Sa, 8. März 2014

Open Air Gränichen

Moortal (Gränichen, CH)
11.09.2014

Am zweitletzten August Wochenende pilgerten eine stattliche Anzahl Freunde von harter Mucke und  Liebhaber von bluesigen Klängen ins gut 7’000 seelengrosse Aargauer Dorf Gränichen. Zum 20. Jährigen Jubiläum des Openairs  haben die Veranstalter weder Kosten noch Mühe gescheut und Top Acts aus Nah und Fern aufgeboten.

Shadows Of Defeat aus dem Raum Zürich mit unorganisiertem Punk – Gitarren – Chaos und Strained Nerve aus dem Aargau die sich irgendwo zwischen Melodic Death und Modern Thrash bewegen eröffneten den Samstag bereits am frühen Nachmittag.

Bei Chelsea Deadbeat Combo aus dem Grossraum Langenthal, die danach auf der Mainstage spielten, ist die Zuschauerzahl schon beachtlich gestiegen. Den Namen der Band hatte ich bis dato noch nie gehört und die Überraschung fiel positiv aus. Wuchtig und mit Druck feuerten die Berner einen Mix aus Hardcore und Punk in die Menge. Schreihals Norman war ständig in Bewegung, kommunizierte mit dem Publikum und brachte doch einige vor der Bühne zum Ausflippen. Zum Abschluss des Sets krallte er sich noch eine Gitarre und zu viert zockte die Saitenfraktion das Set zu Ende.

Nahtlos ging es im Festzelt mit Black Space Rider, in einheitlich schwarzen Overalls gekleidet, weiter. Übrigens war dies der erste Auftritt in der Schweiz, wie stolz verkündet wurde. Ihr Sound dürfte wohl zwischen Psychodelic, Metal und Space-Rock angesiedelt werden. Auffallend gitarrenlastig, teilweise etwas spacig und doomig, wechselten sich ruhigere Passagen mit rockigeren ab. Das Zelt war bis zur Mitte gut gefüllt, verleitete ein paar Nasen zum Tanzen oder gemächlich die Rübe schütteln. Im hinteren Teil des Zelts wurde die Show hauptsächlich beim Sitzen genossen. Obwohl der Sound gut abgemischt war und coole Hooklines enthielt wurde er mit der Zeit etwas eintönig und vertrieb mich an die Hawaii-Bar.

Unterdessen bereiteten sich The Intersphere aus Mannheim auf der Mainstage für ihren Gig vor. Der Vierer beeindruckte mit gut gespieltem Alternative Rock, der geile Riffs enthielt. Die Anfänge der Songs waren durchaus interessant, verloren aber teilweise schnell den Drive und flachten ins Langweilige ab. Zudem hätte die Stimme des Sängers etwas druckvoller sein dürfen. Nichtdestotrotz, die Mannheimer legten einen guten und unterhaltsamen Gig auf die Planken.

Im Festzelt tönten nun die ersten Töne von Rude Tins durch die Boxen. Gitarren, Bass, Drums und dazu noch viel Brass mit Trompete, Sax und Posaune machten die Kapelle komplett. Funk mit Punk vermischter Sound liess die Meute im Festzelt abfeiern. Sorry liebe Leser, dies konnte und wollte ich meinen Lauscher nicht antun und ich verzog mich zum Pizzastand.

Monkey 3 aus Lausanne verzichteten anschliessend komplett auf Gesang und setzte nach einem düsteren Intro als reine Instrumentalband ein Zeichen im Namen des Psychedelic Stoner Rocks. Die Songs wurden auf einem technisch sehr hohen Niveau gespielt, enthielten eine leichten Progmetal-Touch und wurden mit einer genialen Lichtshow untermalt. Die aber zur frühen Abendstunde nicht optimal zur Geltung kam. Das Stageacting der Romands liess zu wünschen übrig, wäre da nicht der Bassist gewesen, der mit kreisenden Haaren etwas Bewegung in die Szenerie brachte. Monkey 3s Musik zog das Publikum in ihren Bann und der Auftritt wurde gebührend gefeiert.

Mit Marathonmann kam dann endlich Wucht in die Bude oder besser gesagt ins Festzelt. Die Post-Hardcore Band aus Deutschland polterte drauflos, dass es die Metalheads von den Festbänken riss und sich todesmutig in die schon pogende Die-Hard-Fan-Menge vor der Bühne stürzte. Crowd Surfer sowie Circle Pits liessen nicht lange auf sich warten. Die Texte sind übrigens bei Marathonmann in Deutsch und kommen neben gesprochenem und geschrienem rotzig frech rüber. Der wirklich gut gemachte Post-Hardcore / Punkrock traf den Nerv des Publikums.

Nach diesem Dampfhammer kamen die Schweden Truckfighters mit ihrem doomig angehauchten Heavy-Metal-Stoner-Sound-Mix zur richtigen Zeit, um sich eine Verschnaufpause vor dem nächsten HC-Act einzulegen. Der Herr an den Drums verprügelte mit einem Dauergrinsen seine Küche und hatte sichtlich Freude am Auftritt. Gitarrist Dango mit nacktem Oberkörper hüpft wie irre über die Bühne und poste vor seien zwei knallroten Mesa Boogie Türmen. Zudem schafft er es trotzdem, neben dem giftigen Gequietsche, seiner Axt ein paar ordentliche Melodien zu entlocken. Beim Gitarrenwechsel hatte er hingegen Mühe und schaffte es nur mit Hilfe des Rowdies den Gurt zu lösen was zu ein paar peinliche Schweigeminuten auf der Bühne führte. Kaum war das Malheur behoben legte er wieder mit seinen Akrobatik-Übungen los. Auch Sänger und Bassist Ozo probierte mit zu halten, legte aber nicht die gleiche Durchgeknalltheit auf die Bretter. Das Trio trumpfte mit dreckigem, gitarrenlastigen, teilweise psychedelischen Sound, der gut abgemischt war, beim Publikum zündete und dank guter Performance für einen kurzweiligen Auftritt sorgte.

Meine Fresse was danach im Festzelt bei Vale Tudo aus Zürich abging, lässt sich fast nicht mit Worten beschreiben! Das Festzelt platze aus allen Nähten, im hinteren Teil des Zeltes standen alle auf den Bänken, um was vom Gig mitzubekommen. Schon bevor Vale Tudo auf der Bühne erschien, brodelte es im Publikum und Vale Tudo-Rufe waren zuhören. Da die Bühne nicht sehr hoch war und der Fotopit dementsprechend eng war, setzten wir Fotografen uns auf die Tritte, die für die Security gedacht waren. Ans Aufstehen war danach nicht mehr zu denken, wenn man nicht eine Fuss oder einen sonstigen Körperteil eines Crowd Surfers am Kopf haben wollte. Schon bei den ersten Tönen der Old School Hardcore Band, drehte das Publikum komplett durch, drückte wie verrückt auf die Absperrgitter, so dass wir befürchteten, im schlimmsten Fall unter fallenden Gitter begraben zu werden. Die Security hatte alle Hände voll zu tun und kassiere ab und zu eine satte Ladung Bier über die Köpfe. Der Auftritt von Vale Tudo strotzte nur so vor Energie, die gewohnten Witze zwischen den beiden Shouters fanden Anklang und das lebensgrosse blaue Bandmaskottchen in Bulldogge-Gestalt sorgte für Schmunzeln. Ein in ganzer Linie gelungener Auftritt der Zürcher.

Dann endlich kreuzte Heaven Shall Burn auf der Mainstage auf. Die Erwartungen an die Band waren nach dem Auftritt an den Metaldays Tolmin (siehe Review) gross. Und meine Erwartungen wurden erfüllt. Zwar konnten die Deutschen nicht die ganze Bühnenshow mit Feuer- und Rauchsäulen auffahren,aber musikalisch spielte dies eh keine Rolle. Die Jungs legten einen absolut soliden und professionellen Gig hin und knallten einen Hit nach dem andern in die Runden und legten zudem eine gute Spielfreude zu Tage. Marcus (V) hatte die Metalheads im Griff und stachelte die Menge wie gewohnt zum Circle Pit an. Diese liess sich dies nicht zweimal sagen und startete steil durch. Heaven Shall Burn hämmerten ihren Death Metal/Hardcore Mix völlig tight und mit Wucht durch die Boxen, das die Hosen flatterten und wurde mit kräftigem Applaus belohnt. Die gut 75 Minuten Spielzeit ging wie im Fluge vorbei.

Auf der kleinen Bühne standen nun die sympathischen Portugiesen von More Than A Thousand in den Startlöchern und verwöhnten das zahlreich erschienene Publikum mit einer melodischen Auslegung des Metalcores. Shouter Vasco erinnerte übrigens vom Aussehen an Machine Heads Rob Flynn. More Than A Thousand konnte nicht zuletzt auch dank ihrer sympathischen und energiegeladenen Art auf ganzer Linie überzeugen. Zudem sind sie instrumental versiert und wer den Auftritt der Portugiesen in Gränichen verpasst hat, sollte sich unbedingt bei nächster Gelegenheit eine Gig der Jungs reinziehen. Es lohnt sich auf jeden Fall.

Den Abschluss des Festivals durften die Australier Deez Nuts machen. Die Aussies drücken Hardcore oder Rapcore ab, mischen diesen mit Metal und HC-Riffs und sind bekannt für offenherzige Texte. Kein Wunder verlangten die Jungs auf der Bühne gegen Ende des Sets lautstark nach „show us your dicks“. Dieser Aufforderung kam ein Jüngling nach, kletterte auf die Bühne, streckte seinen nackten Arsch ins Publikum, drehte sich um und schüttelte seinen Rüssel. Danach zog er genüsslich die Unterhosen hoch, die vermutlich anno 1940 der letzte Schrei gewesen sind. Die Begeisterung auf Bühne und im Publikum ab diesem Anblick hielt sich in Grenzen. JJ Peters (V) im Rapper-Look mit Kapuzen-Tarnjacke und Cap, verkündete das dies der letzte Gig der Tour war, griff zwischen den Songs immer wieder zur Whiskyflasche und flitzte danach wieder kreuz und quer auf der Bühne rum. Auch der Rest von Deez Nuts war ständig in Bewegung und sorgte für ein interessanten und gelungen Auftritt. Das Publikum zollte der Band mit viel Applaus.

Das Open Air Gränichen durfte zum 20. Jährigen Jubiläum einen Besucherrekord verbuchen. Wettermässig war es eher kühl. Petrus hatte zum Glück gefallen am Anlass und öffnete seine Schleusen nicht. Die Temperatur hätte er aber um einige Grade hochschrauben können. Dann hätte das extra aufgestellte Pool und die Wasserrutsche mehr Anklang gefunden.

Wie jedes Jahr war auch der Campingplatz direkt dem Gelände angeschlossen und konnte in kurzer Zeit erreicht werden. Sanitäranlagen standen natürlich genügend zur Verfügung.

An Verpflegung mangelte es wie gewohnt auch nicht. Mit diversen Ständen von Pizza über Pasta und von Kebab über BBQ  wurde dafür gesorgt. Frühstück wurde am Samstag- und Sonntagmorgen feilgeboten.

Auf Shopping-Tour muss man(n) oder frau nicht verzichten, denn Merchandise-Stände waren ebenfalls vor Ort. Parkplätze waren  in wenigen Gehminuten zum Festivalgelände genügend vorhanden und gut ausgeschildert. Wer mit ÖV angereiste, war vom Bahnhof Gränichen Oberdorf nur einige hundert Meter vom Festivalgelände entfernt.

Das Open Air Gränichen machte seinem guten Ruf auch dieses Jahr alle Ehre und trumpfte mit allem was ein Festival ausmacht. Trotzdem hat es  seinen familiären Charme behalten und ist überschaubar geblieben.

Auf ein neues Festival im Jahre 2015 freuen wir uns.


Wie fandet ihr das Festival?

11.09.2014
Weitere Einträge von

Black Space Rider, Chelsea Deadbeat Combo, Deez Nuts, Marathonmann, Monkey3, More Than A Thousand, Rude Tins, Shadows Of Defeat, Strained Nerve, The Intersphere, Truckfighters, Vale Tudo

 
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Autor Bewertung: 8.5/10