Metalinside.ch - Royal Desolation - Mannried Open Air 2025 - Foto Friedemann 2
Do–Sa, 14.–16. August 2025

Mannried Open Air 2025 – China, Messiah, Voltage Arc u.v.m.

Burg Mannried (Zweisimmen, CH)
/ 27.08.2025

Ein kleines, aber feines Festival

2025 fand in Zweisimmen erneut das Mannried Open Air statt. Am Konzept hat sich nicht viel geändert: Musik, Freude, Freunde.

Tief im Kanton Bern liegt das Dorf Zweisimmen. In ihm ruhen, auf einem bewaldeten Hügel verstreut, die Überreste der Mannenberger Burgen und unter diesen findet Jahr für Jahr das Mannried Openair statt. Gross ist es nicht: Die Bühne steht auf einem, wie es scheint, grösseren Parkplatz, der sonst den Karossen von Spaziergängern und Wanderern dient. Der Campingbereich liegt auf einem Stück Kuhweide unterhalb des, hinter ein paar Bäumen versteckten, Konzertgeländes, so dass man vom Zelt aus klar und deutlich den Auftritten lauschen kann.

Vom Flair erinnert das eher an ein Dorffest als an ein Metalfestival. Wobei: Auf das Genre Metal begrenzt ist es eigentlich gar nicht. Ganz und gar nicht. Im Guten wie im «Schlechten».

Mannried Open Air 2025 – Tag 0 (Donnerstag, 14. August): Warum?

Drei Stunden Zugfahrt habe ich (Silas) auf mich genommen, um nach Zweisimmen zu kommen. Keine Minute davon hat es mich um die dafür gespendete Lebenszeit gereut. Mehr als positiv waren die Fanzits meiner Metalinside-Kollegen über die Festival-Durchführungen der letzten Jahre, entsprechend gross meine Vorfreude und hoch meine Erwartungen, doch auch mein Grauen. Denn der erste Tag gehört nicht den elektronischen Gitarren.

Tag 1 ist auf Papier ein Tag des Open Airs, in Realität aber eher ein Turnfest, an dem nicht geturnt wird, man sich entsprechend nur auf das Saufen zu Musik konzentriert, die nüchtern unerträglich und mit einem Faible für Kunst, die mit Liebe und Hingabe geschaffen wird, nicht einmal mit einer Alkoholvergiftung hörbar ist.

Während höchstens mässig talentierte Schweizerörgeler und Hulla-Trulla-Truppen mit blöden Namen wie „ChueLee“, die man problemlos durch einen Radio ersetzen könnte, Pop- und insbesondere (Volk-) Schlagersongs verhunzen, ziehe ich mich auf eine der Bänke rund um die Burgen des Mannenbergs zurück und geniesse die Zeit mit einem guten Buch.

Das ist mal Metal!

Mannried Openair 2025 – Tag 1 (Freitag, 15. August): Blues Metal

Kafi und Gipfeli für drei Zweifränkler. Ein Schnäppchen ist das nicht, aber einen Preis, den man gerne bezahlt, wenn einem das Frühstück quasi vor das Zelt geliefert wird. Für die Einnahme von diesem stehen Festbänke bereit, auf denen man rasch andere Camper kennenlernt. Die meisten sind Berner. Ein lustiges Völkchen und der Inbegriff von „Harte Schale, weicher Kern“. Nach dieser Definition steckt eigentlich im Metalhead allgemein ein Berner.

Mannried Openair 2025 – Tag 1 – Impressionen

Angry Alliance

Um Viertel vor fünf eröffnet die erste Band den Abend. Der Namen Angry Alliance weckt Assoziationen mit etwas thraschigem, tatsächlich bewegt man sich irgendwo zwischen Südstaatenblues und Rock ’n‘ Roll, da und dort mag es sogar ein bisschen Hardrock leiden.

Sämi – oder in der Sprache der Berner Sämu – steht ebenfalls musizierend auf der Bühne, da ist es nur verständlich, dass dieser Auftritt nicht wie alle anderen von ihm anmoderiert wird.

„Mannried, seid ihr hier?“. Die Antwort bleibt verhalten. Die Festivalbesucher lassen das „Besucher“ ziemlich heraushängen. Die Kommunikation zwischen Publikum und Acts bleibt auch bei folgenden Gruppen relativ einseitig und verhalten. Vielleicht ist eine Erklärung dafür das Durchschnittsalter der Zuschauer. Im Gegensatz zu anderen, insbesondere grösseren Festivals ist dieses deutlich höher und – hier muss ich als 24-jähriger Metalhead mal eine Lanze brechen – sonderlich beeindruckend sind Erzählungen von 80er-Veteranen über ihre wilde Zeit nicht, wenn heute ein «Ooooh» eine unüberwindbare Bürde ist. Sorry Generation X und Boomer, aber auf euer Schimpfen über meine Generation musste jetzt mal zurückgeschossen werden.

Angry Alliance lassen sich nicht beirren und nehmen die fehlende Reaktion des Publikums nicht persönlich. Ihr Repertoire an Liedern umfasst, nebst eigenen Songs, eine Handvoll Covers, denen aber stehts ihren nahe am Unverkennbaren liegenden bluesigen Stempel aufgedrückt wird.

Besonders zum Ausdruck kommt das beim «blöden Song mit blödem Text», wie die Band es nennt, dem «I Love It»-Cover, der im Original von Icona Pop im Featuring mit Charly XCX interpretiert wird, und letztere in den Pop-Sternenhimmel katapultiert hat. Besonders viele der vor allem Metal (und insgeheim die Charts der 80er) hörenden Zuschauer kennen den Track nicht und finden so unwissend Gefallen an einem der eigentlich abgeschworenen zeitgenössischen Popsongs.

Geendet wird mit einem ebenso bluesigen Cover von «Killing In The Name». Ein Garant für Abriss, doch nicht bei den anwesenden Zuschauern. Dennoch bedankt man sich zum Abschied, indem einige EPs an das Publikum verschenkt werden.

Die Fotos – Angry Alliance

Balls Gone Wild

Der erste Tag legt, trotz Messiah als Headliner, den Fokus im Line-up eher auf Rock ’n‘ Roll als Metal. Ähnlich wie Angry Alliance sind Balls Gone Wild im Blues und Rock ’n‘ Roll einzuordnen, wobei sie in einigen Songs Abstecher in den Heavy Metal gewagt haben. Diese müssen an einem „Metalfestival“, wie die Band das Mannried bezeichnet, natürlich gespielt werden. Das «Wild» wird in die Tat umgesetzt, es kommt Bewegung auf die Bühne, etwas was für Fotografen irgendwo zwischen wünschenswert für eindrückliche Bilder und mühsam, um den Fokus zu halten, ist. Gelebte Energie live zu sehen, führt meist dazu, dass diese auf den Zuschauer überspringt, hier hingegen sind die Festbänke beinahe besser besetzt als zwischen den Acts.

Hinter dem Backstage liegt an einem kleinen Hügel eine Ansammlung von Bäumen. Zu wenige, um sie als Wald zu bezeichnen, doch genug, dass die später auftretenden Band ihr Equipment durch die Zuschauer in das Festzelt, das den Backstage ausmacht, tragen müssen. So erhascht man bereits jetzt einen ersten Blick auf die Mitglieder von Messiah, die einige Koffer durch die Menge schieben.

Ab und an wird das Konzert kurz durch den Bandfotografen und Sohn des Gitarristen unterbrochen, der seinem Vater etwas vermutlich unglaublich Wichtiges ins Ohr flüstern muss. Ausreichend Verständnis für solche Angelegenheiten sind auf einem familienfreundlichen Festival wie diesem selbstredend legitim.

Mit einem Riff aus «Crazy Train» wird dem Prince of Darkness, irgendwo da oben, gehuldigt, wie es noch einige Bands an diesem Festival tun werden.

Gitarrist und Sänger Tom Voltage wie auch 4-5-Saiten-Mann Vince van Roth machen sich nach Verklingen der letzten Töne auf, die Instrumente für den nächsten Gig neu zu stimmen, denn zwei Drittel von Balls Gone Wild entsprechen zwei Viertel von Ski King’s Country Trash.

Die Fotos – Balls Gone Wild

Ski King’s Country Trash

Bevor es mit Ski Kings tiefer rauer Stimme unterlegt mit einer Mischung aus Rock und Country weitergehen kann, bringt Moderator Röschu die Geschichte auf die Bühne, die bereits am Morgen auf dem Zeltplatz die Runde gemacht hat. Ich weiss nicht, an was es liegt, vermutlich sind manche einfach frei von Gedanken an ihre Mitmenschen, denn gefühlt auf jedem Festival mit Campingplatz und Sanitäranlagen gibt es diesen einen Trottel, der, ziemlich sicher bewusst schliesslich kennen selbst Leute mit Minderintelligenz den Unterschied, die Dusche mit der Toilette verwechselt. Die Befürchtung liegt nahe, dass als, leider verständliche, Kollektivstrafe im Folgejahr kein Duschwagen mehr zur Verfügung stehen wird, was wahrlich ein Jammer wäre, denn eine komfortablere Möglichkeit zur Körperpflege habe ich noch nie auf einem Festival erlebt. Das, was aus der Brause kommt – eine kleine Regendusche wohlgemerkt –, hat nichts mit dem kalten bis maximal lauwarmen Getröpfel zu tun, wie man es sich etwa vom Greenfield gewohnt ist.

Warmduscher sind Ski und seine Truppe wahrlich nicht. Die Gestalt des Fronters ist imposant, dennoch ist sein Auftreten sehr nahbar und sympathisch. Den harten Typen heraushängen lassen, ist nicht sein Credo. Stattdessen erzählt er von seiner Depression und wie er vor dem letzten Auftritt am Mannried Open Air (2020) drei Flaschen Jack Daniels in sich hineingeschüttet hat. Heute trinkt er alkoholfreies Bier und witzelt, als er mit angetrunkenen Kerlen anstösst, die sich einen Spass daraus machen, zwischen jedem Song «Slayer!» zu brüllen, dass sie beim Anstossen mit seinem alkoholfreien Bier womöglich ihr eigenes, dem Zustand dieser Jungs anzusehen definitiv nicht alkoholfreies, zerstören könnten. Mit «Ich habe mich entschieden, mich nicht über dich zu ärgern», erstickt er die «Slayer!»-Rufe im Keim und präsentiert die Kunst der Selbstwirksamkeit und gewaltfreien Kommunikation.

Nebst spontaner doch gekonnter verbaler Kontaktaufnahme mit dem Publikum gelingt es ihm gar, die Festbänke zu lichten. Beim Song «Hell Yeah» wird der gleichnamige Titel anstandsmässig mitgesungen, selbst dann als das Lied zu Ende ist.

«Warum wollt ihr eine scheiss Country-Band auf einem Metalfestival» sei die Frage an den Booker des Mannrieds gewesen, «Weil ichs kann» lautete die Antwort. Ebenso kann es Ski. Ein würdiges Ace Of Spades-Cover und viel zu schnell ist das Set zu Ende.

Die Fotos – Ski King’s Country Trash

Messiah

Dass nun der Headliner auftritt, macht sich vor allem dadurch bemerkbar, dass ein komplett anderes, imposantes Drum-set-up aufgebaut wird. Zuvor haben die Schlagzeuger auf die mehr oder weniger selben Trommeln eingeprügelt.

Was die Schlohweiss- und Grauhaarigen in den nächsten neunzig Minuten auf die Bühne zaubern, erinnert wenig daran, dass die Band bereits seit 41 Jahren, mal mehr mal weniger, auf Tour ist. Die Haare scheinen wieder Farbe zu bekommen, werden geschwungen, Sänger und Saitenfraktion rennen über die Bühne, nehmen dieselben antiquierten Posen ein, wie sie aus Rockshows nicht mehr wegzudenken sind, und selbst das Publikum wirkt jünger. Ey-ey-Rufe zwischen den Songs und Mitklatschen, über das können sich nicht viele andere Bands an diesem Open Air freuen. Selbst der Bereich vor der Bühne weist weniger Lücken auf. Einzig ein schüchterner Wunsch nach einem Circlepit bleibt unerfüllt.

An Bühnentechnik und optischen Showelementen wurden, sehr zum Missfallen der Fotografen, einige Nebelmaschinen auf der Bühne platziert, beim letzten Song beginnt es dank einer Schaummaschine zu schneien und der Geigenbogen, mit dem Gitarrist Remo beim «Grande Finale» über sein Instrument fiedelt, soll ebenfalls nicht ungenannt bleiben.

Die Fotos – Messiah

Linkin Roach

Dem Namen entnommen, handelt es sich bei Linkin Roach um eine Coverband, die sich auf Lieder der Bands Linkin Park und Papa Roach fokussiert und vielleicht, so die Hoffnung, eine Handvoll eigene Songs im Gepäck hat. So die Vermutung bevor eine Truppe verkleidet als verschiedene Musiker, die die 90er und frühen 2000er geprägt haben, die Bühne betreten. Billie (Syn) Armstrong, im Original Sänger von Green Day, Travis (Tek) Barker, ein Cosplay des stets oben ohne auftretenden, stark tätowierten Drummers von Blink-182, Kurt (Basil) Cobain, ein Abklatsch des Frontmanns und Gitarristen DER MTV-Unplugged-Band und Shavo (Teo) Odadjian, eine Imitation des Bassisten von System Of A Down. Leider sind diese Kostüme das Innovativste am Konzept der Band. Es bleibt nicht bei Covern von Linkin Park und Papa Roach, vielmehr wird von allem ein bisschen etwas gespielt, was in den Epochen, aus denen die verkörperten Musiker stammen, die Charts gestürmt hat und die Ausschweifungen des Rocks küsste.

Coverbands unterliegen dem Fluch, dass sie von Natur aus stets mit dem Original verglichen werden. Entsprechend muss die Darbietung überragend sein, um zu beeindrucken. An diesen Originalen verbrennen Linkin Roach sich leider die Finger. Zu oft ist da ein Ton nicht auf den Punkt gebracht und dort eine Trommel nicht korrekt geschlagen. So könnten Lieder wie «Enter Sandman», «American Idiot», «Teenage Dirtbag» oder «Last Resort» ebenso gut aus einer Boombox dröhnen, beim Publikum würden sie wohl denselben gleichgültigen Effekt erzeugen, zumal die Ansagen von Billie Syn Armstrong einstudiert, teilweise beinahe gequält, wirken. Hätte meine Meinung eine Relevanz, würde ich der Band raten, sich mit Einfluss dieser Lieder an eigenen Werken zu versuchen.

So ist bei mir bald das Interesse verflogen und ich ziehe mich in mein Zelt zurück. Das gute Buch will zu Ende gelesen werden.

Die Fotos – Linkin Roach

Mannried Openair 2025 – Tag 2 (Samstag, 16. August): Der frühe Vogel ist zu müde zum Headbangen

Für eine in einem kleinen, feuchten Zelt verbrachte Nacht fühle ich mich am Morgen relativ ausgeschlafen. Die Nachbarn waren ziemlich nachsichtig, was nächtliche Ruhestörung durch Musikanlagen anbelangt. Klar, ein bisschen Gute-Nacht-Sound nach der Rückkehr vom Festivalgelänge um 04:30 Uhr muss sein, die Bar hatte wirklich lang geöffnet, doch die Lautstärke ist annehmbar und aus den Boxen dröhnen nicht die schlimmsten Geschmacksverstauchungen, wie das an anderen Open Airs der Fall ist (seit dem Greenfield will ich diesen Arschlochficker-Song von Mehnersmoos noch weniger hören als davor).

Die Fotos – Tag 2 – Impressionen

Sub-Mission

Bereits um 12 Uhr muss die erste Band den Festival-Samstag eröffnen. Früh genug, dass die Menschenmenge vor der Bühne noch überschaubarer ist als das Gelände. Röschu versucht die Lücken zu füllen und bittet die Camper, die das Geschehen auf der Bühne deutlich hören, Präsenz zu zeigen. Sonderlich erfolgreich ist er damit nicht. Ebenso Sub-Mission. Musikalisch ist an der Performance nichts auszusetzen, die unisono gespielten Gitarren lassen die Lieder besonders voluminös erscheinen und das experimentelle Echo sowie die punktuell eingesetzte Distortion-Effekte im Mikrofon-Mix unterstützen den Gesang zu den Songs passend. Doch die statischen Musiker, die regelrecht an ihren Mikrofonständern kleben, lassen das Publikum nicht wirklich seine Tanzschuhe anziehen.

Die Fotos – Sub-Mission

Distant Past

Ende letzten Jahres haben Distant Past ihr neustes Album Solaris veröffentlich (Review). Dieses behandelt, wie die meisten Werke davor, Themen aus postapokalyptischen Geschichten respektive setzt sich mit Inhalten aus dem gleichnamigen Buch «Solaris» auseinander. Viele dieser Songs kommen heute auf die Bühne, wenn auch in abgewandelter Form, da Sänger Jvo verhindert ist. Der eingesprungene, aus Deutschland angereiste Dexter macht, trotz kurzer Vorbereitungszeit, seine Arbeit ordentlich. Sein aktuell temporärer Platz im Band-Line-up, würde ohne spezielle Erwähnung kaum auffallen, vielleicht dadurch bedingt, dass er nach den letzten Shows mit Jvo festes Mitglied werden wird.

Zu bedauern ist erneut, dass die Musiker in Sache Bühnenpräsenz wenig zu zeigen haben, trotz dessen das Thema Postapokalypse eigentlich einiges zu bieten hätte. Warum nicht im Gedächtnis bleiben durch ein wenig Dreck im Gesicht und zerrissenen Kleider? Einmal Mad Max in den DVD-Player und die Inspiration ist zum Greifen nah.

Mich überkommt so langsam der Hunger. Am Food-Corner werden einige Mahlzeiten angeboten, wie Steak mit Brot oder Kartoffelsalat, Bratwurst mit selbigen Beilagen, seit dem Freitag Hotdog und neu am Samstag dazugekommen eine eigenwillige Interpretation von Älplermagronen, die eher an die Schweizer Version von Carbonara (mit Rahm und Speckwürfeli) erinnert. Essbar ist sie trotzdem. Eher dünn ist die fleischfreie Speisekarte. Kartoffelsalat ohne Steak, trockenes Käsesandwich oder lauwarme Penne mit Tomatensauce. Vegetarier scheinen im ländlichen Bern noch so etwas wie kleine grüne Männchen zu sein. Na, dann halt das Ding mit den Speckwürfeli, eine Cola und guten Appetit.

Zur Verabschiedung versuchen sich Distant Past noch an «Breaking The Law», scheitern aber beim Versuch Rob Halfords Stimmgewalt zu erreichen.

Die Fotos – Distant Past

Akroasis

Die brennende Sonne verzieht sich hinter einen Wolkenschleier. Aktuell freut man sich darüber. Eigentlich besteht kein Grund in den Verpflegungszelten stehen zu bleiben, aber das Publikum hält diesbezüglich möglicherweise aufgrund Schweizer Zurückhaltung einen grosszügigen Sicherheitsabstand zur Bühne. Der Platz davor ist definitiv halbleer und nicht halbvoll. Ungeachtet dessen spielen Akroasis ihre Musik, die geradezu nach Headbangen schreit.

Vielleicht liegt erneut das Problem darin, dass bis auf den Sänger die Band wie angewurzelt auf der Stage steht, abgesehen von wenigen Schritten zu den Amps und zum Bier. Da mögen die Tracks noch so mitreissend sein.

Vermutlich käme generell mehr Bewegung in Auftritte, wenn man dem Sänger, sollte er kein Instrument spielen, den Mikrofonständer höchsten bei Balladen hinstellt und die Ständer der Gitarristen, sollten sie Vocal-Parts übernehmen, einige Meter vom Effektboard entfernt, nahe dem Bühnenrand, platziert. Ausserdem hat bereits vor Jahrzehnten Angus Young vorgemacht, was man dank kabellosen Sendern an der Gitarre so alles anstellen kann.

Die Fotos – Akroasis

Beyond Dystopia

Ein weiteres Element, mit dem man ein Publikum beschäftigen kann, sind Spielsachen. Beyond Dystopia setzen auf grosse Ballons, die von der Menge herumgeworfen werden und bis auf einen einzigen schnell hinter der Bühne oder auf dem Dach von dieser landen. Ein wenig mehr Stimmung unter den Zuhörern erzielen sie dank einer Handvoll Fans, die sich mit Bandshirts als solche ausweisen. Ähnlich uniformell hat sich die Bands angezogen. Im Kontrast zum szenenintern dominierenden Schwarz, tragen sie weisse Hemden. Musikalisch beeindruckt vor allem Gitarrist Sam, der die meisten Solos mit der Tapping-Technik spielt, bei der die Töne am Gitarrenhals per «Anklopfen» der Saiten gespielt werden und so den Klang ähnlich wie bei einem akustischen Klavier erzeugen.

Die Fotos – Beyond Dystopia

Royal Desolation

Vor dem im Alter eher fortgeschrittenen Publikum – das sich zu Teilen geschmacksmässig stark an den Heavy und Power Metal klammert, andere Sub-Genres toleriert, ihnen aber keine Chance gibt, sich in die eigenen Hörgewohnheiten einzunisten – hat eine der eher in der Unterzahl vertretenen Bands mit Mitgliedern unter vierzig Jahren Lebenserfahrung sicherlich nicht gerade die besten Karten. Doch was die Metalcore-Fraktion Royal Desolation sich an musikalischer Anerkennung erst erkämpfen muss, hat sie mit ihrem Auftreten bereits von Anfang an wett gemacht. Nun lösen sich die Gitarristen endlich von ihren Mikrofonen, selbst der Drummer bringt durch Kunststücke mit Drumsticks Bewegung in sein Spiel und der Sänger verzichtet auf eine Mikrofonhalterung. Optisch nach Vorbildern irgendwo zwischen Herr der Ringe und apokalyptischem Kult, hat man sich eingekleidet und geschminkt. Löchrige Oberteile, schwarze Streifen um die Augen und im Falle des Sängers gar eine Kontaktlinse, die einem blinden Auge gleicht.

Mit «Jetzt wirds bös» wird die Band angekündigt, was keine Übertreibung ist. Kreischende Growls und Gitarren, mit dystopischen Texten kombiniert. Ein bedrückend wie eindrückliches Konzept, das tatsächlich Leben ins Publikum bringt. Spontan kommen Sänger Raphael die Worte, die er ans Publikum richtet, über die Lippen. Selbst die in die Bar-Zelte Zurückgezogenen erreicht er. Die fehlende Begeisterungsfähigkeit für Showbeteiligung scheint er ebenso zu spüren und verzichtet, nach Moshpits und dergleichen zu betteln, obwohl die mit Breakdowns versehenen Songs geradezu nach solchen schreien. Während eines ausgedehnten Schlagzeugsolos unternimmt der Vocalist einen seiner Ausflüge ins Publikum bewaffnet mit einem Bier, um mit Zuschauern anzustossen. Dadurch das selbst den kleinen Bands ausreichend Spielzeit eingeräumt wird, eine Stunde in den meisten Fällen, bleibt ausreichend Zeit für solche ausgedehnten Spässe.

Royal Desolation scheinen das zu bewerkstelligen, was eigentlich die erste Band des Tages erreichen sollte: Einheizen.

Doch dann kommt der Regen.

Es sind nicht ein paar Tropfen, kein Sommerregen, nein. In Bächen leeren sich die Wolken und das Publikum verlässt den, endlich anständig gefüllten, Stehbereich vor der Bühne. Schlagartig wird die Luft kalt und man wünscht sich die zuvor von vielen verhassten dreissig Grad zurück. Royal Desolation machen weiter. Nicht, als hätte ihnen die Witterung keinen Strich durch die Rechnung gemacht, vielmehr macht man das Beste und noch ein bisschen mehr daraus. Den wenigen Hartgesottenen, die ihren Gefallen an Dargebotenem durch eine wortwörtliche Standhaftigkeit trotz fehlendem Regenschutz beweisen, dankt man ausgiebig: «Alles geili Sieche, die im Regen stehen bleiben».

Die Fotos – Royal Desolation

Voltage Arc

Wer Voltage Arc bereits erleben durfte, weiss die Band als eine der, was ihre Auftritte anbelangt, heissesten Bands der Schweiz zu schätzen. Wo es vielleicht an Können und Erfahrung mangelt, triumphiert man mit dem Spektakel, wobei sich hier – wie man bemerkt, wenn man bereits einige Konzerte von ihnen gesehen hat – eine gewisse Routine eingeschlichen hat. Dafür wirkt das Dargebotene gefestigt und für denjenigen der es zum ersten Mal sieht, als würden einzelne Showeinlagen aus der Spontanität heraus passieren.

Als erstes ins Auge stechen die einheitlichen Bühnenoutfits, die seit längerem zu fünfzig Prozent aus nackten Oberkörpern bestehen, weshalb Voltage Arc sich der kühlen Umgebungstemperatur geschuldet vor und nach dem Auftritt in Bademäntel werfen. In der Aufmachung, im mit Gitarre, Bass und Mikrofonständer-Posieren sowie in der Musik selbst hat man sich deutlich erkennbar einiges am Glam Rock der 80er-Jahre abgeschaut, nicht aber ohne seine persönliche Note dazuzugeben. So ist das live gespielte Schwyzerörgeli-Intro vor «Break Free» eine Innovation, die einem am Ende des Konzerts in Erinnerung bleibt, der Band entsprechend ein gewisses Alleinstellungsmerkmal verleiht. Ein weiteres wiederkehrendes Showelemente ist das Wasser-in-den-Mund-der-Instrumentalisten-Leeren, während diese weiter den Song vorantreiben und, ein eher neuer Effekt, die Funkenfontänen am vorderen Bühnenrand.

Vermutlich dank der längeren Spielzeit, verglichen mit anderen Stopps auf der aktuellen Tour, werden heute viele Lieder, ergänzt durch Instrumentalsolos, in einer «Extended»-Version gespielt.

Die präsentierte Energie wird vom Publikum honoriert und kopiert, nicht zuletzt da Voltage Arc eine kleine Entourage ihres Fanclubs mitgenommen haben, die ebenso wie die Band selbst die restliche Zuschauerschaft zur Partizipation animiert.

Die Fotos – Voltage Arc

China

Die Assoziationen mit den in die Moderne übertragenen Stilmittel der 80er sind auch China nicht entgangen. «Bei der vorherigen Band habe ich mich wie vierzig Jahre in der Vergangenheit gefühlt». Aus dieser Zeit stammen die Hardrocker von China. Auf das Jahr genau können sie ihr vierzigjähriges Bestehen feiern und trotzdem haben sie nichts vom Spirit der Anfangstage verloren, trotz einigen Wechseln im Line-up. Klar, man ist älter geworden. Früher waren die Musiker bestimmt agiler unterwegs und haben sich weniger an ihre Instrumente geklammert. Doch in Anbetracht der Musik, die sie von der Bühne ins Publikum schmettern, sei ihnen das verziehen.

«Grosse Gigs sind wie Galadinner. Alles ist Schickimicki. Kleinere sind hingegen eher wie ein gemütliches Grillfest in der Nachbarschaft», wird erklärt. Dank der aktuellen Witterung fühlt es sich jedoch eher an wie ein Familienfest, an dem man nur bleibt, weil der musikalisch talentierte Grossvater seine Klampfe hervorholt.

Unter anderen Umständen würden bestimmt mehr Leute mitsingen und -tanzen, doch der Regen hat Spuren hinterlassen. Trotz Jacke und Kapuzenpullover friert man und die in nicht wasserdichte Schuhe und Hosen eingedrungene Nässe tut ihr Übriges. Wie an den Boden geklebt fühlt man sich.

Mein Wille und meine Neugier möchten auf dem Platz stehen bleiben, die Jammergestalt in mir hofft, der Schlafsack in meinem Zelt sei wärmer als die nassen Kleider. Should I stay or should I go? Mit diesen Gedanken und in Anbetracht dessen, dass mein Zelt gerade mal in rund hundert Meter Luftlinie Abstand zur Bühne steht, beschliesse ich, das restliche Konzert auditiv und diese Zeilen schreibend zu verbringen. Visuell verpasse ich dabei ein chinesisches Cover von «Rolling On The River».

Nicht lange und der Auftritt ist endgültig zu Ende. Anstelle mir in der Umbaupause die Beine in den Bauch zu stehen, lese ich im Schein einer Taschenlampe gemütlich auf meiner Luftmatratze weiter in meinem Buch und lasse diejenigen ein Steak und eine Coverband zur späten Stunde geniessen, die das wollen.

Die Fotos – China

Van Dox

45 Minuten Umbaupause ist eine Zeitspanne, die keine Band benötigt, um ihre Instrumente auf die Bühne zu stellen und die Monitore zu justieren. Wäre es strahlender Sonnenschein würden diese grossen Löcher im Programm weniger stören, doch bei hoher Luftfeuchtigkeit und dreizehn Grad Umgebungstemperatur, Tendenz sinkend, fühlt es sich an wie Warten auf einen Zug, der zwei Stunden Verspätung hat.

Van Dox sind wie Linkin Roach eine Coverband, die aber, zu meiner Freude, einige eigene Songs im Köcher hat. Zudem ist ihr Fronter die einzige Frau überhaupt, die am Mannried Open Air auftritt. Das Mann in Mannried wirkt dieses Jahr ziemlich wortwörtlich genommen.

Die Covers erstrecken sich über eine grosse Bandbreite von Musikepochen, eine Zeitreise durch die Rock- und Metalgeschichte, wie es die Band selbst bezeichnet. Von «Bedside Radio» (Krokus) über «I Love Rock ‘n’ Roll» (Arrows beziehungsweise Joan Jett) bis «From The Inside» (Linkin Park) ist alles vertreten und, noch viel wichtiger, wird annehmlich interpretiert, so dass Vergleiche mit den Originalen möglich sind, ohne den Gedanken «Ist halt ein Cover» zu hegen.

Das Fanzit – Mannried Openair 2025

In der Erwartung eines familiären Festivals mit einigen für mich musikalischen Neuentdeckungen bin ich nach Zweisimmen gereist und wurde in keinem Punkt enttäuscht. Die Infrastruktur war an die Besucheranzahl angepasst, nirgends kam es zu längeren Wartezeiten. Die sanitären Anlagen waren stets sauber, sofern sich kein Benutzer danebenbenahm. Beim nächsten Mal würde ich mir Tag 1, den Donnerstag, sparen, da trotz längerem Hinweg ausreichend Zeit bleibt, sein Zelt aufzubauen, weil am Freitag erst am Abend der erste Act aufspielt und Ländlermusik, noch schlimmer Alleinunterhalter, mich noch zu genüge im Fegefeuer quälen werden.

Schade war lediglich, dass die Alterspanne zwischen mir und dem restlichen Publikum, nach oben und unten (einige hatten den Nachwuchs mitgebracht), relativ hoch war. Da und dort wäre ich nicht davor zurückgeschreckt, mich in einen Moshpit zu stürzen, doch dafür hat es an weiteren Wagemutigen gefehlt, die erfahrungsgemäss meist unter vierzig Jahre alt sind. So blieb mir, nach Sonnenuntergang, nichts anderes übrig, als frierend und mir die Beine in den Bauch stehend, die Konzerte zu geniessen.

Ein letzter, umsetzbarer Kritikpunkt sind die bereits erwähnten Umbaupausen. Würde man von der einkalkulierten Dreiviertelstunde zwischen zwei Acts jeweils fünfzehn Minuten abziehen, könnte man den zweiten Festivaltag später starten und keine Band müsste bereits um 12 Uhr spielen.

So long, goodbye Mannried. Vielleicht sieht man sich nächstes Jahr wieder.


Wie fandet ihr das Festival?

/ 27.08.2025
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