Mind Patrol – Interview mit Steve, Mat und Leonie
Thrash MetalÄnderungen in der Jüngerschaft des schwarzen Meeres
Mit «Disciples Of A Blackened Sea» veröffentlichen Mind Patrol das erste Stück Musik seit dem 2022 erschienenen Album «Milking The Masses». Metalinside hat mit Steve (Gesang), Mat (Drums) und Leonie (Gitarre) über Hürden, Veränderungen, und Shows gesprochen.
Metalinside: Ihr hattet einige Änderungen in eurem Line-up. Wie hat sich das auf die Band ausgewirkt?
Leonie: Mit mir kam eine neue Gitarristin und mit Steve ein neuer Sänger hinzu. Abgesehen davon, dass Steve kein Instrument bedient und dadurch sich dadurch intensiver auf den Gesang fokussieren kann, kamen zwei neue Persönlichkeiten, die neue Inputs in die Band brachten. Dies erforderte, dass wir erst ein wenig Zeit benötigten, um uns kennenzulernen, aber das, was daraus entstand, ist sicherlich gut geworden.
Der Charme von Livemusik
MI: Wie wirkt es sich auf Live-Auftritte aus, wenn der Sänger kein Instrument in der Hand hält?
Steve: Wenn du dich rein auf den Gesang zu konzentrieren brauchst, stehen dir viel mehr Möglichkeiten offen, wie du dich auf der Bühne präsentieren und wie du mit dem Publikum interagieren kannst. Doch auch als Instrumentalist kannst du mit den Zuschauern in Kontakt treten. Unser Gitarrist Pfister etwa begibt sich während Solos mit seinem Instrument ins Publikum und spielt da weiter, während dieses um ihn herum Cyrcle-Pits rennt, völlig unbeeindruckt davon, wenn er mal versehentlich angerempelt wird. In den vergangenen Jahren haben wir uns bezüglich Live-Auftritten mehr Gedanken über unser Erscheinungsbild auf der Bühne gemacht. Ich finde hinsichtlich «Live-Power» haben wir uns merklich gesteigert.
Mat: Als Drummer bin ich gezwungenermassen an meinem Platz auf der Bühne gebunden. Aber selbst ich habe, mit Gesten, die Möglichkeit mit dem Publikum zu kommunizieren. Die Hauptverantwortung, Vollgas in den Auftritt zu bringen, liegt jedoch ganz klar bei der «Front Row», den Gitarren, dem Bass und dem Gesang. Und diese müssen sich ordentlich ins Zeug legen. Wenn wir von den Leuten Energie fordern, müssen wir auch Energie zeigen. Man muss unsere Leidenschaft und Hingabe erkennen können, merken, dass wir unsere Lieder auf ganzer Ebene fühlen. Ein Metal Konzert soll keine Veranstaltung sein, an der die Musiker ihre Lieder herunterschrammen und dann die Bühne wieder verlassen, ein Metal Konzert muss eine Veranstaltung sein, die man erlebt.
MI: Rammstein meinten einst, dass man sich zwischen gutem Aussehen und qualitativ hochwertigem Spielen entscheiden müsse (und sie sich eher für ersteres entscheiden). Wie steht ihr zu dieser Aussage?
Leonie: Da ist etwas dran. Ich finde für das Publikum ist das Erlebnis prägender, wenn es showtechnisch ansprechend ist, als wenn gewährleistet ist, dass kein einziger Ton falsch gespielt wird. Das ist irgendwie ja auch der Charme von Livemusik. Glattgebügelte Musik kann man ausserhalb eines Konzertes ab Platte hören.
Mat: Aus der Sicht eines Drummers sehe ich das ein wenig anders. Wenn ich einen Takt verhaue, bringt das die ganze Band ins Schwanken, stört das Klangbild und fällt relativ schnell auf. Insbesondere wenn sich Fehler während eines Auftritts häufen. Müsste ich mich zwischen Show und einwandfreiem Spielen entscheiden, würde, würde die Wahl auf letzteres fallen.
Steve: Die Mischung macht es aus. Liegt der Fokus zu sehr auf der Show und rutscht die Musik zu sehr in den Hintergrund, bringt auch das «gute Aussehen» nichts, um das Publikum von sich zu überzeugen. Am Ende ist es Metal und keine Modeshow.
MI: Konzentriert ihr euch beim Songwriting ausschliesslich darauf, wie das Endprodukt im Studio klingt, oder macht ihr euch bereits Gedanken, wie ihr es auf der Bühne präsentieren könnt?
Mat: In dieser Hinsicht haben wir uns sicherlich weiterentwickelt. Wir machen uns deutlich mehr Gedanken, wie das, was wir auf Platte spielen, live umgesetzt werden kann. Etwa, wie ein komplexes Gitarrensolo auch nach einer halbstündigen, durchgeschwitzten Show wirkt oder an welchen Stellen Steve eine «Verschnaufpause» bekommt. Bei den Alben zuvor waren wir stärker und isolierter auf die Studioaufnahme fokussiert.
Studiostrukturen
MI: Fernab von Auftritten: Was benötigt ein guter Song, damit er auf Platte überzeugt?
Mat: Komplexität. Im Studio ist es deutlich wichtiger als live, originelle Ideen in Lieder zu integrieren, die dann mehr auf den Punkt gebracht werden müssen. Man überlegt viel länger, wo man wie was spielen will und kann. Da uns ein Studio jeweils zu einem festgelegten Zeitpunkt und nur für eine bestimmte Zeit zur Verfügung steht, gilt die Grundregel: Je vorbereiteter man in dieses kommt, desto besser klingt am Ende der Song.
MI: Wie bereitet ihr euch auf eine Studio-Aufnahmesession vor?
Leonie: Ganz viel üben! Bevor wir etwas aufnehmen, haben wir es bereits diverse Male in der Bandprobe ausprobiert und umgeschrieben. Wenn man bereits weiss, wie man einen Track zu spielen hat, kann man sich mehr auf einzelne Details konzentrieren. Ich finde, dass man das dem Endprodukt dann auch anhört. Sowohl auf der Platte als auch live.
Steve: Ähnlich sieht es beim Gesang aus. Üben, üben, üben. Problematisch ist nur, dass Stimmbänder an ihre Grenzen kommen können, weshalb es als Vokalist wichtig ist, einen Ausgleich zwischen Trainieren und Schonen des Gesangs zu finden. Nicht, dass am Studiotag deine Stimme nicht mehr brauchbar ist. Zwei bis drei Tage davor nehme ich es gemütlich und schone meine Stimme besonders. Abgesehen davon, setzte ich, ab so zirka einer Woche vor Aufnahme, auf Salbeitee.
Mat: In der Phase vor einer Aufnahme gibt es verschiedene Levels. Erst kannst du den Song noch nicht und musst ihn entsprechend verinnerlichen. Anschliessend kannst du ihn technisch und wärst eigentlich bereit, ins Studio zu gehen. Wenn du dann aber noch weitergehst, dich vertiefter mit deinem Werk auseinandersetzt, «mit Herz» spielst, deinen Song fühlst, dann hört man das später auch.
MI: Was benötigt es, damit man seinen Song „fühlt“?
Steve: Man muss sich in ihn hineinversetzen, die Message des Stücks verstehen und hinter ihm stehen können. Während einer Studiosession hört man dies besonders gut: Die ersten Takes hören sich oft sehr starr und technisch an. Doch im Verlauf blüht man auf. Die Aufnahmen bekommen Emotionen, mehr Energie. Insbesondere fiel uns das auf, als wir begannen, uns an Gangshouts auszuprobieren (Anmerkung: Gangshouting ist ein Aufnahmeverfahren, in dem eine Gruppe in einem Raum steht und gemeinsam etwas in ein Mikrofon singt oder ruft).
Mat: Ganz genau. Es ist wichtig Dinge auszuprobieren und dann, wenn sie Spass machen, wie die erwähnten Gangshouts, sie ruhig ein wenig öfter umzusetzen.
MI: Wenn ihr ins Studio geht, sind die Demos für die Lieder bereits aufgenommen. Wie sieht der Songwriting-Prozess bei euch aus?
Mat: Bei den letzten beiden Alben war Yves, unser ehemaliger Sänger, der Hauptsongwriter. Entsprechend mussten wir uns auch hier neu finden. Verblieben sind wir bei der Methode, dass wir uns erst über die Thematik und die Lyrics eines Liedes Gedanken machen, um später stimmungstechnisch zum Inhalt passende Musik komponieren zu können. Diese entsteht entweder durch das Werk eines einzelnen Bandmitglieds, das mittels einer Tabulatur-Software Riff um Riff komponiert oder, was wir zuvor nie taten, tatsächlich durch Jammen, wie bei unserer neusten Single «Disciples Of A Blackened Sea». Hier haben wir, nachdem wir das Grundgerüst beieinander hatten, erst mittels der Software Guitar Pro, dann mit richtigen Instrumenten, Demo an Demo aufgenommen und viel wieder verworfen. Am Ende hatten wir locker 27 entsorgte Versionen des Songs, was in unserem Arbeitsprozess keine Seltenheit ist.
Erwachsen werden
MI: Bei diesem Lied handelt es sich um die erste Veröffentlichung seit drei Jahren. Habt ihr euch, abgesehen von den Wechseln im Line-up, verändert?
Leonie: Als Band wurde Mind Patrol «erwachsener». Gerade beim ersten Album wurden, relativ unkoordiniert, einzelne Ideen zu Liedern zusammengewürfelt. Mittlerweile sind wir strukturierter und haben mehr «das Gesamtwerk» im Blick.
Mat: Dem schliesse ich mich an: Generell wurden wir professioneller. Aus dem Gedanken von ein paar Kollegen, die «mal ein bisschen beginnen miteinander Musik zu machen», ist eine Band mit einem hohen Anspruch an sich selbst gewachsen. Das, was wir ins Studio bringen, klingt ausgereifter denn je. Dennoch sind wir immer offen für Inputs von unserem Produzenten.
MI: Es fällt euch nicht schwer, wenn Leute von ausserhalb sich zu euren entstehenden Werken äussern?
Leonie: Überhaupt nicht. Demos zeige ich gerne meinem Freund und wenn ich dann höre, wie er, im Alltag, bestimmte Parts beginnt vor sich hin zu summen, weiss ich, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Am Ende hilft jegliches Feedback weiter, das man bekommt. Dennoch muss natürlich auch der Punkt gefunden werden, an dem jemand entscheidet, wann man von einem ENDprodukt sprechen kann.
Steve: Sicherlich ist es hilfreich, wenn ein erfahrener Produzent, ein Profi, jemand der weiss, von was er spricht, uns mitteilt, was er hört und was er anders umsetzen würde, was uns vielleicht gar nicht auffällt.
Leonie: Teilweise sind das nur kleine Details, ein Ton, der ein wenig anders betont oder minimal vorgezogen wird. Aber vielleicht ist es dann genau dieser Ton, der dazu führt, dass ein Part besonders hervorsticht und einem besonders gefällt.
Mat: Wir hatten das Glück erneut, wie beim zweiten Album «Milking The Masses», mit Toni von Music Passion in Biel zusammenzuarbeiten. Er kannte bereits den Grossteil der Band, wusste welchen Sound wir anstreben und verstand auch schnell, wie Steve seinen Gesang beisteuert, der ja deutlich Death Metal gefärbt ist.
Positive Dystopie
MI: Euer neue Song heisst: Disciples Of A Blackened Sea, zu Deutsch: Jünger eines geschwärzten Meers. Das klingt ziemlich düster und dramatisch. Wie ist das inhaltlich zu verstehen?
Mat: Ich habe mir Gedanken gemacht, dass weltweit zirka 60’000 Öltanker, Millionen Liter Benzin und Schweröl herumschiffen. Immer wieder hört man von Ölkatastrophen. Was wäre also, wenn man das Meer gleich mit Öl füllt, damit die Meeresbewohner auslöschen? Was tot ist, kann nicht mehr sterben, und dafür fährt man nicht mehr mit Öltankern herum, sondern pumpt das Öl gleich aus dem Meer? Somit wäre die Welt mit Energie versorgt, ohne dass Rücksicht auf die Umwelt genommen wird, ähnlich wie es fernab dieser Dystopie, in der Realität, läuft.
MI: Passend dazu habt ihr euren Stil in der Vergangenheit als «Dystopian Thrash Metal» bezeichnet. Wie fahrt ihr inhaltlich weiter?
Mat: Wir bleiben dystopisch. Dies muss nicht unbedingt eine, die ganze Welt betreffende Umweltkatastrophe beschreiben, sondern kann sich auch auf etwas Gesellschaftliches beziehen. Jedoch stets mit dem Kniff, dass wir die Dystopie, in der Rolle des lyrischen Ichs, als etwas Positives verkaufen wollen. Etwa, dass die ganze Erde an einer Ölkatastrophe zugrunde geht, man das aber auch positiv sehen kann, da man so problemlos an Öl kommt. Trotz schwerer Themen gehört zu unseren Texten stets eine grosse Portion Ironie dazu.
Underground-Kultur und Zukunft
MI: Welche Ziele setzt ihr euch für die Zukunft und was würdet ihr noch gerne erreichen?
Leonie: Mit «Disciples Of A Blackened Sea » wollen wir, abgesehen von der im Song transportierten Message, uns selbst, unseren «Drive», in die Welt hinaustragen. «Wir bringen wieder einen Track heraus» sollen möglichst viele Leute erfahren. Im besten Fall erreichen wir ein «neues Publikum», Leute, die uns zuvor noch nicht gehört haben. Für die Zukunft ist einiges geplant und wir haben viel investiert. Schon bald möchten wir, mit einem neuen Set, auf der Bühne stehen.
Steve: Mir ist es wichtig, dass wir Spass auf der Bühne haben. Ob das, was wir da spielen, dann dem Zuschauer gefällt, ist von seinem persönlichen Geschmack abhängig und den können wir nicht beeinflussen. Es wäre schön, wenn wir durch grössere Konzerte, etwa als Support-Act, den Schweiss und Fleiss, den wir in diese Band stecken, mal vollumfänglich ausleben könnten.
Mat: Gerne würden wir nächstes Jahr einige Festivals in Deutschland spielen, da man dort ein grösseres Thrash Metal Publikum als in der Schweiz erreicht, gerade auch in der jüngeren Zielgruppe. Selbst unter 20-Jährigen findet man im grossen Kanton viele Thrash Metal Hörer. Ausserdem ist es interessant als Vorband eines grösseren Acts, wie Soulfly in diesem Jahr (siehe Review), auftreten zu dürfen. Grundsätzlich sind wir glücklich, wenn wir auf einer Bühne stehen und «geile Gigs» mit tollen anderen Bands spielen können.
MI: Wie unterscheiden sich Gigs zwischen Deutschland und der Schweiz?
Steve: Ich erlebe die Underground-Szene in Deutschland als deutlich grösser. In der Schweiz gibt es viele Konzertbesucher, die viel Geld für wenige Konzerte von grossen Acts ausgeben, dafür, wenn überhaupt, nur selten kleine Gigs besuchen. In Deutschland ist der Support für kleinere Bands deutlich grösser. Als wir etwa im Juli am M.U.R. Open Air in Ostdeutschland aufgetreten sind, hatten wir, trotz schlechtem Wetter und der Tatsache, dass wir die erste Band des Tages waren, den Platz vor der Bühne voll und so viel Merch verkauft wie noch nie.
Mat: Gefühlt steht in Deutschland in jedem Dorf ein Rockschuppen, der dann auch noch jährlich ein kleines Hinterhof-Festival veranstaltet, das stets gut besucht und durch die ganze Ortschaft unterstützt wird. Mittlerweile ist die «Live-Kultur» in der Schweiz wieder am wachsen aber da ist definitiv noch Luft nach oben.
MI: Was kommt noch von euch auf uns, die Hörer, zu?
Steve: Einige dystopische Hits (lacht).
Mat: Auf erwachsenere Songs und, sollte es passen, auf den ein oder anderen Videoclip. Plump gesagt: Auf Musik (lacht).
MI: Auf was für Musik?
Mat: Ich würde sagen, allein schon was die Lyrics anbelangt, auf kreativ ausgearbeitete Songs, die uns gefallen. Themen aus einer sowieso schon dystopischen Welt, die wir weiter auf die Spitze treiben.
Steve: Zu viel wollen wir aber noch nicht verraten. Es soll schliesslich spannend bleiben!
MI (Silas): Dann bleibt es interessant. Ich bedanke mich auf jeden Fall für eure Zeit.
Das Line-up – Mind Patrol
- Steve – Vocals
- Pfister – Guitars
- Leonie – Guitars
- Fäbu – Bass
- Mat – Drums