Coroner setzen mit «Dissonance Theory» neue Massstäbe
Die legendäre Zürcher Progressive-Thrash-Band Coroner feierte die Veröffentlichung ihres neuen Studioalbums und löst damit eine Welle der Begeisterung aus. In allen relevanten Medien wurde bis jetzt darüber berichtet. Ganz klar, dass das gefeiert werden muss.
Beide Club Shows in Zürich waren in kürzester Zeit restlos ausverkauft. Das war zu erwarten, denn das neue Album knüpft nicht unbedingt nostalgisch an alten Klassikern an, sondern präsentiert einen modernen, progressiven Sound mit Thrash- und Groove-Elementen und überzeugt damit auf voller Länge.
Metalinside (Pam, Liane, Luke) war an beiden Release-Shows dabei: 14. November 2025 im Dynamo und 16. November 2025 im Plaza Klub:
Tar Pond – Brutal, traurig, faszinierend
Liane: Tar Pond als Support Act auszuwählen war der perfekte Entscheid. Mit Ex-Coroner Drummer Marky Edelmann am Schlagzeug hat sich der Kreis geschlossen. Ein Musiker, der über Jahrzehnte die Schweizer Metal-Geschichte geprägt hat, war endlich wieder auf der gleichen Bühne wie Coroner, aber dieses Mal mit einem düsteren, reifen, völlig eigenem Projekt. Musikalisch nimmt Tar Pond das Publikum auf eine Reise mit, voll von Traurigkeit und Brutalität. Live kommt die schwere Mischung aus Doom, Metal und Sludge bedrückend schön rüber. Tar Pond bieten keine schnellen Riffs, sondern wuchtige, schleppende Gitarren, tiefe Bässe und eine fast schon bedrohliche Stimmung, die live absolut faszinierend wirkte.
Luke: Nun, rein musikalisch passen Tar Pond nicht so richtig zu Coroner. Oder wie Sänger Thomas Ott es im Plaza selber sagt: So eine langsame Truppe ist ja eigentlich kein Einheizer für eine Thrash-Band. Dank der personellen Überschneidung, welche Liane schon erwähnt hat, passte das trotzdem perfekt. Zudem besteht das Coroner-Publikum ganz offensichtlich aus sehr aufmerksamen Zuhörern. So war die Stimmung bei beiden Shows natürlich passend zur Musik nicht gerade ausgelassen während der Vorband, aber die Anwesenden haben den dargebotenen Klängen sehr interessiert gelauscht. Und Tar Pond selbst haben auf der Bühne bewiesen, dass sie für ihre Musik brennen. Die Spielfreude war besonders im Plaza mehr als nur spürbar. Somit ein gelungener Einstieg.
Coroner – eines der Highlights in 2025
Liane: Ein absolut historischer Moment in der Bandgeschichte von Coroner. Wer es nicht geschafft hat an eine der Release-Shows zu kommen, Hölle! Der Weg zum neuen Album war lang: Nach der Wiedervereinigung kursierten diverse Gerüchte und im Jahr 2022 gab es mit «Sacrificial Lamb» erstmals einen Vorgeschmack auf neue Musik. Songs aus «Dissonance Theory» endlich live erleben zu können, in Kombination mit Klassikern und noch nie zuvor gespielten Songs, war also ein absolutes Highlight. Die agile Gitarrenarbeit von Tommy Vetterli, die markante Stimme von Ron Broder und das dynamische Schlagzeugspiel von Diego Rapacchietti war bei beiden Konzerten perfekt inszeniert. Ein besonderes Highlight war Daniel Stössel, der Coroner live mit Keyboard, Samples und Background-Vocals unterstütze. Kurz gesagt: Coroner waren live frisch, modern und präsentierten sich ohne rückwärtsgewandte Kompromisse. Eine absolute Bereicherung!
Luke: Was hatte ich mich auf das neue Album gefreut. Nur um dann bei Release festzustellen, dass die hohen Erwartungen noch übertroffen werden! Umso gespannter bin ich im Dynamo und Plaza aufgetaucht, um zu sehen, wie das Ganze live umgesetzt wird. Und ich kann Coroner bedenkenlos attestieren: Erneut wurden Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern sogar übertroffen. Die Setliste ist an beiden Abenden gleich zusammengestellt und bietet einen guten Mix: Die ersten drei Stücke inklusive Intro spiegeln den Einstieg ins aktuelle Album wieder. Danach folgt ein «Best-of»-Block, welcher mit «Symmetry» nur ein weiteres neues Stück bietet. Zum (vermeintlichen) Abschluss folgt das Finale von «Dissonance Theory», allerdings mit einer leicht gekürzten Version des Outros «Prolonging». Das wars dann aber noch nicht, im Zugabe-Teil ersetzt Ur-Drummer Marquis Marky für das legendäre Hendrix-Cover «Purple Haze» den aktuellen Schlagzeuger Diego Rapacchietti hinter der Schiessbude. Und als definitiven Schlusspunkt gibt es mit «Reborn Through Hate» und «Die By My Hand» nochmals zwei absolute Klassiker zu geniessen.
Die Band spielt an beiden Abenden auf absolut schwindelerregend hohem Niveau. Dass Tommy Vetterli einer der besten Gitarristen der Welt ist, weiss unterdessen ziemlich sicher praktisch jeder Metalhead. Aber von Ron Broder bin ich ebenfalls immer wieder begeistert! Neben dem absolut prägenden Bass-Spiel, ist auch seine Stimme über jeden Zweifel erhaben. Seine gesangliche Leistung ist schon auf dem neuen Album eine absolute Wucht, und die Live-Performance ist ebenso stark und sehr beeindruckend. Sogar wenn, wie zu Beginn der Plaza-Show, der Monitor-Sound nicht perfekt ist: Ron meistert auch kleine Schwierigkeiten mehr als nur souverän. Mit Diego hat die Band zudem einen absoluten Top-Drummer in ihren Reihen, welcher mit sehr energetischem und präzisem Spiel mehr als nur ein solides Fundament legt. Eigentlich ein richtiges Power-Trio, aber der von Liane bereits erwähnte Daniel Stössel gehört mittlerweile definitiv auch dazu und hat seinen erheblichen Anteil am typischen Coroner Live-Sound.
Das Fanzit – Coroner, Tar Pond
Luke: Wenn ich die beiden Abende vergleichen müsste, dann hätte die Show im Plaza ganz knapp die Nase vorne. Nicht nur wegen dem nochmals etwas intimeren Rahmen, sondern auch, weil die Band hier ein wenig lockerer und gelöster wirkt. Eventuell war die Anspannung vor der Haupt-Plattentaufe im Dynamo doch noch etwas grösser. Unter dem Strich waren aber beide Konzerte ein echtes Erlebnis und ich werde mich noch lange daran erinnern. Danke Coroner! Für das neue Album, für zwei überragende Shows – und schlicht und einfach dafür, dass ihr endlich zurück seid!
Die Setlist – Coroner Release-Shows
- Oxymoron (Intro)
- Consequence
- Sacrifical Lamb
- Divine Step
- Serpent Moves
- Masked Jackal
- Symmetry
- Semtex Revolution
- Tunnel Of Pain
- Metamorphosis
- Grin
- Renewal / Prolonging (Outro)
- Purple Haze (mit Marky)*
- Reborn Through Hate*
- Die By My Hand*
*Zugabe
Coroner zogen Fans aus der ganzen Welt an
Liane: Kleine Clubs, grosses Publikum: Weltweit (u.a. auch aus China) kamen Fans von Coroner angereist, um diesen Moment zu feiern. Metalinside sprach mit Randi Roark, die extra aus den USA angereist kam, um die Realease-Shows zu besuchen.
Metalinside (Liane): Seit wann bist du Fan von Coroner und was reizt dich an dieser Musik?
Randi Roark: Ich bin seit über dreissig Jahren ein grosser Fan, seit 1991, als «Mental Vortex» herauskam. Es gab ein Club in dem ich oft rumhing und wo das Album gespielt wurde, und ich war sofort von der Musik begeistert. Sie war so heavy, thrashig, mit groovigen Parts und diesen kehligen, aber dennoch verständlichen Vocals – genau das macht für mich phänomenale Musik aus. Zugegeben, ich hatte zuvor noch nie von Coroner gehört, aber ich kann sagen, seitdem sind sie einer meiner Favoriten! Ich bin in erster Linie ein Motörhead-Fan, wenn du mich also fragen würdest, welche zehn Alben ich auf eine einsame Insel mitnehmen würde, wäre alle von Motörhead. Wenn du mich jedoch fragen würdest, welche zwanzig Alben ich mitnehmen würde, wäre «Mental Vortex» ganz sicher dabei! Ich habe dieses Album tausende Male von Anfang bis Ende gehört, aber «Dissonance Theory» hat jetzt einen ganz besonderen Platz eingenommen, nicht nur wegen der Musik, sondern auch wegen der Magie, einige dieser Songs live gesehen zu haben. Live-Konzerte sind für mich das A und O. Es gibt Zeiten, in denen ich mich erst dann verbunden fühle, wenn ich es live spüre und sehe, aber Coroner haben es geschafft, lange bevor ich sie live gesehen habe, in meinem musikalischen Herzen zu leben.
MI: Wie hast du reagiert, als du das neue Album gehört hast?
Randi Roark: Meine erste Reaktion war «HELL YEAH» … da sind sie! Sie haben sich weiterentwickelt, aber es ist eindeutig Coroner! Dieser Sound, die Komplexität und die ganze Härte waren unverkennbar typisch für sie, aber keine Wiederholung früherer Werke. Als ich das Album zum ersten Mal hörte, stachen «Sacrificial Lamb», «Trinity» und «Oxymoron» besonders hervor, aber nachdem ich «Sacrificial Lamb» zweimal live gesehen habe, ist es jetzt mein Lieblingssong! Um es klar zu sagen: Ich liebe das ganze Album, und mein Lieblingssong kann sich ändern, je öfter ich es höre. Ich bin eine Frau und es steht mir jederzeit frei, meine Meinung zu Songs oder eigentlich allem zu ändern, oder? (Lacht)
MI: Was hat dich dazu motiviert, extra aus den Vereinigten Staaten in die Schweiz zu reisen, um das Album-Release-Konzert von Coroner zu sehen?
Randi Roark: Nachdem ich schon so lange eine grosse Liebe für die Musik von Coroner hegte und sie dann endlich im März dieses Jahres in Baltimore live sehen konnte, konnte ich einfach nicht widerstehen. Als ich erfuhr, dass es ein neues Album und eine Release-Show geben würde, musste ich Nägel mit Köpfen machen. Dazu kam noch die besondere Magie, die eine Band ausstrahlt, wenn sie in ihrer Heimatstadt spielt – ich wusste, dass ich einfach dabei sein musste! Live-Musik zu sehen, ist für mich wie ein Kirchgang. Die Intensität der Bandperformance, von Gleichgesinnten umgeben zu sein und Teil eines einzigartigen Erlebnisses zu sein, zieht mich regelmässig zu Konzerten. Für mich ist es einfach das Beste. Das Set, das ich im März gesehen habe, hat mich so sehr begeistert, dass ich Coroner so schnell wie möglich wieder sehen wollte. Allerdings gab es ein wenig Unsicherheit und Besorgnis, nachdem ich meinen Flug gebucht hatte und noch keine Eintrittskarte für die Show hatte. Was sollte ich tun? Vor dem Club stehen und auf ein Wunder hoffen? Das war ziemlich unwahrscheinlich, vor allem 4’000 Meilen von zu Hause entfernt. Glücklicherweise hatte ich bei meinem ersten Besuch in der Schweiz 2016 eine Schweizer Freundin gefunden. Sie war der Auslöser für eine Kettenreaktion durch einige erstaunliche Menschen, und PUFF, hatte ich ein Ticket. Mein Charlie-Bucket-Moment !!!
MI: Welcher Moment aus den beiden Shows wird dir nach der Rückkehr am meisten in Erinnerung bleiben?
Randi Roark: Jemand vor dem Plaza fragte mich am Sonntagabend, welche Show besser war, nachdem sie erfahren hatte, dass ich auch die Show am Freitagabend besucht hatte. Ich sagte ihr, dass ich zwar keine Kinder habe, diese Frage für mich aber so ist, als würde man Eltern fragen, welches ihr Lieblingskind sei. Ich kann mich glücklich schätzen, dass es viele unvergessliche Momente gab und beide Shows unglaublich waren. Ein paar herausragende Momente waren jedoch:
- Der Opener «Oxymoron» war bei beiden Shows brillant.
- Zwei Reihen vor der Bühne im Plaza zu stehen, als das Set begann, war intensiv … Sie spielten praktisch in Reichweite. Das fühlte sich sehr persönlich an und es war unglaublich, diese Finger über das Griffbrett fliegen zu sehen.
- Die Augen zu schliessen, den rechten Fuss fest nach vorne zu stellen und einfach zu «Metamorphosis» abzurocken. Wenn ich jetzt meine Augen schliesse, kann ich mich noch lebhaft an diesen Moment erinnern.
- Marky am Schlagzeug bei «Purple Haze» zu sehen, war ebenfalls monumental. Die Shows waren grossartig und ich bin so glücklich, Coroner jetzt schon dreimal gesehen zu haben.
Das Warten hat sich nach all den Jahrzehnten absolut gelohnt, aber ich versichere euch, dass es nie wieder so lange dauern wird, solange sie auftreten. Vielen Dank an die Band und die Crew von Coroner von eurem ewigen Fan, Randi.


