Skálmöld - Raumbar Kofmehl 2023
Do, 19. Oktober 2023

Skálmöld, Metsatöll, Atavistia

Raumbar Kofmehl (Solothurn, CH)
11.02.2024
Skálmöld - Raumbar Kofmehl 2023

Nordisches Hymnengewitter in intimer Atmosphäre

Die Raumbar im Solothurner Kofmehl ist einer der Orte, an denen man Konzerte in kleinem Rahmen und somit die Bands aus nächster Nähe erleben kann. Meine Freude war also gross, als Skálmöld ihre Herbsttour ankündeten und besagter Ort auf dem Plan erschien.

Die Vorfreude befand sich in der Woche des Konzerts auf einem Höchststand. Schliesslich ist das aktuelle Album «Ýdalir» ein Meisterwerk und die Auftritte am Wacken Open Air und auf der Full Metal Cruise waren ein Beweis für die Topform, in welcher sich die Isländer aktuell befinden. Am 19. Oktober war es endlich so weit: Zusammen mit Atavistia und Metsatöll spielten Skálmöld in Solothurn auf.

Die Zeit zwischen Türöffnung und Beginn der ersten Band nutze ich, um kurz am Merch-Stand anzustehen. Leider gibt es das Hoodie, welches mir bereits auf der Metal-Eventreise an Bord der Mein Schiff an Keyboarder Gunnar Ben auffiel, genau in meiner Grösse nicht mehr. Wer weiss, vielleicht hole ich mir nach dem Konzert dafür diese eine Mütze…

Atavistia

Pünktlich auf die Minute finden wir uns in den vorderen Reihen vor der kleinen Bühne ein. Das perfekt ausgesprochene “Solothurn, seid ihr bereit?” aus dem Mund von Fronter Matt Sippola lässt mich kurz daran zweifeln, ob ich die falsche Band erwartet habe. Und entsprechend auch falsch reingehört und im Vorbericht die falsche Band erwähnt hätte. Solche Missgeschicke können bei homonymen Namen wie Macbeth und Obscurity oder bei personellen Geschichten (wie z. B. bei Queensrÿche oder Rhapsody) durchaus passieren. Doch die ersten Klänge von «Cosmic Warfare» entschärfen meine Befürchtungen. Vor uns stehen tatsächlich Atavistia aus Vancouver. Mehr als bereit, den heutigen Abend zu eröffnen.

Der Symphonic Black Metal – wenn man sich denn auf ein Subgenre beschränken müsste – dröhnt blitzschnell aus den Lautsprechern und hinein in unsere Gehörgänge. Da habe ich durchaus Verständnis dafür, dass es auf der Bühne abgesehen von einigen offensichtlich abgesprochenen Headbangeinlagen von Bassist Spencer Budworth und Gitarrist Dalton Meaden eher statisch bleibt. Ersterem zuzuschauen – meist befindet er sich genau vor uns – ist übrigens eine grosse Freude. Leicht nach hinten gelehnt und mit stetem Blick auf den Hals seines Sechssaiters, dessen untere Saiten er jedoch kaum nutzt, liefert er gekonnt die tiefere Portion des nur schwer zu beschreibenden Klangteppichs.

Etwas unscheinbar im Hintergrund – für uns fast durchgehend hinter dem Basser versteckt und auch visuell etwas unspektakulär – sorgt Drummer Max Sepulveda für die sorgfältige Bearbeitung der Becken und Felle. Sticks gehen heute definitiv keine kaputt. Technisch hingegen ist das Gespielte alles andere als eindruckslos und mehr als nur einmal ertappe ich mich mit offenem Mund.

Diese Beschreibung des Schlagzeugspiels lässt sich – vor allem im Nachhinein betrachtet – sehr gut auf den gesamten Auftritt übertragen. Musikalisch lassen Atavistia keine Wünsche offen. Gekonnt kombinieren sie verschiedene Subgenres und lassen Fans von Fleshgod Apocalypse, Dimmu Borgir und Ensiferum gleichermassen auf ihre Kosten kommen. Das Auftreten an und für sich ist jedoch eher weniger packend. So bin ich dann nicht ganz traurig, als nach rund dreissig Minuten – bei derart langen Songs entspricht das gerade mal vier Titeln – die erste Umbaupause ansteht.

Bei aller ‘Kritik’ darf man jedoch keinesfalls vergessen, dass dies gerade der Gig eines Openers war. In diesem Licht betrachtet glänzten die Kanadier bei ihrem Auftritt. Innerhalb der verschiedenen Opener, die ich dieses Jahr erleben durfte, spielen Atavistia sogar in der ganz oberen Liga. So oder so: Die Musik macht Spass und ein Reinhören sei definitiv empfohlen!

Setlist – Atavistia

  1. Cosmic Warfare
  2. Ethereal Wanderer
  3. Beyond The Meadows Of Fire
  4. Divine Destruction

Metsatöll

Beim Umbau wirkt jeder Handgriff eingespielt. Nach einer wahnsinnig kurzen Pause geht es also los mit der zweiten Band des Tages. Dass Metsatöll deutlich dem Folk Metal zuzuordnen sind, deutet nur schon ein Blick auf das Arsenal von Multiinstrumentalist Varulven an. Auf seiner Bühnenseite liegen vier verschiedene Saiteninstrumente zum Zupfen und Streichen bereit. Im Etui am Mikroständer liegen mehrere Flöten. Und später kommen noch eine Mundharmonika-ähnliche Pfeife sowie ein Dudelsack dazu. Dass Varulven gegen Ende des Konzerts sogar noch zur E-Gitarre greifen wird, ist dann nur noch das Tüpfchen auf dem i.

Doch damit ist bei seiner wichtigen Rolle nicht Schluss! Nein, an der Seite von Gitarrist und Sänger Rabapagan, der die klaren Vocals beisteuert, ist Varulven auch noch für einen Grossteil des Gesangs zuständig. Tiefe Vocals und gutturale Laute (aber keine Growls!) gehören nämlich ebenso zum Sound von Metsatöll wie all die Pfeifen und Saiten. Auch seine beruhigende Stimme, die bei Ansagen immer wieder auffallend zur Geltung kommt, vermag zu überzeugen. Dass er die erste Ansage komplett auf Estnisch hält, zaubert dann nicht nur mir ein Grinsen ins Gesicht.

Die Metsatöll-Mucke lebt vom Zusammenspiel der unzähligen verschiedenen Instrumente und den – so vermute ich – vor allem estnischen Einflüssen. Dabei regt sie zusammen mit der inzwischen viel intensiveren Bewegung auf der Bühne auch zu Aktivität vor der Bühne an. Bei Spiel und Tanz verirren sich die beiden Protagonisten Rabapagan und Varulven dann sogar kurz in ein riesiges Loch in der Menge, das sie zuvor mittels Zeichensprache geöffnet haben. Beim Zurückschauen stelle ich fest, dass die Musik sehr gut zur Einrichtung der Raumbar (u.a. zum Schädel-Kronleuchter und dem Schiff in der hinteren Ecke) passt – auch wenn es bei Metsatöll streng genommen nicht um Piraten geht.

Das Publikum scheint mit Metsatöll deutlich mehr anfangen zu können als mit Atavistia. So ist die Stimmung in den vorderen Reihen auf einem einige Stufen höheren Niveau. Diese eskaliert gegen Ende leider kurz etwas ins Negative, weil die Auffassungen, wie wild ein Metalkonzert sein darf, wieder einmal zu sehr auseinander gehen. Ich will an dieser Stelle jedoch keine Diskussion zu gegenseitiger Toleranz starten, sondern einfach nur betonen, dass das gerade ein sehr cooler Auftritt war!

Setlist – Metsatöll

  1. Toona
  2. Katk Kutsariks
  3. Kivine Maa
  4. Kûû
  5. Vaid Vaprust
  6. Saaremaa Vägimees
  7. Tôrrede Kôhtudes
  8. Kurjajuur
  9. Mees Kes Teadis Ussisõnu
  10. Ballaad Punastest Paeltest
  11. Metsaviha 2
  12. Lööme Mesti

Skálmöld

Meinen ersten Kontakt mit Skálmöld erfuhr ich kurz nach Erscheinen deren Debütalbums aus dem Jahre 2010. Für die erste Live-Darbietung musste ich dann lange warten, doch 2016 war es endlich so weit: Die Isländer durften in der grossen Kofmehl-Halle nebenan für Moonsorrow und Korpiklaani eröffnen. Nun sind die sechs Herren also zum ersten Mal als Headliner hier, und die Raumbar ist hierfür die deutlich treffendere Wahl als der grosse Saal. Die Grösse der Bühne ist dabei sehr ähnlich wie jene der sogenannten Schaubar auf der Full Metal Cruise, wo wir die Isländer vor wenigen Wochen noch erleben durften.

Kurze Umbaupausen bedingen leider auch, dass die Zeit kaum reicht, um sich an der Bar ein Bier zu holen. Gerade, wenn da beim Ittinger Amber noch ein Fasswechsel ansteht. Als ich endlich zum Bezahlen komme, erklingen bereits die Klänge des Intros «Ýr». Zum Glück weiss ich, dass ich ab jetzt eineinhalb Minuten Zeit habe, mich zurück in die erste Reihe zu kämpfen. Dafür habe ich das Prachtstück namens «Ýdalir» weit genug oft durchgehört. Es ist das sechste Skálmöld-Studioalbum und ist benannt nach den Eibentälern in der nordischen Mythologie. Wo es Eiben gibt, gibt es auch Pfeilbogen. Und wo es Pfeilbogen gibt, kann der Bogen- und Skigott Ullur nicht weit sein, der übrigens Odin in den Wintermonaten abzulösen pflegte. Der ihm gewidmete Track «Ullur» ist dann auch eines der ganz grossen Highlights sowohl des Albums als auch des Auftritts, doch dazu später.

Ich habe die Front Row fast rechtzeitig erreicht und johle schon bald glücklich die ersten Melodien des Titeltracks «Ýdalir» mit, der als erstes auf dem Set steht. Als Hauptsänger Björgvin Sigurðssons und Shouter Baldur Ragnarssons isländische Vocals dazu kommen, ist aber Schluss mit lustig. Mehr als möglicherweise beleidigendes Kauderwelsch, das ganz bestimmt nicht Isländisch ist und wohl auch noch das konsequent verfolgte Versmass verletzt, liegt meinerseits leider nicht drin. Etwas widerwillig und doch völlig von der Musik mitgerissen steige ich daher ins Headbangen vieler anderer Besucher in den vorderen Reihen ein.

Kaum ist der Titeltrack zu Ende, erklingt die fröhliche Melodie von «Gleipnir». Wow! Der charakteristische Track vom zweiten Album «Börn Loka» stachelt das Publikum noch mehr an, als es eh schon war. Und das darauffolgende, ebenfalls neue «Ratatoskur» macht keine Anstalten, diesen Trend umzukehren. Der folkig angehauchte Metal der Isländer, der vor allem von den drei Gitarren- und bis zu sechs Gesangsstimmen dominiert wird, kommt bei den Anwesenden hervorragend an.

Ohne viel Veränderung ziehen Skálmöld ihr Set weiter durch. Seien es ältere Stücke à la «Fenrisúlfur» oder neue Tracks wie «Skuld»: Der Sechser performt, als gäbe es kein Morgen. Dabei dürfte selbst bei jenen, die die Songs nicht von A bis Z kennen, keinerlei Langeweile aufkommen. Zu sehr wechseln Skálmöld ab zwischen melodiösen, teilweise von Gitarrenriffs und -soli, teilweise von Chorgesängen geprägten Parts und den stellenweise doch eher aggressiven Passagen, bei denen Baldur die Vocals übernimmt. Zumindest ich bin vom mehrstimmigen Gesamtpaket mehr als nur begeistert! Wo wir vorhin von verschiedenen Alben gesprochen haben: Im Fokus steht heute ganz klar der neueste Silberling, der mit ganzen sechs Songs vertreten ist. Die anderen fünf Alben schaffen es gemeinsam nur knapp, mit sieben Songs die Mehrheit zu halten.

Nicht zwingend jedoch, wenn man die Spielzeit der Songs in die Wertung mitaufnimmt. Die Setliste, die vor mir am Boden liegt, verrät, dass bereits etwa zwei Drittel der Songs gespielt wurden, als die ersten Teile des 11-minütigen Epos «Ullur» erklingen. Den gemütlichen, jedoch viel Spass bereitenden Song haben die Isländer ebenfalls in besagter Schaubar auf der FMC gespielt. Dies war für mich dessen Live-Premiere und ich war begeistert! Die ruhigen Gesangsparts von Drummer Jón Geir finden in diesem repetitiven Glanzstück einen Stellenwert, der aus dem Liedchen etwas ganz Besonderes macht. Das muss man noch geniessen. Schliesslich ist zu bezweifeln, dass man derart lange Songs über die «Ýdalir»-Tour hinaus live hören wird…

Es vergehen drei weitere Songs, bis die Herren die wichtige Ansage machen, sie werden sich jetzt nicht von der Bühne kämpfen – die ist mit all dem Equipment wirklich eng –, nur um danach gleich wieder für die Zugabe hervorzukommen. Stattdessen spielen sie direkt ihre Überhymne «Kvaðning» an. Den Song, mit dem ich Skálmöld damals kennenlernte. Und den Song, der auch heute noch ihr bekanntester ist und an keinem Konzert fehlen darf. Diese Bekanntheit ist auch dem Publikum anzumerken, welches im künstlichen Schneefall freudig hüpft und mitjohlt. Danach ist – und das war natürlich absehbar – Schluss. Zurecht wird die Band noch minutenlang gefeiert, bevor sie die Bühne verlässt.

Mann, jetzt muss ich doch nochmals zum Merchstand und mir die herausstechende hellblaue Mütze und einen weiteren Patch holen… Oops!

Setlist – Skálmöld

  1. Ýdalir
  2. Gleipnir
  3. Ratatoskur
  4. Fenrisúlfur
  5. Móri
  6. Narfi
  7. Skuld
  8. Veðurfölnir
  9. Ullur
  10. Verðandi
  11. Niðavellir
  12. Að vetri
  13. Kvaðning

Das Fanzit – Skálmöld, Metsatöll, Atavistia

Die kanadischen Opener Atavistia sorgten mit ihrer schnellen Mucke für einen angenehmen, wenn auch gar rasanten Einstieg in den Abend. Danach wärmten Metsatöll mit ihrem von estnischem Folk geprägten Metal und ihrer warmen Art das ob der vielen Instrumente staunende Publikum so richtig auf. Absoluter Höhepunkt des ganzen Abends waren jedoch – zumindest in meinen Augen – die Headliner Skálmöld, welche den Fokus ihres Sets stark auf das vor Kurzem erschienene «Ýdalir» legten.

Es ist sehr schwierig, aus den vier Skálmöld-Gigs, die ich 2023 erleben durfte, den besten auszuwählen. In der Jahreshitparade hat ein anderer den Sieg für sich entschieden, doch der heutige Auftritt würde sich in den Jahreshighlights genauso gut machen. Schliesslich war er genau das: einer der besten Auftritte des Jahres.

Psst… Wenn du jetzt Lust bekommen hast, Skálmöld live zu erleben: Am 12. März kommen die Isländer wieder in die Schweiz und sorgen im Zürcher Exil hoffentlich für eine genauso intensive Party.


Wie fandet ihr das Konzert?

11.02.2024
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