Achterbahn zwischen Staunen, Träumen und rhythmischer Bewegung
Ende März fand die deutsch-skandinavische Formation Heilung ihren Weg ins Zürcher Hallenstadion. Dort begeisterte sie, nachdem Sylvaine als Opener einsprang, das Publikum mit einer Nordic Ritual Folk-Zeremonie.
Sogar innerhalb des Nordic Folks gibt es nur wenige Bands, welche die Grenze zwischen Performance, Musik und Ritual so gekonnt verwischen wie Heilung. Bekannt für ihren charakteristischen Mix aus urtümlichen Klängen und ausdrucksstarker Bildsprache ziehen sie auch heute eine beträchtliche Menge musikalisch offener Besucher ins frühere Eishockeystadion. Zwar ist dieses einmal mehr im «Mini-Modus» eingerichtet – die Bühne steht also eher in der Mitte als am Rand der Halle – und doch soll es etwas heissen, wenn ein Nordic Folk-Act in einer der grössten Eventhallen der Schweiz spielt.
Sylvaine
Kurz vor dem Konzert wurde über die sozialen Medien informiert, dass die ursprünglich als Opener geplante Eivør aufgrund einer Lungeninfektion ausfällt. Stattdessen wird kurzerhand die norwegische Sängerin Sylvaine eingeflogen…
… und steht pünktlich zu Konzertbeginn auf der Bühne. Mit Gitarre und Stimmorgan ausgerüstet wärmt sie das Publikum eigenhändig auf. Obwohl ihr Auftritt unter der Während-der-Vorband-wird-rundherum-gequatscht-Krankheit leidet, packt Sylvaine einen Grossteil der Anwesenden mit ihrer fesselnden Präsenz. Musikalisch verlangen die Songs keine hundertprozentige Aufmerksamkeit und erlauben stattdessen ein genussvolles Abdriften in die bereits elektrisierte Atmosphäre. Da schreckt man umso mehr auf, sobald sie plötzlich schwarzmetallisch angehauchte Schreie ins Mikro röhrt. Wow! Ansonsten bleibt das Konzert etwas monoton, Sylvaine überzeugt jedoch auf hohem Niveau. Den Abschluss findet die Norwegerin mit ihrer Interpretation des Volkslieds «Eg er framand» und schlägt mit diesem Bezug zu alten Elementen die Brücke zum heutigen Hauptact.
Heilung
Bevor der musikalische Teil der Show losgehen kann, muss die Bühne gereinigt werden. Nicht weil Sylvaine sie verdreckt hätte, nein, das hätte ja beim doch sehr aufwändigen Umbau erledigt werden können. Stattdessen gehört die Reinigung zum Eröffnungsritual bei Heilung-Shows. Nach und nach kommen die einzelnen Musiker auf die als kleine Waldlichtung geschmückte Stage und versammeln sich im Kreis, wo sie ihr Ritual durchführen.
So richtig geht es dann mit «In Maidjan» los. Das Publikum ist von Beginn an voll dabei. Gleich den Aktivitäten auf der Bühne erblickt man im Publikum tanzende Körper. Wer nicht tanzt, der staunt oder träumt. Mein Blick wandert schnell von der einen Trommel zur nächsten, von einer singenden Person zum nächsten Instrumentalisten. Eine Interpretationshilfe bietet dabei die Person am Licht, welche geschickt einen jeweiligen Fokus ausleuchtet.
Seien es die hohen, teils gequälten Gesänge aus der Kehle von Fronterin Maria Franz, der hymnenartige Backgroundgesang, das Geflöte aus verschiedenen altertümlichen Instrumenten oder das rhythmische Getrommel: All diese Elemente zusammengenommen, untermalt von der Walddeko und der eingangs erwähnten enormen Bildsprache, fesseln den Zuschauer ungemein. Schon einzelne dieser Komponenten erreichen dies alleine, wie es zum Beispiel der rhythmische Sprechgesang beim ans Sator-Quadrat angelehnten, dreizehnminütigen Kunststück «Tenet» sehr eindrücklich beweist. Doch nimmt man wirklich all diese Bausteine zusammen, wie es zum Beispiel beim finalen «Hamrer Hippyer» passiert, kocht die Halle völlig. Vom Hintergrund her beleuchtet weisses Licht das Geschehen; ein Geschehen, das aus mit Speeren und Schilden bewaffneten Kriegern besteht, welche zur sich stets weiter aufschaukelnden Soundkulisse wild umhertanzen. Da wirkt das abschliessende Endritual geradezu beruhigend. Heilung hinterlassen ein vielleicht gereinigtes, eventuell geheiltes, ganz sicher aber zufriedenes Publikum in die Freitagnacht.
Die Setlist – Heilung
- Opening Ceremony
- In Maidjan
- Norupo
- Alfadhirhaiti
- Asja
- Svanrand
- Urbani
- Tenet
- Othan
- Anoana
- Galgaldr
- Nikkal
- Elddansurin
- Hamrer Hippyer
- Closing Ceremony
Das Fanzit – Heilung, Sylvaine
Der kurzfristige Ausfall von Eivør trübt den Abend kein wenig. Im Gegenteil, dass so kurzfristig ein Ersatz organisiert werden konnte, ist zu loben, und Sylvaine meistert die ihr frisch zugeteilte Aufgabe mit Bravour. Im Vergleich zum Hauptact bleibt es jedoch wie zu erwarten ein Aufwärmprogramm. Denn die Show, die Heilung auffahren, hat es einmal mehr in sich. Die Musik droht neben der aufwändigen Inszenierung ins Nebensächliche abzurutschen, fängt sich jedoch in den richtigen Momenten wieder, um den Zuschauer auf eine wunderschöne Achterbahn zwischen Staunen, Träumen und rhythmischer Bewegung zu schicken.


