Metalinside.ch - Sepultura - Z7 Pratteln 2022 - Foto pam
Sa, 29. Oktober 2022

Sepultura, Sacred Reich, Crowbar

Z7 (Pratteln, CH)
/ 04.01.2023
Metalinside.ch - Sepultura - Z7 Pratteln 2022 - Foto pam

Sepultura do Brasil!

Endlich konnten Sepultura ihre «Quadra»-Tour in die Tat umsetzen. Auch in der Schweiz mussten die Fans lange auf den nächsten Besuch der südamerikanischen Totengräber warten. Am 29. Oktober 2022 war es endlich so weit. Zusammen mit Sacred Reich und Crowbar brachten sie die Wände des Z7 zum Beben! Obermetalinsider pam und meine Person (Dutti) haben sich für euch mitten ins Getümmel gestürzt.

Dutti: Erneut neigt sich ein Monat langsam seinem Ende entgegen. Dieses Mal ist der Oktober fällig. Morgen muss an die Zeitumstellung gedacht werden und am Montag werden sicherlich irgendwelche verkleidete Gestalten aus ihren Löchern kriechen, um die «Horror-Kürbis-Nacht» (auch bekannt als Halloween) zu zelebrieren. Meine Knochen sehnen sich dagegen viel eher nach einer ordentlichen Dosis Thrash und Groove Metal. Deswegen unternehme ich heute Abend einen abermaligen Abstecher in die Nordwestschweiz zwecks Teilnahme an einer weiteren musikalischen «Therapiesitzung» in der Prattelner Konzertfabrik. Eines Tages werden die Experten diese Art der Medizin schon anerkennen – denkt an meine Worte!

Aushängeschild dieser Veranstaltung ist der wahrscheinlich grobste Exportschlager, den Brasilien jemals hervorgebracht hat. Nix da mit Caipirinha, Samba oder Fussballtricks à la «jogo bonito». Bei Sepultura gibt’s knüppelharte Musik mitten in die Kauleiste – und das seit mittlerweile 38 (!) Jahren. Ich freue mich jedenfalls auf das heutige Wiedersehen mit den heissblütigen Totengräbern (Achtung: Nicht zu verwechseln mit Chris Boltendahl und seinen Grave Digger-Jungs). Wegbegleiter auf dieser Tournee sind einerseits Sacred Reich und auf der anderen Seite Crowbar. Im Verlaufe des Abends sollte ich dann ebenfalls ein bisschen Rückendeckung erhalten – und zwar von unserem Metalinside-Maestro pam höchstpersönlich. Er wird diesen Bericht mit wunderbaren Illustrationen (und garantiert auch dem einen oder anderen Kommentar aus der eigenen Senftube) ergänzen. Eine Ode an das Sepultura-Eisen «Quadra» hat der Chef übrigens bereits erfasst (siehe seine Albumkritik hier).

pam: Ui, mit einer solchen Vorlage muss ich den wohl versenken. Wobei, warten wir noch ein bisschen, bis Brasilien Weltmeister … ähm, anderes Thema. Eigentlich geht mir Tschutten ja an den Füssen vorbei. Die sind eh zum Schlittschuhfahren gemacht, für alles andere hat uns der liebe Gott Hände gegeben. Und mit diesen Händen ist Brasilien definitiv Weltmeister. Denn wenns um den Groove geht, da macht Sepultura und auch den «Ablegern» wie Soulfly niemand was vor. Da sind sie für mich die Serienweltmeister. Nur ab und zu haben mal die Amis mit Prong und Pantera dazwischengefunkt – aber sicher kein Gaucho. Nun, bevor ich es mit Dutti schon in der Intro verspiele, zurück zum Wesentlichen: Zu Quadra, der Spielweise der Südamerikaner. Dutti hat es erwähnt, vor zwei Jahren hab ich in der Tat eine Ode an Sepultura und deren Meilenstein Quadra verfasst. Endlich, endlich wird dieses Überwerk des 21. Jahrhunderts live zelebriert. Keine Frage, dass ich da mit zittrigen Knien im Fotograben stehen werde. DAS lass ich mir nicht entgehen.

Crowbar

Dutti: Um 19.05 Uhr packen Kirk Windstein und Co. die Brechstange aus. Das Intro findet noch in kompletter Dunkelheit statt. Stromsparen liegt momentan gezwungenermassen eh im Trend… Kurz darauf findet aber einer offenbar den Lichtschalter. Sofort ergiessen sich die für den Sludge Metal typisch schleppenden Riff-Walzen über die Menschentraube vor der Bühne. Begleitet werden diese vom rauen Stimmorgan des Frontmannes. Kirk sieht für mich aus wie ein Alligator jagender «Samichlaus», der irgendwo in Louisiana in einem Sumpf lebt und nebenbei in einer Band spielt (Kopfkino lässt grüssen). Falls er in seiner Freizeit zudem noch Schnaps brennt (ihr wisst schon, den Fusel, welchen man in solchen mit «XXX» beschrifteten Flaschen findet), wären eigentlich sämtliche Klischees erfüllt.

Headbangen ist bei dieser Mucke grundsätzlich möglich, aber die Zuhörerschaft verharrt lieber in abwartender respektive beobachtender Position. Dasselbe Tour-Paket war übrigens im März und April dieses Jahres in den USA unterwegs. Mister Windstein liebt es, dass er seinen «fucking job» wieder ausüben darf. Aus seiner Sicht muss es im Rahmen eines richtigen Gigs viel Schweiss auf der Bühne geben. Meine Muskeln im Nackenbereich knacken während dieser ersten 50 Minuten durchaus ein paar Mal. Auftakt geglückt! Allenfalls schaue ich später kurz am Merchandise-Stand vorbei, welcher notabene von Kirks Frau gehütet wird.

pam: Wir treffen im Z7 ein, als Crowbar sich schon an die letzten Songs machen. Drum wenn wir beim Tschüttelen bleiben, zu kurz für eine Bewertung. Und nebenbei hab ich jetzt wirklich grad Senf an den Händen, als das ich den hier dazugegeben könnte. Bin gerade am Bratwurst und Pommes Frites essen und nutze die freie Sicht aufs Merch und deck mich schon mal mit hammermässigem Quadra-Tishi ein. Natürlich erst als der Senf verschlungen und von den Händen entfernt ist.

Sacred Reich

Dutti: Mit den Thrash-Urgesteinen aus Phoenix, Arizona hatte ich bisher noch nie das Vergnügen. Die sind mir schlichtweg immer entwischt (oder möglicherweise war auch ich anderweitig verhindert). Zuletzt waren sie 2019 gemeinsam mit Testament in dieser heiligen Halle zu Gast. Stimmt, dazu hat meines Wissens Kollege Luke eine Review niedergeschrieben (kuckst du hier).

Zurück in die Gegenwart. Als Einheizer zuerst die Thin Lizzy-Hymne «The Boys Are Back in Town» aus den Boxen erklingen zu lassen, ist strategisch zweifelsohne ein geschickter Schachzug. Da grölt jeder Z7-Besucher locker mit. Anschliessend gebührt das Rampenlicht allerdings ausschliesslich den eigenen Kompositionen. Den Anfang macht «Divide & Conquer» vom aktuellen Silberling «Awakening». Beim «Aufwachen» haben sich die Herrschaften jedoch massiv Zeit gelassen, denn zwischen dem besagten Album und der letzten Scheibe «Heal» liegen stolze 23 Jahre! Der neue Track macht fraglos Lust auf mehr. Doch nun folgt ein echter Klassiker: «The American Way». Um mich herum werden fleissig Mähnen geschüttelt. Fronter und Bassist Phil Rind ist unfassbar gut gelaunt. Für Weisheiten ist er sich ebenfalls keinesfalls zu schade. Wir sollen nicht auf die Politik vertrauen, sondern uns selbst helfen. Mit diesem Spruch leitet er den Track «Manifest Reality» ein.

Die sympathischen Kerle legen einen überzeugenden Auftritt aufs Parkett. Ich könnte mir glatt in den Allerwertesten beissen, dass ich es nicht bereits früher an eine ihrer Shows geschafft habe. Am meisten Bewegungsfreude hat erwartungsgemäss der Jungspund der Truppe. Saitenhexer Joey Radziwill drückt mit seinen 26 Lenzen den Altersdurchschnitt freilich herunter. Aber frischer Wind kann bekanntermassen nur höchst selten schaden, oder? Derweil haut Phil weitere Ansagen raus, die allen ein Schmunzeln auf die Lippen zaubern. Ich lerne unter anderem, wie die Amis den Bandnamen aussprechen. Das hört sich in etwa folgendermassen an: «Säikred Reik». Zum Abschluss folgt das kultige «Surf Nicaragua», zu welchem es ein reizvolles Shirt zu kaufen gibt. Gebt mir einen Moment, liebe Merch-Verkäufer, ich bin gleich bei euch!

pam: Ui, das ist ja wirklich ein Charmebolzen, der Phil. Den möchte man grad nach Hause mitnehmen. Leider passiert mir im Fotograben ein Malheur, dass die eine Kamera – also die mit der ich bis auf ganz wenige (also zwei …) alle Fotos schiesse – ausfällt. Es knippst zwar schön, aber es kommt kein Vögelchen raus bzw. die Fotos werden nicht gespeichert. Drum gibt es halt nur Phil. Aber der war ja auch so lieb und hat es verdient. Und dafür gibt es ein, zwei Fotos mehr von Sepultura.

Sepultura

Dutti: Mit den Klängen von Black Sabbath steigt ebenfalls die Vorfreude auf den Headliner. Die Z7-Crew hat sowieso stets coole Playlists in petto. Allerdings mache ich mir ein bisschen Sorgen um pam, der soeben an mir in Richtung Fotograben vorbeihuscht. Hoffentlich versucht Derrick Green nicht nochmals ihn zu erwürgen. Da gab’s doch einmal eine witzige Begegnung auf der 70’000 Tons Of Metal vor vier Jahren, nicht wahr? (wer sucht, der findet das denkwürdige Foto …). Ach, das soll euch der Boss am besten gleich selbst erzählen. Ich lausche währenddessen den Sepultura-Krachern.

pam: Naja, bin ja auch am Lauschen und dazu noch Fötelen. Und grad auch noch in meiner Jugend schwelgen. Nun, um es kurz zu machen, ich hatte mit einem Soulfly Shirt Derrick herausgefordert. Das gab ein, zwei witzige Fotos. Auch wenn er meinte, das Ganze sei nicht seine Geschichte, sondern halt zwischen Max und Andreas. Recht hat er und wie ich in der Quadra Review geschrieben habe, eine Reunion wäre ja schon geil, aber mit Derrick am Mikro. Der Typ hat einfach ein zu geiles Stimmorgan und riesigen Resonanzkörper aus Pflanzen gebaut – und überaus sympathisch ist er auch. Wurde noch nie so nett gewürgt.

Das Quartett macht umgehend klar, dass die Konzertfabrik für die nächsten rund 90 Minuten ihr «Territory» ist. Nur ein Wahnsinniger würde es wagen, dem werten Herrn Green diesbezüglich zu widersprechen. Dieses Tier am Mikrofon ist für mich glasklar der Terry Crews der Metal-Szene. Hasserfüllt brüllt er uns die einzelnen Songzeilen entgegen. Zusätzliche Wucht erhält er von der Maschine im Hintergrund, welche hinter der Schiessbude sitzt und auf den Namen Eloy Casagrande hört. Holla, die Waldfee! Imposant, mit welcher Innbrunst (und Präzision) der Typ auf seine Felle eindrischt. Entgegen meiner Aussage vom Einstieg greift er trotzdem ab und an auf Samba-Rhythmen zurück. Für die Basslinien ist Paulo Jr. verantwortlich (wobei, aufgrund der weissen Haarpracht ist da wahrscheinlich nicht mehr sonderlich viel «Junior» vorhanden). Komplettiert wird das Quartett durch Klampfen-Ass Andreas Kisser, der immer wieder fetzige Soli beisteuert. Respekt, dass er nach dem tragischen Tod seiner Ehegattin Patricia (Mittelfinger in Richtung Krebs!) Anfang Juli dieses Jahres überhaupt wieder auf der Bühne steht. Ich hoffe, dass ihm die Musik irgendwie Halt gibt und seinen Schmerz lindert.

Zur Songauswahl kann pam als ausgewiesener Sepultura-Experte dann sicherlich noch ein bisschen mehr erzählen. Für mich ist es ein ansprechender Querschnitt durch die Diskographie der Brasilianer. Der Fokus liegt zwar eher auf den neuen Werken, aber ich kann durchaus verstehen, dass die Akteure nicht auf ewig an der Cavalera-Ära festkleben möchten. Doch komplett ohne funktioniert es nicht. Schliesslich erwarten die Fans die grossen Hits. Deshalb besteht die Zugabe frei von Überraschungen oder Experimenten aus «Ratamahatta» (denkt da sonst noch jemand ständig an «Ratatouille»?) und «Roots Bloody Roots». Ich würde es extrem feiern, wenn sie diese Lieder als Ausnahme irgendwann einmal etwas früher «verpulvern» würden (aber das predige ich ja auch seit Langem bei «The Final Countdown» von Europe etc.). Nichtsdestotrotz wird die heutige Performance als fesselnd in die Geschichtsbücher eingehen. Ein für Lacher sorgender Kontrast stellt das als Outro gewählte «Easy Lover» von Phil Collins und Philip Bailey dar.

pam: Nun, zur Songauswahl kann ich nicht wirklich viel beisteuern. Ich gehöre zu den Old Schoolern, die vor allem die Cavelera-Ära hören möchte (nebst Qudra …). Aber wie Dutti schreibt, deckte die Setliste die 38 Jahre gut ab und mit der „Return Beneath Arise“-Tour (siehe Review) haben die Cavelera Bros mich diesbezüglich ja schon verdammt glücklich gemacht. Ich bin ebenfalls mit Dutti einig, dass man die Rausschmeisser Songs mal etwas anders verteilen könnte. Seit Jahren sind die letzten vier Songs gefühlt identisch. Wie wärs mal mit „Arise“ zu starten? Uiuiui … oder mit „un, dos, tres, Sepultura do Brasil … … Rooots, bloody Rooooooots“.

Das Fanzit – Sepultura, Sacred Reich, Crowbar

Dutti: Eine mächtige und groovige Thrash Nacht im Z7, bei welcher jede Band nochmals eine Stufe besser war als die vorangegangene Formation. Die volle Hütte sorgte bei den Organisatoren (und sicher auch den Künstlern) für viel Freude. Die Musiker waren ohnehin tiefenentspannt. Kirk Windstein lief beispielsweise gemütlich durch die Publikumsreihen und zog sich die anderen Gigs rein.

pam: Da gibt es nichts mehr hinzuzufügen und ich smile mich 1.5 Stunden nach Hause. Eines der Konzerthighlights 2022!

Wer jetzt denkt, ich hab was verpasst – das hast du – dann hast du in ein paar Monaten die Chance Sepultura am Rock The Lakes am Murtensee zu erleben. Don’t miss it!

Setliste – Crowbar

  1. Conquering
  2. I Feel The Burning Sun
  3. Bleeding From Every Hole
  4. To Build A Mountain
  5. The Cemetery Angels
  6. Chemical Godz
  7. All I Had (I Gave)
  8. Planets Collide
  9. Like Broken Glass

Setliste – Sacred Reich

  1. Intro – The Boys Are Back in Town (Thin Lizzy-Song)
  2. Divide & Conquer
  3. The American Way
  4. Manifest Reality
  5. Who’s To Blame
  6. Killing Machine
  7. Awakening
  8. Independent
  9. Salvation
  10. Death Squad
  11. Surf Nicaragua

Setliste – Sepultura

  1. Intro – Polícia (Titãs-Song)
  2. Isolation
  3. Territory
  4. Means To An End
  5. Capital Enslavement
  6. Kairos
  7. Propaganda
  8. Guardians Of Earth
  9. Last Time
  10. Cut-Throat
  11. Dead Embryonic Cells
  12. Machine Messiah
  13. Infected Voice
  14. Agony Of Defeat
  15. Refuse/Resist
  16. Arise
  17. Ratamahatta*
  18. Roots Bloody Roots*

*Zugabe

Fotos Sepultura, Sacred Reich – Z7 Pratteln 2022 (pam)


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