Goodbye Uriah Heep
Das war sie also, die Abschiedsshow von Uriah Heep auf helvetischem Grund im Rahmen ihrer «The Magician’s Farewell»-Tour. Es bleibt hingegen abzuwarten, ob die Londoner ihr Band-Dasein effektiv an den Nagel hängen. Sollte es tatsächlich der Fall sein, kamen ihre Zürcher Fans am Donnerstagabend zweifelsohne in den Genuss einer fantastischen Darbietung. Mehr dazu in den nachfolgenden Zeilen. Ergänzend dazu gibt es Bilder von unserem Knipser Fredy.
Nach bemerkenswerten 55 (!) Jahren sagen Uriah Heep «Adieu». Am Ende dieser «The Magician’s Farewell»-Rundreise soll finito sein. Das einzig verbliebene Gründungsmitglied Mick Box hat für diesen Entscheid eine relativ simple Erklärung. Man werde schlichtweg nicht jünger. Wer das ganze Statement jedoch mit Detektiv-Brille durchliest, entdeckt irgendwann die Aussage «… we have made the decision to wind down touring the World starting 2025.» Im «Tüpflischisser»-Modus würde ich somit behaupten, dass dieser Satz zwar den grossen Trips um die Erdkugel einen Riegel vorschiebt, aber vereinzelte, ausgewählte Konzerte nach wie vor als mögliche Option für die Zukunft offenlässt. Und sollte tatsächlich endgültig Schluss sein, wäre dies sicherlich kein Weltuntergang. Im Gegenteil – nach dieser fulminanten Karriere hätten sich die Künstler den Ruhestand hundertprozentig verdient.
Doch ehe wir zu intensiv in Spekulationen abschweifen, wollen wir den Blick wieder retour in die Gegenwart und auf den heutigen Donnerstagabend im Zürcher X-tra richten. Die Bude ist selbstredend ausverkauft. Niemand wollte sich die Gelegenheit entgehen lassen, sich persönlich von den Uriah Heep-Protagonisten verabschieden zu können. Bevor der Headliner allerdings zur Tat schreitet, werden Heavy Pettin und April Wine den Puls der Zuhörerschaft fühlen und mit eigenen Performances sicherstellen, dass die Leute bestens für die später folgende Hauptattraktion aufgewärmt sind. Angesichts der draussen herrschenden, bitterkalten Temperaturen, ist dieses Vorhaben in Tat und Wahrheit willkommen.
Heavy Pettin
Die aus Schottland stammenden Heavy Pettin machen den Anfang. «Rock Generation» vom gleichnamigen neuen Album kommt als flotter Einstieg daher. In den 80er-Jahren ritten die Herrschaften durchaus auf der NWOBHM-Welle mit, aber der grosse Durchbruch blieb aus, weshalb sie 1988 in der Versenkung verschwanden. Seit ein paar Jahren haben sie sich nun jedoch zurückgemeldet. Nach beinahe vier Dekaden einen neuen Silberling unters Volk zu bringen, ist fraglos ein mutiger (und kein alltäglicher) Schritt. Das Quintett hinterlässt fürwahr einen soliden Eindruck und erntet dafür vom Publikum – dessen Altersdurchschnitt ich mit meiner Präsenz erwartungsgemäss ein wenig senke – verdienten Applaus. Sänger Steve Hayman gleicht optisch einem gewissen Ronnie Atkins und trägt schmucke Totenkopf-Rocker-Hosen. Apropos Beinkleid – bei diesem Bandnamen wären doch Unterhosen ohne Zweifel eine clevere Merchandise-Idee, oder? Die halbstündige Bespassung endet mit dem eingängigen «Line In The Sand» und einem doppelten Gitarren-Outro an mittiger Bühnenfront.
April Wine
Nach Schottland landen wir in Kanada – der Heimat von April Wine. Mit Baujahr 1969 zählen sie ebenfalls zu den alten Hasen im Geschäft. Die starken Riffs und Soli machen von Beginn weg Laune. Die Einflüsse der Formationen scheinen unfassbar vielseitig zu sein. Spontan würde ich sagen, dass Elemente von Blue Öyster Cult, Saxon, Krokus oder CoreLeoni hörbar sind. Fakt ist, dass die Herren ideal zu Uriah Heep passen. Frontmann Marc Parent wirkt ausgesprochen engagiert. Generell sind die Protagonisten mit viel Freude bei der Sache. «Big City Girls» ist ein Track, der mich sogleich fesselt. Etwas später darf dann während «Before The Dawn» (aus dem Jahr 1979) der andere Axtmann Brian Greenway seine Gesangskünste demonstrieren. Holla, die Waldfee! Diese Aufgabe meistert er bravourös! Danach erhält der Roadie der Truppe noch einen Moment im Rampenlicht und wird mit einem Geburtstagsständchen geehrt. Oh ja, diesen «akustischen Wein» kann ich sorglos weiterempfehlen!
Uriah Heep
Zu einem cineastischen Intro fällt um 21.15 Uhr der Vorhang. Los geht’s! Zeit für den Headliner. Und ja, dieser macht seinem Namen direkt alle Ehre! Die Finger von Basser Davey Rimmer flitzen regelrecht über dessen Spielgerät. Mikrofonhüter Bernie Shaw liefert einen gewohnt astreinen Job ab. Dazwischen sammelt er immer wieder zusätzliche Sympathiepunkte mit seinen deutschen Wortfetzen. Maestro Mick Box setzt derweil auf Sonnenbrille und eine rote Hemd-Kluft. «Shadows Of Grief» – das dritte Lied des Sets – erinnert stark an «Phantom Of The Opera». Die markanten Keyboard- und Orgel-Töne, für welche sich Phil Lanzon verantwortlich zeigt, thronen über allem. Im Hintergrund drischt ein motivierter – und mit Iron Maiden-Tanktop ausgestatteter – Russell Gilbrook auf seine Felle ein.
Die Routiniers lassen hier überhaupt nichts anbrennen. Auf ein im Refrain «Uhu-Ruf-lastiges» Stück namens «Stealin’» folgt das neuere «Hurricane». Anschliessend zaubert «The Wizard» (und Mick greift zur Akustik-Klampfe). Ein wahrlich abwechslungsreiches Programm, welches die Briten da abspulen. Dadurch bedienen sie freilich diverse Geschmäcker und Tempo-Präferenzen. Phil glänzt zudem mit sauberen Backing Vocals. Nach «Sweet Lorraine» liefern Uriah Heep ihr Statement in Richtung Progressive Rock ab: Bestaunt und geniesst «The Magician’s Birthday»! Ein über zehn Minuten verschlingendes Epos. Himmel, Arsch und Zwirn! Dieser Mister Box spielt nach wie vor überragend Gitarre. Da hat manch ein Kiefer im Saal schlagartig Bodenkontakt. Lediglich seine vermeintlich magischen Finger- und Handbewegungen, welche er dazu vom Stapel lässt, wirken ein bisschen mysteriös (keine Ahnung, wen oder was er da jeweils so genau beschwören möchte).
Wer nach diesem Brocken eine Verschnaufpause braucht, wird umgehend eines Besseren belehrt. «Gypsy» lässt die Massen augenblicklich ausgelassen jubeln. Die (wilden) 70er leben! Schade nur, dass die Zeit keine Gnade kennt und wie im Flug verrinnt. Aber just vor dem Zugaben-Block folgt mit «Easy Livin’» eine nächste Kult-Hymne. Danach befinden wir uns bereits in der Ehrenrunde. Mick nutzt die Gelegenheit, um kurz über seine enge Freundschaft zu Bernie zu sprechen (sie seien nun seit 40 Jahren Kumpels und er war sogar dessen Trauzeuge). Und dann geschieht das Unausweichliche. Eine Aktion, ohne die dieser Abend niemals enden dürfte. Der Herr mit dem langen, weissen Haar greift erneut zur akustischen Saitenhexe und läutet die unausweichliche Ekstase mit der Ehrung der «schwarzgekleideten Dame» ein. Auch der engagierte Publikumschor sorgt ein allerletztes Mal für Hühnerhaut-Momente, ehe um 22.45 Uhr die finalen Verbeugungen anstehen.
Goodbye, Uriah Heep! Es war mir eine Ehre!
Das Fanzit – Uriah Heep, April Wine, Heavy Pettin
April Wine agierten am heutigen Abend überzeugend, aber Uriah Heep schlugen im Anschluss alles! Wie souverän kann ein Headliner bitte aufspielen? Eigentlich müssten sie aus meiner Perspektive noch nicht aufhören (aber wer weiss das heute schon immer so genau?). Ist ein Abschied wirklich ein Abschied? Sollte es trotzdem effektiv der endgültige Schlussstrich gewesen sein, könnte sich nachträglich keiner der anwesenden Gäste beklagen. Denn wir wurden alle Zeugen eines ausgezeichneten Uriah Heep-Auftritts, der einem durchaus noch eine Weile im Gedächtnis bleiben wird.
Die Setlist – Heavy Pettin
- Rock Generation
- In And Out Of Love
- Rock Ain’t Dead
- Soul Survivor
- Faith Healer (Kill My Demons)
- Line In The Sand
Die Setlist – April Wine
- I Like To Rock
- Anything You Want, You Got It
- Say Hello
- Enough Is Enough
- All Over Town
- Big City Girls
- Hot On The Wheels Of Love
- Before The Dawn
- Just Between You And Me
- Sign Of The Gypsy Queen (Lorence Hud-Cover)
- Roller
Die Setlist – Uriah Heep
- Grazed By Heaven
- Save Me Tonight
- Shadows Of Grief
- Stealin‘
- Hurricane
- The Wizard
- Sweet Lorraine
- The Magician’s Birthday
- Gypsy
- July Morning
- Easy Livin‘
- Sunrise*
- Lady In Black*
*Zugabe

