Camp bereits am Morgen ab und bringen unsere sieben Sachen zum Auto. Zwischen den von Staub bedeckten Autos geniessen wir – im Schatten unseres Pavillons, anders gehts nicht – unser selbstgebrutzeltes Frühstück. Als pam vorfährt und wir uns noch einen Moment unterhalten, erklingen von drinnen bereits die Töne des ersten Acts King Zebra. Zum Glück ist Kaufi heute hier und bereits ready zu berichten!

Kaufi: Schönen guten Tag allerseits… Wie schon letztes Jahr ist der Sonntag DER Tag für mich. So reisen meine bessere Hälfte Nicky (sie übernimmt heute den Fotografen-Job von pam – pam: Was ich in Kürze noch bereuen sollte …) und meine Wenigkeit erst heute an. Pünktlich zur Türöffnung sind wir da und man fühlt sich irgendwie sofort wieder wohl – es ist einfach eine herrliche Location für ein Festival. Die ersten bekannten Leute laufen einem über den Weg, Begrüssungsorgien allerorts. Noch liegt der Bereich vor der Bühne im Schatten. Und noch hat es nicht allzu viel Volk auf dem Gelände – also platziere ich mich grad mal vorne am Gitter für den Opener des Tages… (Raphi: Willkommen in der ersten Reihe, werter Kaufi).

Fotos Impressionen – Tag 3 (Nicky)

King Zebra

Kaufi: Den Zürchern King Zebra wird die Ehre zuteil, den letzten Tag mit melodischen Tönen einzuläuten. Für die Truppe um Fronter Eric St. Michaels dürfte dies heute wohl der bislang grösste Auftritt ihrer Karriere sein. Für die frühe Uhrzeit haben sich zudem mittlerweile doch recht viele Zuschauer eingefunden. Kein Wunder also sprüht das Quintett so vor Spielfreude. Speziell Gitarrist Roman Lauer bekommt sein Strahlen kaum mehr weg. Eric zeigt sich derweil als souveräner Fronter, Bassist Manu geht immer wieder mächtig in die Knie, Jerry brilliert mit seinem kurzen Solo vor „We’re the Survivors“ und dahinter drescht Beni voller Freude auf seine Drums ein.

Mit „Be The Hunter“ geht’s los, „She Don’t Like My R’n’R“ fehlt danach genauso wenig wie „Walls Of Confusion“. Da die Zebras leider nur gerade 25 Minuten Spielzeit zur Verfügung haben, ist nach „Firewalker“ bereits Schluss. Aber es ist positiv zu erwähnen, dass sie diese Zeit komplett für eigene Songs nutzen und das ansonsten obligate „Rockin‘ In A Free World“-Cover aussen vor lassen. Die anwesenden Fans sind jedenfalls bestens unterhalten und sehr zufrieden – da hätte sich kaum einer beschwert, wenn noch drei, vier Songs mehr gekommen wären….

Setlist – King Zebra

  1. Be The Hunter
  2. Under Destruction
  3. She Don’t Like My R’n’R
  4. We’re The Survivors
  5. Wall Of Confusion
  6. Firewalker

Fotos King Zebra (Nicky)

Blackbriar

Kaufi: Als nächstes folgt eine Band, von der ich noch nicht mal den Namen kenne, geschweige denn die Musik. Pam, der heute auch noch eine Weile auf dem Gelände verweilt, ist sich nicht sicher, ob mir das gefallen wird oder nicht. Nun gut, hören wir da also mal rein…

Zuerst aber mal noch Infos suchen. Blackbriar stammen aus den Niederlanden und spielen „Alternative Metal-Gothic Rock“. Sagt Wiki… Man kann dem auch „Symphonic Metal“ sagen, denn diesen Eindruck habe ich, als die Musiker, angeführt von Zora Cock, ihren Auftritt starten. (Raphi: Und was lernen wir daraus? Vertraue nicht auf Wikipedia, was Genrebezeichnungen angeht.) Mit feuerroten Haaren und einem Rosenkleid ist die Sängerin von Beginn weg der Blickfang. Und pam bereut es bereits etwas, dass er den Foto-Job abgegeben hat… (pam: Aber sowas von … und definitiv bereuen tut er nicht, dass er heute morgen nicht schon abgereist ist …).

Symphonic Metal ist immer so eine Sache. Da gibt’s für mich eigentlich fast nur schwarz oder weiss. In diesem Fall packt mich das Gebotene nicht so sehr, die Stimme von Zora ist mir schlicht ZU hoch. (Raphi: Mir scheint sie so hoch zu sein, wie manch andere Sängerin in diesem Bereich. Aber sie hat eine sehr helle Stimmfarbe, die mich hin und wieder an Myrkur erinnert.) Daher verlasse ich bald einmal meinen Platz in der ersten Reihe und widme mich der Futtersuche und Wasserzufuhr – es ist nämlich schon recht warm hier… Und ich brauche bald mal alle verfügbare Energie! Pam, Domi – ihr dürft gerne Euer Urteil abgeben.

DtS: Gerne! Für mich sind Blackbriar kein unbeschriebenes Blatt. Entdeckt hatte ich die Band aus Assen vor ein bisschen mehr als einem Jahr an den Z7 Wild Dayz (könnt ihr hier nachlesen). Meinen Plan, nach dem Konzert nochmals in die Musik reinzuhören, habe ich ausnahmsweise umgesetzt und der eine oder andere Song hat mich dabei wirklich gepackt! Trotz oder gerade wegen der hohen beziehungsweise hellen Stimme von Sängerin Zora. Nach dem Auftritt am diesjährigen Into The Grave Festival – für die Band quasi ein Heimspiel – freute ich mich dann umso mehr auf den heutigen Auftritt. Und werde gerade keineswegs enttäuscht! Die gesamte Band strotzt nur so von Spielfreude, die Bühnenpräsenz ist grossartig, und ihre Bandkollegen (allen voran der rotbärtige Gitarrist Robin und Basser Siebe) machen dem vermeintlichen Mittelpunkt Zora die Aufmerksamkeit streitig. Die Spielzeit ist viel zu knapp bemessen – da hätte ich doch glatt noch eine halbe Stunde mehr vertragen –, doch mit «I’d Rather Burn», «Selkie» und «Lilith Be Gone» haben es meine persönlichen Favoriten zum Glück in die Setlist geschafft.

So, pam: Ich weiss, dass auch du noch eine Lobeshymne loswerden willst.

pam: Ui ja du. Aber die könnten ja Raphi und alle die da noch in der ersten Reihe standen auch bringen. Ich bin ja sehr selten in der ersten Reihe und hier jetzt vor allem um den Platz von Larry zu sichern. Noch nie hat sich das für mich so ausbezahlt (gut, ausser vielleicht damals bei Nena … andere Geschichte, andere Liebe aus der die Liebe meines Lebens wurde). Dass ich noch hier am Festival bin, hat damit zu tun, dass ich Blackbriar endlich mal live erleben möchte. Als wir deren Album letztes Jahr für eine Review (siehe Bericht) erhalten haben, war ich schon vom ersten Ton an hin und weg von dieser engelhaften Stimme einer Waldfee. Doch ich hatte ja null Ahnung wie mir hier geschehen wird. In dem Moment wo Zora auf die Bühne kommt, hat sie uns alle in ihrem Märchen gefangen genommen – ausser Kaufi, der geht Futtern …

Sowas hab ich noch nie an einem Konzert erlebt. Sie schafft es, mit Augenkontakt mit jedem einzelnen von uns (ja, ich finde auch, dass sie nur mir in die Augen schaut … aber das sagt grad jede/r hier), allen das Gefühl zu geben, dass sie nur für dich bzw. für mich singt. Sie schwebt barfuss richtiggehend über die Bühne und singt so lieblich, dass man am liebsten auf die Bühne klettern möchte, um das Mädel in die Arme zu nehmen. Sie wirkt einerseits zerbrechlich, andererseits erfüllt sie das ganze Gelände (ausser dort wo grad Kaufi is(s)t) mit ihrer Aura. Vallamand = Auenland.

Keine Frage, dieses Konzert landet auf meiner Jahresbestenliste (und das wurde dann auch Tatsache). Uiuiui, ich hab mich glaub grad verliebt. Und mit mir wohl ein paar Hundert andere … Und Nicky, ich beneide dich grad ziemlich …

Setlist – Blackbriar

  1. Crimson Faces
  2. I’d Rather Burn
  3. Arms Of The Ocean
  4. Selkie
  5. Fairy Of The Bog
  6. Deadly Diminuendo
  7. Cicada
  8. Lilith Be Gone
  9. Until Eternity

Fotos Blackbriar (Nicky)

Kissin‘ Dynamite

Kaufi: Es gibt Leute, die sagen dass ich bei Kissin‘ Dynamite eine Fanbrille trage. Ok, das kann ich nicht abstreiten, der Fanboy steht hier natürlich in der allerersten Reihe. Pam hat jedoch schon auf der 70 Tons zugeben “müssen”, dass meine Lobeshymnen nicht grundlos sind. Heute gibt dann auch Kollege Domi der Band laut seiner eigenen Aussage die „dritte und letzte Chance“, Raphi ist neugierig auf die Band aufgrund meiner Berichte – und sogar pam schaut sich das wieder an (pam: Ja, bin ja noch geflashed von Blackbriar und kann mich noch nicht bewegen).

Die Schwaben müssen um 15 Uhr auf die Bühne, und sie haben sogar fast ihr komplettes Bühnenbild von der Tour dabei! Treppen, Podium, grosses Logo mit viel Licht – absolut Stadium Rock-würdig. Eine Setlist, die für die lächerlichen 45 Minuten eigentlich keine Wünsche offen lässt. Spielfreude, viel Action (vor allem Jim Müller gibt Gas wie nur was) – das freut die Fotografen. Und dann ist da noch Blondschopf Hannes, der – heute im schwarzen Hemd – einige Male seine wohl spärlichen Französisch-Kenntnisse auspackt und auf diesem Weg mit den Fans kommuniziert! Respekt dafür – das macht auch nicht jeder! (Raphi: So spärlich, wie Hannes selber sagt, sind die gar nicht. Er kann jedenfalls um einiges mehr als nur „Bonjour“ und sorgt für Lacher im Publikum, als er dann doch aufgeben muss: „il était déjà très chaud, but now it’s gonna be even…chauder“)

Und jetzt? Soll ich erwähnen, dass Kissin‘ Dynamite die absolut beste Band des Tages mit der besten Stimmung sind? Soll ich erwähnen, dass zig Leute, mit denen ich im weiteren Verlauf des Tages rede, komplettes Unverständnis über den frühen Slot und die kurze Spielzeit zeigen? Ich höre Aussagen wie „man jammert über fehlende Headliner (pam: Fehlende Headliner bei Epica und Blind Guardian? … verwöhntes Pack) – dann schickt man einen wirklichen Headliner nachmittags um 15h auf die Bühne?“. Entweder hat es in Vallamand grad einen ganzen Haufen Leute mit KD-Fanbrille – oder es ist halt auch neutral betrachtet etwas dran…? (Raphi: Nun, mit Blind Guardian und Epica hats dem Rock the Lakes bei diesem hochkarätigen Lineup nicht an Headlinern gemangelt. Doch ich stimme dir zu Kaufi, Kissin‘ Dynamite können mit einer solchen Show auch weiter oben auf dem Plakat stehen, ohne rot zu werden.)

Domi, pam – ihr dürft gerne übernehmen. Ich brauch nach 45 Minuten absoluter Abriss-Party rasch eine Verschnaufpause…

DtS: Gerne widme ich auch Kissin’ Dynamite noch kurz einige Zeilen. Du hast es bereits geschrieben: Ich habe der Band die dritte und letzte Chance gegeben. Ich fand die Musik ja eigentlich nie schlecht, aber die bisherigen beiden Auftritte waren – und mit dieser Aussage mache ich mir wohl nicht nur Freunde – nicht so das Gelbe vom Ei. Umso weiter unten hängt dann meine Kinnlade spätestens bei «I’ve Got The Fire». Mann, heute lösen Hannes und Co. endlich mal ein, was die Worte “Stadium Rock” versprechen. Auch wenn ich an der Reihenfolge der heutigen Bands und damit am Kissin’-Slot nicht viel ändern würde: DAS war gerade wirklich grosses Kino, und ich werde auch ein viertes Mal mit von der Partie sein, wenn sich das so ergeben sollte!

pam: Ja, muss ich auch noch was sagen? Ich bin ja eigentlich schon weg. Nach Plan. DASS ich aber noch da bin, sagt wohl mehr als tausend Worte. Auch wenn es nicht wirklich mein Sound ist, aber ja, auf der Bühne geizen die Schwaben definitiv nicht. Die Show ist stark und macht es definitiv schwierig bis unmöglich, einfach davon zu laufen. Einer der wenigen Momente, bei dem der Kaufi nicht übertreibt, wenn es um „seine“ Bands geht ;-). Ich hab dich auch lieb.

Setlist – Kissin‘ Dynamite

  1. No One Dies A Virgin
  2. I’ve Got The Fire
  3. Sex Is War
  4. Love Me, Hate Me
  5. Only The Dead
  6. I Will Be King
  7. You’re Not Alone
  8. Not The End Of The Road
  9. Flying Colours

Fotos Kissin‘ Dynamite (Nicky)

Gloryhammer

Kaufi: Als nächstes ist eine Band an der Reihe, die ich eigentlich sehr mag. Doch dann war da die unschöne Trennung mit dem Sänger und die Frage, wie sich das nun weiter entwickelt. Mit dem Zyprioten Michael Sozos haben die Briten Ende 2021 den Nachfolger am Mikrofon vorgestellt. Doch die Frage bleibt, inwiefern er seinem Vorgänger in Sachen Performance, Gesang, Stimme Paroli bieten kann – denn seien wir ehrlich: Thomas Winkler war ein enorm wichtiger Part im Sound von Gloryhammer! Mit „Return To The Kingdom Of Fife“ erschien vor wenigen Wochen Studioalbum Nummer 4 und gleichzeitig das Debüt vom neuen Prince Angus McFife. Offiziell Prince Angus McFife II. Der typische Gloryhammer-Sound wird da geboten, auch Story-mässig wird der eingeschlagene Weg konsequent weiter verfolgt. Ich will dem neuen Sänger hier nicht zu nahe treten – aber der Vorgänger hat zweifellos grosse Fussstapfen hinterlassen, die hier nicht gefüllt werden. Aber jetzt geht’s auf die Bühne, dann schauen wir mal wie das ist…

Einige Dinge haben sich nicht verändert. So steht zu Beginn wieder mal Tom Jones als Pappkamerad auf der Bühne, während sein „Delilah“ aus den Boxen tönt. Zum richtigen Intro marschieren dann nach und nach Ralathor (Drummer Ben Turk), The Hootsman (Bassist James Cartwright), Zargothrax (Tastenmann Michael Barber) und Ser Proletius (Gitarrist Paul Templing) auf die Bühne. Dann kommt der Prinz – und ich gebe zu: Es ist ein komisches Bild, Michael Sozos in der grünen Uniform von Angus McFife zu sehen… Man muss dem neuen Fronter zugutehalten, dass er seine Rolle als Angus McFife II gut spielt. Bei „Gloryhammer“ wird dann auch gleich mal ein grüner Goblin verhauen, doch hier ist akustisch dann auch wieder ein grosser Unterschied zu früher offensichtlich. Die Show insgesamt ist jedoch durchaus unterhaltsam. So erklärt der Hootsman, dass sie kürzlich das „best new album of all time“ veröffentlicht haben… Auch mal ein Ansatz! Später taucht dann der Goblin nochmals auf und „spielt“ Saxophon…

Die Setlist ist etwas zwiespältig. Denn mit „Hootsforce“, „Universe On Fire“ und „Wasteland Warrior Hoots Patrol“ wird grad etwas gar viel Disco-Metal gespielt. Da wäre etwas mehr Metal schon nett gewesen. Mit „Quest For The Hammer Of Glory“, „Masters Of The Galaxy“ oder auch „Legend Of The Astral Hammer“ sind da einige Alternativen eigentlich vorhanden. (Raphi: Es sind Gloryhammer mit einer Festival-Setlist, was hast du erwartet? 😉 Kaufi: Mehr Metal! :-p) Nach einer Stunde ist die obligate Krönung des Hootsman zur „National Anthem Of Unst“ der altbekannte Abschluss. Und ich ziehe ein zwiespältiges Fanzit. Einerseits machen Gloryhammer immer noch Spass, sie bieten ihr gewohntes und unterhaltsames Programm. Andererseits ist es schon offensichtlich, dass Michael Sozos halt kein Thomas Winkler ist. Ich bleibe dabei: Nachdem Angus McFife am Ende des dritten Albums gestorben ist, hätten Gloryhammer mit dem neuen Sänger auch grad eine neue Figur ins Spiel bringen sollen, anstatt den Vorgänger zu kopieren. Das wäre meiner Meinung nach die beste Lösung für Gloryhammer und für Sozos gewesen…

Setlist – Gloryhammer

  1. Holy Flaming Hammer Of Unholy Cosmic Frost
  2. Gloryhammer
  3. The Land Of Unicorns
  4. Keeper Of The Celestial Flame Of Abernethy
  5. Fly Away
  6. Wasteland Warrior Hoots Patrol
  7. Angus McFife
  8. Universe On Fire
  9. Hootsforce
  10. The Unicorn Invasion Of Dundee

Fotos Gloryhammer (Nicky)

U.D.O.

Kaufi: Eine Premiere! Für mich jedenfalls… Endlich, nach all den Jahren, sehe ich U.D.O. mal live. Ok, ich habe den Herrn Dirkschneider natürlich schon einige Male auf der Bühne erlebt. Aber heute ist es das erste Mal, dass ich dabei KEINEN Accept Song hören werde – sondern nur das eigene Schaffen des Altmeisters! Und der startet mit dem Titeltrack seines ersten Albums in sein Programm: „Animal House“. Pure Nostalgie, denn auch wenn der Senior massenweise guten Stoff veröffentlicht hat: Das Debüt ist und bleibt für mich einfach unerreicht. Klar, dass ich mich da auch enorm über „Go Back To Hell“ und „They Want War“ freue – selbst wenn letzterer irgendwie komisch rüberkommt, irgendwo will das Timing mit dem Publikum nicht so recht passen. Ist halt live – und alles andere als wirklich schlimm!

Gerade mal 55 Minuten dauert diese geballte Heavy Metal Power. Und Power ist hier wörtlich zu nehmen: Der Sound ist brutal – und brutal gut! Wenn man da relativ nah vor der Bühne steht, wird man von dieser Wucht wirklich fast umgehauen. Es gilt übrigens zu sagen, dass alle Bands einen grossartigen Sound haben, obwohl es punktuell ein paar wenige db ZU laut ist. Aber dafür gibt’s ja dann Ohrstöpsel… U.D.O. zeigen sich während der knappen Stunde dann extrem effizient. Mehrmals gibt’s zwischen den einzelnen Tracks gar keine Pause, man geht direkt über zur nächsten Nummer. Bei den Musikanten sorgen die beiden Gitarristen Andrey Smirnov und Dee Dammers für Bewegung auf der Bühne, während der Maestro natürlich der ruhende Pol ist. Und im Gegensatz zu manch anderem gealterten Rocker liefert Dirkschneider auch stimmlich immer noch eine sackstarke Leistung ab! (Raphi: Wobei ihm das Alter meiner Meinung nach langsam schon auch anzuhören ist.)

Zehn Songs bekommen wir zu hören und die bieten einen Querschnitt durch die 35-jährige Solo-Karriere. Sieben Alben sind vertreten, von 1987 („Animal House“) bis 2021 („Game Over“ – ich stelle grad mit Schrecken fest, dass mir diese CD im Original ja noch fehlt…) ist fast alles vertreten. Aber nur fast – denn „Holy“ fehlt! Das ist der einzige Wermutstropfen an einer sonst rundum gelungenen Show…

DtS: Der gute alte Herr Dirkschneider hat heute einmal mehr gezeigt, aus welchem Holz er geschnitzt, Metall er gegossen ist. Dass man ihm, wie Raphi es formuliert hat, sein Alter etwas anhört, kann ich nicht verneinen. Aber: Der Herr hat 71 Jährchen auf dem Buckel und liefert eine Show, an der es wenig zu bemängeln gibt. Da zahlen sich 55 Jahre Bühnenerfahrung eben aus. Kommt dazu, dass Udo mit seinem Sohn Sven am Schlagzeug, den bereits von Kaufi erwähnten Herren Smirnov und Dammers an den Gitarren sowie seinem langjährigen Weggefährten Peter Baltes, der bei U.D.O. neu für den Bass zuständig ist, auf eine nie enttäuschende Rückendeckung zählen darf.

Ich habe zwar den Eindruck, dass es während dem U.D.O.-Set etwas viel Luft in den vorderen Reihen gegeben hat. Ob das nun an dessen Beliebtheit, dessen mangelnder Bekanntheit bei Teilen des Publikums oder einfach nur an der Znacht-Position vor Epica und Blind Guardian liegt, wollen wir mal offenlassen. Wer vor der Bühne verharrt und sich den Auftritt gibt, wird mit einer knappen Stunde astreinem Heavy Metal belohnt. Und ich bestätige Kaufi: Die Abmischung könnte kaum besser sein. So glasklar und druckvoll, und das gleich am Geländer vorne. Wieso klappt das nicht immer?

Setlist – U.D.O.

  1. Animal House
  2. Holy Invaders
  3. Go Back To Hell
  4. 24/7
  5. The Wrong Side Of Midnight
  6. Metal Never Dies
  7. They Want War
  8. I Give As Good As I Get
  9. Man And Machine
  10. One Heart One Soul

Fotos U.D.O. (Nicky)

Epica

Kaufi: Symphonic Metal – was habe ich da bei Blackbriar gesagt? Nun, gleiches gilt für Epica. Zugegeben: Showmässig ist das grosses Kino, was die Niederländer hier auffahren. Imposantes Bühnenbild, links und rechts zwei grosse stählerne Kobras, die auch Feuer speien können. Und am Bühnenrand schiessen permanent Feuersäulen in die Höhe. Irgendwann fordert die Band dann auch einen Circle Pit – da wird massig Staub aufgewirbelt. Als ob das an diesem Tag noch nötig wäre…

Musikalisch hingegen – nein, da bin ich raus. Das ist mir deutlich zu viel „Gegrunze“, das kann auch der Klargesang von Simone nicht rausreissen. Das tönt alles schlussendlich viel zu eintönig. (Raphi: Eintönig? Natürlich kann man die hin und wieder eingestreuten Growls nicht mögen, aber eintönig und Epica passen jetzt wirklich nicht in denselben Satz, Kaufi. Die Niederländer zeigen sich seit einigen Jahren kompositorisch so spannend und geschärft wie kaum eine andere Band im Symphonic Metal. Kaufi: Immer Ansichtssache. 😉 Mich haben da Within Temptation am Masters of Rock deutlich mehr abgeholt…) Irgendwann kommt dann zwar ein Song daher, der sich zu Beginn und zum Ende hören lässt – aber leider wüsste ich nicht, welcher das war. Bin ja nicht so vertraut mit der Band… Ich gönne mir nun lieber das einzige alkoholische Getränk des Abends: Einen Gin-Tonic. Epica überlasse ich hiermit gerne Domi…

DtS: Und da übernehme ich noch so gerne! Seit mehreren Jahren scheinen sich Epica auf einem musikalischen Höhenflug zu befinden. Das weiss ich nicht nur aus eigener Erfahrung, sondern auch, weil in den zahlreichen Reviews auf Metalinside einfach keine negativen Worte zu finden sind. Okay, ab heute steht da dann auch “zu viel Gegrunze” aus Kaufis Feder, aber Geschmäcker sind bekanntlich verschieden.

Die vielen hundert ach so begeisterten Seelen auf dem grün-braunen Hang und ihr Abfeiern der Band sprechen jedoch ein klares Verdikt: Epica holen das von drei Tagen Hitze geschlauchte Publikum mit einer Leichtigkeit ab, die selbst Besucher mit hohen Erwartungen überraschen dürfte. Die Bühnendeko, die vielen Flammen, Tastenmann Coens Keyboard auf Schienen, das er, wie auch sein tragbares Keyboard, fleissig in Szene setzt, der Kontrast von opernhaften und fast schon deathig angehauchten Passagen, der Mix von Simones Klargesang mit Marks bösen Growls, das ist alles ganz grosses Kino! In Erinnerung bleiben ein fantastischer Auftritt, ein riesiger Staubpit, jede Menge Gehüpfe (v.a. bei «Beyond The Matrix»), ein phänomenales finales «Consign To Oblivion» und die enorme Spielfreude (ja, das Wort brauche ich fast schon inflationär, aber Epica definieren es hier geradezu neu) jedes einzelnen Musikers. Ich kann jetzt schon sagen: DAS war eines der besten Auftritte des Jahres! (Raphi: Einfach nur volle Zustimmung meinerseits!)

Setlist – Epica

  1. Abyss Of Time – Countdown To Singularity
  2. The Essence Of Silence
  3. Unchain Utopia
  4. The Final Lullaby
  5. The Obsessive Devotion
  6. The Skeleton Key
  7. Cry For The Moon (The Embrace That Smothers, Pt. 4)
  8. Beyond The Matrix
  9. Consign To Oblivion

Fotos Epica (Nicky)

Blind Guardian

Kaufi: Zeit für den Headliner. Viel zu lange ist es her, seit ich Blind Guardian das letzte Mal gesehen habe! Umso grösser die Vorfreude und auch die Spannung: In Sachen Setlist sind die Krefelder immer gut für Überraschungen! Gibt es Old School? Gibt es Songs vom saustarken aktuellen Werk „The God Machine“ (Siehe Review hier)?

Mit wenigen Minuten Verspätung betreten die sechs Musiker die Bühne und starten mit einem richtigen Kracher: „Imaginations From The Other Side“! Wer sich etwas vorinformiert hat über ein allfälliges Programm hätte das erahnen können – ich persönlich will jedoch keine Setlists wissen im Vorfeld, daher ist meine Freude über den Opener doppelt gross. Mit „Welcome To Dying“ kommt gleich das nächste Brett hinterher… Wenn ich meine Konzert-Vergangenheit betreffend Blind Guardian nachschauen würde – ich würde wetten, dass der dritte Song IMMER „Nightfall“ war. So ist es auch heute (Raphi: Und heute bricht auch tatsächlich bei genau diesem Song die Nacht herein, wie cool ist das denn?), und da dann auch gleich noch das göttliche „The Script For My Requiem“ folgt, stelle ich mich auf ein Programm mit vielen Klassikern ein. Da das Cover von „Somewhere Far Beyond“ als Backdrop die Bühne ziert, ist meine Hoffnung gross, dass sie hier den Titeltrack auch im Programm haben – eine Übernummer, die ich leider bis heute nie live hören durfte… Und ich nehme es vorweg: Es bleibt auch so… (pam: Ah verdammt, spätestens jetzt bereue ich mein Ich, das jetzt zu Hause ist – das ist ja ein Start, wie ich ihn mir von Blind Guardian eigentlich immer wünschen würde … und definitiv passt bei „The Script For My Requiem“ „göttlich“. Den hab ich glaub noch nie live gehört … shit).

Blind Guardian sind nun nicht gerade bekannt für wahnsinnig viel Action auf der Bühne – sie lassen die Musik sprechen. Oder den Fronter… Hansi Kürsch ist heute ganz offensichtlich bester Laune und lässt Sprüche raus, die ja schon fast Tobi Sammet Niveau haben! So erklärt er, dass Gerüchte besagen, man habe das Dorf hier in „Valhallamand“ umbenannt – was sofort zu lauten „Valhalla“-Gesängen im Publikum führt. Hansi arschcool: „Ich war das nicht, und wer hat gesagt, dass wir den Song überhaupt spielen?“ Später meint er, dass sie in 35 Jahren noch nie so tief in der Schweiz waren – wo das in den nächsten 35 wohl noch hinführt? (wahrscheinlich dann bis ins Wallis…?) Dann beherrscht er natürlich alle vier unserer Landessprachen (auch die unaussprechliche…) – darum macht er dann die Ansagen auf Englisch, dann ist wohl niemand beleidigt… Die „Quittung“ folgt dann gegen Ende, als man die Band offenbar zur Eile antreibt, da muss sich der Leader dann noch etwas zurücknehmen.

Ein lupenreines Old School Programm wird es dann auch nicht. Mit „Deliver Us From Evil“ wird uns im Hochgeschwindigkeitsmodus der Opener vom aktuellen Silberling um die Ohren gehauen. Das macht Spass! Mit „Violent Shadows“ folgt später noch ein weiterer Track davon, aber der vermag nicht richtig zu überzeugen (DtS: Einspruch! Den Song finde ich top und meiner Meinung nach muss er gegenüber dem älteren Material kein bisschen zurückstecken.) Da wäre „Damnation“ oder auch „Secrets Of The American God“ eine bessere Alternative gewesen. Ok ok – das ist jetzt das berühmte Jammern auf hohem Niveau…

Unter anderem mit Metalinsider Kollege Friedemann hab ich letztens bei einem Grillbieren eine Diskussion geführt, wie Balladen Stimmungskiller an einem Konzert sein können. Ausser man hat Balladen im Programm, die schlicht weit über dem Durchschnitt sind. So wie dies hier bei Blind Guardian der Fall ist: „Lord Of The Rings!“ Das ist riesengrosses Kino, was hier abgeht. Das textsichere Publikum sorgt hier für eine fantastische Atmosphäre. Einer der besten Momente des ganzen Tages! Und wenn dann im direkten Anschluss mit „Time Stands Still (At The Iron Hill)“ einer meiner absoluten Lieblingssongs geboten wird, dann sind Eskalationsschübe nicht mehr weit… Da die Zeit nicht still steht und hinter der Bühne wie erwähnt offenbar jemand mit der Geisel chlöpft, ahnt man das kommende Finish. Doch es kommt anders als zumindest ich denke… Es gibt (natürlich) den „Bard’s Song“ – zu 95% gesungen vom Publikum. Ja, mag sein, dass man dies auch vielleicht in die Schublade „ausgelutscht“ legen könnte. Trotzdem ist es immer wieder sagenhaft, wie diese sanfte Nummer bei den harten Metallern abgefeiert wird.  (Raphi: Damit wären wir ja bereits bei zwei Balladen im Set ;-))

Also gut, dann gibt’s nun noch „Mirror, Mirror“ zum Abschluss, denn „time is running out“. Öhm… wie meinen?? Das Intro zu „Sacred World“? Ernsthaft?? Ein 10-Minüter, wenn die Spielzeit praktisch durch ist? Wie geil ist das denn, bitteschön? Der neben „Wheel Of Time“ beste Song des 2010er Werkes „At The Edge Of Time“ – nein, DEN hatte ich nicht auf der Rechnung! Ich nehme das Finish hier von etwas weiter hinten mit und begebe mich auf Abschiedsrunde, denn wir wollen vor einem grösseren Verkehrsaufkommen auf den Heimweg. Ich staune – eine Blind Guardian Show OHNE „Mirror, Mirror“ – habe ich wohl auch noch nicht erlebt… Und so stehen Nicky und ich bei unserem lieben Fahrer René beim Pressezelt und geniessen die letzten Töne. Oder so. Moment mal – was hat Hansi da gerufen? „MIRROR MIRROR ON THE WALL!“. Herrlich, die Spielzeit (veranschlagt mit 80 Minuten – für einen Headliner….? Raphi: Es ist halt immer noch ein Festival.) wird hier grad etwas überzogen! Die Fans auf dem Platz vor der Bühne danken es der Band, die Meute feiert ohne Ende. Und nein – das war’s natürlich immer noch nicht! „Valhalla“, von zig Kehlen mitgesungen, ist dann das endgültige Finale. JETZT ist wirklich Schluss, nach 90 Minuten…

DtS: Ich fasse mich kurz: Nach dem bombastischen, überphänomenalen Auftritt von Epica und dem (meiner Meinung nach) nur guten, aber nicht übermässigen Guardian-Gig am Rockharz befürchtete ich, dass nun etwas Flaute ansteht. Doch nichts da: Mit den unzähligen Sprüchen, glasklarem Sound, einer soliden Songwahl und einer befreienden Lockerheit liefern Blind Guardian etwas, das man zu Recht als würdigen Abschluss von drei grandiosen Festivaltagen bezeichnen darf.

Setlist – Blind Guardian

  1. Imaginations From The Other Side
  2. Welcome To Dying
  3. Nightfall
  4. The Script For My Requiem
  5. Deliver Us From Evil
  6. Lord Of The Rings
  7. Time Stands Still (At The Iron Hill)
  8. The Quest For Tanelorn
  9. Violent Shadows
  10.   The Bard’s Song – In The Forest
  11.   Sacred Worlds
  12.   Mirror Mirror
  13.   Valhalla

Fotos Blind Guardian (Nicky)

Das Fanzit – Rock The Lakes 2023

DtS: Was in den letzten drei Tagen auf der eigens für das Festival angeschafften Wackinger Stage gezeigt wurde, enthielt viele, ja, sehr viele Perlen: Allen voran dürfen hier sämtliche sechs Headliner (Sepultura, Heaven Shall Burn, Alestorm, Eluveitie, Epica und Blind Guardian) erwähnt werden, doch auch Auftritte von Silver Dust, Blackbriar oder U.D.O. haben sich lobende Worte erspielt. Organisatorisch kann ich nicht viel bemängeln. Nein, der grösste Negativpunkt dürfte wohl die drückende Hitze (die jedoch mit den bereitgestellten Massnahmen gut bewältigt werden konnten) gewesen sein. (Kaufi: Hitze? Negativ? Herrlich war das! Und viiiiel besser als Regen und Schlammschlacht… 😂) Auch nach der zweiten Ausgabe bin ich vom Festival gleich hinter der Sprachgrenze mit einer bombastischen Aussicht mehr als nur überwältigt.

Kaufi, du willst auf einige Punkte noch genauer eingehen?

Kaufi: Auch von der zweiten Ausgabe des Rock The Lakes gibt es viel Gutes zu berichten, aber Kritik muss dennoch erlaubt sein. 

Hier seien die Preise für Food und Getränke erwähnt. So fein sie auch sind: Spare Rips mit Pommes Frites für 20 Stutz ist wirklich oberste Grenze. 2.5 dl Appenzeller Plörre (Bier kann ich dem nicht sagen) kostet 4 Stutz (DtS: Gerade von den Bierpreisen bin ich positiv überrascht, zahlte man letztes Jahr für die 2.5 dl 5 Franken, und dieses Jahr gibt es als Alternative den grossen 5er-Becher für 7, also zum selben Preis wie im nationalen Vergleich nicht wirklich teuren Z7). Hier besteht Luft nach unten, dann würde manch einer vielleicht auch (noch) mehr konsumieren. (Raphi: Da kann ich dir sonst die regionalen Spezialitäten zwei Stände weiter rechts oder die Hörnlipfanne ganz rechts aussen empfehlen. Dort kostet das Essen weniger und der Magen ist auch voll).

Dann hört man Gerüchte, dass es bei der nächsten Ausgabe 2024 zwei Bühnen geben soll. (Raphi: Die Gerüchte wurden mittlerweile vom Rock the Lakes bestätigt). Die Tatsache, dass neun Bands bereits bekannt und 27 (!!) weitere angekündigt sind, sind ein deutliches Zeichen. 12 Bands pro Tag… Da frage ich mich „Warum“? Warum muss alles IMMER grösser werden? Warum kann man nicht mit dem Status Quo zufrieden sein? Ich befürchte, dass dann die geniale und familiäre Atmosphäre darunter leidet… Oder heisst das im Umkehrschluss dann, dass die Bands wenigstens mehr Spielzeit bekommen?

pam: Na ja, die Preise sind ja eigentlich ganz OK. Es gab übrigens auch Pitcher. Ich würde eher bemängeln, dass das Personal oft überfordert war und man wirklich ewig anstehen musste für ein Bier. Anstelle, dass ein, zwei Leute einfach Bier zapfen, macht das jede/r selber und so stehen die jeweils bei einem (!) Zapfhahn an und machen sich die Plätze streitig. Oft hab ich frustriert wieder aufgegeben. Also ich hätte mit fähigerem Personal und besserer Organisation mehr konsumiert, nicht wegen den Preisen. Aber man weiss auch, dass das mit dem Personal bzw. Freiwilligen an Festivals nicht immer so einfach ist.

Ich bin überzeugt, das macht man in der nächsten Ausgabe besser. Aber was ich definitiv auch sehr schade finde, sind mehr Bands und zwei Bühnen. Das grösste Plus vom Rock The Lakes war für mich bisher genau, dass es eben nur eine (grosse) Bühne hat und eine Handvoll Bands pro Tag gab. So hat man zwischen den Konzerten immer wieder mal kurz etwas Pause, was essen, trinken, bisslen, quatschen, schnupfen, ohne von Bühne zu Bühne zu rennen. Lieber Daniel, grösser ist nicht besser. Gerne mehr Leute, die gönn ich dir. Aber die kommen auch ohne mehr Bands. Was du in zwei Jahren erreicht hast, direkt nach Corona, ist definitiv eine Hammerleistung, vor der ich den Hut vom Lord Campbell noch so gerne ziehe.

Kaufi: Bei der brütenden Hitze ist Abkühlung natürlich notwendig. Verschiedene Orte, an denen man Plastikbecher mit kaltem Wasser auffüllen kann, Sprühduschen, Security im Fotograben, die entweder Trinkflaschen auffüllen oder grad direkt die ersten Reihen duschen… Und als Highlight die Feuerwehr, die mächtigen Spass hat, in den Pausen zwischen den Bands den ganzen Platz mit grossem Strahl zu bewässern. Und den Kollegen Wasser über den Kopf oder den Rücken hinab leeren – macht auch Spass. (Raphi: Ja, danke nochmals für die nasse Unterhose…) Klar, dass auch mein T-Shirt irgendwann klatschnass ist, nicht nur vom Schwitzen… Auch sonst kann man organisatorisch nichts bemängeln. Von Anfahrt auf Parkplatz über Pass abholen bis Einlass – das ist perfekt gelöst. Auch sanitäre Anlagen gibt es in genügender Anzahl. Und das Gelände ist eh der Hammer! Findet wohl auch der Besitzer, der im VIP Bereich die Shows aus einem bequemen aussehenden Sessel heraus verfolgt… (pam: Auch hier gibt es leider eine Änderung … mehr dann in der Preview zur nächsten Ausgabe).

Und zu den Bands ist eigentlich alles gesagt. Rein musikalisch sind Blind Guardian natürlich auf einem komplett eigenen Level, die brauchen schlicht keine grossartigen Gimmicks und Showeffekte. Mit dem Backkatalog kannsch eh kaum was falsch machen… Auch wenn die Stimmung bei allen Bands grossartig ist – diesbezüglich kommt heute an einer gewissen Schwaben-Band niemand vorbei. Verdammt, ich will Kissin‘ Dynamite wirklich mal als Headliner auf einer verdammten Stadion Bühne sehen!

#bringbackstadiumrock

Und Rock The Lakes 2024? Da ist ausser Axel Rudi Pell jetzt noch nichts, was mich an den Murtensee zieht. Schlussendlich will ich trotz dem ganzen fantastischen Drumherum einige Bands sehen. Aber bei 27 offenen Slots gibt es sicher noch die eine oder andere Truppe für mich… Wer hat da grad „Angus McSix“ gesagt?? (Raphi: Dieselben Leute, denen Gloryhammer heute zu viele Disco Songs gespielt haben :-P)

pam: So oder so, das Rock The Lakes war schon bei der Ankündigung im ersten Jahr eines meiner Lieblingsfestivals und ist es weiterhin und ich bin überzeugt, wird es trotz aller Änderungen bleiben. Denn ein Festival dieser Grösse mit Bands aus allen Genres des Metals inklusive ganz grossen Headlinern … was will metalhead mehr ?!?


Wie fandet ihr das Festival?

/ / / / 08.02.2024
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