Baden in Blut 2025 – Soulfly, Hypocrisy, Rotting Christ u.v.m.
Drei Länder Garten (Weil am Rhein, DE)20 Jahre Baden in Herzblut
20 Kerzen auf der Torte – Das Baden in Blut Festival feiert Geburtstag. Geschenkt gibt es einen zusätzlichen Festivaltag und die übliche gute Laune.
Silas: Wir schreiben das Jahr 2005. Nach einer Co-Existenz in den 90er Jahren scheint der Metal langsam den Kampf um den Platz in der Popmusik gegen den Hip-Hop zu verlieren und zu einer Subkultur zu transformieren. Eine Subkultur mit vielen Anhängern, wie grosse Festivals, etwa Wacken, beweisen. Nur sind diese Events, unter anderem durch Investoren und Sponsoren, von der Idee von Fans für Fans längst zu gewinnorientierten Brands mutiert. Steigende Ticketpreise sprechen Bände.
In diesem Jahr öffnet ein neues Festival seine Pforten. Die Devise lautet: für alle und für nichts, denn: ein finanzielles Interesse besteht nicht. Faire Preise für Tickets und Bier. Der Slogan: «We fight the battle for beer and metal». Umso grösser war entsprechend die Herausforderung, die anfallenden Kosten zu decken. Doch man meisterte sie. Jahr für Jahr wurde das Festival grösser und zog nach einigen Durchführungen vom Lörracher Grüttpark in den Dreiländergarten in Weil am Rhein um, von wo es sich seither nicht fortbewegt hat.
Baden in Blut 2025 – Tag 1 (Donnerstag, 17. Juni)
Silas: Ein, wenn nicht DER Grund, weshalb das Baden in Blut jährlich unter denselben Konditionen stattfinden kann, sind die über 200 freiwilligen Helfer. Bereits im Vorfeld bedeutet ein Festival viel Arbeit mit dem Buchen der Bands, Abklärungen mit dem Veranstaltungsort, Koordination … Während der eigentlichen Festivaltage intensiviert sich dieser Arbeitsaufwand um ein Vielfaches. Vom Toilettenputzen bis Bassdrums auf die Bühne schieben fällt einiges an Aufgaben an. Kein Wunder also beschenkt man sich da als Veranstalterteam mit noch einem Festivaltag (?).
Dieser findet, verglichen mit den zwei regulären Tagen, in reduzierter Form statt: Noch gibt es kein Baden in Blut Merchandise zu kaufen, es sind nicht alle Getränkeausschank-Wagen geöffnet und das Verpflegungsangebot ist, genauso wie die Besucheranzahl, reduziert, letztere auf die Nummer des Biestes: 666. So kann man durch kürzere Schichten, aufgrund eines geringeren Bedarfs an (Wo‑)Manpower, als freiwilliger Helfer auch mal die Beine hochlegen oder sich mit diesen in den Circlepit stürzen.
Destination:Hell – Very Special Guest
Silas: 2004 gegründet, 2005 als erster Act am allerersten Baden in Blut gespielt, 2014 aufgelöst und nun, um als erster Act am 20. Baden in Blut aufzuspielen, wieder zusammengefunden: Wahrlich ist dafür die Bezeichnung «Very Special Guest» gerechtfertigt, hinter der sich die ehemalige Lörracher Band Destination:Hell verbirgt.
Das Festival sei noch immer so familiär wie damals, meinen sie in einer Ansage, und könnten damit nicht richtiger liegen. Tags darauf wird sich die Familie auf 2’500 Mitglieder vermehrt haben, die Besucher des grossen Biergartens ausserhalb des «Konzertgeländes» ohne Ticket aussen vorgelassen, aber die Atmosphäre einer (harmonischen) Familienfeier lässt sich trotz der Grösse der Familie nicht leugnen. Eigentlich hätte sie mit Metal nie etwas anfangen können und fände auch heute die Musik von härteren (Death) Metal Bands nicht sonderlich ansprechend, doch das Baden in Blut hätte ihr die ganze Szene nähergebracht, schwärmt eine Frau nach dem ersten Tag beim Warten auf ein Taxi. Es sei so schön, wie man in der hiesigen Atmosphäre ganz einfach neue Kontakte knüpfen, mit jedem «quatschen» könne, aber nicht zum «Quatschen» gezwungen werde.
Allzu viel Spielzeit hat die neu vereinte alte Death-Thrash-Kombo nicht zugute. Nach 25 Minuten ist Schluss. Die Band löst sich wieder auf und schmeisst zur Verabschiedung einige im Handel nicht mehr erhältliche CDs ins Publikum.
Dutti: Grüsse, geschätzte Leserschaft! Euer Metal-Dutti treibt ebenfalls in Weil am Rhein sein Unwesen und steuert mit Freuden den einen oder anderen Senf-Kommentar zu Silas’ Texterguss bei. Drei metallische Tage Beschallung in familiärer Atmosphäre? Ich wüsste nicht, wo ich mich zurzeit lieber aufhalten würde. Diesen extra aufgrund des Jubiläums ins Leben gerufene Donnerstag nehmen wir überaus gerne an. Und die Nostalgieschiene, welche mit Destination:Hell gefahren wird, ist wahrlich eine feine Geste. Bei dieser Truppe zupft notabene Veranstaltungsmitglied Samuel Maier am Bass herum. Offenbar ist es auch seine Stimme, welche zwischen den Shows aus den Boxen dröhnt und uns Besucher am Baden in Blut willkommen heisst.
Apropos «zwischen den Shows». Auf der Leinwand links von der Bühne wird in den Pausen oftmals ein Rückblick-Video der letztjährigen Festivalausgabe eingespielt. Das pompöse Intro, welches durchaus als Kinofilm-Soundtrack durchgehen könnte, löst beinahe Hühnerhaut aus. Die ersten Male verfolgt man das Teil noch aufmerksam und gespannt, aber nach der x-ten Wiederholung kennt man die Geschichte langsam auswendig und legt den Fokus wieder primär auf Gespräche mit dem Freundeskreis.
Fallen Yggdrasil – Todernster Todes Metal
Silas: Zur Geburtstagsfeier gesellt sich ein weiterer Gast der ersten Stunde: Fallen Yggdrasil standen ebenfalls vor 20 Jahren auf beinahe derselben Festival-Bühne und sind heute ebenfalls für das Baden in Blut auf die lebende Seite der Styx gerudert.
Auf der Bühne präsentieren sie sich, als hätte es nie einen Unterbruch gegeben: Stets in Bewegung, insbesondere Sänger Matthias, der über die Bühne stolziert, als müsse er heute unbedingt seine 10’000 Schritte erreichen. Die Band hat offensichtlich Spass und zeigt dies auch, ganz konträr zum gespielten todernsten Todes Metal, der nebst düsterer Instrumentierung geprägt ist von bedrohlichen Growls und Schmerzen anmuten lassenden Schreien. Man scheint zu verstehen, dass Death Metal bei strahlendem Sonnenschein nicht dieselbe Wirkung entfacht wie unter Tage in einem feuchten Keller und wenn das Publikum unter dem Strahl des Gartenschlauchs tanzt, der vom Ordner zur Kühlung erhitzter Körper hervorgeholt wird, dann nimmt man wahrlich wenig Notiz von der inhaltlich wie klanglich düsteren Musik, was nicht weiter schlimm ist da Fallen Yggdrasil sich selbst nicht sonderlich ernst zu nehmen scheinen, dafür umso mehr das was sie machen.
Bitterness – Kurz vor dem Jubiläum
Silas: Doch nicht jeder, der vor 20 Jahren die Bretter, die Baden in Blut bedeuten, betreten hat, hat in der Zwischenzeit seine Band aufgelöst. Bitterness selbst feiern nächstes Jahr Jubiläum: ein Vierteljahrhundert Bandgeschichte. «[…] Scheisse, sind wir geil geworden», meint dazu Sänger und Gitarrist Frank Urschler. Zu diesem Fest sollen die Fans dann kommenden Jahres ein neues Album geschenkt bekommen. Heute möchte man nicht so viel quatschen und lieber Musik spielen. Die minimalistische Melodic Death Metal Musik scheint die Festivalbesucher zu überzeugen. Mit nur einer Gitarre, Bass und kleinem Drum-Set-up bringt die Band Ordentliches zustande. Die ersten kleinen Circlepits öffnen sich, inklusive Gummikrokodil und kleinen Kindern, die darin mitrennen. Selbstverständlich mit massiver gegenseitiger Rücksichtnahme und den offensichtlich Minderjährigen, die den Ringelreihe-Tanz anführen, anstelle in ihm zertrampelt zu werden.
Kein besserer Ort, abgesehen von einem Heavysaurus Konzert, ist vorstellbar, um die musikalische Metal-Musik-Früherziehung ins Rollen zu bringen. Hier könnte man natürlich darüber streiten, wann früh genug und wann zu früh dazu ist, doch bei unter Dreijährigen, die mit grossen Babyaugen das Geschehen versuchen zu verarbeiten, stellt sich unweigerlich die Frage, ob der 3M-Kapselgehörschutz ausreicht, um Ohren ausreichend zu schützen, die sich gerade in einer besonders empfindlichen Entwicklungsphase befinden.
Bitterness haben, wie die Bands davor, eine eher kurze Spielzeit auf der Running Order und auf diese wird deutlich akribischer geachtet als der örtliche öffentliche Verkehr auf seine Pünktlichkeit. Wer nicht von Schweizer Seite anreist und dafür keine halbe Stunde extra einrechnet, hatte gute Chancen, die erste Band des Tages zu verpassen.
Trotz durchgeplanter Setlist sind Bitterness früher als geplant mit ihrer Darbietung zu Ende. «Oh, wir haben noch drei Minuten», bemerkte Frank mit einem Blick auf die Uhr hinter den Boxen am Bühnenrand. So wird schnell (!) ein tatsächlich letzter Song heruntergerockt, bevor man ohne Outro und punktgenau pünktlich die Bühne verlässt.
Dutti: Die thrashigen Elemente sind meines Erachtens die Stärken des «bitterness’schen» Repertoires. Es rumpelt ordentlich im Karton und das schlägt voll bei mir ein. Künftige Begegnungen mit dieser Truppe würden fraglos wohlwollend goutiert werden.
Hellripper – Schottische Sympathie
Silas: Death Metal scheint ein Garant dafür zu sein, dass die Musiker, die ihn spielen, zu den sympathischsten Menschen gehören, denen man begegnen kann. Dies beweist nicht nur George «Corpsegrinder» Fisher, seines Zeichens Sänger von Cannibal Corpse. Die beim ersten Baden in Blut nicht auf der Bühne gestandene Band Hellripper passt optimal in die familiäre Atmosphäre. Sie spielen ebenso dämonischen Death Metal, unterlassen aber keine Gelegenheit, mit dem Publikum zu scherzen und herzen. Ob das Satan gefallen würde? Der allgemeinen Stimmung zu entnehmen, scheint der gefallene Engel gerade nicht anwesend zu sein, vielmehr ist nun das Publikum erst recht spürbar.
Der Ausdruck der Zuneigung von diesem zeigt sich in grösser werdenden, staubigen Circle Pits. Die brennende Sonne verabschiedet sich so langsam hinter der Bühne, was die Umgebungstemperatur ins Angenehme sinken lässt, die Gefahr, beim wilden Herumrennen zu kollabieren, schwindet und die Aussicht darauf, einen Grund zu haben, den Blick vom blendenden Feuerball hinter der Bühne abwenden zu können, steigert die Motivation, im Kreis zu rennen. Altbekannte Mitbrüllspielchen, wie das altbekannte «Are you doing good? … I can’t hear you», finden ebenfalls aktivere Beteiligung als bei den Acts zuvor. Der Zuschauer scheint so langsam wach zu werden, auch wenn auf die Aufforderung, beim nächsten Brüllen in «King Diamond Stimme» zu antworten, eher mit Verwirrung als Beteiligung reagiert wird.
Eigentlich ist Hellripper eines dieser unzähligen Einmann-Projekte, von denen es in den düsteren Gefilden des Metals nicht zu wenig gibt, doch wie für solche Experimente üblich wird es mit Gastmusikern bestückt, spätestens wenn es aus dem Keller auf die Bühne gekrochen kommt. Es dürfen sogar alle, bis auf den Drummer, ans Lead-Mikrofon.
Harakiri For The Sky – Ein kleines grosses Highlight
Silas: Mit Harakiri For The Sky steht das für viele erste kleine Highlight auf der Bühne. Es ist die Band über die am nächsten Tag gesagt wird, dass man ihretwegen bedauere, kein Ticket für den 666er Festivaltag bekommen zu haben. Das hat sichtlich seine Gründe: Nebst gekonnter Liveinterpretation ihrer Werke überzeugt die Band mit einer eindrücklichen Bühnenpräsenz. Da wirken Pyroeffekte eher störend, wie die, oberhalb des Lautsprecherturms angebrachten Flammenwerfer und die Funkenfontänen vor der Bühne, die nun eher weniger im Takt der Musik abgefeuert werden, doch dank der weiterhin hinter der Bühne stehenden Sonne doch nicht wirklich zur Geltung kommen.Vielmehr beeindruckt Sänger J.J., wie er die erdrückenden Texte und das düstere Instrumental – beinahe an die Kunst des Methodeactings erinnernd – , auch visuell auf die Bühne bringt. So dient das Kabel seines Mikrofons schnell mal als Fessel für seinen eigenen Arm, das Mikrofon selbst in Kombination mit seiner Stirn als Trommel oder muss beim letzten Song «Lungs Filled With Water» die aufgebrochene Grenze zwischen Publikum und Performer verkörpern, als der Sänger sich auf eine kleine Reise vor die Bühne begibt. Mit einem Sturz auf den Boden und dem damit einhergehenden «Plop» verkündet es das Ende der Show.
Dutti: Hat jemand zufälligerweise meine Seele gesehen? Falls ja, bitte bei Gelegenheit an den Absender retournieren. Sie schwebt zurzeit irgendwo über das Festivalgelände und hat sich hundertprozentig der Musik hingegeben. Überragend, was Harakiri For The Sky hier zeigen und abliefern! Die Ösis machen nicht erst seit dem aktuellen Eisen «Scorched Earth» verdientermassen auf sich aufmerksam. Nichtsdestotrotz lege ich für diese Scheibe meine Hand ins Feuer. Holt euch dieses Werk unbedingt, denn es ist wirklich ein heisser Kandidat für eine prominente Platzierung in den traditionellerweise Ende des Jahres erscheinenden «Best Of»-Listen.
Non est deus – Gefährliche Bücher
Silas: Irgendwann ist die Sonne endgültig untergegangen, gerade pünktlich für den Auftritt, oder besser: Die Messe von Non est deus.
(Angebliche) Symboliken des Satanismus sind im Metal weitverbreitet. Zum einen als Zeichen der Provokation, zum anderen hat das Okkulte etwas aufregend Gruseliges an sich, wie eine Fahrt in der Geisterbahn. Dass der Gegenpol zum Gegenpol, die Kirche selbst, genügend düstere Bilder liefert, geht dabei oft vergessen. Non est deus scheint dies wieder eingefallen zu sein. Ihr Bühnenbild schmückt ein grosses hölzernes Kreuz, nicht nur ein Zeichen der Christen, sondern auch ein Folter- und Mordinstrument. Während der Show wird das Kruzifix hochgehalten: Die Darstellung eines toten Mannes, Oblaten und Wein werden vom nicht weiter benannten, vermummten Priester und Sänger an seine nicht weiter benannten und vermummten Mitmusiker verfüttert – ein Ritual, dass in katholischen Kirchen nicht weniger bedeutet als den wahrhaftigen Leib Jesu Christi zu verspeisen. Da Gott durch Jesus Mensch wurde, ist das doch am Ende nichts anderes als Kannibalismus (an dieser Stelle sei angemerkt, dass ich nicht Theologie studiert habe und hier vielleicht was falsch verstehe). Der Priester und Sänger torkelt, an Altersschwäche anmutend, über die Bühne, wie man es bildlich bereits von uralten Päpsten kennt, die trotz Parkinson und Pflegebedürftigkeit weiterhin als irdischer Vertreter Gottes ihrer Glaubensgemeinschaft Hoffnung vermitteln, kurz bevor sie das Zeitliche segnen.
Mit diesen düsteren Bildern will man aber alles andere als einen Kontrast zum satanistisch geprägten Black Metal liefern. Vielmehr verurteilt man jegliche organisierte Glaubensgemeinschaft. Dafür bedient man sich insbesondere an Bildern aus konservativen Strömungen des Christentums. Nebst dem aufgezählten Gottverspeisen und Hervorheben von angebeteten Grausamkeiten kommen etwa zwischen und innerhalb der Lieder unverständlich, auf Latein gehaltene Predigten auf die Bühne. Einige davon werden vermeintlich aus einem Buch vorgetragen, dessen Unscheinbarkeit trügerisch ist, da es sich während der Predigt als gar nicht mal so ungefährlich entpuppt und beginnt, Flammen zu speien. Die Frage, die bleibt, ist natürlich, ob es auch zu einer potenziellen Gefahr geworden wäre, hätte jemand anderes als der, in einen schmutzigen, weissen Kapuzenumhang gehüllte, Priester daraus vorgetragen.
Man geht noch weiter und stellt nebst Religionen den Glauben an sich infrage. Dafür reicht bereits der erste Blick ins Lateinwörterbuch: Non est deus – es gibt keinen Gott.
Das Konzept stammt aus derselben Feder wie das deutlich erfolgreichere Projekt Kanonenfieber und unterscheidet sich musikalisch nicht sonderlich von diesem. Die Differenzierung findet vielmehr inhaltlich statt. Doch nicht immer ist diese so subtil, wie die sich gar nicht mal so weit von einem ernst gemeinten Gottesdienst entfernte Performance anmuten lässt. Die Textzeile «Fuck your god» ist nicht nur ein edgy Aufdruck auf einem T-Shirt sondern auch eingängig genug, um mitgegrölt zu werden. Gemeinsames Grölen, das gemeinsame Feiern und Zelebrieren schafft Gemeinschaft. Eine Gemeinschaft, die eine Band, quasi als eine Führerfigur, in den Mittelpunkt stellt. Eine Band, die sich gegen Gemeinschaften positioniert, die Individuen zu Autoritäten erklärt. Paradox.
Da erfreue ich mich lieber an der nun auf den Takt der Musik abgestimmten Pyroshow, auf und vor der Bühne.
Dutti: Ein berechtigter Headliner, der eine flammende Darbietung abliefert. Meine Wenigkeit ist restlos begeistert. So kann man einen «Bonus-Tag» wahrlich würdevoll abschliessen. Mein Vorhaben, in diesem Jahr nicht so viel Textil-Merchandise zu erwerben, kann ich jedoch bereits zu diesem frühen Festival-Zeitpunkt als gescheitert erachten. Das wird den heimischen Kleiderschrank überhaupt nicht freuen…
Baden in Blut 2025 –Tag 2 (Freitag, 18. Juni)
Silas: Der erste «normale» Festivaltag bricht an. Die Besucheranzahl hat sich beinahe verfünffacht, die ganze Infrastruktur steht zur Verfügung und die Sonne brennt weiterhin erbarmungslos vom Himmel. Bereits zur Türöffnung hat sich eine grosse Traube von Menschen eingefunden, die den Biergarten auf Herz und Leber prüft. Ein weiteres Versprechen der Veranstalter, dass jeder schnell an sein Getränk kommt, kann gehalten werden.
Dutti: Ausserdem war es strategisch effektiv clever, sich gestern bereits mit ausreichend Verzehrkarten einzudecken.
Silas: Heute steht auch den kleineren Bands mehr Spielzeit zu.
Words Of Farewell – Morgensport
Silas: Klar, an Festivals lautet oftmals die Devise, es lieber ein wenig gemütlicher zu nehmen und dafür die ersten Acts des Tages zu verpassen. Dennoch ist der Platz vor der Bühne für kurz vor zwei nachmittags nicht schlecht besucht. Words Of Farewell liefern ausreichend Begründungen dafür. Die tiefen Growls scheinen regelrecht zu befehlen, sich auf dem Konzertgelände zu zeigen. Der martialische Melodic Death Metal bringt die optimale, düster angehauchte Energie für den Start in einen, im positiven Sinn, aufreibenden Tag, wie treibende Musik in einem Fitnessstudio, welchem Sänger Alex sicherlich öfter einen Besuch abstattet. Dies gilt es zu zeigen und der stählerne Oberkörper ersetzt ein T-Shirt. Doch Striptease sind nicht das Einzige, was die Blicke auf das Dargebotene lenkt. So wurden zusätzliche schwenkbare Scheinwerfer auf die Bühne geschleppt, deren Wirkung im Tageslicht leider ausbleibt. Umso mehr ins Auge sticht da, fernab der Eventtechnik die eigentliche Besonderheit der Band: Der Keyboarder existiert nicht nur als Playback! Ganz und gar nicht: Tastendrücker Leo nimmt durch ausgefallene Gestik viel Platz im allgemeinen Erscheinungsbild der Gruppe ein. Da rücken selbst die Saitenhexer optisch in den Hintergrund.
Bleibt zu hoffen, dass die auch heute angereisten Kinder am Instrument, das aus Death Metal Melodic Death Metal zaubert, Gefallen finden, denn wenn es an etwas mangelt, dann an Keyboardern, in jeglicher Sparte des Melodic Metals.
Dutti: Sehr solider Auftakt. Und ja, beim Anblick des Sängers (und ebenfalls des Keyboarders) fragt man sich zu Recht, ob der Band-Proberaum unmittelbar neben oder gar in einem Fitnessstudio liegt.
Venues – Halt die Fresse, Kritiker
Silas: Zwischen den einzelnen Auftritten zieht es den geneigten Festival-Urlauber in den, durch Bauzäune von der Bühne abgeschirmten «Vorplatz», der mit Getränke-, Essens- und Marktständen lockt. Getränke können auch auf dem Konzertgelände bezogen werden. Um es hier aber nicht zu längeren Wartezeiten kommen zu lassen, ist das Angebot auf ein Minimum beschränkt. Eine Sorte Bier, Wasser, Cola, damit muss man sich zufriedengeben oder Teile der Auftritte verpassen. Daher lichtet sich nach den einzelnen Acts jeweils der Mosh-Platz ziemlich und ist dann, zum Leid der Bands, die am Nachmittag und frühen Abend spielen, während der ersten Liedern oft nur spärlich besetzt. Die Lücken füllen sich erst im Verlauf der Konzerte, wenn die lauten Töne die Leute von den Festbänken zurück vor die Bühne zerren.
So auch bei Venues. Die Band scheint den Platz ungeachtet dessen eher halb voll als halb leer zu sehen und pumpt genauso Energie in ihre Performance, wie wenn der Rasen zum Bersten mit Menschen zugestellt wäre. Dies bringt innerhalb der Gruppe insbesondere das geschlechtlich gemischte Gesangsduo zum Ausdruck, das keine Instrumente um den Hals trägt und entsprechend agil über die Bühne rennen kann. Dem gespielten Post Hardcore ist dies dienlich und unterstreicht dessen Geschwindigkeit. Einzig der Bass und das Keyboard aus der Konserve nimmt dem Dargebotenen ein wenig den Wind aus den Segeln. Dass sich keine Tasten auf der Bühne befinden, daran hat man sich gewöhnt, aber das Vier-Saiten-Brett wird als klassischer Metal-Ensemble-Bestand wahrlich vermisst.
Die Bezeichnung des Baden in Bluts als Familientreffen, findet einen weiteren unterstreichenden Stützpfeiler, denn die Mutter von Sänger Robin Baumann ist angereist, um sich von ihrem Kind anschreien zu lassen, eine Konsequenz, die man ertragen muss, wenn man einen Shouter als Sohn hat.
Robin ist nicht der Einzige, der gemeinsam mit Erziehungsberechtigten das Konzert geniesst, andere Kinder-Metalheads haben sich ebenfalls eingefunden und rennen teils mit ihren Vätern im Circlepit mit. Pits die sich öffnen, der Band aber noch nicht gross genug sind. Allgemeinen scheinen sie mehr Beteiligung vom Publikum zu wünschen. Der Song «Reflections» sei sehr persönlich und behandle das Gefühl, dass man in sich einen «inneren Kritiker» trage, der einem zu so vielem den Zugang verwehrt, der einem sagt, wie peinlich doch dies und das sei. Diesem inneren Kritiker soll man jetzt einfach «halt die Fresse» sagen und mitsingen.
So ganz scheint sich der durchschnittliche Zuschauer nicht von seinem Kritiker befreien zu können: Das Publikum bleibt zu grossen Teilen weiterhin passiv. Sängerin Lele Gruber setzt auf den letzten Joker und begibt sich selbst in den Pit. Dies zeigt Wirkung. Eine grösser werdende Gruppe, angeführt von einem Kind, beginnt sich als Polonaise über das Feld zu bewegen. Ihre inneren Kritiker scheinen tot zu sein oder zumindest auf der Intensivstation zu liegen und um ihr Leben zu kämpfen.
Istapp – Eine Lösung für den Klimawandel?
Silas: Weiterhin brennt, wie für das Baden in Blut üblich, die Sonne gnadenlos vom Himmel. Abkühlung bieten die Ordner, die das Publikum mit Wasser bespritzen, der beim Eingang angebrachte, mit Löchern versehene, nieselnde Wasserschlauch und Istapp.
Die, bis auf die Bärte mit Corpse Paint beschmierte Meldodic Death Metal Kombo sieht sich als Priester der Kälte, haben sich entsprechend in grau-weisse Umhänge gekleidet und beschwören den ewigen Frost. Ihre Lieder verdammen die Sonne und preisen den Winter, wie die Kälte. Dafür bezeichnend zeigt ihr Backdrop eine Sonne mit Gesicht, eine Darstellung, wie sie aus der Astrologie bekannt ist. Allerdings ist sie durchgestrichen. «Wir werden diese Hitzewelle beenden, für ein und allemal» verspricht Oberpriester Tizheruk. Im deutlich nördlicher gelegenen Heimatland der Gruppe, Schweden, haben sie diesbezüglich sicherlich leichteres Spiel, doch hier in Weil am Rhein scheint ihnen das nicht wirklich zu gelingen, zumindest nicht heute. Die Sonne steht weiterhin hoch am Himmel und nur einzelne verirrte graue Wolken verdecken an und wann ihren Schein.
Ungeachtet dessen ist die Musik von Istapp technisch hochwertig gespielt. Die Texte sind auf Schwedisch, was sie für deutsche Ohren, nebst dem verzerrenden Black-Metal-Gekeife, noch unverständlicher machen. Doch auch für Leute, die lieber Melodic als Black haben, liefern Istapp Hörmaterial. Die an Choral anmutenden melancholischen Gesang-Parts und Ausschnitte, in denen die Gitarren von ihrer Verzerrung befreit werden, bieten angenehme Abwechslungen.
Als Abschiedsgeschenk, zumindest für wenige, verteilt die Band Unmengen an Gitarrenpicks und, besonders ergatternswert, die extra schönen, farbig gestalteten und laminierten Setlists.
Dutti: Diese fiesen Eiszapfen aus Schweden entlocken einem direkt ein Schmunzeln. Mit «Anti-Sonnensymbol» und frostigem Liedgut im Gepäck treten sie in dieser brütenden Hitze auf. Kontrast pur. Ungeachtet dessen liefern sie soundtechnisch ab! Gerüchten zufolge sollen sie sich angeblich vor ihrer Performance in einem Bier-Kühlcontainer eingeschlossen haben. Ist das sozusagen der schwedische Gegenpart zu der finnischen Sauna?
Iotunn – Eine Verschnaufpause
Silas: Gegensätzlich zur Beschwörung der ewigen Kälte feiert der folgende Act, zumindest klanglich, die mit Sommer, Sonne, Sonnenschein assoziierte Lebensfreude. Diese widerspiegelt sich nicht wirklich in den Lyrics.
Trotz nicht zu verachtender Dichtkunst werden die Lieder nicht von dieser getragen. Vielmehr gliedert sich der Gesang in die Instrumentalteile ein. Growls und Clean Vocals wechseln sich ab, werden beide von Jón Aldará übernommen, haben aber klar den Fokus auf letzterem. Die eher langen Songs laden, trotz ihrer euphorischen Ausstrahlung, weniger zur Partizipation des Publikums ein. Somit unterlässt dieses Mitklatschen oder Moshen, was von der Band passenderweise auch nicht gefordert wird.
Interludium – Erste Lobpreisungen
Silas: Mittlerweile scheint sich jeder, der ein Ticket ergattert hat, eingefunden zu haben. Die Festival-Bändchenausgabe verlief stets rasch, zu einer langen Schlange kam es kaum. Umso länger stand man, um sich ein Festival-T-Shirt zu ergattern. Wenn zu Höchstzeiten Menschen 45 Minuten für einen Merch Artikel anstehen, soll noch einer sagen, dass Baden in Blut lebe nicht von seiner Fangemeinde, die in Sachen Line-up voll und ganz auf die Booker vertraut und daher Jahr für Jahr wiederkommt. Das Festival macht es einem auch leicht, sich in dieses zu verlieben. Dies unter anderem durch ständig neue Innovationen.
Eine davon wäre etwa die Kollaboration mit der «Chill Out Lounge» von In Balance (mehr dazu auf deren Instagramseite) seit letztem. Im Grunde ist diese nichts Weiteres als ein offenes Zelt, dessen Boden mit Perserteppichen und Kissen belegt ist, wo man verweilen und ermüdete Beine und Gemüter ruhen lassen kann, mit einer Wasserpfeife, einem Kaffee oder erwähnenswert feinen, alkoholfreien Drinks. Ein Rückzugsort auf Konzerten, was gerade gegen allfällige Reizüberflutung eine Wohltat sein kann und für dessen Konzept sich Hiphop Acts wie Ski Aggu oder Ikkimel (niemanden, den man als Metalhead kennen muss) brüsten, sie irgendwann zwischen 2024 und 2025 erfunden zu haben, was komisch ist, da In Balance bereits seit 2017 mit ihrem Zelt ihre Runden durch die Festivallandschaft ziehen.
Es soll ja auch Rapper geben, die behaupten Moshpits populär gemacht zu haben … Nur so.
Tribulation – Gothic Pet Shop Boys
Silas: Die Moshs müssen erstmal warten. Denn Tribulation bringt mit ihrem Gothic Metal/ Rock Musik auf die Bühne, zu der gegenseitiges Anrempeln ebenfalls eher weniger passt. Frei von Melodie ist sie dennoch nicht, ganz im Gegenteil. An Rhythmus fehlt es ebenfalls nicht, die stampfende, im Viervierteltakt getretene Bassdrum, befiehlt regelrecht mitzuklatschen.
Stilistisch bewegt sich die Band im Gothic Metal, tobt sich darin aber in alle Richtungen hin aus. Das Dargebotene erinnert an Ghost, Lord Of The Lost und gar, speziell beim Song «Murder In Red» durch die sehr präsenten Synthies an die Pet Shop Boys, welche leider ab Band kommen. Selbst die, insbesondere stilistisch, weit zurückliegenden Anfänge der Band, als sich diese als Death Metal bezeichnete, wurden nicht vergessen und kommen in gepressten Vocals auf den Tisch. Klassischer Death Metal wird heute nicht gespielt, auch wenn die Band das womöglich anders sehen würde.
Dutti: Mit dieser Formation bin ich leider bisher nie auf einen grünen Zweig gekommen… Dafür nutze ich nun die Gunst der Stunde und statte dem Pasta-Stand einen Besuch ab. Man kann schliesslich nicht ausschliesslich von feinem Kellerbier leben. Irgendwann wünscht der Körper eben auch feste Nahrung. Die unterhaltsamen Herren bekochen dich mit der gewünschten Saucen-Richtung deiner Wahl. Ich schwanke lange Zeit zwischen Pesto und Arrabbiata. Aber hey, da ich mir Tribulation ohnehin nicht anschaue, liegen ja sogar zwei Portionen drin. Damit wäre dann ebenfalls das «Bödele» sogleich erledigt.
Soulfly – Stimmungsmacher
Silas: Für melancholische Zurückhaltung bleibt anschliessend kein Platz mehr. Ihren Auftritt bezeichnen sie als «Soulfly Party», womit die Brasilianer die nächsten 80 Minuten nicht besser beschreiben könnten. Ganz im Sinne ihres Songs: «Jumpdafuckup». Die Pits öffnen sich wieder. Der ebenfalls von vielen Seiten beeinflusste und über den Verlauf der Bandgeschichte durch verschiedene Experimente erweiterte Groove Metal (oder doch Nu Metal? Vielleicht auch Thrash Metal?) weckt das Publikum auf. Dieses schubst, springt aus der Hocke taktgenau auf und nimmt an Yooohoo-Mitsingspielchen teil. Selbst die eigenwillige Berimbau-Einlage, ein traditionelles brasilianisches Instrument, das einem Bogen gleicht, auf dessen Sehne mit einem Stock geschlagen wird, findet frenetisch Anklang. «Olé Olé, Soulfly, Soulfly», singen die Fans, wie es einer aus einem fussballgeprägten Land kommenden Band gerecht wird.
Alle Sympathiepunkte auf ihre Karte schreibt diese sich spätestens beim letzten Song «Bleed», als Fronter Max Cavalera, ein herbei-gecrowdsurftes Kind auf die Bühne holt und ihm das Mikrofon zum stimmlichen Austoben reicht.
Dutti: Alter Verwalter! Eine solch ausgelassene Stimmung habe ich an einem Konzert schon länger nicht mehr erlebt. Max und seine Kumpels haben hier tatsächlich alles und jeden im Griff. Diese Partystimmung ist unfassbar ansteckend und keiner kann sich davon entziehen. Respekt an Soulfly! Aber es deckt sich mit den Eindrücken, welche unsere Mit-Metalinsider entweder im Sedel oder im Dynamo gesammelt haben.
The Halo Effect – Brachial einstudiert
Silas: Die Sonne ist untergegangen. Brachial mit Musik von The Halo Effect lassen die Besucher in einer knapp 75-minütigen Zeremonie den Tag ausklingen.
Was Soulfly leichter als die Gitarrenriffs über die Finger glitt, fühlt sich bei der letzten Band des Abends einstudiert, beinahe gequält an. Natürlich spielen sie heute die tollste Show der Tour und natürlich steht vor ihnen das beste Publikum. Was denn sonst? Die Ansagen sind reine Phrasendrescherei, kommen aber zumindest nicht hochnäsig herüber, wie das in anderen Jahren bei bestimmten Hauptacts der Fall war. Da überzeugen, da Tageslicht nicht mehr stört, die nonverbalen Feuerfontänen umso mehr.
Doch wo man mit Kommunikation nicht trumpft, überzeugt man mit Musik. Das Gespielte ist vielleicht nur in Nuancen von den Studioversionen abgewandelt, steht diesen dafür in nichts nach. The Halo Effects Melodic Death Metal wird in einer Weise interpretiert, in der er entweder als mitklatschbare Growlmusik oder eine Art Hardrock mit Growlgesang in Erscheinung tritt.
Fünf Minuten vor Timetable-Ende beendet die Band ihren Auftritt, nutzt die verbliebene Zeit aber ausgiebig aus, um sich zu Playback von ihren Fans zu verabschieden. Der Zuschauer hat ein solides Konzert gesehen, fragt sich aber, warum das Tschüss-Sagen nicht einer Zugabe weichen konnte. Der erste Eindruck ist hinfällig, wenn die letzte Auffälligkeit eigenartig war.
Ein bisschen über dieses «Ein-Wenig-Absurde» lachend, verlässt man das Feld und freut sich auf morgen.
Baden in Blut 2025 –Tag 3 (Samstag, 18. Juni)
Silas: Kann man dem Wetterbericht trauen? Man hofft heute diese Frage mit «Nein» beantworten zu können, denn angekündet wurde gelegentlicher Schauerregen. Die letzten Jahre hat es am Baden in Blut nie geregnet, schliesslich ist es nicht Wacken. Trotzdem bedecken einige dunkle Wolken den Himmeln und heiss ist es auch nicht mehr. Anders als die Klänge des ersten Soundchecks, die von der Bühne zum Biergarten hinüber geweht werden.
Black Diamonds – Die Schweizer Delegation
Silas: Mit dem Sieg beim «Blood Battle» erspielte sich die Schweizer Glam Rock/ Metal Band Black Diamonds den ersten Auftritt am letzten Festivaltag (ausführlicher Bericht zum Blood Battle 2025 hier). Duellierten sich an diesem Bandcontest auch viele Schweizer Bands, sind Black Diamonds die einzigen Vertreter dieses Drittels des Drei-Länder-Ecks, in dem das Festival stattfindet, womit die Schweiz immer noch einen mehr als Frankreich hat.
«Wir sind die Britney Spears des Abends» proklamierten die Diamanten am Blood Battle. Ein Witz, der heute zum Running-Gag gekürt wird, zumindest für die, die damals, im Januar, dabei waren. Vor dem eigentlichen Intro dröhnt Spears «Hit Me Baby One More Time» aus den Boxen. Einige angereiste Fans, Diamonds-Ultra Kaufi ist leider nicht dabei, tragen passend dazu blonde Perücken und, unter der generell getragenen Metal-stilechter schwarzer Kluft besonders herausstechend, pinke T-Shirts mit einem aufgedruckten, durch AI zu einer Girl-Group transformierten, Bild der Band, welches erstaunlich vertraut wirkt, durch das bereits bekannte glam-typische androgyne optische Auftreten, im Sinne der Kombination Nieten mit Lidschatten. Doch manchem, der dem Blood Battle nicht beiwohnte oder den Metalinside-Artikel dazu nicht gelesen hat, scheinen dennoch einige Fragen im Gesicht geschrieben zu stehen. Der Antwort zu lauschen gelingt zu Beginn nur eingeschränkt: Das mittlere Mikrofon will nicht funktionieren. Der Fluch des Blood Battles zieht sich weiter. Nach dem ersten Refrain scheint Sänger und Gitarrist Mich aufzufallen, dass die In-Ear-Monitore nicht mit den Lautsprechern übereinstimmen, und wechselt an eines der seitlichen Mikrofone.
Das ganze Festival hindurch klingt der Klang des Dargebotenen mit gekonnter Hand abgemischt, einzig ein Knacken eines nicht korrekt eingesteckten Kabels stört hin und wieder. Doch technisch ist bei den Black Diamonds irgendwo der Wurm drin.
Unbeirrt dessen ziehen diese ihre Show weiter, trotz ihrer Exotenrolle. Nicht nur sind sie die einzigen Schweizer auf der Bühne, sie sind auch die einzigen, deren Bassist mit rosa Saiten spielt, die einzigen Glamer. Sanftere Musik, respektive Musik, die näher am Hardrock als am Death Metal ist, hatte es in der Vergangenheit nicht immer leicht. So wurden etwa Soen (Progressive Metal) 2023 nach Illdisposed (Death Metal) in der Running Order eingeplant und hatten Schwierigkeiten, das Energielevel und somit die Aufmerksamkeit des Publikums aufrechtzuerhalten.
Eine solche «softere» Band hat es einfacher als Start in den Tag, wenn keine Stilrichtung einer vorangegangenen Gruppe im Ohr nachklingt. «Um 13 Uhr zu spielen, klingt nach Warm-up-Party, aber das machen wir sehr gerne», meinen Black Diamonds dazu. Wahrlich: An Energie fehlt es ihnen nicht und von dieser lässt sich das Publikum mitreissen. Ein gutes Warm-up, denn rein nach Thermometer ist es nicht mehr wirklich heiss. Die Ordner unterlassen es gar, das Publikum mit Wasserschläuchen nasszuspritzen. Immer stärker wird der Wind und auf dem Screen neben der Bühne wird der Plan einer etwaigen Evakuierung angezeigt.
Dutti: Voller Stolz beobachte ich die Diamanten als Vertreter unseres Landes in Aktion. Klar sind sie bezüglich des Programmes Exoten, aber das kann am Baden in Blut trotzdem gut funktionieren. Ich erinnere mich da beispielsweise gerne an den sackstarken Auftritt von Striker im Jahr 2022. Beim Stück «After The Rain» muss ich allerdings den Mahnfinger heben. Werte Herren, beschwört es bitte einfach nicht, okay?!
Oceans – Pelerine tragen oder nicht tragen?
Silas: Wasser in den Meeren kondensiert, fügt sich zu Wolken zusammen, diese werden ans Festland getragen und entleeren sich dort.
Von ganz so weit angereist ist die Wiener/ Berliner Band Oceans nicht, doch passend zum Namen beginnen dickere Tropfen vom Himmel zu fallen. Unbestimmt greifen die Hände zur (Hosen-) Tasche. Ist jetzt der Zeitpunkt, die Regen-Pelerine anzuziehen, gekommen, oder wird es bei diesen wenigen verirrten Tropfen bleiben? (Anm. Dutti: Es ist wirklich jedes Mal derselbe Clinch … Militärregenschutz auspacken – oder nicht? Eigentlich packe ich den ja jeweils bloss symbolisch ein, um ihn dann keinesfalls gebrauchen zu müssen.) Der Himmel wird dunkler, der Wind stärker. Um ein Umfallen zu vermeiden, werden die Erhöhungen der Bauzäune, die als Sichtschutz zum Backstage dienen, abgebaut. Erneut wird der Evakuierungsplan auf dem Screen eingeblendet.
«Seid ihr bereit, dem Gewitter zu trotzen?» brüllt Sänger Timo. Brüllen scheint ihm heute besonders zu liegen. So beeindruckt er im Verlauf mit einem gut hörbaren Growl, dessen auditive Verbreitung kein Mikrofon zur Unterstützung benötigt.
Der düstere Metalcore könnte nicht besser zum Wetter passen: Dunkle Wolken zur Erkenntnis, dass das Leben nur aus Gebären, Fressen und Sterben besteht. «Breed, Consume, Die», was sich ausgesprochen gut mitgrölen lässt. Einzig Circlepits lassen auf sich warten. Es braucht eine ganze Weile, bis Zuschauer diesem sehnlichsten Wunsch der Band nachkommen.
Heretoir – Ein Sechssaiten-Dreier
Silas: Die Gitarren auch mal weniger stark verzerrt, die Vokale länger gehalten und die Lieder länger: Heretoir experimentieren in der Melancholie. Nicht nur musikalisch. Die Lyrics sind teils in Deutsch verfasst und erzählen düstere Geschichten. Zu verstehen sind sie, wie für (Post) Black Metal üblich, nur dann, wenn mal Klargesang aus den Stimmbändern schwingt und Gedichtetes nicht «zergrowlt» wird.
Passend zur Musik bricht der Himmel endgültig in Tränen aus. Billige Pelerinen werden auseinandergefaltet und Socken werden nass. Vor strömendem Regen stöhnt Sänger Eklatanz ins Mikrofon und lässt zusammen mit Max und Kevin die Gitarrensaiten schwingen. Durch den gleichzeitigen Einsatz von drei Sechssaitern klingt Heretoirs Musik besonders voll, und allein der Gedanken an den ergänzenden Einsatz von Playback wird hinfällig.
Angelus Apatrida – Thrash Punk
Silas: Die Rhythmen werden wieder schneller, die Musik wird brachialer. Der Regen verzieht sich. Fort mit dem nicht-atmungsaktiven Plastik-Überzug! Die Zeit zum Moshen ist zurück. Angelus Apatrida präsentieren, passend dazu, einen, ganz nach den Big Four kommenden, Thrash Metal, der aber auch Einflüsse von Power Metal und, insbesondere hinsichtlich der deutlichen, nach aussen getragenen politischen Ausrichtung, Punk in sich vereint.
Da lässt das Publikum gerne seine Kinder crowdsurfen und es sich nicht zweimal sagen, «Ey ey ey» mitzurufen.
Viel zu schnell ist das einstündige Spiel vorbei. Die Spanier verlassen die Bühne und der Zuschauer renkt sein Genick wieder ein.
Borknagar – Tastentier in freier Wildbahn
Silas: Der Wurm in der Technik von Black Diamonds scheint sich in die Monitore von Borknagar gefressen zu haben: Der Soundcheck dauert länger als geplant, der Sound auf der Bühne scheint der Band nicht zu passen. Dergleichen hört das Publikum nicht. Der Lautsprecherturm klingt, wie er soll. Dafür wird dann auch weniger lang gespielt.
Stilistisch wollen sich Borknagar nicht wirklich einordnen lassen. Das eine Album klingt mehr nach Black Metal, das nächste spielt mit Folk Elementen. Entsprechend zusammengefasst trifft die Bezeichnung «Progressiv» die Musik am besten.
Das Lead-Mikrofon teilen sich Bassist ICS und Keyboarder Lars. Die Tasten werden nicht, wie bei den meisten Bands üblich, irgendwo im hinteren Teil der Bühne, neben den Drums, versteckt, wo sie in den Schwaden der Nebelmaschine verloren gehen, sofern sie nicht gleich nur als Playback existieren, sondern dürfen frontal, am Bühnenrand stehen und gesehen werden. Sonderlich beeindruckend ist das Piano-Spiel nicht, aber die Freude darüber, wieder einmal ein lebendiges Keyboard an einem Metal Konzert zu sehen, ist dennoch vorhanden.
Dutti: Können wir wieder einmal festhalten, welch grandiose Hymne «Voices» ist? Mein Körper ist mit Hühnerhaut übersät. Und ja, Ex-Dimmu Borgir-Aushängeschild ICS Vortex live erleben zu dürfen, ist immer eine besondere Ehre.
Any Given Day – Liegestützen im Moshpit
Silas: «Wenn ihr euch bis jetzt geschont habt, ist es jetzt Zeit, damit aufzuhören!», verlangen Any Given Day. Und fürwahr: ihr Metalcore ist schonungslos. Verständlich ist der sich öffnende Moshpit, der grösste des Festivals, so gross, dass er zu einer Wall of Death hinauswächst. Damit nicht genug: Any Given Day scheinen ebenso Fitnesstrainer zu sein, wie sie Musiker sind. Nicht nur, wie gut möglich, dass ihre Musik das Training einiger Pumper begleitet, die vorderste Reihe soll vor dem Breakdown mittels Liegestütze ihre Muskeln stärken. Eine Forderung, die diese erst irritiert ignoriert, bis sich einer doch dazu, wortwörtlich, hinablässt und sich ihm weitere anschliessen. So liegen eine kleine Menge Männer am Boden herum, die ihren Körper in die Luft drücken, bevor sie ihn wieder nach unten sinken lassen. Durch eine spezielle Fügung der Gruppendynamik hüpfen die Teilnehmer beim anschliessenden Breakdown aufeinander zu und schliessen so den Pit wieder. Es soll nicht der letzte dieses Auftritts bleiben. Mit «Jeder ist in den Moshpit eingeladen» werden ein weiteres Mal die auf dem Gelände besonders spürbaren Gemeinschaftsgefühle angesprochen.
Any Given Days aufreibender Metalcore bietet genug Anreize, sich zu bewegen, und die nun durch die Wolken brechende Sonne tut ihr Übriges dazu.
Die leicht gestiegene Temperatur überschätzend, beginnt ein Ordner wieder, Wasser zu spritzen, übel nimmt es ihm trotzdem niemand. Doch bald müssen seine Hände Menschen statt Gartenschläuche halten. Von der Band wird zum Crowdsurfen aufgerufen, allerdings nur für Frauen. Diese werden zu Haufen auf Händen nach vorn getragen. Trotz deutlicher Formulierung der Forderung befinden sich unter ihnen auch ein paar Jungs, doch im Kindesalter ist zumindest der hormonelle Unterschied zwischen Mädchen und Knaben noch nicht sonderlich ausgeprägt. Man möge es ihnen verzeihen.
Zu einem Interlude, bestehend aus Sturmgeräuschen, Donnern, einer hellen Glocke und anderen Last-Man-Standing-Spaghetti-Western-Geräuschen, verschwinden Any Given Day von der Bühne, um mit Cowboy-Hüten belegt zurückzukehren und ihr an Five Finger Death Punch erinnerndes Stück «Come Whatever May» zu spielen. Trotz martialischem Auftreten und einem Frontmann, der aussieht, als würde er in seiner Freizeit gegen Gorillas kämpfen, scheint die Band sich diesen Kalauer erlauben zu wollen, was sie umso sympathischer macht.
Cowboy-Südstaaten-mässig heiss ist es weiterhin nicht, doch friert man ebenfalls nicht, wenn man vom Wasserschlauchmann nassgespritzt wird. Es ist einer dieser Sommerabende, von denen man im Winter immer träumt. Bleibt zu hoffen, dass Istapp mit ihrer Mission erfolglos bleiben.
Dutti: Was ich bei Any Given Day vermisse? Eigentlich nur den imposanten Bart von Fronter Dennis Diehl. Allerdings ist und bleibt er nach wie vor eine unzähmbare Mikrofon-Bestie!
Rotting Christ – Wasser zu Wein
Silas: Es geht bereits aufs Ende zu. Die Sonne geht unter und das Publikum wird grösser. Auf Rotting Christ scheinen sich viele gefreut zu haben. Bereits beim letzten Soundcheck vor dem eigentlichen Auftritt klatschen einige im Takt mit, als wäre ihre Partizipation wie später die ey, ey ey Rufe gefordert. Doch ob befohlen oder nicht, die Band scheint sich über die Aufmerksamkeit zu freuen.
Monitore, Amps und Lautsprecher scheinen bereits vor dem eigentlichen Konzertbeginn so zu klingen wie erwünscht, die Band zieht sich hinter die Bühne zurück, bevor sie pünktlich um zwanzig vor neun, bedeutungsstark gemächlich zum gestreckten Intro von «Χ Ξ Σ (666)» die Bühne betritt, wie sie es bereits seit Jahren vollzieht. 666 ist nicht der einzige zum Erbrechen benutzte Verweis auf vermeintlichen Satanismus. Im Rücken der Band hängt ein Backdrop mit dem Aufdruck einer menschlichen Figur mit einem Tierkopf, eine Darstellung, wie sie im Alten Ägypten für Gottheiten geläufig war, und der Name «Rotting Christ» soll wohl durch die Verspottung ihrer Werte fundamentalistische Christen auf die Palme bringen. Vielleicht funktioniert das noch im Herkunftsland der Band, Griechenland, doch solche Darstellungen verlieren durch die Überbenutzung an provokanter, schockierender Wirkung, und es ist fraglich, wieso sich so viele ach so böse Acts hinsichtlich ihrer Optik auf diese berufen. Da ist eine Band wie Non est deus mit ihren schockierenden Bildern aus der katholischen Kirche geradezu erfrischend.
Das Energielevel, das sich mit der Musik der Band auf dem Feld freisetzt, die auf gegenseitiger Rücksichtsnahme beruhenden Mosh- und Circlepits und euphorisierten Rufe, zur Unterstreichung des Gefallens am Dargebotenen, erinnern eher an einen lebendigen, Wasser zu Wein verwandelnden Jesus, als dass sie Bilder einer vor sich hinrottenden Leiche wecken. Im Sinne von «Ich bin das Licht der Welt (Johannes 8,12)» leuchten, leider nicht ganz im Takt der Musik, Feuerfontänen auf. Mit solchen wurde bereits bei vorherigen Bands herumgespielt. Wenn man sich dieses Bühnentechnik-Element zum 20-jährigen Festival-Jubiläum schenkt, möchte man es schliesslich auch nutzen, doch nun sieht man es, dank der schwindenden Sonne, auch wirklich.
Weitere Spielereien finden sich auf dem Videoscreen wieder. Wer dafür verantwortlich ist, dass es hier etwas zu sehen gibt, gibt sich besonders Mühe, optisch ansprechende Arbeit zu leisten. So legt er etwa verschiedene Ebenen übereinander, was beispielsweise das Bühnengeschehen kombiniert mit Publikumsaufnahmen auf ein und dasselbe Bild bringt, oder speist Live-Bilder einer Drohne direkt auf den Bildschirm ein. Wahrhaftig schön ist das Festival gelegen, wie die Luftaufnahmen zeigen, mitten in einem riesigen Park, dem Dreiländergarten, und auf den Wiesen rund um das Festivalgelände hat es viel Platz. Eigentlich genug Platz, um da campieren zu können … Doch dazu später mehr.
Ohne längeres Brimborium verabschieden sich Rotting Christ mit einem «See you next time» und hinterlassen das Publikum ein wenig ratlos, da die Show laut Zeitplan erst in 20 Minuten zu Ende wäre. Kurz bleibt man noch stehen, gerade durch das abrupte Ende ist es nicht auszuschliessen, dass ein Zugabenblock gespielt wird, doch die Bühne wird nun von Menschen betreten, die diese ein letztes Mal für die nächste Band umstellen.
Dutti: Ich befürchte, dass ich Rotting Christ in letzter Zeit etwas zu häufig gesehen habe. Klar, die Truppe ist genial und ihre Kompositionen sind astrein, aber in Bezug auf die Performance fehlen mir heute irgendwie die Abwechslung und die überraschenden Elemente.
Hypocrisy – Ein krankes Ende
Silas: Dass mit Hypocrisy eine kleine Grösse auf der Bühne steht, beweisen die, gemessen an der sonstigen Zurückhaltung hinsichtlich dieser Unhöflichkeit (siehe unser Konzertknigge ABC), vielen gen Bühne gereckten Handys. Wirklich was erkennen wird man auf diesen Aufnahmen nicht. Sonderlich schlimm ist das kaum: Niemand wird sich diese jemals wieder ansehen. Vollkommen in Nebel gehüllt ist die Bühne, ob gewollt oder technische Störung ist unklar. Durch den Rauch hindurch sind die Lichter einiger zusätzlich hingestellte schwenkbare Scheinwerfer auszumachen. Doch irgendwann im Verlauf ist das Trockeneis aufgebraucht und die Musiker werden sichtbar.
Die durch stampfende Rhythmen gezeichnete Musik trifft sofort den Nerv der Zuhörer und lässt Haare fliegen, besonders Moshpit-einladend ist sie jedoch nicht. In dieser Hinsicht lässt sie den Tag ausklingen. Alles will an der Show nicht so funktionieren wie geplant. Nachdem die Musiker zu dramaturgischen Zwecken die Bühne verlassen haben und ihre Zuschauer in Dunkelheit und mit spannungssteigernder Musik zurückliessen, verpassen sie ihren Einsatz ins Playback und machen den Spannungsbogen zunichte. «Das machen wir noch einmal», witzelt man sich aus der Situation heraus. Doch für solche Fehler gibt es eine Erklärung:
Der Drummer und der Bassist hätten Fieber, erklärt Peter Tägtgren, Sänger, Gitarrist und Mastermind hinter dieser und so vielen anderen Bands. Dem bedingt würde man heute ein anderes Set spielen. Am Ende ist das «andere» nichts anderes als 20 Minuten kürzer aufzutreten. Pain, pardon Hypocrisy, haben dafür immerhin eine Begründung.
Doch über das kurze Set möchte sich niemand beschweren: Die kränkelnde Band hat, die sich anbahnende Grippe fast nicht in die Darbietung einfliessen lassen. Zu hören war sie zumindest nicht.
Dutti: Chapeau an Mister Tägtgren und seine Hypocrisy-Haudegen, dass sie ihre Darbietung trotz angeschlagenem Zustand wacker durchziehen! Das verfrühte Ende sei ihnen an dieser Stelle absolut verziehen. In der Setlist kann ich keine Schwäche ausmachen. Mit diesem Material können sie überaus gerne noch lange Zeit irgendwelchen ausserirdischen Elementen oder Lebensformen huldigen.
Das Fanzit – Baden in Blut 2025
Silas: Und dann ist es schon wieder vorbei: die 20. Durchführung eines der schönsten Metal-Festivals im deutschsprachigen Raum. Die Organisatoren Metal Maniacs setzten ein weiteres Mal auf Erfahrungswerte, anstelle funktionierende Systeme über den Haufen zu werfen.
Die Nachfrage nach Tickets ist hoch, problemlos würde man mehr als 2‘500 davon verkaufen können. Doch dann bräuchte es mehr (Wo‑)Manpower, und was das anbelangt, scheint man bereits an seine Grenzen zu stossen. Denn nach 20 Jahren Erfolgsgeschichte ist das Credo weiterhin: Wir verdienen nur so viel, wie wir müssen, der Rest finanziert sich durch freiwillige Arbeit. Trotz dieser Herausforderungen wird Jahr für Jahr ein Festival auf die Beine gestellt – von Schwächeln keine Spur.
So fühlt es sich unfair an, Kritik zu äussern, mit denselben Massstäben, die man bei einer kommerziell geführten Veranstaltung anwenden würde. Dennoch muss ich das nicht vorhandene Übernachtungskonzept anprangern. Laut dem Festival-FAQ wird Campieren im Dreiländergarten, dem Veranstaltungsort, von dessen Verwaltung nicht geduldet, übernachten im Auto oder Camper ist jedoch gestattet. Blöd nur, wenn man weder über Auto noch Camper verfügt. Für solche Fälle wird auf der Webseite des Baden in Bluts auf den Campingplatz Dreiländercamp in Lörrach verwiesen, der auch nur zwei Stunden Fussweg vom Festivalgelände entfernt liegt. Doch ein bisschen mehr als ein Spaziergang, da nimmt man lieber den Bus. Blöd nur befindet man sich in Deutschland, wo der öffentliche Verkehr noch in seinen Kinderschuhen steckt. Nach 21 Uhr fährt praktisch nichts mehr. Dann also ein Uber. Ein solcher ist schliesslich einigermassen bezahlbar. Fährt keiner? Na dann verkauf ich halt meine Niere, um mir ein Taxi leisten zu können für die Rückreise zum Campingplatz. Das nächste Jahr wird dann ein Hotelzimmer gebucht. Hier muss man nur früh genug daran denken: Das Baden in Blut belebt den örtlichen Tourismus und Gaststätten sind schnell mal ausgebucht (Anm. Dutti: In diesem Jahr waren die örtlichen Unterkünfte offenbar auch wegen der Frauen-Fussball-EM in der Schweiz teilweise äusserst begehrt und rasch ausgebucht. Diesen Umstand wirst du 2026 nicht mehr antreffen, Silas 😉).
Für diese Situation können die Metal Maniacs wenig. Wohl aber dafür, dass sie einen temporären Ort geschaffen haben, an dem man sich uneingeschränkt wohlfühlen kann. «Ich hatte nichts mit dieser Musik am Hut», berichtet eine weitere Besucherin. «Dann habe ich Bekannte an dieses Festival begleitet und jetzt bin ich der grösste Metalhead überhaupt», womit man wieder beim Thema «Platz für musikalische Früh-, beziehungsweise Späterziehung» ist.
Doch ob Kind oder gestandener Metalhead: Das Baden in Blut ist ein «Safe Space» schlechthin, ein Ort mit einer Rollstuhltribüne, an dem ein Rollstuhl aber auch mitten im Circlepit seinen Platz hat. Dies habe ich bereits in meinem letztjährigen Fanzit ausgeführt und daran hat sich seither nichts geändert.
«Auf die nächsten 20 Jahre!», wie es in der Rede der Veranstalter lautet, mit der die Besucher nach der letzten Band vom Gelände verabschiedet werden.
Dutti: Ebenfalls meinerseits ein grosses Kompliment an die Organisatoren! Mit viel Engagement, aber auch klaren Prinzipien wird hier Jahr für Jahr literweise Herzblut in unsere metallische Szene investiert. Ich spüre den Spirit der «Baden in Blut-Family» immer mehr. Wen wird man wohl alles bei der nächstjährigen Ausgabe am 17. und 18.07.2026 antreffen? Mit meiner Wenigkeit dürft ihr zumindest durchaus rechnen.