Save Your Last Breath (Plattentaufe), Lotrify, Artifiction u. a.
Werkk Kulturlokal (Baden, CH)
Plattentaufe von «Elegies»
Im März veröffentlichten Save Your Last Breath ihr aktuelles Album «Elegies» und feierten dies eine Woche später mit einer Release Show im Werkk Baden. Mit von der Partie waren vier weitere Schweizer Core-Bands.
Nur wenige Monate zuvor fand das Eye See You Festival statt, in dessen Rahmen Save Your Last Breath das Werkk in Baden bereits beehrten. Schon damals nahmen sie mit ihrem Sound und ihrer Präsenz den Raum komplett ein, und jetzt sind sie Headliner ihres eigenen kleinen Anlasses. Zusammen mit den Lokalmatadoren Lotrify, den Kapellen Artifiction und Thorn. (ja, der Punkt gehört zum Bandnamen) sowie der noch jungen Band Taoist sorgen sie an diesem Samstagabend für ein lohnenswertes Programm.
Taoist
Für Taoist ist es einer der allerersten Auftritte – das Live-Debüt gaben sie erst vor wenigen Wochen. An Erfahrung mangelt es dem Vierer aber kaum, denn man kennt alle Musiker bereits aus anderen Bands. Sänger Ricky zum Beispiel spielte früher bei Whiteout Gitarre und Bella bei Eversis (beide kennt man vom Podcast Metal Cervelat). Hinter dem Schlagzeug nimmt eigentlich Dave von Save Your Last Breath Platz, jedoch wird er heute von Dänu ersetzt, der schon bei Whiteout für die Schiessbude verantwortlich war. Wie ich später am Merchstand erfahre (wo unter anderem Kassetten angeboten werden), steht hinter Taoist ein Kollektiv, das die Hauptmusiker ersetzen kann, sollten diese bei einem Auftritt verhindert sein. Weitere Asse, die Taoist im Ärmel haben, kennt man von Expellow oder The Kate Effect.
Taoist eröffnen also den heutigen Anlass und fallen sofort dank ihrer charakteristischen schwarz-weissen Trikots auf. Musikalisch bewegen wir uns im metallisch angehauchten Hardcore, der jedoch von markanten Einflüssen aus dem Post Grunge dominiert wird. Allen voran tragen Rickys klare Vocals diese Stimmung in Taoists Klangwelt. Passenderweise hat die Band ihren Stil in frühen Posts Deftones-Core genannt. So abwegig ist das tatsächlich nicht…
Mit dem wilden Eröffnungsgig machen Taoist sich bekannt und das Publikum heiss auf mehr. Dass dazwischen Nickelback gecovert wird – nun spielt Ricky die zweite Gitarre – stört kein wenig. «How You Remind Me» passt sogar sehr gut zum Set. Nach neun Songs ist Schluss, und ich freue mich auf viele weitere Taoist-Konzerte.
Die Setlist – Taoist:
- Not So Different After All
- Cast Aside
- We Are One
- The Weight Of It All
- Burden
- Expiration Date
- How You Remind Me (Cover: Nickelback)
- Enter The Cavalry
- Mist
Thorn.
Mit Thorn. aus Olten hatte ich in der Vergangenheit genau einmal Kontakt: am Bullhead Festival 2024. Das Sextett blieb mir vor allem wegen des etwas ungewöhnlichen Keyboardkonstrukts in Erinnerung. Dieses ist im Werkk jedoch nicht mit von der Partie. Nein, Thorn. sind heute zu fünft unterwegs. Mit der klassischen Metal-Instrumentierung heben sie sich zwar nicht mehr von anderen Metalcore-Bands ab, trotzdem heizen sie mächtig ein. Ich frage mich, ob der Sänger in seinem Pulli und der eine Gitarrist unter seiner Mütze nicht fast sterben vor Hitze. Mir zumindest ist schon in Shirt und kurzer Hose warm…
Wie dem auch sei, Thorn. liefern einen explosiven Auftritt. Visuell wird dieser vom Logo – einem T mit Punkt vor einer Sonne mit langen Strahlen – sowie nervösem Licht untermalt. Zwar gefallen mir die Songs nicht ausnahmslos, umso mehr jedoch die Energie der Truppe.
Artifiction
Am selben Bullhead Festival, einfach einen Tag später, sah ich den nächsten Act, Artifiction, zum letzten Mal. Jener Auftritt ging in die Geschichte ein wegen des Sänger-Karussells, mit dem die Metalcorer ihren Gig trotz vakantem Posten am Mikro retteten. Nun hat die Truppe mit einem gewissen Dammis Ersatz gefunden. Nicht nur Schnellmerkern dämmert es innert Sekundenbruchteilen: Das ist doch der Dude, der eben noch bei Thorn. rumbrüllte? Richtig, Dammis hat heute einen Doppelauftritt…
… und läck Bobby! Als Artifiction noch mit ihrem alten Sänger unterwegs waren, konnte ich mit den Vocals leider nicht viel anfangen (siehe Review Eye See You Festival 2022). Der neue Shouter erwischt mich nun umso unerwarteter und gibt den sowieso schon überzeugenden Songs die nötige Härte in den Vocals. Eine gewisse Portion Klargesang bleibt natürlich erhalten, doch finden Artifiction nun eine (für mich) angenehme Mischung. Zusammen mit den geilen Breakdowns überzeugt die Band nicht nur mich, sondern auch den Rest des Publikums, welches den Auftritt mit Circle Pits goutiert.
Save Your Last Breath
Als eigentlicher Headliner des Abends treten Save Your Last Breath nicht als Letztes, sondern an Stelle vier von fünf auf. Wie es sich für einen solchen Anlass gehört, sind die Musiker äusserst gut aufgelegt. Dies zeigt sich zum Beispiel an Sänger Ricos Ansprache ans Publikum, das er als «geili Sieche und Siechinne und alles dezwüshe und usserhalb» bezeichnet. Die Lacher hat er mit solchen Sprüchen sofort auf seiner Seite.
Zwischen den Ansagen, also während den Songs, ist Lachen jedoch kein Thema: Der schnelle, von Black-Einflüssen geschwängerte Deathcore des Quartetts verleitet viel mehr zu kräftigen Bewegungen der Halsmuskeln. Die Haare fliegen, genau so wie nach ein paar Songs Ricos schwarz-roter Windbreaker, der mit dem roten oberen Drittel ungewohnt viel Farbe an den Schreimann bringt. Doch hä, was ist das? Trug der Typ bis gerade eben wirklich zwei Jacken übereinander? Unter der ersten Schicht kommt nämlich der übliche Windschutz hervor, ohne den man Mister Bamert äusserst selten auf der Bühne sieht. Und ich fragte mich bei Thorn., ob den Herren nicht heiss war…
Doch genug der modischen Komponenten! Was heute zählt, ist das neue Album «Elegies», welches mit fünf von neun Stücken das absolute Mehr auf der Setliste hält. Wie auch bei früheren Tracks von Save Your Last Breath bilden wuchtige Riffs, symphonische Einspieler und hässige, keifende Vocals die Grundpfeiler des Sounds. Da das Album schon acht Tage vor der Show releast wurde, habe ich einige der Melodien bereits im Ohr und wenn mein Head nicht gerade mit Bangen beschäftigt ist, muss er schauen, dass er sich nicht horizontal zweiteilt – so breit ist mein Grinsen nämlich! Apropos Gesichtsaktivitäten: Die Mimik, mit der Rico sein Gekeife untermalt, ist einmal mehr zum Goisse.
Dabei gibt es auf dem Rest der Bühne noch so viel anderes zu beachten. Den beiden Saitenmeistern zuzuschauen ist genauso ein Genuss wie das Beobachten von Trommler Dave. Dieser bearbeitet seine Felle und Becken mit einer packenden Tightness – und das trotz des hohen Speeds. Die vier Jungs legen einen sackstarken Auftritt hin. So kommt es ein bisschen unerwartet, dass mit «Blazing Sun» (welch Granate!) bald der letzte Song angekündigt wird. Nice, danke, gerne wieder!
Die Setlist – Save Your Last Breath
- Overthrown
- Metamorphose
- Labyrinth
- Regicide
- Bloodstained Faith
- Transient
- Gloom
- Blackbox
- Blazing Sun
Lotrify
Wer denkt, dass es beim letzten Act ruhiger zu und her gehen könnte, täuscht sich gewaltig. Zwar bewegen sich Lotrify auf einer niedrigeren Geschwindigkeitsstufe als Save Your Last Breath, doch ist der in Richtung Hardcore tendierende Metalcore der Badener eine Garantie für Stimmungseskalation! Den nötigen Antrieb liefert der Fünfer nicht nur musikalisch, sondern auch mit dem eigenen Bewegungsdrang. Gerade bei Sänger Sacha scheint dieser besonders ausgeprägt, läuft er doch dauernd hin und her und verleiht seinem Auftreten somit eine eigene Note.
Waren Save Your Last Breath zweifelsohne musikalisch intensiver unterwegs, beherrschen Lotrify das Spiel mit dem Publikum irgendwie besser. Die Beziehung zwischen Musikern und Besuchern lebt von der gegenseitig anfachenden Energie. Eine Win-win-Situation, wie sie im Buche steht! Mit Hits wie «Xenophobic» und dem überragenden «Ill-Minded» bringen Lotrify den Abend problemlos ins Trockene. Wer jetzt nicht erschöpft ist, hat etwas falsch gemacht.
Das Fanzit – Save Your Last Breath (Plattentaufe), Lotrify, Artifiction u. a.
Der Anlass zum heutigen, ähm, Anlass war die Plattentaufe von «Elegies». Dabei haben Save Your Last Breath jedoch nicht nur eine eigene Show mit Fokus auf die neue Scheibe organisiert. Nein, gefeiert wurde ein wilder Samstagabend mit fünf Core-Acts, welche alle auf ihre eigene Art überzeugten. Taoist zeigten schon nach wenigen Auftritten, dass sie auf der Bühne einfach liefern wollen. Thorn. und Artifiction hoben die Temperatur im Saal kontinuierlich an. Save Your Last Breath hatten nach dieser Vorbereitung und aufgrund ihres sehenswerten Auftretens schliesslich keine Mühe, eine ihrem Album absolut würdige Release Show zu feiern. Zuletzt holten Lotrify den letzten Tropfen Energie aus dem Publikum und sich selbst heraus. Der Abend im Werkk darf somit definitiv als «äusserst gelungen» bezeichnet werden!


